Eidesleistung
Baegert, Derick
Deutschland; Wesel; Städtisches Museum, Galerie im Centrum
Inhaltsverzeichnis
Objekt
Bildrechte
| Alternativtitel Deutsch: | Weseler Gerichtsbild; Eidesleistung vor dem Weseler Stadtgericht |
| Titel in Originalsprache: | Eidesleistung im Gerichtssaal |
| Titel in Englisch: | Oath of Wesel; Court Picture; Oath Taking in Courtroom |
| Datierung: | 1493 bis 1494 |
| Ursprungsregion: | deutschsprachiger Raum |
| Lokalisierung: | Deutschland; Wesel; Städtisches Museum, Galerie im Centrum |
| Lokalisierung (Detail): | Inventarnummer: DE-2086, LVR_ILR_0000147606 |
| Medium: | Tafelbild |
| Material: | Öl; Tempera; Gold; Silber; Pressbrokat |
| Bildträger: | Holz (Eiche) |
| Maße: | Höhe: 120,7 cm; Breite: 144,1 cm |
| Ikonografische Bezeichnung: | Gerechtigkeitsbild |
| Iconclass: | 44G6 – juridical examples; exemplary judges; ‘Gerechtigkeitsbilder‘ |
| Signatur Wortlaut: | ohne |
| Datierung Wortlaut: | ohne |
| Inschriften: | Swer niet valselick wat ghi duet gi verliest got dat ewighe guet; beim Engel im rechten Vordergrund; Schwört nicht fälschlich was ihr tut ihr verliert Gott das ewige Gut, Übersetzung nach Heidebroek |
| Auftraggeber/Stifter: | Stadt Wesel, vertreten durch Evert Tybis (Bürgermeister) und einem Teil des Rats |
| Provenienz: | 1494–1757 im Rathaus Wesel; 1757 verschiedene Packhäuser, Amsterdam; 1763 Rathaus Wesel; 1936–49 diverse Auslagerungen (Niederrheinisches Museum für Orts- und Heimatkunde in Wesel, Heil- und Pflegeanstalt Warstein, Schloss Nordkirchen, Schloss Dyck bei Grevenbroich, Grafschafter Museum Moers); 1949 Rückführung nach Wesel (verschiedene Destinationen: Wohnzimmer des Stadtdirektors, Reitzensteinkaserne, Bürgermeisterzimmer im Mathena-Rathaus); 1970 Wallraf-Richartz-Museum Köln; seit 1975 Sonderraum des Städtischen Museums, Galerie im Centrum, Wesel |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | öffentlich |
Bildnis 1
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | dritte Figur von rechts, hinten (links des Richters, damit rechts im Bild) |
| Ausführung Körper: | Ganzfigur sitzend |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Schöffe im Gerechtigkeitsbild |
| Blick/Mimik: | direkter Blick aus dem Bild |
| Gesten: | hält eine Schriftrolle in beiden Händen |
| Körperhaltung: | Oberkörper nach links, Unterkörper nach rechts ausgerichtet; aufrecht sitzend |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | in der hintersten Figurenreihe; vom Richter, dem Teufel und einem Schriftzug teils überschnitten; wie alle Figuren in der hinteren Ebene bedeutungsperspektivisch erhöht; von einem dunklen Schatten an der hinteren Wand hinterfangen |
| Attribute: | Schriftrolle |
| Kleidung: | Patrizierkleidung; rote Kopfbedeckung |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | Richter und weitere Schöffen in der hinteren Bildebene |
Forschungsergebnis: Baegert, Derick
| Künstler des Bildnisses: | Baegert, Derick |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Schöffe |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Bejahend | Baxhenrich-Hartmann | 1984 | Baxhenrich-Hartmann 1984 – Der Hochaltar des Derick Baegert | 113, 270 (Abb. 104) | - |
| Skeptisch/verneinend | Zumkley | 1988 | Zumkley 1988 – Das Weseler Gerichtsbild Die Eidesleistung | 56–58 | - |
| Skeptisch/verneinend | Arand | 1991 | Arand 1991 – Das Weseler Gerichtsbild | 236 | - |
| Skeptisch/verneinend | Arand | 1994 | Arand (Hg.) 1994 – Schätze im Verborgenen | 14, 18 | - |
| Bejahend | Rinke | 2004 | Rinke 2004 – Memoria im Bild | 161, 169–178, bes. 170f, 175 | - |
| Erstzuschreibung | Rinke | 2004 | Rinke 2004 – Memoria im Bild | 171 |
DetailsRinke weist darauf hin, dass es sich bei der Identifizierung der Selbstdarstellung um eine mündliche Überlieferung handelt. Die erste Erwähnung dieser Überlieferung konnte nicht ausfindig gemacht werden.
