Zug durch das Rote Meer
Antonio Tucci, Biagio d’
Vatikan; Vatikanstadt; Cappella Sistina
Inhaltsverzeichnis
Objekt
Bildrechte
| Detailtitel: | Zug durch das Rote Meer (Teil von: Moseszyklus) |
| Alternativtitel Deutsch: | Zug des Volkes Israel durch das Rote Meer |
| Titel in Originalsprache: | Passaggio del Mar Rosso |
| Titel in Englisch: | The Crossing of the Red Sea |
| Datierung: | 1481 bis 1482 |
| Ursprungsregion: | italienischer Raum |
| Lokalisierung: | Vatikan; Vatikanstadt; Cappella Sistina |
| Lokalisierung (Detail): | Sixtinische Kapelle; drittes Bild an der Südwand; Teil der malerischen Gesamtausstattung des 15. Jahrhunderts (vor Michelangelo) bestehend aus Deckenfresko den Sternenhimmel darstellend von Pietro Matteo d’Amelia (nicht erhalten); Papstbildnisse im Fenstergaden; ursprünglich 16 Wandbilder je von Altarwand (Westen) bis Ostwand: im Norden Christuszyklus, im Süden Moseszyklus, davon je die Bilder an der Ost- und Westwand nicht erhalten |
| Medium: | Wandbild |
| Material: | Fresko; Gold |
| Bildträger: | Wand |
| Ikonografische Bezeichnung: | Moses: Durchzug durch das Rote Meer |
| Iconclass: | 71E122 – passage through the Red Sea |
| Signatur Wortlaut: | ohne |
| Datierung Wortlaut: | ohne |
| Inschriften: | CONGREGATIO POPVLI A MOISE LEGEM SCRIPTAM ACCEPTVRI; Titulus in der architektonischen Rahmung oberhalb des Bildfeldes; Versammlung des Volkes, um von Moses das geschriebene Gesetz anzunehmen |
| Auftraggeber/Stifter: | Francesco della Rovere (Papst Sixtus IV.) |
| Provenienz: | in situ |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | teilöffentlich |
Bildnis 1
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | Figur direkt links hinter Moses (bärtiger Mann in gelb-grüner Kleidung mit Stab in der Hand) in der linken Bildhälfte |
| Ausführung Körper: | Schulterstück |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Blick/Mimik: | leicht grimmig bzw. stechend wirkender Blick aus dem Bild; zusammengezogene Augenbrauen |
| Gesten: | Hände nicht sichtbar |
| Körperhaltung: | aufrecht; zum Betrachter orientiert mit leichter Drehung Richtung Bildmitte |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | die Figur befindet sich in einer Gruppe um Moses; von diesem stark überschnitten, sodass lediglich die Büste und ein kleiner Teil des Rocks bzw. eines Beins sichtbar bleiben; ebenfalls überschnitten vom Arm, der Hand und dem Hostiengefäß in der Hand der Person in Rüstung links; das Gesicht erscheint in einer Art „V“, gebildet vom Haar und dem Stab Mose; Teil einer isokephalen Reihe, die links der Figur durch einen Leerraum und den Stab unterbrochen ist |
| Kleidung: | in dunklen Blautönen gehaltene Kleidung: einfache Kopfbedeckung, oberhalb des Knies endender Rock, weißer Kragen wird an Rundhalsausschnitt sichtbar, enganliegende Beinkleider |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | direkt hinter Moses; neben der Figur befindet sich ein Mann in Rüstung, vorgeschlagen von Steinmann als jüngeres Mitglied der Familie Orsini; hinter ihr ein Mann mit Turban; Bartoli zufolge könnten in dieser Personengruppe Mitglieder der Familie Rovere oder des papsttreuen römischen Adels gesehen werden |
Die Figur befindet sich in einer Gruppe zeitgenössischer Figuren, in der Mitglieder der Familie Rovere oder des papsttreuen römischen Adels dargestellt sein könnten.1 Zum Mann in Rüstung als Mitglied der Familie Orsini.2
