Inhaltsverzeichnis
Objekt
Bildrechte
| Detailtitel: | Garten der Lüste (Mitteltafel von: Garten der Lüste) |
| Titel in Originalsprache: | De Tuin der lusten |
| Titel in Englisch: | The Garden of Earthly Delights |
| Datierung: | um 1495 bis 1505 |
| Ursprungsregion: | altniederländischer Raum |
| Lokalisierung: | Spanien; Madrid; Museo del Prado |
| Lokalisierung (Detail): | Inventarnummer: P002823 |
| Medium: | Altarbild; Tafelbild |
| Material: | Öl |
| Bildträger: | Holz (Eiche) |
| Maße: | Höhe: 185,8 cm; Breite: 175 cm |
| Maße Anmerkungen: | Seitenflügel jeweils 185,8 x 76,5 cm |
| Ikonografische Bezeichnung: | Garten; Paradies |
| Iconclass: | 11N361 – Garden of Delights (sometimes called 'Hortus Deliciarum') |
| Signatur Wortlaut: | ohne |
| Datierung Wortlaut: | ohne |
| Auftraggeber/Stifter: | vermutlich Engelbert II. von Nassau (Graf von Nassau-Breda) |
| Provenienz: | Engelbert II. von Nassau, 1490/1500–04; Heinrich III. von Nassau, 1504–38; René de Châlon, 1538–44; William I. von Oranien, 1544–67; Fernando Álvarez de Toledo, Herzog von Alba, 1567/68; Fernando de Toledo, 1568–91; Philipp II., 1591; am 8.7.1593 von Philipp II. dem Kloster El Escorial geschenkt; seit 1933 im Museo del Prado, seit 2.3.1943 als Dauerleihgabe (im Besitz des El Escorial) |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | unbekannt |
Bildnis 1
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | im linken unteren Eck; Szene links der Höhle; Figur hinter der nackten Nonne mit schwarzer Blume |
| Ausführung Körper: | Kopfbild |
| Ausführung Kopf: | Frontalansicht |
| Ikonografischer Kontext: | Figur innerhalb der Geretteten (der Auserwählten) |
| Blick/Mimik: | direkter Blick aus dem Bild |
| Gesten: | Hände nicht sichtbar |
| Körperhaltung: | Körper nicht sichtbar |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | in der hintersten Ebene der Figurengruppe; weitgehend überschnitten |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | alle Figuren der Gruppe; evtl. die Protagonisten der Szene in der Höhle rechts |
Forschungsergebnis: Bosch, Hieronymus
| Künstler des Bildnisses: | Bosch, Hieronymus |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Fraenger | 1947 | Fraenger 1947 – Das tausendjährige Reich | 127–132, 141f | - |
| Skeptisch/verneinend | Bax | 1948 | Bax 1948 – Ontcijfering van Jeroen Bosch | 304f | - |
| Bejahend | Fraenger | 1976 | Fraenger 1976 – The Millennium of Hieronymus Bosch | 140–142, 153f | - |
| Skeptisch/verneinend | Bax | 1979 | Bax 1979 – Hieronymus Bosch | 393 | - |
| Bejahend | Fraenger | 1983 | Fraenger 1983 – Hieronymus Bosch | 135f, 143f, 494–496 | - |
| Skeptisch/verneinend | Van Dijck | 2001 | Dijck 1.9.–11.11.2001 – Hieronymus van Aken | 15f | - |
Im rechten unteren Eck des Gemäldes, in der sogenannten „Höhle des Pythagoras“, erscheint hinter einer nackten Frauenfigur ein bekleideter Mann – eine Besonderheit, da die übrigen Bildfiguren nackt sind. Während die Frau durch das Attribut des Apfels als neue Eva und durch das Siegel auf den Lippen als Sibylle markiert ist, zeichnet sich der Mann durch eine stark individualisierte Physiognomie mit maskuliner Erscheinung und schwarzen Augen aus. Fraenger (1947) beschreibt die Figur, die sich an einer markanten Stelle des Bildes befindet, als Ausdruck von Willensstärke und Beherrschung. Sie ist eng mit einer dahinter dargestellten Frauenfigur verbunden. Nach Fraenger handelt es sich dabei um die Darstellung eines hochrangigen Hochzeitspaares, konkret um den Hochmeister der häretischen mittelalterlichen Sekte der Bruderschaft vom Freien Geist. Dieser, so die These des Autors, fungierte als Initiator des Altars und ließ in diesem seine utopische Vorstellung des tausendjährigen Reichs bildlich umsetzen. Weitere Hinweise auf den Hochmeister sieht Fraenger im Kopf des Baummenschen auf der Höllentafel sowie in der Nebelkrähe zu Füßen Adams auf dem Paradiesflügel.1
