Inhaltsverzeichnis
Objekt
| Detailtitel: | Die Prozession auf dem Markusplatz |
| Alternativtitel Deutsch: | Prozession auf dem Markusplatz; Prozession auf der Piazza San Marco; Die Prozession am Markustag |
| Titel in Originalsprache: | Processione in Piazza San Marco |
| Titel in Englisch: | Procession in the Piazza San Marco; Procession in St. Mark's Square |
| Datierung: | 1496 |
| Anmerkungen zur Datierung: | Datierung im Cartellino genannt |
| Ursprungsregion: | italienischer Raum |
| Lokalisierung: | Italien; Venedig; Gallerie dell‘Accademia |
| Lokalisierung (Detail): | Inventarnummer: 567; Saal 20 |
| Medium: | Gemälde |
| Material: | Öl (und Tempera) |
| Bildträger: | Leinwand |
| Maße: | Höhe: 373 cm; Breite: 745 cm |
| Ikonografische Bezeichnung: | Kreuzreliquien; Kreuzverehrung |
| Iconclass: | 11D411 – legend of the True Cross; 11D431 – splinters of the cross ~ relics of Christ; 11D432 – nails of the cross ~ relics of Christ |
| Signatur Wortlaut: | GENTILIS BELLINI VENETI EQUITIS-CRUCIS |
| Datierung Wortlaut: | MCCCCLXXXXVI |
| Signatur/Datierung Position: | auf einem Cartellino, das mittig in vorderster Ebene direkt unter der Kreuzreliquie positioniert ist |
| Auftraggeber/Stifter: | Scuola Grande di San Giovanni Evangelista |
| Provenienz: | Ursprünglich Scuola Grande di San Giovanni Evangelista: Durch das Napoleonische Dekret von 1806 ging die Scuola in staatlichen Besitz über, die für die Accademia vorgesehenen bzw. ausgewählten Bilder wurden 1820 dorthin gebracht. Erst seit 1947 werden sie dort aber wieder miteinander ausgestellt. |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | teilöffentlich |
Bildnis 1
| Lokalisierung im Objekt: | rot gekleideter, nach rechts blickender Mann im linken Bildviertel mit schwarzer Kappe; links hinter dem vollfigurig sichtbaren rot gekleideten Mann |
| Ausführung Körper: | Schulterstück |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Teil der Zuschauer, an denen die Prozession vorbeizieht |
| Blick/Mimik: | Blick zur Kreuzreliquie, die mittig in vorderster Ebene des Bildes vorbeigetragen wird |
| Gesten: | Hände nicht sichtbar |
| Körperhaltung: | im Dreiviertelporträt heraldisch nach links gewandt und direkt zur Kreuzreliquie blickend |
| Formale Besonderheiten: | Cartellino, positioniert direkt unter der Kreuzreliquie zwischen den Trägern des Reliquienschreins mittig in vorderster Ebene mit Datierung und Signatur |
| Attribute: | schwarze Kappe |
| Kleidung: | rotes Gewand und schwarze Kappe |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | Auf der rechten Seite des vollständig sichtbaren Mannes wird von Gibbons, Löther, Brown und Gigante ein Bildnis von Giovanni vermutet. Marschke und Horký sprechen von einem Familienporträt der beiden Brüder mit dem Vater Jacopo. Brown identifiziert den weißhaarigen Mann in der Mitte jedoch als Giovanni Dario, den Guardian Grande der Jahre 1492/93. Gigante nennt vorsichtig diese beiden Identifizierungsvorschläge für die Figur zwischen dem Brüderpaar, äußert sich selbst aber nicht weiter dazu. |
Forschungsergebnis: Bellini, Gentile
| Künstler des Bildnisses: | Bellini, Gentile |
| Status: | weitgehend anerkannt |
| Status Anmerkungen: | Strittig ist insbesondere die Zuschreibung der Vorlage für dieses Bildnis: Eine Zeichnung aus dem Berliner Kupferstichkabinett wird zwar allgemein als Vorlage für das Bildnis angesehen, jedoch ist strittig, ob diese Zeichnung von Gentile selbst oder seinem Bruder Giovanni ausgeführt wurde. Die Zuschreibung des Bildnisses ist davon allerdings nicht betroffen, da auch jene ForscherInnen, die die Zeichnung Giovanni zuschreiben großteils davon ausgehen, dass Gentile diese dann als Vorlage verwendet hat. |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Skeptisch/verneinend | Ridolfi | 1648 | Ridolfi 1648/1835 – Le maraviglie dell'arte ovvero | 81 |
Detailsnicht direkt verneinend, sondern er erwähnt ein entsprechendes Selbstbildnis für das Prozessionsgemälde Gentile Bellinis nicht, während er ein solches im Wunder der Kreuzreliquie durchaus erwähnt
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| Erstzuschreibung | Gronau | 1909 | Benkard 1927 – Das Selbstbildnis vom 15 | 49 |
Detailslaut Benkard hat Gronau diese Identifizierung bereits 1898 in einem Vortrag öffentlich vorgeschlagen. Vgl. Benkard 1927 – Das Selbstbildnis vom 15, 49.