Verweise
Bartoli 1999, 67.↩︎
Steinmann 1895, 187. Steinmann sieht im aus dem Bild blickenden Mann in Rüstung Virginio Orsini porträtiert, der andere junge Mann in Rüstung sowie der Jüngling mit der roten Kopfbedeckung sind für Steinmann weitere Mitglieder der Familie Orsini; im älteren Mann in der goldenen Rüstung sieht der Autor Roberto Malatesta. Den Forschungsstand zu diesen Identifizierungen referiert Bacci 1966, 128f.↩︎
Forschungsergebnis 1: Cosimo, Piero di
| Künstler des Bildnisses: | Cosimo, Piero di |
| Status: | widerlegt |
| Status Anmerkungen: | Piero di Cosimo wird heute nicht mehr als Maler des Bildfeldes angesehen. |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Biagio d’Antonio |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Steinmann | 1895 | Steinmann 1895 – Der Durchzug durchs Rote Meer | 195f | - |
| Skeptisch/verneinend | Ulmann | 1896 | Ulmann 1896 – Piero di Cosimo | 57 | - |
| Skeptisch/verneinend | Knapp | 1899 | Knapp 1899 – Piero di Cosimo | 22 | - |
| Bejahend | Steinmann | 1901 | Steinmann 1901 – Die Sixtinische Kapelle | 448–451 | - |
| Skeptisch/verneinend | Benkard | 1927 | Benkard 1927 – Das Selbstbildnis vom 15 | 10 | - |
Die Figur befindet sich in einer Gruppe zeitgenössischer Figuren. Neben ihr befindet sich ein Mann in Rüstung, der als jüngeres Mitglied der Familie Orsini vorgeschlagen ist.1 Bartoli zufolge könnten in dieser Personengruppe Mitglieder der Familie Rovere oder des papsttreuen römischen Adels gesehen werden2
Die aus dem Bild blickende Figur hinter Moses wurde erstmals von Steinmann (1895, weitere Ausführungen Steinmanns s. u.) als Selbstbildnis Piero di Cosimos bezeichnet. Als Argumente, die für dieses Selbstbildnis sprechen, führt Steinmann an: Es handle sich eindeutig um eine Porträtgestalt, der Mann gehöre aber nicht zu den Männern in Rüstung links und zeige sich abgelöst vom Geschehen um ihn; er trete bescheiden und in etwas kleinerem Maßstab im Hintergrund auf, nehme aber dennoch direkt hinter dem Propheten einen wichtigen Platz ein und falle durch den stechenden Blick aus dem Bild auf. Letzterer sei auch klar als Blick in den Spiegel zu bezeichnen. Außerdem argumentiert Steinmann mit dem vermuteten Charakter Piero di Cosimos: Dieser sei laut eines bei Vasari (1550) abgedruckten Epitaphs sonderbar gewesen und passe daher gut zum etwas griesgrämigen Eindruck, den die Figur im Roten Meer mache.3 Der grimmige Gesichtsausdruck sei auch dafür verantwortlich, dass Piero älter erscheine, als er tatsächlich war. Schließlich erwähnt Steinmann noch die Kleidung, die laut ihm alle Selbstbildnisfiguren des Quattrocento in der Sixtinischen Kapelle tragen (siehe den Einführungstext zur Sixtinischen Kapelle).4
Ulmann (1896) widerspricht Steinmann – zum einen passe das Alter der Figur nicht für Piero di Cosimo, der zum Zeitpunkt der Freskierung kaum zwanzig Jahre alt gewesen sei und zum anderen ähnle der „verwilderte Greisenkopf“, den Vasari (1568) als Porträt Pieros druckt, der hier diskutierten Figur nicht. 5
Knapp (1899) schließt sich dem Argument des Alters an, das von Ulmann gegen Steinmanns Vorschlag vorgebracht wurde.6