In Ergänzung dieser Überlegungen deutet Fraenger den gesamten unteren rechten Bereich der Tafel biografisch: So habe sich Bosch in unmittelbarer Nähe dieses Meisters mittels eines Selbstporträts im Bild verewigt, und zwar in der Gestalt zwischen Nonne und Johannesknaben in der Gruppe links der Höhle. Mit stillem Selbstbewusstsein blicke das markante Künstlerporträt aus einer respektvoll abgewerteten Position nach vorne. Seine Physiognomie lasse auf einen ernsten, aufrichtigen und soliden Charakter schließen – auf den Künstler, der konzentriert, beharrlich und unerschütterlich sein Ziel verfolge. Dieses Selbstporträt, dessen Erscheinungsbild laut Fraenger mit jenem in der Wiener Kreuztragung übereinstimme, verdeutliche die enge Verbindung des Malers mit dem Orden: Zum einen zeige sich Bosch als Eingeweihter unter Brüdern und impliziere damit seine Zugehörigkeit zur Bruderschaft. Zum anderen bezeuge er durch seine abgewertete Position sein moralisches Selbstverständnis und damit die prinzipielle Gesinnung der Bruderschaft, der er sich freiwillig unterworfen habe.2
1983 bekräftigt Fraenger seine These, dass sich Bosch in der Tafel gemeinsam mit dem Großmeister der Bruderschaft porträtierte. Er betont, dass der Künstler hier erstmals gefestigt, selbstbewusst und diszipliniert an unauffälliger Stelle in Erscheinung trete.3.
Bax (1948) lehnt Fraengers Thesen ab. Bosch sei weder ein Mitglied der Bruderschaft gewesen, noch habe er sich selbst in der Nähe des Großmeisters dieser Sekte auf der Mitteltafel des Gartens der Lüste dargestellt. Letzteres sei auch deshalb abzulehnen, weil die als Selbstporträt vorgeschlagene Figur keinerlei Ähnlichkeit mit dem Porträt in Arras aufweise, das Bax als Porträt von Bosch anerkennt.4
1979 wiederholt Bax seine Ausführungen.5
Van Dijck (2001) setzt sich in seinen Ausführungen zur Biografie von Hieronymus Bosch und der Suche nach Selbstdarstellungen im Sinne einer Rekonstruktion von Vita und Identität des Malers auch mit der Glaubhaftigkeit portäthafter Darstellungen bzw. vorgeschlagener Selbstporträts des Künstlers auseinander. Nach einer Auflistung der in der Forschung diskutierten Beispiele, einschließlich des hier behandelten, die er alle als unglaubwürdig einstuft, resümiert er unter Bezugnahme auf Mosmans, dass allenfalls die Bildnisse in der Dornenkrönung Christi im Escorial und in den Hl. Drei Königen als mögliche Selbstbildnisse gedeutet werden könnten.6
Verweise
Fraenger 1947, 127–132.↩︎
Ebd., 141f. 1976 erscheinen Fraengers Ausführungen in englischer Sprache, vgl. Fraenger 1976, zu den mutmaßlichen Porträts bes. 140–142, 153f.↩︎
Fraenger 1983, 135f, 143f, 494–496.↩︎
Bax 1948, 304f.↩︎
Bax 1979, 393. Zum Porträt in Arras vgl. den Einleitungstext zum Maler.↩︎
Dijck 2001, 15f. Zu den Bildnissen in der Dornenkrönung und in der Anbetung der Könige vgl. den Einleitungstext zum Maler.↩︎
Bildnis 2
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | zweite Figur von rechts am unteren Rand; in einer Höhle |
| Ausführung Körper: | Halbfigur |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | in der Szene mit einer Frau, die als neue Eva oder als Nymphe gedeutet werden kann Figur 2: Aspekte |
| Blick/Mimik: | kommunizierender Blick nach links |
| Gesten: | hinweisende Geste der rechten Hand auf die Frau; linke Hand nicht sichtbar |
| Körperhaltung: | nach vorne geneigt |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | innerhalb der Höhle im rechten Bildrand nur teilweise sichtbar; von gläsernen Körpern, einer Säule und der vorgelagerten Frau überschnitten; in Gesellschaft einer weiteren Figur dahinter; scheinbar in Kommunikation mit einem Vogel in einer Glasvase auf selber Höhe weiter links |
| Kleidung: | Fell- oder Haarkleid |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | alle Figuren in der Höhle; evtl. die Protagonisten der Szene links daneben; der Vogel in der Glasvase |
Forschungsergebnis: Bosch, Hieronymus
| Künstler des Bildnisses: | Bosch, Hieronymus |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Skeptisch/verneinend | Fraenger | 1983 | Fraenger 1983 – Hieronymus Bosch | 135f | - |
| Erstzuschreibung | Belting | 2002 | Belting 2002 – Hieronymus Bosch | 38, 57 |
DetailsBelting hält ein Selbstporträt lediglich für möglich.