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| Skeptisch/verneinend | Benkard | 1927 | Benkard 1927 – Das Selbstbildnis vom 15 | 49 | - |
| Bejahend | Foscari | 1933 | Foscari 1933 – Autoritratti di Maestri della Scuola | 248 |
Detailsohne sich auf entsprechende frühere Publikationen zu beziehen
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| Bejahend | Tietze/Tietze-Conrat | 1944 | Tietze, Tietze-Conrat 1944 – The Drawings of the Venetian | 68, A 261 | - |
| Bejahend | Moschini Marchoni | 1955 | Moschini Marconi 1955 – Gallerie dell'Accademia di Venezia | 61f | - |
| Bejahend | Gibbons | 1963 | Gibbons 1963 – New Evidence for the Birth | 54–58, bes. 57 | - |
| Bejahend | Collins | 1970 | Collins 1970 – Gentile Bellini | 49, 205f | - |
| Bejahend | Pignatti | 1970 | Pignatti 1970 – La scuola veneta | 81, Tav. IV. | - |
| Bejahend | Dreyer | 1979 | Dreyer 1979 – Kupferstichkabinett Berlin | Nr. 13 | - |
| Bejahend | Pignatti/Pullan | 1981 | Pignatti, Pullan 1981 – Le scuole di Venezia | 54 | - |
| Bejahend | Meyer zur Capellen | 1985 | Meyer zur Capellen 1985 – Gentile Bellini | 69f, 72, 162f | - |
| Bejahend | Fortini Brown | 1988 | Fortini Brown 1988 – Venetian Narrative Painting | 233 | - |
| Skeptisch/verneinend | Lucco/Pirovano | 1990 | Lucco, Pirovano (Hg.) 1990 – La pittura nel Veneto | 734 |
Detailsindirekt ablehnend, da andere Porträts und die Berliner Zeichnung explizit genannt sind, die Prozession aber nicht
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| Bejahend | Fletcher | 1990/1991 | Fletcher 1990/1991 – Fatto al Specchio | 48 | - |
| Bejahend | Schweikhart | 1993 | Schweikhart 1993 – Das Selbstbildnis im 15 | 18 | - |
| Bejahend | Löther | 1996 | Löther 1996 – Rituale im Bild | 106 | - |
| Bejahend | Suzuki | 1996 | Suzuki 1996 – Studien zu Künstlerporträts der Maler | 37–38, 261-262 | - |
| Skeptisch/verneinend | Schulz Altcappenberg | 1996 | Schulze Altcappenberg 1995 – Die italienischen Zeichnungen des 14 | 69f |
Detailsindirekt ablehnend
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| Bejahend | Marschke | 1998 | Marschke 1998 – Künstlerbildnisse und Selbstporträts | 304 | - |
| Bejahend | Brown | 2000 | Brown 2000 – The Painter's Reflection | 59f |
Detailsvorsichtig bejahend
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| Bejahend | Rearick | 2002 | Rearick 2002 – The Venetian Selfportrait | 152f | - |
| Bejahend | Horký | 2003 | Horký 2003 – Der Künstler ist im Bild | 75–77 | - |
| Skeptisch/verneinend | Burg | 2007 | Burg 2007 – Die Signatur | 381f |
DetailsBurg beschreibt im Gegensatz zu den übrigen Autoren einen schwarzgekleideten Mann an anderer Stelle, ohne sich wohl dessen bewusst zu sein, dass er sich auf eine andere Figur bezieht als die übrigen ForscherInnen.
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| Bejahend | Köster | 2008 | Köster 2008 – Künstler und ihre Brüder | 331 | - |
| Bejahend | Gigante | 2010 | Gigante 2010 – Autoportraits en marge | 113f | - |
| Skeptisch/verneinend | Smith Abbot | 2012 | Smith Abbott 2012 – Sons of the Truth | 45 |
Detailsneutral bzw. indirekt ablehnend
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| Bejahend | Müller | 2014 | Müller 2014 – Ein Wunder geschieht | 85–98, bes. 90, 94f | - |
Während Ridolfi (1648) in seiner Lebensbeschreibung Gentile Bellinis dessen Selbstporträt im Wunder der Kreuzreliquie am Ponte di San Lorenzo erwähnt, nennt er ein solches nicht für das Prozessionsgemälde des Künstlers, obwohl er sogar recht detailliert beschreibt, Gentile habe hier Wächter und andere Würdenträger mit Lampen in den Händen, den Dogen, den Senat und zahlreiche Personen, die in verschiedenen Gewändern über den Platz verstreut sind, dargestellt.1
Gronau (1909)2 identifiziert insgesamt drei integrierte Selbstporträts Gentile Bellinis in dessen großen Gemälden für die Scuolen: in der Prozession auf dem Markusplatz, dem Wunder der Kreuzreliquie an der Brücke von San Lorenzo und schließlich in der Predigt des hl. Markus in Alexandrien. Bezogen auf das Prozessionsbild schreibt er sehr bestimmt, unter die Zuschauer „hat sich Gentile Bellini selbst gemischt“, und verweist vergleichend auf den passenden Karton3 des Bildnisses im Berliner Kupferstichkabinett.4
Laut Benkard (1927)wurde die Berliner Zeichnung Bellinis aufgrund der Ähnlichkeit des Dargestellten mit der von Vittore Gambello, genannt Camelio, erstellten Medaille von Georg Gronau bereits 1898 (publiziert 1909) als Selbstbildnis Gentile Bellinis identifiziert und diese als Vorarbeit für die Figur im Gemälde der Prozession auf dem Markusplatz bezeichnet. Benkard bezweifelt (im Gegensatz zu Gronau), dass die Zeichnung von Bellinis Hand stammt, allerdings nicht, dass Bellini dargestellt ist. Er stellt auch in Frage, ob die durchstochene Kontur tatsächlich für eine Übertragung auf ein Gemälde spricht, und führt an, dass weder Vasari noch Ridolfi ein eingebrachtes Selbstporträt von Bellini in der Prozession auf dem Markusplatz erwähnt hätten.5