In seiner Monografie zur Sixtinischen Kapelle verleiht Steinmann (1901) seiner Überzeugung, hier habe Piero di Cosimo sich selbst porträtiert, erneut Ausdruck. Er führt dieselben Punkte wie in seinem Aufsatz von 1895 (s. o.) ins Treffen und argumentiert noch zusätzlich mit den damaligen Gepflogenheiten der Florentiner Maler, „die allgemein übliche Signatur [ihrer] Selbstporträts“7 in Bilder zu integrieren. Auch im Vergleich mit anderen Künstlerbildnissen werde klar, dass das hier diskutierte in diese Reihe gehöre. Die Möglichkeit, der Gehilfe Pieros (von dem Steinmann annimmt, er habe die rechte Seite des Freskos ausgeführt) könnte in der Figur dargestellt sein, weist er mit dem Argument zurück, dass der Blick eindeutig auf ein Selbstbildnis schließen lasse. Ohne seine Kritiker (s. o.) ausdrücklich zu nennen, geht Steinmann ausführlich auf den Umstand ein, dass die dargestellte Figur deutlich älter als ca. zwanzig und damit deutlich älter als Piero di Cosimo in den Jahren 1481/82 aussieht. Er bezieht sich hier zum einen wieder auf den angeblich seltsamen Charakter des Malers, der ihn älter erscheinen lasse. Zum anderen bezeichnet er Piero als „frühreif“;8 er habe schon in einem sehr jungen Alter Vollendetes gemalt. In einem früheren Werk sowie besonders in der Sixtina müsse man „die volle Kraft des gereiften Mannes anerkennen“9 – und als solcher habe Piero sich auch dargestellt.10
Benkard (1927) erwähnt Steinmanns Vorschlag, dieser habe jedoch selbst so umfangreiche Zweifel geäußert, dass sich eine weitere Diskussion erübrige.11
Verweise
Steinmann 1895, 187. Steinmann sieht im aus dem Bild blickenden Mann in Rüstung Virginio Orsini porträtiert, der andere junge Mann in Rüstung sowie der Jüngling mit der roten Kopfbedeckung sind für Steinmann weitere Mitglieder der Familie Orsini; im älteren Mann in der goldenen Rüstung sieht der Autor Roberto Malatesta. Den Forschungsstand zu diesen Identifizierungen referiert Bacci 1966, 128f.↩︎
Bartoli 1999, 67.↩︎
Vasari beschreibt Piero di Cosimo als Exzentriker und Sonderling und könnte damit im Kern sogar Recht gehabt haben, hatte er doch gute Quellen zum Leben des Künstlers. Vgl. dazu etwa Irlenbusch 2008.↩︎
Steinmann 1895, 195f.↩︎
Ulmann 1896, 57.↩︎
Knapp 1899, 22.↩︎
Steinmann 1901, 448.↩︎
Ebd., 451.↩︎
Steinmann 1901, 451.↩︎
Ebd., 448–451.↩︎
Benkard 1927, 10.↩︎
Forschungsergebnis 2: Antonio Tucci, Biagio d’
| Künstler des Bildnisses: | Antonio Tucci, Biagio d’ |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Piero di Cosimo |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Longhi | 1925/1995 | Longhi 1995 – Restituzione dell'Utili | 275 |
Detailsals Giambattista Utili, der später mit Biagio d’Antonio identifiziert wurde
|
| Bejahend | Bartoli | 1994 | Bartoli 1994 – Corbara e Biagio D'Antonio | 109 |
Detailsals Biagio d’Antonio
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| Bejahend | Bartoli | 1999 | Bartoli 1999 – Biagio d'Antonio | 67 |
Detailsals Biagio d’Antonio
|
Longhi (1925) sieht Giambattista Utili als Maler an der Seite von Cosimo Rosselli in der Sixtinischen Kapelle. Er schreibt ihm u. a. Teile des Roten Meers zu und nimmt an, er habe sich in der hier diskutierten Figur selbst porträtiert.1
Bartoli (1994, 1999) geht davon aus, dass zwei Maler im Roten Meer porträtiert wurden: Biagio d’Antonio, der Meister des Gesamtbildes, könnte im Jüngling hinter bzw. zwischen den Männern mit Rüstung seinen Schüler Piero di Cosimo dargestellt haben, dabei wertet sie dessen rote Kopfbedeckung als Hinweis auf einen Maler. Biagio d’Antonio, habe sich selbst in der hier diskutierten Figur ebenfalls ins Bild eingefügt, und zwar in reiferem Alter, mit bescheidener Malermütze und forschend auf den Betrachter gerichtetem Blick.2
