Martyrium der Pilger und Begräbnis der hl. Ursula

Carpaccio, Vittore

1493

Italien; Venedig; Gallerie dell‘Accademia

Objekt

Bildrechte
Detailtitel:Martyrium der Pilger und Begräbnis der hl. Ursula (Teil von: Szenen aus dem Leben der hl. Ursula)
Alternativtitel Deutsch:Martyrium und Begräbnis der hl. Ursula
Titel in Originalsprache:Il martirio dei pellegrini e i funerali della Santa
Titel in Englisch:Martirio dei pellegrini; funerali di S. Orsola
Datierung: 1493
Ursprungsregion:italienischer Raum
Lokalisierung:Italien; Venedig; Gallerie dell‘Accademia
Lokalisierung (Detail):Inventarnummer: 580
Medium:Tafelbild
Material:Öl
Bildträger:Leinwand
Maße: Höhe: 271 cm; Breite: 560 cm
Ikonografische Bezeichnung:Martyrium und Begräbnis der hl. Ursula
Ikonografie Anmerkungen:zwei Szenen simultan auf einem Gemälde
Iconclass:11HH(URSULA)6 – martyrdom, suffering, misfortune, death of St. Ursula
Signatur Wortlaut:VICTORIS CARPATIO / VENETI. OPUS
Datierung Wortlaut:MCCCCLXXX / XIII
Signatur/Datierung Position:signiert; datiert: auf einem cartellino an der Basis der Säule im Bildvordergrund
Inschriften:

VICTORIS CARPATIO / VENETI. OPUS / MCCCCLXXX / XIII; auf einem cartellino an der Basis der Säule im Bildvordergrund

Auftraggeber/Stifter:Scuola di S. Orsola (Bruderschaft der hl. Ursula)
Provenienz:Scuola di S. Orsola; seit 1812 Gallerie dell‘Accademia
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:freistehende Figur im Vordergrund
Ausführung Körper:Ganzfigur stehend
Ausführung Kopf:annähernd im Profil
Blick/Mimik:kommunizierender Blick in Richtung der hl. Ursula
Gesten:eine Hand am gezückten Schwert
Körperhaltung:frontal im leichten Kontrapost stehend; Oberkörper nach links gedreht
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:am hinteren Rand der Bildbühne; ungefähr in der Mittelachse des Gesamtgemäldes; ungefähr am linken Rand des rechten Drittels der Martyriumsszene; in einer Achse mit der in den Himmel ragenden Standarte, welche den Hintergrund mit dem Vordergrund verknüpft; leicht überschnitten vom Bogenschützen rechts vor ihm; überschneidet leicht die Figur des Standartenträgers rechts hinter ihm; isolierte Position in der Menschenmenge
Attribute:Schwert und Schild
Kleidung:leichter, eleganter Harnisch mit engen, modischen Beinkleidern, kecke Feder am Helm

Die Figur in Gestalt eines Kriegers wird als Julianus, Sohn des Hunnenkönigs, gedeutet.1

Verweise

  1. Etwa Brucher 2010, 335.↩︎

Forschungsergebnis: Carpaccio, Vittore

Künstler des Bildnisses:Carpaccio, Vittore
Status:Einzelmeinung
Status Anmerkungen:unbegründete Vermutung
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Molmenti/Ludwig 1903 Molmenti, Ludwig 1903 – Vittore Carpaccio et la Confrérie 92 -
Bejahend Molmenti/Ludwig 1906 Molmenti, Ludwig 1906 – Vittore Carpaccio 148 -
Skeptisch/verneinend Lauts 1962 Lauts 1962 – Carpaccio 234f -

Molmenti und Ludwig bewerten 1903 die Figurengruppe mit der Figur des jungen Königsohnes als die ausdrucksstärkste und bedeutungsvollste des ganzen Zyklus, den dramatischen Schlussakt einer Tragödie. Die Vielzahl von integrierten Selbstporträts des 15. Jahrhunderts lässt sie auf einen quasi obligatorischen Künstlerusus schließen und sie vermuten daher ein Selbstbildnis in dieser auffallenden Figur. Da sie die überlieferten Porträts nicht als authentisch anerkennen, „nous ne connaissons aucun portrait de Carpaccio“, kann die fehlende Ähnlichkeit ihre These nicht entkräften. 1906 wiederholen sie ihre Vermutung im selben Wortlaut.1