Foscari (1933) weist für Gentile Bellini vier Selbstporträts aus, bei dreien davon handelt es sich um integrierte Selbstporträts, die der Autor allerdings nicht von eigenständigen Porträts unterscheidet. Er stützt sich auf die Medaille von Vittore Camelio bzw. Gambello als glaubhaftes Vergleichsbeispiel, wodurch sich die vier Selbstporträts optisch abgleichen und verifizieren lassen: eine Zeichnung im Kupferstichkabinett in Berlin als autarkes Selbstporträt und (integrierte) Selbstporträts in der Prozession auf dem Markusplatz,6 im Wunder der Kreuzreliquie bei San Lorenzo und in der Predigt des hl. Markus in Alexandrien. Foscari betont die optische Übereinstimmung der Porträts untereinander und im Vergleich mit der Medaille, räumt aber selbst ein, dass das Alter der besprochenen Selbstporträts deutlich vom wahren Alter des Künstlers zum Zeitpunkt der Gemäldeentstehungen abweiche.7
Tietze/Tietze-Conrat (1944) besprechen in ihrem umfangreichen Band zu Zeichnungen venezianischer Künstler auch einige Zeichnungen Gentile Bellinis, eine davon betiteln sie als „Portrait of a man, supposed to be Gentile Bellini himself. Used in the ‚Procession of the Cross‘“.8 In ihren Ausführungen zur Zeichnung akzeptieren die beiden zwar die Identifizierung Gentiles als dargestellte Person, hingegen bezweifeln sie, dass das Portrait von Gentiles Hand stammt und schlagen sehr vorsichtig eine Zuschreibung der Zeichnung an dessen Bruder Giovanni vor. Nachdem Tietze/Tietze-Conrad aber die Identifizierung des Dargestellten selbst aufgrund der Ähnlichkeit mit mehreren Porträts nicht anzweifeln und deutlich angeben, dass das Porträt in der Prozession auf dem Markusplatz verwendet wurde, können wir indirekt von der Akzeptanz des Selbstporträts im Gemälde ausgehen.9
Moschini Marchoni (1955) versammelt in ihrem Band die Werke des 15. und 16. Jahrhunderts, die sich im Besitz der Accademia in Venedig befinden. Bezogen auf Gentiles Prozession auf dem Markusplatz spricht sie gewissermaßen indirekt von dessen Selbstporträt, denn sie nennt zwei Porträtzeichnungen im Berliner Kupferstichkabinett als Studien für das Gemälde, eine davon sei „generalmente ritenuto un autoritratto“. Moschini Marchoni widerspricht dieser allgemeinen Einschätzung nicht, kommentiert sie auch nicht weiter, sondern geht anschließend lediglich auf Forschungsmeinungen zu den beiden Zeichnungen ein.10
Gibbons (1963) schreibt allgemein „Gentile not infrequently included himself and members of his painter familiy in his large civic scenes painted für the Venetian scuole“. Als Beispiel führt er die Predigt des Heiligen Markus in Alexandrien an. Als eines der Beispiele, in denen Gentile sogar gemeinsam mit seinem Bruder Giovanni dargestellt sei, nennt er schließlich die Prozession auf dem Markusplatz (wie auch das Wunder der Kreuzreliquie bei San Lorenzo). Die beiden Brüder seien unmittelbar hinter und zu beiden Seiten eines weißhaarigen Mannes dargestellt, wobei Gentile nach rechts und Giovanni nach links schaue. Gibbons identifiziert Gentile zudem durch den Vergleich mit der Darstellung der Berliner Zeichnung – sowohl Pose als auch Gesichtszüge würden sich damit decken.11
Collins (1970) erwähnt beinahe beiläufig, aber dafür umso selbstsicherer, die Existenz eines Selbstporträts Gentiles in der Prozession auf dem Markusplatz. Auch wenn von der Mitarbeit seiner Gehilfen ausgegangen werden müsse, so sei die Hand Gentiles gerade bei den Porträts sichtlich erkennbar „and certainly the likeness of himself and that of his brother are his own work“.12 Collins bespricht auch die Berliner Zeichnung, die allgemein als mutmaßliche Vorlage für das Selbstportrait in der Prozession gehandelt wird. Er gibt hierzu in erster Linie die unterschiedlichen Forschungsmeinungen kurz wieder, die die strittige Zuschreibung der Zeichnung betreffen.13 Collins spricht sich abschließend aber recht deutlich für eine Zuschreibung an Giovanni aus. All das betrifft das vermutlich nach dieser Vorlage gefertigte Selbstportrait im Prozessionsbild aber nur bedingt, weil nicht bestritten wird, dass es sich beim Dargestellten um Gentile handelt, und auch die Eigenhändigkeit des Selbstporträts im Gemälde nicht angezweifelt wird – unabhängig davon, wer die Zeichnungsvorlage geschaffen hat.14
Auch Pignatti 1970 ordnet die Berliner Zeichnung, die traditionell Gentile Bellini zugeschrieben wird, wie von Tietze/Tietze-Conrat vorgeschlagen sehr bestimmt dem Œvre von dessen Bruder Giovanni zu. Der Autor verweist darauf, dass die dargestellte Person der Zeichnung im Prozessionsgemälde Gentiles auftauche. Dass es sich bei dem Dargestellten tatsächlich um Gentile (und somit um ein Selbstporträt im Prozessionsgemälde) handle, werde durch den Vergleich mit der Camelio-Medaille und durch die detaillierten Studien von Gibbons, die weitere Selbstporträts Gentiles in der Predigt des hl. Markus in Alexandrien und im Wunder der Kreuzreliquie untersuchen, belegt.15
Auch in Dreyers Katalog der italienischen Zeichnungen im Kupferstichkabinett in Berlin (1979) ist das gezeichnete Porträt Gentile Bellinis erwähnt, das als Vorlage für dessen Selbstbildnis in der Prozession auf dem Markusplatz gedient hat. Dreyer weist auf die durch die Camelio-Medaille überlieferten Gesichtszüge Gentiles hin, wodurch der dargestellte Mann zu identifizieren sei, jedoch tendiert er ebenfalls dazu, die Zeichnung der Hand Giovannis zuzuschreiben, was aber die Verwendung als Vorlage für das Selbstbildnis im Gemälde nicht tangiert.16