|
| Skeptisch/verneinend | Gigante | 2010 | Gigante 2010 – Autoportraits en marge | 131 | - |
Fraenger (1983) will in der Männerfigur in der Höhle im rechten unteren Bildeck den Großmeister der häretischen mittelalterlichen Sekte der Bruderschaft vom Freien Geist erkennen, der gemeinsam mit seiner Frau als Braut und Bräutigam auftrete.1
Belting (2002) hält es angesichts der physiognomischen Ähnlichkeit zum Baummenschen auf der Höllentafel des Madrider Retabels für möglich, dass auch der Mann mit Zeigegestus im rechten unteren Eck der Haupttafel eine Selbstdarstellung ist. Diese Figur beobachtet Adam und Eva vor dem Sündenfall und richtet ihren Blick aus dem Hintergrund heraus auf die Betrachtenden. Unabhängig von der spezifischen Interpretation dieser Gestalt werde ein fiktiver, paradiesischer Zustand vor dem Sündenfall aufgezeigt. Der rätselhafte Bildinhalt werde durch die ambivalente visuelle Sprache Boschs gesteigert, so Belting, und der Maler eröffne jene neue Dimension lyrischer Freiheit, durch die Malerei zur Kunst werde.2
Gigante (2010) stuft die versuchte Identifizierungen von Selbstdarstellungen Boschs, darunter jene im Garten der Lüste, im linken Flügel der Versuchungen des hl. Antonius sowie im linken unteren Eck der Kreuztragung als reine Spekulationen ein.3
Zwei Gestalten im Getümmel
Thesen zu den beiden Bildfiguren in der rechten unteren Ecke – dem mit einem Fell bekleideten Mann in der Höhle und der zweiten Figur, die hinter der Nonne mit der schwarzen Blume in der angrenzenden Gruppe hervorschaut – basieren vorrangig auf Wilhelm Fraenger, der das Retabel Garten der Lüste als utopische Darstellung des tausendjährigen Reichs im Sinne der Bruderschaft vom Freien Geist bewertet.1 Es existiert zudem eine vage Vermutung, den Mann in der Höhle als Selbstporträt zu verstehen, während Larry Silver die Fellbekleidung als Symbol deutet, das auf die animalischen Begierden einer ungezähmten Rasse hinweisen soll.2 Fraenger hingegen identifiziert die Figur als Großmeister der häretischen Sekte und sieht in der weiter links positionierten Figur, die aus einer abgewerteten Position heraus den BetrachterInnen entgegenblickt, eine Selbstdarstellung des Malers.3
Fraengers Thesen fanden in der Forschung keine Zustimmung. Es existieren weder Belege für eine Mitgliedschaft Boschs in der Sekte, wie sie etwa durch sein vermeintliches Selbstbildnis suggeriert würde, noch für die Darstellung des Großmeisters, dessen Identität Fraenger nicht näher bestimmen kann. Damit fehlt diesen Überlegungen die argumentative Grundlage. Da es sich bei den beiden Protagonisten, die durch ihre Blicke und Gesten zur Verdeutlichung des Bildinhalts auftreten, zudem um Männer handelt, die der allgemeinen Figurengestaltung Boschs entsprechen, wird die Diskussion an der Stelle nicht weitergeführt.
Literatur
Zitiervorschlag:
Krabichler, Elisabeth: Garten der Lüste (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/bosch-hieronymus-garten-der-luste-um-1495-bis-1505-madrid-museo-del-prado/ (05.12.2025).