Bildnis 2
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | vierte Figur links hinter Moses (bärtige Figur in gelb-grüner Kleidung mit Stab in der Hand) bzw. fast zentrale Figur in der Figurengruppe in der linken Bildhälfte; dort in der letzten Figurenreihe des Vordergrundes leicht links hinter bzw. oberhalb der musizierenden Frau |
| Ausführung Körper: | Schulterstück |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Blick/Mimik: | Blick aus dem Bild |
| Gesten: | Hände nicht sichtbar |
| Körperhaltung: | aufrecht stehend, Schultern annähernd parallel zur Bildoberfläche ausgerichtet, Kopf in Richtung Bildinneres gedreht |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | Teil einer Gruppe von Männern hinter Moses; Teil einer isokephalen Reihe; vor felsiger Landschaft; ein kleiner Baum scheint aus dem Kopf der Figur „herauszuwachsen“; barhäuptig (in diesem Bildbereich nur Moses und Frauen ohne Kopfbedeckung) |
| Kleidung: | Rüstung mit dunkelroten Teilen im Schulter-/Brustbereich; goldene Halskette mit Anhänger; barhäuptig |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | in einer Gruppe zeitgenössischer Porträtfiguren der linken Bildhälfte; einer von vier Männern in Rüstung, überschnitten von diesen Männern; jüngere Männer in Rüstung sowie Jüngling mit roter Kappe hinter der hier diskutierten Figur von Steinmann vorgeschlagen als jüngere Mitglieder der Familie Orsini; Rückenfigur in Rüstung von Steinmann vorgeschlagen als Roberto Malatesta; Bartoli zufolge könnten in dieser Personengruppe Mitglieder der Familie Rovere oder des papsttreuen römischen Adels gesehen werden |
Die Figur befindet sich in einer Gruppe zeitgenössischer Figuren, in der Mitglieder der Familie Rovere oder des papsttreuen römischen Adels dargestellt sein könnten.1 Zum Mann in Rüstung als Mitglied der Familie Orsini,2 zur Rückenfigur in Rüstung als Roberto Malatesta.3
Verweise
Bartoli 1999, 67.↩︎
Steinmann 1895, 187. Steinmann sieht im aus dem Bild blickenden Mann in Rüstung Virginio Orsini porträtiert, der andere junge Mann in Rüstung sowie der Jüngling mit der roten Kopfbedeckung sind für Steinmann weitere Mitglieder der Familie Orsini; im älteren Mann in der goldenen Rüstung sieht der Autor Roberto Malatesta. Den Forschungsstand zu diesen Identifizierungen referiert Bacci 1966, 128f.↩︎
Steinmann 1895, 187 Den Forschungsstand zu den Identifizierungen Steinmanns (Malatesta, Orsini) referiert Bacci 1966, 128f.↩︎
Forschungsergebnis 1: Ghirlandaio, Domenico
| Künstler des Bildnisses: | Ghirlandaio, Domenico |
| Status: | widerlegt |
| Status Anmerkungen: | Der erstidentifizierende Autor sieht als Hauptmeister des Freskos Domenico Ghirlandaio, dessen Beteiligung aktuell kaum mehr angenommen wird. |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Virginio Orsini; mit Vorbehalt vorgeschlagen als Bastiano Mainardi |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Francovich | 1925/26 | Fràncovich 1925/26 – Benedetto Ghirlandaio | 711f | - |
| Bejahend | Woods-Marsden | 1998 | Woods-Marsden 1998 – Renaissance Self-Portraiture | 60 bzw. 257 (Anm. 32) |
Detailsnennt keine konkrete Figur
|
Das Bildnis wird auch als Virginio Orsini interpretiert.1