Pignatti/Pullan (1981) erwähnen bei ihrem Eintrag zur Prozession auf dem Markusplatz beinahe beiläufig ein darin befindliches Selbstporträt Gentiles. Zwar sprechen sie sich für die Zuschreibung der Berliner Zeichnung an Giovanni aus, ihrer Meinung nach hat allerdings sein Bruder Gentile diese als Vorlage für die Einfügung seines eigenen Porträts im Gemälde verwendet und ist in der im Dreiviertelporträt der nach rechts gewandten Figur nach den Sängern zu erkennen. 17 Zudem bestätigen sie auch Gentiles Selbstporträt im Gemälde Wunder der Kreuzreliquie am Ponte di San Lorenzo.18
Meyer zur Capellen (1985) spricht die qualitativen Unterschiede in der Ausarbeitung von Porträts in Bellinis großformatigen Leinwänden für die Scuolen an – während ein Großteil der Physiognomien „trocken und leblos“19 erscheine, seien Personen mit besonderer Bedeutung detaillierter herausgearbeitet. Neben einzelnen Protagonisten im Wunder am Ponte di San Lorenzo betreffe dies auch einige Porträts in der Prozession auf dem Markusplatz. Der Autor bezieht sich im Speziellen auf zwei Zeichnungen – ein Selbstbildnis und ein Bildnis eines jungen Mannes – im Berliner Kupferstichkabinett, die als Vorstudien für Darstellungen gedient haben dürften. Meyer zur Capellen weist allerdings auch auf den Größenunterschied zwischen den Zeichnungen und den „nach ihnen in der vielfigurigen Darstellung ausgeführten Bildnisse[n]“20 hin. Die Perforierung der Umrisslinien des Selbstporträts, die einige andere Autoren als Indiz für eine Übertragung auf die Prozessionsleinwand werten, deutet für ihn entsprechend auf eine separate Porträtausführung hin.21 Nichtsdestotrotz identifiziert Meyer zur Capellen eindeutig ein Selbstporträt des Malers im roten Mantel in der Prozession auf dem Markusplatz, „wo er sich selbst dargestellt hat“.22 Eine Zuschreibung der Zeichnung an Giovanni Bellini und auch eine Ausführung im Gemälde durch ihn lehnt Meyer zur Capellen deutlich ab. Stilistisch passen ihm zufolge beide Darstellungen zur Hand Gentiles und zudem nehme das Porträt innerhalb des Prozessionsbildes eine „für ein Selbstbildnis charakteristische Position“23 ein.24
In ihrem umfangreichen Band zur narrativen Malerei in Venedig zur Zeit Carpaccios beschäftigt sich Fortini Brown (1988) besonders mit den von verschiedenen Scuolen in Auftrag gegebenen Zyklen, in die sich auch mehrere Maler selbst mit ihren Selbstporträts eingebracht haben. In Bezug auf Gentile Bellini ordnet sie zwei integrierte Selbstbildnisse als wahrscheinlich ein: zum einen jenes in der Prozession auf dem Markusplatz und zum anderen jenes in der Predigt des Hl. Markus in Alexandrien. Als Motivation für die Einbringung und Positionierung seiner Selbstporträts geht sie von einer komplexen Mischung aus Frömmigkeit und Stolz aus, die sich auch in seinen Inschriften widerspiegeln.25
Lucco/Pirovano (1990) schreiben, Gentile Bellinis Porträt sei außergewöhnlich oft für einen Künstler seiner Zeit erhalten, nämlich in mindestens drei, möglicherweise vier verschiedenen Darstellungen. Dazu zählt eine von Vittore Gambello gestochene Bronzemedaille, eine Selbstporträtzeichnung im Berliner Kupferstichkabinett, ein Selbstporträt unter den Zuschauern in der Markuspredigt und eine Giovanni Bellini zugeschriebene Zeichnung in Oxford. Andere Selbstporträts nennen sie aber nicht, so etwa auch nicht jenes in der Markusprozession, für das die Berliner Zeichnung üblicherweise als Vorlage gesehen wird.26
Ausgehend von einem möglichen Selbstporträt in den 1577 verbrannten Gemälden im Dogenpalast kommt Fletcher (1990/1991) auf die im Berliner Kupferstichkabinett befindliche Zeichnung von Gentile Bellini zu sprechen, die in der Forschung vielfach mit seinem Porträt in der Prozession in Verbindung gebracht wird. Die Autorin spricht ebenfalls eindeutig von einem Porträt in letzterem Gemälde, vermutet allerdings, dass die Zeichnung in erster Instanz als Vorlage für ein Selbstporträt im Dogenpalast gedient haben könnte, weil sich dies viel besser mit der Größe der Zeichnung vereinbaren ließe. Insgesamt geht Fletcher davon aus, Gentile sei „at least twice in his paintings for Venetian confraternities“27 dargestelltund nennt zusätzlich zum Porträt im Prozessionsbild noch jenes in der Predigt des hl. Markus in Alexandrien, während Sie das Brückenwunder von San Lorenzo nicht erwähnt.28
Schweikhart (1993) kommt im Zuge seiner Ausführungen zum Selbstbildnis auch auf Bildniszeichnungen „zu Studienzwecken“ zu sprechen. Als Beispiel für ein Gemälde, dem eine Bildniszeichnung des Künstlers als Vorzeichnung vorausgegangen ist, führt er ganz selbstverständlich Gentile Bellinis Prozessionsbild an, „in dem Gentile Bellini auch sich selbst dargestellt hat.“29
Im Katalogeintrag von Schulze Altcappenberg (1995) zur Zeichnung Bildnis eines Mannes (Selbstporträt Gentiles?) wird die vielfach genannte Studienzeichnung für Gentiles Selbstbildnis in seinem Prozessionsbild beschrieben. Dabei werden zwei strittige Annahmen bezüglich dieser Zeichnung angesprochen: Einerseits ist sich die Forschung nicht einig, ob es sich um eine eigenhändige Zeichnung Gentiles handelt (etwa Tietze/Tietze-Conrat schreiben sie dessen Bruder Giovanni zu), andererseits scheint auch die Identität des Dargestellten nicht restlos geklärt. Zwar sei in der älteren Literatur Gentile durch den Vergleich mit einer Medaille Camelios (Vittore Gambello) in diesem Kopf erkannt worden, im Katalogbeitrag wird diese Identifizierung allerdings lediglich als Vermutung eingestuft. Zwar wird die Zeichnung eindeutig als Vorlage für eine vielfach als Selbstdarstellung gehandelte Figur in Gentiles Prozessionsbild gesehen, Schulze Altcappenberg führt aber beide Köpfe nicht als Selbstbildnisse an.30