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| Skeptisch/verneinend | Legner | 2009 | Legner 2009 – Der Artifex | 489 (Abb. 795), 492 |
Detailsneutrale Argumentation
|
| Bejahend | Gigante | 2010 | Gigante 2010 – Autoportraits en marge | 121 | - |
| Bejahend | Söll-Tauchert | 2010 | Söll-Tauchert 2010 – Hans Baldung Grien 1484/85–1545 | 215 (Anm. 697) | - |
| Bejahend | Blümle | 2011 | Blümle 2011 – Wunder oder Wissen | 47f | - |
| Bejahend | Blümle | 2011 | Blümle 2011 – Der Zeuge im Bild | 302f | - |
| Bejahend | Marx | 2011 | Marx 2011 – Derick Baegert | 71 | - |
Baxhenrich-Hartmann (1984) thematisiert neben der verlorenen Berliner Selbstdarstellung1 die Selbstporträts im Fragment einer Kreuzigung in der Thyssen-Sammlung und in der Weseler Eidesleistung. Dabei vergleicht sie die übereinstimmend ausgeführten Dreiviertelansichten und Drehungen der erhaltenen Bildnisse nach links. Dass die Physiognomien der Bildnisse in den späteren Arbeiten deutlich gealtert erscheinen (diese Einschätzung gilt auch für das Bildnis rechts neben dem Richter in der Gerechtigkeitstafel), spreche nach Auffassung der Autorin sowohl für die vorgeschlagene Chronologie der Werke als auch für die Identifizierung der Selbstbildnisse.2 (Baxhenrich-Hartmanns Aussage bezüglich des Alters der Bildnisse ist verwirrend. Da die Autorin das Porträt des Malers abbildet, ist offenkundig, dass sie jene Figur als Selbstdarstellung ansieht, die in der Forschung zumeist als junger bzw. jugendlicher Mann beschrieben wird.3)
Zumkley (1988) lehnt das in der Forschung thematisierte Rollenporträt Baegerts in Gestalt des jugendlichen Schöffen neben dem Richter ab und schlägt stattdessen vor, den ersten Mann auf der linken Seite des Gemäldes als Selbstporträt in Erwägung zu ziehen.4
Arand (1991) stellt die Thesen zu möglichen Selbstdarstellungen im Weseler Gerichtsbild als umstritten in Frage.5
1994 schließt der Autor aus den thematisierten Selbstporträts Baegerts auf ein Geburtsjahr von frühestens um 1440. Der Autor thematisiert die Bildnisse im Dortmunder Altar, im Thyssen-Fragment und in der Eidesleistung. An der Identifizierung des Rollenporträts Baegerts als Schöffe im Gerichtsbild äußert der Autor Zweifel – zum einen aufgrund der prominenten Position der Figur als Mitglied des Gerichts, zum anderen wegen des jugendlichen Aussehens. Zur Entstehungszeit der Tafel dürfte Baegert bereits über fünfzig Jahre gewesen sein.6
2004 stellt Rinke fest, dass das wesentlichste Kriterium der Selbstdarstellungen Baegerts aus der Beobachtung abzuleiten sei, dass sich der Maler – unabhängig von seinem tatsächlichen Alter – stets als junger Mann abbilde.7 Obwohl zwischen den Bildnissen im Dortmunder Altar, im Thyssen-Fragment, in der verlorenen Berliner Kreuzigung8 und im Weseler Gerichtsbild ca. 25 Jahre liegen, zeige sich der Maler immer im Alter von ungefähr 30 Jahren. Nach Rinke bedient er damit den Topos des idealen Lebensalters von Christus und stelle sich in seine Nachfolge, wodurch Hoffnung auf ewiges Leben thematisiert sei. Seiner Auffassung zufolge stehen Baegerts physiognomisch übereinstimmende Selbstdarstellungen sowohl in der italienischen als auch in der südniederländischen Tradition. Letztere zeige sich im direkten Blick der Bildnisse, der auf die These von Cusanus und das mögliche Bildnis von Rogier van der Weyden im verlorenen Gerechtigkeitsbild Bezug nehme.9 Laut Rinke