Fràncovich nimmt an, Domenico Ghirlandaio habe das Fresko Zug durch das Rote Meer begonnen, dann aber seinem Bruder Benedetto Ghirlandaio die weitere Ausführung übertragen, der wiederum von Cosimo Rosselli unterstützt worden sei.2 Die beiden Köpfe zwischen den jungen Männern in Rüstung wurden jedoch noch eigenhändig von Domenico ausgeführt. Fràncovich vermutet höchstwahrscheinlich (der Text ist hier nicht ganz eindeutig) im jüngeren Mann mit der roten Kopfbedeckung ein Bildnis Benedettos; im aus dem Bild blickenden Mann sieht er ein Selbstbildnis Domenicos. Im Abgleich mit dem Selbstbildnis Domenicos in der Vertreibung Joachims aus dem Tempel in Santa Maria Novella in Florenz könne kein Zweifel bestehen.3
Woods-Marsden erwähnt, dass im Zug durch das Rote Meer ein Selbstbildnis Domenico Ghirlandaios vermutet werde, geht aber nicht näher darauf ein.4
Forschungsergebnis 2: Mainardi, Sebastiano
| Künstler des Bildnisses: | Mainardi, Sebastiano |
| Status: | Einzelmeinung |
| Status Anmerkungen: | Im Zuge dieses Forschungsprojekts als eine als mögliches Selbstbildnis zu diskutierende Figur vorgeschlagen. |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Domenico Ghirlandaio |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Gstir | 2021 | - | - | - |
siehe Katalogtext
Multiple Hände, multiple Identitäten
Die Frage nach dem Maler oder den Malern, die für das Fresko Zug durch das Rote Meer in der Sixtinischen Kapelle verantwortlich zeichnen, wurde in der Forschung kontrovers diskutiert. Vasari schrieb das Fresko Cosimo Rosselli zu. Er berichtet außerdem davon, dass Piero di Cosimo als Gehilfe Rossellis beschäftigt war, konkret nennt er ihn aber nur als Maler der Landschaft in der Bergpredigt.1 In der Folge wurde etwa über den Anteil Piero di Cosimos debattiert2 und eine Beteiligung (der Werkstatt) Ghirlandaios in Betracht gezogen (das einzige erhaltene Fresko Domenico Ghirlandaios und seiner Werkstatt in der Sixtinischen Kapelle liegt direkt gegenüber). Von Longhi wurde der Maler Giovanni Battista Utili da Faenza ins Spiel gebracht,3 der später mit Biagio d’Antonio identifiziert wurde – dieser wird heute überwiegend als Maler des Roten Meeres akzeptiert.4
Als Maler-(Selbst-)Bildnisse werden drei Figuren diskutiert, alle befinden sich in der linken Bildhälfte in der Gruppe zeitgenössischer Porträtfiguren links des Propheten Moses: der (junge Mann mit der roten Kopfbedeckung) (als mögliches Bildnis des Benedetto Ghirlandaio (s. u.)5 oder Piero di Cosimo6); die Figur direkt hinter Moses mit dem etwas grimmigen Blick (als Selbstbildnis des Piero di Cosimo oder Giambattista Utili, der später mit Biagio d’Antonio identifziert wurde) sowie der aus dem Bild blickende Mann in Rüstung als mögliches Selbstbildnis Domenico Ghirlandaios.
Figur 1 als Piero di Cosimo: unmöglich, als Biagio d’Antonio: möglich
Im Bereich der links des Roten Meeres positionierten Gruppe um Moses schauen mehrere Personen aus dem Bild, doch der Blick der hier diskutierten Figur ist sicherlich, wie mehrfach bemerkt wurde, der eindringlichste. Interessant ist auch die formale Hervorhebung durch den Stab des Moses, der das Gesicht der Figur wie eine schräg geführte Rahmenkante abgrenzt.7 Vergleichbar wird ein Kreuz bei einem vermuteten Selbstbildnis Domenico Ghirlandaios im Innocenti-Altar eingesetzt. Auch die bescheidene Kleidung kann durchaus für ein Künstlerbildnis sprechen, selbst wenn man Steinmanns These der „Uniform“ in den Selbstbildnissen der Sixtinischen Kapelle keinen Glauben schenkt.