Mit verschiedenen Darstellungs- und Wahrnehmungsmustern von Prozessionen beschäftigt sich Löther (1996) und widmet dabei einen Teil ihres Beitrags der bildlichen Darstellung der Markusprozession durch Gentile Bellini. Sie spricht die (sozial-)geschichtlichen Hintergründe der fünf großen Scuolen Venedigs, ihre Mitgliederzusammensetzung und ihre Selbstrepräsentation bei den Prozessionen der Stadt an. Diese betrifft auch die bildliche Selbstdarstellung und insbesondere Gentiles Gemälde Prozession auf dem Markusplatz, worin er „Bruderschaftsmitglieder, aber auch sich selbst mit seinem Bruder“31 porträtiert habe. Löther macht keine weiteren Angaben zur Positionierung der Künstlerfigur o. Ä., verweist aber darauf, dass die Einzelporträts bei Bellini in einen kollektiven Rahmen eingebettet sind und damit wiederum die Zugehörigkeit von Gruppen hervorgehoben wird.32
Suzuki (1996) erkennt ein Selbstporträt von Gentile Bellini in dessen Prozession auf dem Markusplatz an33 – es handelt sich dabei um das nach rechts gerichtete, helle Gesicht hinter dem rot gekleideten Mann mit langer schwarzer Kopfbedeckung. Laut der Autorin stimmen die physiognomischen Merkmale der Porträtmedaille Gentile Bellinis (von der Hand Vittore Gambellos), die von ihr als einzig gesicherte Bildquelle für Vergleichszwecke anerkannt wird, mit denen des vorgeschlagenen Porträts im Gemälde überein. Sie ordnet das Bildnis damit als „wahrscheinlich glaubhaftes“ Selbstporträt ein, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Darstellung von Gentile selbst und nicht von Giovanni gemalt wurde.34 Allerdings weist sie darauf hin, dass Gentile in jedem Fall jünger erscheint als er zum Zeitpunkt der Entstehung war. Den Vergleich mit der Berliner Zeichnung schließt Suzuki als stichhaltigen Beweis aus, weil diese erst durch den Vergleich Gronaus 1909 mit dem Prozessionsbild als Selbstporträt angesehen und Gentile zugeschrieben wurde.35 Dennoch erkennt sie die Zeichnung als „Vorzeichnung für das in das Gemälde integrierte Selbstporträt“ an.36
Marschke (1998) geht unter den Stichworten Devotion und Zeugenschaft u. a. auf venezianische Beispiele ein. Bezogen auf Bilder Gentile Bellinis und Giovanni Mansuetis stellt sie fest: „[I]n besonderer Weise werden hier das integrierte Selbstbildnis und die schriftliche Signatur deutlich aufeinander bezogen“. Sie befasst sich anschließend ausführlich mit Gentiles Prozession auf dem Markusplatz, „in der er sich selbst mit Bruder Giovanni und Vater Jacopo Bellini zu einem Künstlerfamilienporträt formiert – Gentile bildet die linke Figur der Dreiergruppe“.37 Zudem spricht Marschke das cartellino in der Mitte unter dem Baldachin an, wodurch sich die von ihr hervorgehobene Verbindung von Selbstbildnis und Signatur ergibt.38 Als Beispiel für „Vorzeichnungen von in Historienbilder[…] integrierte[…] Selbstbildnisse[…]“39 um 1500 führt Marschke die Silberstiftzeichnung Gentile Bellinis aus dem Berliner Kupferstichkabinett an. Mit dem Hinweis auf die für die Übertragung genutzte Perforierung der Konturen schlägt sie in eine bekannte Kerbe der Forschung und wertet dies als Indiz für eine direkte Vorlage, was einige andere Wissenschaftlerinnen jedoch kritischer hinterfragen. Jedenfalls nennt Marschke sehr selbstsicher das zugehörige Bild und schreibt, „dieses Selbstporträt [lässt sich] in seiner großen Reliquienprozession auf der Piazza San Marco von 1496 für die Scuola di San Giovanni Evangelista [...] wiederfinden“.40
Ausgehend von Giovanni Mansueti kommt Brown (2000)auf dessen Lehrmeister Gentile Bellini zu sprechen, der für ersteren Künstler eventuell auch das Vorbild für das Einbringen von Selbstporträts in die eigenen Werke war. Sie stellt in diesem Zuge fest, das Prozessionsbild Gentiles beinhalte „both a self-portrait and portrait of the artist's brother Giovanni in the left foreground.“41 Die Autorin gleicht die beiden Bildnisse mit zwei Bronzemedaillen ab und führt als weiteres Indiz für deren Identität die Platzierung der beiden Figuren an beiden Seiten eines weißhaarigen Mannes an, von dem angenommen wird, dass es sich um Giovanni Dario handelt, den Guardian Grande der Jahre 1492/93 und venezianischen Sekretär, der Sultan Mohammed II. Gentile Bellini als venezianischen Künstler empfohlen hatte und mit dem Gentile eng befreundet war.42
Rearick (2002) schreibt, dass sich Jacopo Bellini 1436 angeblich selbst in einer mittlerweile verlorenen Kreuzigung für Verona dargestellt haben soll. Dies bezweifelt er aber indirekt, denn er meint im gleichen Zug, „it was probably Gentile who was the first of the Bellini to include his own likeness as a ‘signature’.” Dieser zeige sich nämlich in der Menschenmenge der Prozession am Markusplatz und es lässt sich laut Rearick eindeutig nachvollziehen, dass die Berliner Zeichnung als Vorarbeit für dieses Gemälde gefertigt wurde. Neben dem Selbstporträt Gentiles in der Prozession auf dem Markusplatz bestätigt der Autor auch jenes im Wunder der Kreuzreliquie am Ponte di San Lorenzo.43