beruht die umstrittene Identifizierung des Bildnisses im Weseler Gerichtsbild auf einer mündlichen Überlieferung und hat in der Forschung kaum Zustimmung erfahren, was der Autor auf das jugendliche Erscheinungsbild des Malers zurückführt. Ihm zufolge schuf sich Baegert mit dem physiognomisch zweifelsfrei identifizierbaren Selbstbildnis als auffällig gekleideter Schöffe ein herausragendes Memorialbild, durch das er sich seinen Nachruhm sicherte. Einem moralischen Appell gleich richte sich der Maler im Gerichtsbild unmittelbar an die BetrachterIn um die Bildaussage zu verstärken, die als Warnung vor Meineid und als Hinweis auf Gottes Prüfung am Tag des Jüngsten Gerichts zu verstehen sei.10
Legner (2009) behandelt Baegerts Selbstdarstellungen in der Dortmunder Kreuzigung, im Thyssen-Fragment und in der Eidesleistung. Während er die Bildnisse in den Kreuzigungen in den Bildunterschriften als Selbstdarstellungen bezeichnet, verzichtet er auf eine solche bei der Eidesleistung.11 Weiterführend zitiert Legner Thesen zu den möglichen Selbstdarstellungen als jugendlicher Schöffe bzw. älterer Mann in der Gruppe der Ankläger. Letzteres entspräche laut Legner dem Alter des Malers.12
Gigante (2010) schätzt vier auf die BetracherIn ausgerichtete Bildnisse von Baegert mit ähnlichen Gesichtszügen als wahrscheinliche Selbstdarstellungen ein. Neben dem Mann an der Seite des Richters in der Eidesleistung handelt es sich dabei um die Figur des guten Zenturios einer Kalvarienbergdarstellung im spanischen Thyssen-Fragment, um den Mann in selber Position, der in der verlorenen Berliner Kreuzigung auf Christus wies,13 sowie um das Bildnis hinter der hl. Veronika im Dortmunder Hochaltar.14
Söll-Tauchert (2010) bestätigt das Selbstbildnis rechts des Richters nach einem Abgleich mit den Bildnissen des Malers in der verlorenen Berliner Kreuzigung,15 im Thyssen-Fragment und in der Dortmunder Kreuzigung.16
Blümle (2011) beurteilt den jugendlichen Schöffen auf einer inhaltlichen Ebene im Kontext des dargestellten Rechtsakts, für den es unerheblich ist, ob es sich um eine Selbstdarstellung handelt oder nicht. Die Autorin stellt die These auf, dass Baegert – wie bereits Dieric Bouts vor ihm – die alte Schwurpraxis aus dem germanischen Recht thematisiert und diese in das zeitgenössische Gerichtsgebaren einbettet. Während die überlieferte Rechtsprechung auf Wundertätigkeit beruhe, was in der Szene im mittleren Vordergrund verbildlicht werde, sei die zeitaktuelle Rechtssprechung auf Wissen aufgebaut. Letzteres zeige sich einerseits in der Szene in der linken vorderen Bildecke, in der ein Schriftbeweis erbracht und von einem Gelehrten überprüft wird, und andererseits im Mann neben dem Richter, der eine Schriftrolle in der Hand hält, die ihn als Sekretär ausweist. Das derart gekennzeichnete Rollenporträt des Malers, so die Autorin weiter, werde insbesondere hinsichtlich Dürers Selbstbildnisse in der Marter der zehntausend Christen17 und im Allerheiligenbild18 als Vorläufer relevant.19
Marx (2011) weist auf drei Selbstdarstellungen bei Baegert hin: auf den Mann in der Veronikagruppe in der Dortmunder Kreuzigung, auf den guten Hauptmann in der verlorenen Berliner Kreuzigung20 und auf die gleiche Bildfigur im Thyssen-Fragment. Zudem, so die Autorin weiter, könne es sich beim Mann rechts neben dem Richter im Weseler Gerichtsbild eventuell ebenfalls um ein Selbstbildnis handeln.21