Ein Selbstbildnis eines am Bildfeld beteiligten Malers in der hier diskutierten Figur liegt also im Bereich des Möglichen. In der Forschung genannt wurden wie oben ausgeführt zwei Kandidaten: Piero di Cosimo und Biagio d’Antonio. Da heute allgemein davon ausgegangen wird, dass Piero di Cosimo zwar an der Seite von Rosselli in der Sixtinischen Kapelle tätig war, jedoch keinen Anteil am Roten Meer hatte, kann ein Selbstbildnis dieses Malers ausgeschlossen werden.
Für Biagio d’Antonio, dem das Fresko heute zugeschrieben wird, sind laut aktuellem Wissensstand keine weiteren Bildnisse oder Selbstbildnisse vorgeschlagen, sodass das hier diskutierte das einzige wäre – eine Möglichkeit.
Figur 2 als Domenico Ghirlandaio: unmöglich, als Bastiano Mainardi: möglich
Wie angeführt ausgeführt, war die Zuschreibung des Freskos lange Zeit umstritten. Die Ansicht Fràncovichs, dass Benedetto Ghirlandaio für große Teile des Bildes verantwortlich sei, fand kaum Zustimmung. Sie wird auch dadurch entkräftet, dass für einen Großteil des Werkkomplexes, den Fràncovich Benedetto zuschrieb, seit Longhi überwiegend Biagio d’Antonio als Verantwortlicher angesehen wird.8 So herrscht heute auch weitgehend Einigkeit darüber, in Biagio den Hauptmeister des Roten Meeres zu sehen, allerdings werden weitere Hände vermutet. Auch Bartoli, Autorin der maßgeblichen Monografie zu Biagio, hält es für naheliegend, dass Werkstattmitglieder Domenico Ghirlandaios, dessen einziges erhaltenes Fresko in der Sixtinischen Kapelle genau gegenüber liegt, am Roten Meer beteiligt waren. Am ehesten kommt laut Bartoli Bastiano Mainardi in Frage, der abgesehen von weiteren Details just für die vier Männer in Rüstung neben Moses verantwortlich sein könnte. Einer dieser Männer wird hier mit Fràncovich als mögliches Selbstbildnis Domenico Ghirlandaios besprochen. Bartoli schreibt, der Stil des damals erst sechzehnjährigen Mainardi sei noch nicht gefestigt gewesen, es ließen sich jedoch Übereinstimmungen mit späteren Werken feststellen. Überdies verweist sie auf eine weitere Zusammenarbeit zwischen Mainardi und Biagio d’Antonio.9
Fràncovichs Vorschlag eines Selbstbildnisses Domenico Ghirlandaios dürfte in der Forschung zu Recht kaum aufgegriffen worden sein. Häufig gestalten sich physiognomische Vergleiche schwierig, doch gerade Domenicos Gesicht ist uns aus verschiedenen Selbstbildnissen bekannt und mit dem hier diskutierten nur schwer vereinbar. Es stellt sich aber die Frage, ob sich in der Figur ein Werkstattmitglied Ghirlandaios dargestellt haben könnte; wenn man Bartolis Zuschreibung folgt, dann könnte es sich hierbei um Bastiano Mainardi handeln. Dagegen scheint das Alter zu sprechen, denn der Dargestellte wirkt deutlich älter, als Mainardi zum Zeitpunkt der Freskierung war. Jedoch existiert ein weiteres mögliches Selbstbildnis Mainardis in der Feuerprobe vor dem Sultan in der Sassetti-Kapelle, das ebenfalls in den 1480ern entstand und in dem der fragliche Mainardi ähnlich alt scheint und dessen Physiognomie mit der hier vorgeschlagenen Figur auch vereinbar wäre.
Gegen ein Selbstbildnis in der hier diskutierten Figur sind aber zwei Gründe ins Treffen zu führen, die mit der Kleidung zu tun haben: Zum einen befindet sich direkt links daneben ein junger Mann mit roter Kopfbedeckung – wäre nicht dies die geeignetere Figur für ein Selbstbildnis, wird doch dieses Kleidungsstück immer wieder als „Malermütze“ angesprochen? Zum anderen scheint fraglich, ob es für einen Maler in der Kapelle des Papstes opportun gewesen wäre, sich in einer durch tiefrote Elemente ausgezeichneten Rüstung und mit goldener Kette darzustellen.