Horký (2003) fasst kurz die sozialgeschichtlichen und politischen Bedingungen Venedigs zusammen, die Künstlerselbstdarstellungen nur im Zusammenhang mit politischen Ämtern oder im Kontext der Scuolen ermöglichten. Neben einer verlorenen Selbstdarstellung im Ratssaal des Dogenpalastes erwähnt Horký noch zwei weitere Selbstbildnisse des Künstlers, die ihr zufolge als gesichert gelten: das in der Prozession auf dem Markusplatz und jenes in der Predigt des heiligen Markus in Alexandrien, während sie das Wunder der Kreuzreliquie an der Brücke von San Lorenzo nicht einmal erwähnt. Trotz der gut sichtbaren Positionierung aufgrund einer Lücke in der Prozession wird das Selbstbildnisses von Horký als „unauffällig“ bezeichnet, denn es verliere sich in der Zuschauermenge. Sie geht davon aus, dass es sich bei der Dreiergruppe der rotgewandeten Männer neben Gentile noch um seinen Bruder und Vater handle. Die Autorin verweist wie viele Ihrer KollegInnen auf die Vorzeichnung im Berliner Kupferstichkabinett als Vorstudie für das Porträt im Gemälde.44
Burg (2007) bespricht einige vorgeschlagene Selbstbildnisse, bei denen der typische Blick aus dem Bild fehlt, dazu zählt er auch zwei Beispiele Gentile Bellinis: die Prozession auf dem Markusplatz und auch die Predigt des hl. Markus in Alexandrien. Der Autor weist darauf hin, dass Gentile im Prozessionsbild aber noch schwieriger zu identifizieren sei, weil er (im Gegensatz zum Predigtbild) ohne Kette nur über seine Physiognomie zu erkennen und zudem an sehr ungewöhnlicher Stelle inmitten der Prozession dargestellt sei. Diesbezüglich korrigiert er Meyer zur Capellen,45 der diese Position als „charakteristisch“ einstuft. Dabei übersieht Burg allerdings, dass Meyer zur Capellen von einer Figur in roter Kleidung spricht, während er selbst einen Mann in schwarzem Gewand beschreibt. Wohl ohne sich dessen bewusst zu sein, dass er von einer anderen Figur ausgeht, und trotz der fehlenden üblichen Indizien identifiziert Burg den Künstler aber vor allem über den physiognomischen Abgleich mit einem Medaillenbildnis eindeutig als Selbstbildnis in schwarzer Kleidung hinter den beiden linken Baldachinträgern.46
Köster (2008) geht zunächst ausführlich auf das Selbstbildnis Gentile Bellinis in der Predigt des hl. Markus ein und schreibt dann sehr bestimmt, bereits zuvor habe „Gentile Bellini sich und seinen Bruder in der Prozession auf dem Markusplatz porträtiert“.47 Zudem verweist sie auf die vorbereitende Zeichnung im Kupferstichkabinett in Berlin als Vergleichsdarstellung Gentiles. Wie schon bezogen auf die Predigt des heiligen Markus in Alexandrien betont Köster auch hier die Darstellung der Maler als ehrenwerte Bürger, die in eine rote Toga gekleidet als Augenzeugen an der Prozession teilhaben.48
Gigante (2010) bezieht sich sehr allgemein und ohne weitere Verweise auf bekannte Werke, nach denen Gentile Bellini der erste Venezianer gewesen sei, der sein Porträt in Gemälde einfügt habe, nämlich in der Prozession auf dem Markusplatz. Sie identifiziert ihn als die erste der drei rotgekleideten Figuren im linken Vordergrund und seinen Bruder Giovanni als die dritte. Laut Gigante gibt es zwei Vergleichsporträts für die Selbstdarstellungen Gentile Bellinis: eine Medaille von Vittore Gambello, genannt Camelio, und die vielfach erwähnte Zeichnung im Berliner Kupferstichkabinett, bei der sich allerdings die Forschungsmeinungen scheiden, wie Gigante selbst hervorhebt. Auch für die Figur zwischen dem Brüderpaar nennt sie vorsichtig zwei Identifizierungsvorschläge der Forschung: Giovanni Dario und Jacopo Bellini, äußert sich selbst aber nicht näher dazu. Zudem erwähnt die Autorin zwei weitere Selbstporträts Gentile: in der Kreuzreliquie an der Brücke von San Lorenzo und in der Predigt des hl. Markus in Alexandrien.49
Smith Abbot (2012) identifiziert eindeutig ein Selbstbildnis in einem Scuolenbild Mansuetis (Wunder der Kreuzreliquie) und bildet Gentile Bellinis Prozession auf dem Markusplatz auf der gleichen Seite sogar als Vergleichsbeispiel für Scoulenbilder allgemein ab, erwähnt ein darin befindliches Selbstporträt Bellinis aber mit keinem Wort, was als indirekte Ablehnung gewertet werden könnte.50
Müller (2014) beschäftigt sich insbesondere mit den erzählenden und geschichtlichen Komponenten von Gentile Bellinis Prozessionsbild und ordnet verschiedene Aspekte des Gemäldes zwischen den Polen Wirklichkeit und Ideal ein. Sie greift dabei unter anderem die Bezeichnung „eyewittness style“ von Fortini-Brown51 auf, der auf das Einfügen verschiedenster zeitgenössischer Porträts Bezug nimmt, und verweist in diesem Zug auf die „mehrfache Präsenz des Malers selbst in diesem Hauptbild des Zyklus“.52 Müller spricht weiter vom Porträt des „Maler[s] selbst, dessen Porträt im Vordergrund links vermutet wird“53 und ordnet sich damit vorsichtig in die Reihe der PorträtbefürworterInnen ein.54
Verweise
Ridolfi 1648/1835, 81.↩︎
Gronau hat den Zusammenhang mit dem Bildnis in Berlin bereit 1898 hergestellt und damit zusammenhängend die Identifizierung des Selbstbildnisses im Gemälde nach den Angaben Benkards bereits über 10 Jahre zuvor vorgenommen. Zwar nennt Benkard das konkrete Jahr und den Kontext einer Ausstellung als Anlass dieser Zuweisung, gibt dafür aber keine separate Quelle an, sondern verweist auf Gronaus Publikation von 1909. Vgl. Benkard 1927, 49.↩︎