Verweise
Zur verlorenen Berliner Kreuzigung vgl. den Einleitungstext zu Derick Baegert.↩︎
Baxhenrich-Hartmann 1984, 113.↩︎
Vgl. ebd., 270 (Abb. 104).↩︎
Zumkley 1988, 56–58.↩︎
Arand 1991, 236.↩︎
Arand 1994, 14, 18.↩︎
Rinke 2004, 161.↩︎
Vgl. den Einleitungstext zu Derick Baegert.↩︎
Vgl. den Einleitungstext zu Rogier van der Weyden.↩︎
Rinke 2004, 169–178, bes. 170f, 175.↩︎
Legner 2009, 489 (Abb. 795).↩︎
Ebd., 492.↩︎
Vgl. den Einleitungstext zu Derick Baegert.↩︎
Gigante 2010, 121.↩︎
Vgl. den Einleitungstext zu Derick Baegert.↩︎
Söll-Tauchert 2010, 215 (Anm. 697).↩︎
Albrecht Dürer, Marter der zehntausend Christen, 1508, Wien, Kunsthistorisches Museum.↩︎
Albrecht Dürer, Allerheiligenbild, 1511, Wien, Kunsthistorisches Museum.↩︎
Blümle 2011b, 47f; gleichlautend in Blümle 2011a, 302f. In Bezug auf Dürer verweist Blümle auf Yiu, die ausführt, dass Dürer in der Marter der zehntausend Christen als Zeuge und als Schöpfer (Bildnis und Zettel mit Signatur) auftrete, was die Augenzeugenschaft des Malers in einen Wahrheitsdiskurs überführe. Vgl. Yiu 2011, 256.↩︎
Vgl. den Einleitungstext zu Derick Baegert.↩︎
Marx 2011, 71. Die Autorin thematisiert dabei den Schöffen zur Rechten des Richters. Da sie in weiteren Ausführungen zum guten Hauptmann im Thyssen-Fragment dieselbe Formulierung wählt – nämlich „zur Rechten Christi“ – und da es sich in dem Fall, wie aus dem Bild eindeutig abzulesen ist, um das Bildnis rechts von Christus handelt ist davon auszugehen, dass auch im Fall der Eidesleistung die Figur rechts neben dem Richter gemeint ist. Vgl. Marx 2011, 71, 73.↩︎
Bildnis 2
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | fünfte Figur von rechts, hinten (rechts des Richters, damit links im Bild) |
| Ausführung Körper: | Kniestück sitzend |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Schöffe im Gerechtigkeitsbild |
| Blick/Mimik: | Blick nach rechts und aus dem Bild |
| Gesten: | Zeigegestus der rechten Hand in Richtung Richter; linke Hand umfasst den Gürtel |
| Körperhaltung: | aufrecht sitzend; leicht nach rechts gedreht; Kopf leicht geneigt |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | in der hintersten Figurenreihe; vom Richter und der Figur links leicht überschnitten; Kopfbedeckung und Schatten der Figur teils an der Kante des Bildes-im-Bild mit der biblischen Darstellung des Jüngsten Gerichts ausgerichtet; von einem dunklen Schatten teils hinterfangen |
| Kleidung: | Obergewand mit Pelzbesatz; dunkle Kopfbedeckung |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | Richter und weitere Schöffen in der hinteren Bildebene |
Forschungsergebnis: Baegert, Derick
| Künstler des Bildnisses: | Baegert, Derick |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Schöffe |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Lübbeke | 1991 | Lübbeke 1991 – Early German Painting | 128 | - |
| Skeptisch/verneinend | Arand | 1991 | Arand 1991 – Das Weseler Gerichtsbild | 236 | - |
Lübbeke (1991) vergleicht die Physiognomie des fürstlich erscheinenden Zenturios im Thyssen-Fragment mit Bildnissen im Dortmunder-Altar (in der Kreuzigung und in der Anbetung der Könige) und im Weseler Gerichtsbild und resümiert: „We can assume that this is a portrait, perhaps even a very self-confident likeness of the painter himself.“1 Bei der Figur in der Eidesleistung handle es sich dabei um „the grey-haired assessor sitting on the right next to the judge“ mit mandelförmigen Augen und vollen Lippen.2