Einen logisch nachvollziehbaren Identifizierungsvorschlag macht Steinmann in einem Aufsatz von 1895: Er begibt sich auf die Suche nach den von Vasari behaupteten Porträts zweier Militärs, Roberto Sanseverino/Malatesta10 und Virginio Orsini, und da er davon ausgeht, dass ihre Profession zu erkennen sein sollte, wird er in der Gruppe gerüsteter Männer im Roten Meer fündig. Er schlägt vor, in der hier diskutierten Figur den päpstlichen General Orsini sowie in den zwei jüngeren Männern vor ihm weitere Mitglieder der Familie Orsini zu sehen. Den durch seine goldene Rüstung und den roten Mantel ausgezeichneten ältesten Mann bezeichnet Steinmann als Roberto Malatesta.11
Virginio Orsini wird jedoch seit Mellers Aufsatz von 1974 von einigen Autoren in der üblicherweise als Selbstbildnis Pietro Peruginos gehandelten Figur in der rechten Bildhälfte der Schlüsselübergabe vermutet. Meller zieht als Vergleich einen Porträt-Kupferstich in Aliprando Capriolos Cento Capitani (Rom 1596) heran.12 Dies scheint eher Mellers als Steinmanns These zu stützen, lässt aber aufgrund der unterschiedlichen Medien und verschiedenen Entstehungszeiträume keine letztgültige Entscheidung zu.
Den bisherigen Identifizierungsvorschlägen für die hier diskutierte Figur (Domenico Ghirlandaio, Virginio Orsini) konnte durch Verknüpfung der in der Forschungsliteratur vorhandenen Thesen ein dritter – Bastiano Mainardi – hinzugefügt werden. Ohne weiterführende Untersuchungen lässt sich jedoch das Niveau vager Vermutungen kaum überschreiten.
Verweise
Vasari/Irlenbusch/Lorini 2008, 16; Vasari/Lorini/Hoff 2010, 65, 69.↩︎
Bacci 1966, 21, 25, 68f, 128–130; Fermor 1993, 13, 167f. Beide Autorinnen sehen Piero di Cosimos Anteil an den biblischen Wandszenen in der Sixtinischen Kapelle auf die Landschaft in der Bergpredigt beschränkt.↩︎
Longhi 1995, 275. Giovan Battista und Andrea Utili wurden später mit Biagio d’Antonio identifiziert (Frangi und Montagnani in Longhi 1995, 251).↩︎
Ausführlich mit der Geschichte und Frage der Zuschreibung setzt sich etwa Bartoli auseinander (Bartoli 1999, 200f). Siehe auch Nesselrath 2003, 57.↩︎
Fràncovich 1925/26, 738 (Anm. 11).↩︎
Bartoli 1994, 109; Bartoli 1999, 69.↩︎
Der Stab des Moses dürfte aber auch eine symbolische Funktion erfüllen, indem er das von dem jungen Mann in Rüstung gehaltene Hostiengefäß optisch berührt. Das obere Ende des Stabes ist überdies genau so platziert, dass es dem Auge des Mannes mit dem hellblauen Turban gefährlich nahekommt. Dieser Mann blickt denn auch etwas verunsichert aus dem Bild.↩︎
Bartoli 1999, 11–13; Longhi 1995, 251.↩︎
Bartoli 1999, 67f, insbesondere auch 80 (Anm. 72).↩︎
Steinmann geht davon aus, dass Vasari sich irrte und nicht Roberto Sanseverino in den Fresken porträtiert wurde, sondern Roberto Malatesta.↩︎
Steinmann 1895, insbesondere 186f.↩︎
Meller 1974, 269–270. Ein Digitalisat des Buchs ist in der Śląska Biblioteka Cyfrowa (www.sbc.org.pl) zu finden, Tafel 62 zeigt Virginio Orisini.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Gstir, Verena: Zug durch das Rote Meer (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/antonio-tucci-biagio-d-zug-durch-das-rote-meer-1481-bis-1482-vatikanstadt-cappella-sistina/ (05.12.2025).