Lauts widerspricht 1962 der These von Molmenti und Ludwig, die nicht nachvollziehbar sei. Er vermutet bei der exquisiten Darstellung des Kriegers Einflüsse Signorellis oder Peruginos.2

Verweise

  1. Molmenti/Ludwig 1903, 92; Molmenti/Ludwig 1906, 148.↩︎

  2. Lauts 1962, 234f.↩︎

Ein schöner Krieger zieht den Blick auf sich

Die Figur des Kriegers, der im Begriff ist, sein Schwert zu zücken, ist auffallend in Szene gesetzt. Kaum von den anderen Figuren überschnitten, steht er fast isoliert im Getümmel des Massakers zwischen den angreifenden Hunnen und den betenden Gläubigen. Die wehende Standarte hinter ihm lenkt die Aufmerksamkeit der BetrachterIn unweigerlich auf ihn. Die frontale Darstellung des athletischen Körpers, der durch die enganliegende Rüstung gut erkennbar ist, und der leichte Kontrapost verleihen ihm eine gewisse Monumentalität. Schließlich zeigt sich an der Darstellung der komplexen Drehbewegung und an der Ausführung der ausdrucksstarken Gesichtszüge eine große malerische Fertigkeit, die die Figur hervorhebt. Für Molmenti und Ludwig sind dies Gründe, ein Selbstbildnis in der Figur des schönen Kriegers zu vermuten. Naheliegender ist jedoch eine Dramatisierung der Figur, die somit als einer der Hauptakteure des Geschehens ausgezeichnet wird. Eine Interpretation als Julianus, der Sohn des Hunnenkönigs, welcher sich in die hl. Ursula verliebt und es daraufhin nicht wagt, sie zu töten, liegt auf der Hand. Dieser erzählerische Kontext erklärt auch die Ambivalenz der Haltung, der Krieger scheint in der Bewegung innezuhalten und zu reflektieren.1 Die malerischen Mittel wie Isolierung und Individualisierung sind somit zur Etablierung eines Hauptakteurs der Handlung eingesetzt. Typische Mechanismen eines Selbstporträts wie der Blick aus dem Bild oder der Verweis auf das Bildgeschehen sind nicht vorhanden. Wenn man ein Selbstbildnis suchen müsste, würde sich die Figur rechts der Säule besser eignen. Sie steht am Rand einer Szene, blickt aus dem Bild und ist in mit der pelzverbrämten Robe eines hohen Würdenträgers bekleidet.2 Schließlich fehlt dem Kriegerantlitz auch jegliche Ähnlichkeit zu anderen Porträts Carpaccios, die Identifizierung von Molmenti und Ludwig ist daher nicht nachvollziehbar, hat in der Forschungsgemeinschaft keine Aufnahme gefunden und kann als Einzelmeinung eingeordnet werden.

Verweise

  1. Für Brucher steckt er das Schwert eindeutig wieder zurück in die Scheide, Brucher 2010, 335.↩︎

  2. Die Figur wurde mit Antonio oder Angelo Loredan identifiziert, der Dominikaner daneben mit Francesco Colonna, ebd., 336f; Molmenti/Ludwig 1903, 95.↩︎

Literatur

Brucher, Günter: Geschichte der venezianischen Malerei 2. Von Giovanni Bellini zu Vittore Carpaccio, Wien 2010.
Lauts, Jan: Carpaccio. Gemälde und Zeichnungen Gesamtausgabe, Köln 1962.
Molmenti, Pompeo/Ludwig, Gustav: Vittore Carpaccio et la Confrérie de Sainte Ursule à Venise, Florenz 1903.
Molmenti, Pompeo/Ludwig, Gustavo: Vittore Carpaccio. La vita e le opere, Mailand 1906.

Zitiervorschlag:

Rupfle, Harald: Martyrium der Pilger und Begräbnis der hl. Ursula (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/carpaccio-vittore-martyrium-der-pilger-und-begrabnis-der-hl-ursula-1493-venedig-gallerie-dellaccademia/ (05.12.2025).