Arand (1991) stellt die Thesen zu möglichen Selbstdarstellungen im Weseler Gerichtsbild als umstritten in Frage.3
Bildnis 3
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | erste Figur von links |
| Ausführung Körper: | Kopfbild |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Zeuge im Gerechtigkeitsbild auf der Seite der Ankläger |
| Blick/Mimik: | Blick nach rechts |
| Gesten: | Hände nicht sichtbar |
| Körperhaltung: | Körper nicht sichtbar |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | am äußerst linken Bildrand, von diesem und den vorgelagerten Figuren großteils überschnitten; von einem hellen Bereich im Hintergrund, der der Kopfform zu folgen scheint, betont; isolierte und unbeteiligte Position |
| Kleidung: | dunkle Kopfbedeckung |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | evtl. Gruppe der Ankläger |
Forschungsergebnis: Baegert, Derick
| Künstler des Bildnisses: | Baegert, Derick |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Zumkley | 1988 | Zumkley 1988 – Das Weseler Gerichtsbild Die Eidesleistung | 56–58 | - |
| Skeptisch/verneinend | Arand | 1991 | Arand 1991 – Das Weseler Gerichtsbild | 236 | - |
| Bejahend | Legner | 2009 | Legner 2009 – Der Artifex | 489 (Abb. 795), 492 |
Detailswertneutral, tendenziell zustimmend
|
Zumkley (1988) spricht sich gegen das in der Forschung thematisierte Rollenporträt Baegerts in Gestalt des jugendlichen Schöffen neben dem Richter aus und schlägt stattdessen vor, den ersten Mann auf der linken Seite als Selbstporträt in Erwägung zu ziehen. Als Argumente für die Ablehnung des Rollenporträts gibt der Autor einerseits das unangepasste Alter des Schöffen an (Baegert war zur Entstehungszeit des Altars etwa 53 Jahre alt), andererseits die allzu auffällige modische Kleidung sowie die erhöhte Position des Bildnisses, die sich über die Quellenlage zum Maler nicht rechtfertigen lasse (er gehörte weder zu den Patriziern der Stadt, noch hatte er das Amt eines Ratsherren inne). Vielmehr entspreche der ältere Mann am Bildrand, der durch einen unverschatteten Bereich vor seinem Gesicht Betonung erfährt, dem Bild des Malers, was sich auch durch einen physiognomischen Abgleich mit dem Selbstporträt in der Dortmunder Kreuzigung untermauern lasse. Zumkley verzichtet jedoch auf eine definitive Identifizierung des Bildnisses als Selbstdarstellung, vielmehr will er „einen Ansatzpunkt für die erneute Beschäftigung mit dieser Problemstellung bieten.“1
Arand (1991) stellt die Thesen zu möglichen Selbstdarstellungen im Weseler Gerichtsbild als umstritten in Frage.2
Legner (2009) behandelt Baegerts Selbstdarstellungen in der Dortmunder Kreuzigung, im Thyssen-Fragment und in der Eidesleistung. Während er die Bildnisse in den Kreuzigungstafeln in den Bildunterschriften als Selbstdarstellungen bezeichnet, verzichtet er auf eine solche bei der Eidesleistung.3 Weiterführend zitiert Legner Thesen zu den möglichen Selbstdarstellungen als jugendlicher Schöffe bzw. älterer Mann in der Gruppe der Ankläger. Letzteres entspräche ihm zufolge dem Alter des Malers.4
Erbe und Vorbildwirksamkeit
„Item Derick Baegert, so hy eyn taeffell gemaelt hefft, die nu op die raitskammer hengt“,1 lautet der das Weseler Rathausbild verifizierende Eintrag in den Weseler Rechnungsbüchern von 1494, der auch Baegerts Namen erstmals sichtbar macht.