In der jüngeren Literatur wird nachvollziehbar dargelegt, dass es sich rein aufgrund der Größenverhältnisse nicht um den Originalkarton für das Prozessionsgemälde handeln kann, sondern diese Zeichnung lediglich als Vorlage dafür gedient haben kann (so etwa bei Meyer zur Capellen 1985, 69; ähnlich auch bei Fletcher 1990/1991, 48). Laut Marschke hingegen ist die Perforierung als Indiz für eine Vorlage zu werten (Marschke 1998, 304). Zudem wird die Zeichnung teilweise der Hand Giovanni Bellinis zugeschrieben (so etwa von Tietze/Tietze-Conrat 1944, 68, A 261; Collins 1970, 205f; Pignatti 1970, 81, Tav. IV; Dreyer 1979, Nr. 13; Pignatti/Pullan 1981, 53.), dem widerspricht aber etwa Meyer zur Capellen 1985, 162f. Einen Teil der Forschungsliteratur zu diesen strittigen Fragen fasst Schulze Altcappenberg 1995, 69f zusammen.↩︎
Gronau 1909, 41–49, bes. 41.↩︎
Benkard 1927, 49.↩︎
Zwar geht Foscari nicht weiter darauf ein, welche Person er genau meint, aus der Detailabbildung auf S. 250 geht jedoch hervor, dass es sich um das Dreiviertelporträt links des ganzfigurig sichtbaren Mannes links der Kerzenträger handelt.↩︎
Foscari 1933, 248.↩︎
Tietze/Tietze-Conrat 1944, 68, A 261.↩︎
Ebd., 68.↩︎
Moschini Marconi 1955, 61f.↩︎
Gibbons 1963, 54-58, bes. 57.↩︎
Collins 1970, 49.↩︎
Tietze/Tietze-Conrat denken eine Zuschreibung an Giovanni an, ordnen die Zeichnung aufgrund fehlender stichhaltiger Belege dennoch weiterhin Gentile zu; Gibbons nimmt den Gedanken von Giovanni als Ersteller ebenfalls positiv auf.↩︎
Collins 1970, 205f.↩︎
Pignatti 1970, 81, Tav. IV.↩︎
Dreyer 1979, Nr. 13.↩︎
Pignatti/Pullan 1981, 53. Die Autoren verweisen versehentlich auf Tav. III bei Pignatti 1970 und damit auf eine andere Zeichnung Gentiles, gemeint ist aber ganz offensichtlich Tav. IV.↩︎
Pignatti/Pullan 1981, 54.↩︎
Meyer zur Capellen 1985, 69.↩︎
Ebd.↩︎
Ebd., 69f.↩︎
Ebd., 72.↩︎
Ebd., 163. Die von Meyer zur Capellen explizit genannte „für eine Selbstbildnis charakteristische Position“ ist mit Blick auf die Darstellung schwer nachvollziehbar, da sich Gentili inmitten der übrigen Prozessionsteilnehmer wiederfindet und eben gerade nicht irgendwo am Rand steht, was bei diesem Sujet gängiger wäre. Möglicherweise hat Meyer zur Capellen in diesem Detail das Prozessionsbild mit dem Predigtbild verwechselt, wo die Figur Gentiles tatsächlich durch die Position in vorderster Bildebene hervorsticht. Diese schwer nachvollziehbare Aussage zur angeblich charakteristischen Position des Künstlers im Prozessionsbild hat auch schon bei Burg für Verwunderung gesorgt, der Meyer zur Capellen in diesem Punkt berichtigt, deswegen aber keinesfalls die Identifikation als Selbstbildnis anzweifelt. Allerdings bezieht sich Burg wohl versehentlich auf eine andere Figur. (Burg 2007, 382).↩︎
Meyer zur Capellen 1985, 162f.↩︎
Fortini Brown 1988, 233.↩︎
Lucco/Pirovano 1990, 734.↩︎
Fletcher 1990/1991, 48.↩︎
Ebd.↩︎
Schweikhart 1993, 18.↩︎
Schulze Altcappenberg 1995, 69f.↩︎
Löther 1996, 106.↩︎
Ebd., 101-106, zum Selbstporträt Gentile Bellinis bes. 106.↩︎
Sie verweist fälschlicherweise aber auf die Erstidentifizierung durch Gibbons 1963, obwohl dies bereits Gronau 1909 bzw. 1898 erkannt hatte. Da Suzuki die Publikation Gronaus selbst zitiert und entsprechende Kenntnis von ihr hatte, liegt hier möglicherweise eine Verwechslung mit der Erstidentifizierung der Bellini-Familie im Wunder der Kreuzreliquie beim Ponte di San Lorenzo durch Gibbons im selben Beitrag vor.↩︎
Der Umstand der Eigenhändigkeit wird in der Forschung bezogen auf das Prozessionsgemälde sonst nicht angezweifelt – strittig ist lediglich die Händescheidung zwischen Gentile und Giovanni in der Predigt des Hl. Markus in Alexandrien und die Zuschreibung der Berliner Zeichnung.↩︎
Suzuki 1996, 37–38, 261-262.↩︎
Ebd., 262.↩︎
Marschke 1998, 90.↩︎
Ebd., 90f.↩︎
Ebd., 304.↩︎
Ebd.↩︎
Brown 2000, 59.↩︎
Ebd., 59f.↩︎
Rearick 2002, 152f.↩︎
Horký 2003, 75–77.↩︎
Meyer zur Capellen 1985, 163.↩︎
Burg 2007, 381f.↩︎
Köster 2008, 313.↩︎
Vgl. ebd., 331.↩︎
Gigante 2010, 113f.↩︎
Smith Abbott 2012, 45.↩︎
Fortini Brown 1988, 4.↩︎
Müller 2014, 90.↩︎
Ebd., 94f.↩︎
Ebd., 85-98, zum Selbstporträt bes. 90 u. 94-95.↩︎
Bildnis 2
| Lokalisierung im Objekt: | schwarz gekleideter, nach rechts blickender Mann hinter den linken Baldachinträgern |
| Ausführung Körper: | Schulterstück |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Teil der Zuschauer, an denen die Prozession vorbeizieht |
| Blick/Mimik: | Blick zur Kreuzreliquie, die mittig in vorderster Ebene des Bildes vorbeigetragen wird |
| Gesten: | Hände nicht sichtbar |
| Körperhaltung: | im Dreiviertelporträt heraldisch nach links gewandt und direkt zur Kreuzreliquie blickend |
| Formale Besonderheiten: | Cartellino, positioniert direkt unter der Kreuzreliquie zwischen den Trägern des Reliquienschreins mittig in vorderster Ebene mit Datierung und Signatur |
| Attribute: | schwarze Kappe |
| Kleidung: | schwarzes Gewand und schwarze Kappe |
Forschungsergebnis: Bellini, Gentile
| Künstler des Bildnisses: | Bellini, Gentile |
| Status: | Einzelmeinung |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Burg | 2007 | Burg 2007 – Die Signatur | 381f |
DetailsBurg beschreibt im Gegensatz zu den übrigen Autoren einen schwarzgekleideten Mann an anderer Stelle, ohne sich wohl dessen bewusst zu sein, dass er sich auf eine andere Figur bezieht als die übrigen ForscherInnen.