Baegerts Gemälde Eidesleistung wurde im Gerichtssaal des spätgotischen Rathauses als didaktisches Beispiel guter Regierung angebracht.2 Damit entspricht es in seiner Funktion den mehrteiligen Gerechtigkeitsbildern von Dieric Bouts oder Gerard David, in denen ebenfalls mutmaßliche Selbstdarstellungen identifiziert wurden. Mit seiner Tafel gibt Baegert einen Einblick in eine zivilrechtliche Verhandlung: Im hinteren Bereich befinden sich, bedeutungsperspektivisch hervorgehoben, der Richter und die Schöffen, im vorderen Bereich der Ankläger und der Beschuldigte, begleitet von Personen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten. Letzterer wird durch symbolische Vertreter des Guten (Engel) und Bösen (Teufel) bedrängt (was sich auch in entsprechenden Inschriften in der Tafel zeigt), während er dazu aufgefordert wird, einen Eid abzulegen. Besonders in der Oberflächengestaltung und dem detailreichen Realismus werden südniederländische Einflüsse deutlich – wie etwa von Jan van Eyck, dem Meister von Flémalle und insbesondere von Rogier van der Weyden.3 Eine Verbindung zwischen Baegert und Rogier van der Weyden besteht auch hinsichtlich der Selbstdarstellungen – lieferte Rogier mit seinen verlorenen Rathausbildern, in denen sich vermutlich ein Selbstbildnis des Malers befand, doch einen Prototyp für dieses Genre.4
Entgegen der Darstellungen von Bouts, David und van der Weyden, die Rechtsprechung anhand mythologischer oder sakral konnotierter Handlung inszenieren und darin Porträts in historischen Rollen einfügen, schuf Baegert ein Gemälde, das eine bildfüllende Gerichtsverhandlung zeigt. Dabei ist der Hinweis auf das Weltgericht, das als christliche Grundlage der Rechtsprechung herangezogen wird, als Bild-im-Bild im hinteren linken Eck zu sehen.5 Dennoch bestehen formale Übereinstimmungen, etwa mit der Tafel von Bouts, die Baegert, wie Blümle ausführt, studiert haben dürfte.6
Für die Weseler Eidesleistung sind drei Bildnisse als Selbstdarstellungen vorgeschlagen, die allesamt umstritten sind. Beim meistdiskutierten handelt es sich um den jugendlichen Schöffen links des Richters (rechts im Bild), der in Physiognomie, Ausstrahlung und Gehabe starke Übereinstimmungen mit dem Selbstbildnis im Thyssen-Fragment aufweist und auch dem Selbstporträt in der Dortmunder Kreuzigung ähnelt. Die Kritik an dem Bildnis ist vorrangig darauf aufgebaut, dass der dargestellte Mann nicht dem tatsächlichen Alter Baegerts zum Zeitpunkt der Bildentstehung entspricht, sondern viel zu jung dargestellt ist.7 Aus diesem Grund wurde sowohl die Figur des älteren Schöffen rechts des Richters (links im Bild)8 als auch der Mann am linken Bildrand als mögliche Selbstdarstellung zur Diskussion gestellt. Einen alternativen Ansatz zu dieser Frage bringt Rinke in die Forschungsdebatte ein: Als Erklärung für das zu jugendlich erscheinende Bildnis rechts schlägt er vor, dass sich Baegert prinzipiell im Alter von ca. 30 Jahren dargestellt haben könnte, was der Autor als Hinweis des Malers auf das ideale Lebensalter von Christus versteht.9 Diese Beobachtung hinsichtlich der gleichbleibenden Inszenierung des Künstlerbildes Baegerts sowie die bereits angesprochenen weiteren Übereinstimmungen in den optischen Erscheinungen mit anderen Selbstporträts des Malers in Kreuzigungsszenen geben Anlass, den jugendlichen Schöffen auf der rechten Bildseite als Selbstdarstellung anzuerkennen.
Wie Blümle ausführt, wird das Rollenporträt als „Sekretär“ in beglaubigender Funktion als Vorläufer für Dürers Selbstbildnisse in der Marter der zehntausend Christen10 und im Allerheiligenbild11 wesentlich.12 Damit spricht die Autorin einen Punkt an, der weit überzeugender ist, als alle Überlegungen zum Alter des Dargestellten: die Verankerung des Bildnisses in der Genese des Sujets. Dies ist auch in Hinblick auf niederländische Gerechtigkeitsbilder relevant, da Baegert auf Rogier van der Weyden aufbaut und mit Gerard David und Dieric Bouts in der Einfügung von Selbstdarstellungen in Bildern zur guten Regierung konform geht.
Verweise
Marx 2011, 47. Zu Zuschreibung und Datierung der Tafel im Detail samt Wiedergabe der Quellen aus den Rechnungen vgl. u. a. Landesmuseum der Provinz Westfalen 1937, o. S. (Kat 45).; zur Quellenlage weiterführend vgl. u. a. Heidebroek 2024, 173; Rinke 2004, 174f.↩︎
Aus der Literatur zum Weseler Rathausbild vgl. u. a. Arand 1991; Blümle 2011b; Heidebroek 2024; Landesmuseum der Provinz Westfalen 1937, o. S. (Kat. 45); Marx 2011, 47–52, bes. 49f; Stange 1967, 123 (Nr. 391); Wallrath 1970; Zumkley 1988.↩︎
Marx 2011, 51f.↩︎
Zu Rogiers Selbstdarstellung im Gerechtigkeitsbild vgl. den Einführungstext zu Rogier van der Weyden.↩︎
Zum Inhalt der Tafel vgl. u. a. Heidebroek 2024, 172; Marx 2011, 49f.↩︎
Blümle 2011a, 299–303; gleichlautend in Blümle 2011b, 48.↩︎
Vgl. u. a. Arand 1994, 14, 18.↩︎
Zumkley 1988, 56–58, bes. 58.↩︎
Rinke 2004, bes. 174f. Zur detaillierten Forschungslage vgl. weiterführend die Forschungsstände zum jugendlichen Schöffen, zum älteren Schöffen und zum Mann links.↩︎
Albrecht Dürer, Marter der zehntausend Christen, 1508, Wien, Kunsthistorisches Museum.↩︎
Albrecht Dürer, Allerheiligenbild, 1511, Wien, Kunsthistorisches Museum.↩︎
Vgl. Blümle 2011b, 47f; gleichlautend in Blümle 2011a, 302f.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Krabichler, Elisabeth: Eidesleistung (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/baegert-derick-eidesleistung-1493-bis-1494-wesel-stadtisches-museum-galerie-im-centrum/ (05.12.2025).