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Burg (2007) bespricht einige vorgeschlagene Selbstbildnisse, bei denen der typische Blick aus dem Bild fehlt, dazu zählt er auch zwei Beispiele Gentile Bellinis: die Prozession auf dem Markusplatz und auch die Predigt des hl. Markus in Alexandrien. Der Autor weist darauf hin, dass Gentile im Prozessionsbild aber noch schwieriger zu identifizieren sei, weil er (im Gegensatz zum Predigtbild) ohne Kette nur über seine Physiognomie zu erkennen und zudem an sehr ungewöhnlicher Stelle inmitten der Prozession dargestellt sei. Diesbezüglich korrigiert er Meyer zur Capellen,1 der diese Position als „charakteristisch“ einstuft. Dabei übersieht Burg allerdings, dass Meyer zur Capellen von einer Figur in roter Kleidung spricht, während er selbst einen Mann in schwarzem Gewand beschreibt. Wohl ohne sich dessen bewusst zu sein, dass er von einer anderen Figur ausgeht, und trotz der fehlenden üblichen Indizien identifiziert Burg den Künstler aber vor allem über den physiognomischen Abgleich mit einem Medaillenbildnis eindeutig als Selbstbildnis in schwarzer Kleidung hinter den beiden linken Baldachinträgern.2
Mehr Diskussion um die Vorzeichnung als um das fertige Selbstbildnis
Das Selbstbildnis Gentile Bellinis in der Prozession auf dem Markusplatz wurde erstmals von Gronau1 identifiziert und ist seitdem in der Forschung weitgehend anerkannt. Der größte Anlass für Zweifel ergibt sich aus der Tatsache, dass Ridolfi2 zwar ein Selbstbildnis im Kreuzreliquienbild von San Lorenzo vorgeschlagen, jedoch keines für das Prozessionsbild erwähnt hat. Als verlässliche Referenz für Gentile Bellinis Aussehen gilt die sogenannte Camelio- oder Gambello-Medaille, die von Vittore Gambello, genannt Camelio, geschaffen wurde. Optische Abgleiche mit dieser bringen somit eine gewisse Sicherheit, daher stützen sich auch viele Forschende auf Vergleiche mit diesem Referenzstück. Allerdings gibt die für das Gemälde verwendete Vorlage (eine Zeichnung im Berliner Kupferstichkabinett) Anlass zu vielen Diskussionen – hier reichen die Meinungen von der direkten Vorzeichnung von Gentile Bellinis Hand, über eine zwar verwendete Vorlage, die von Gentile aber für einen anderen Zweck angefertigt und dann erneut verwendet wurde, bis hin zur Annahme, dass es sich um ein Porträt Gentiles von Giovannis Hand handle, die von Gentile dann aber für sein Gemälde verwendet wurde. Während die Zuschreibungsfrage der Zeichnung also hitzig diskutiert wird, wird hingegen nicht wirklich in Frage gestellt, ob es sich beim Dargestellten um Gentile handelt und dass die Zeichnung als Vorlage für das Selbstporträt verwendet wurde. Entsprechend kann dem Vorschlag Gronaus, dass es sich bei der Figur im Prozessionsgemälde um ein Selbstbildnis Gentiles handle, zugestimmt werden – der Künstler hat sich auf der großformatigen Leinwand selbst verewigt und sich dabei entweder auf seine eigene Zeichnung oder auf eine von der Hand seines Bruders Giovanni gestützt.
Die alternative Identifizierung der schwarzgekleideten Figur durch Burg dürfte schlicht auf einem Flüchtigkeitsfehler des Autors beruhen, da etwa Meyer zur Capellen, auf den er sich explizit bezieht deutlich von roter Kleidung spricht, Burg ganz nebenbei aber von schwarzer Kleidung. Die beiden Figuren ähneln sich tatsächlich und zeigen sich beide im Dreiviertelporträt, als Schulterstück, mit ähnlicher Frisur und Kappe. Zudem wird die Positionierung des rotgekleideten Selbstbildnisses von vielen AutorInnen nicht beschrieben und, würde man etwa eine Schwarzweiß-Abbildung konsultieren, so könnte sich leicht eine Verwechslung ergeben. Zu dieser Erstidentifizierung einer alternativen Figur dürfte es in Summe aber „irrtümlicherweise“ gekommen sein. Da in Bezug auf ein potentielles Selbstbildnis allgemein von der rotgekleideten Figur ausgegangen wird, wurden im Zuge der Recherchen für diesen Datenbankeintrag auch jene Forschungsmeinungen der rotgekleideten Figur zugeschlagen, die das Porträt oder seine Position nicht näher beschreiben und das Vorhandensein des in der Forschung vorgeschlagenen integrierten Selbstporträts nur allgemein bestätigen.
Literatur
Zitiervorschlag:
Mangard, Désirée: Die Prozession auf dem Markusplatz (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/bellini-gentile-die-prozession-auf-dem-markusplatz-1496-venedig-gallerie-dellaccademia/ (05.12.2025).