Beweinung Christi

Christus, Petrus

um 1455 bis 1460

Belgien; Brüssel; Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique

Objekt

Bildrechte
Titel in Originalsprache:Bewening van Christus; De bewening; Lamentation de Christ
Titel in Englisch:Lamentation of Christ
Datierung: um 1455 bis 1460
Ursprungsregion:altniederländischer Raum
Lokalisierung:Belgien; Brüssel; Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique
Lokalisierung (Detail):Inventarnummer: 564
Medium:Altarbild
Material:Öl
Bildträger:Holz (Eiche)
Maße: Höhe: 100,5 cm; Breite: 192 cm
Maße Anmerkungen:bemalte Fläche 97 x 188,3 cm; kein originaler Rahmen
Ikonografische Bezeichnung:Beweinung Christi
Iconclass:73D721 – lamentation over the dead Christ by his relatives and friends (Christ usually without crown of thorns)
Signatur Wortlaut:PXF
Datierung Wortlaut:ohne
Signatur/Datierung Position:signiert: auf dem Band des roten Turbans der weiblichen Figur am rechten Bildrand
Provenienz:Abtei Tongerloo (?); erworben aus der Sammlung A. Lucq 1844
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Die Signatur PXF steht synonym für Petrus Christus fecit.1

Verweise

  1. Verougstraete/Schoute 1995, 193–195.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:dritte Figur von rechts
Ausführung Körper:Ganzfigur kniend
Ausführung Kopf:Dreiviertelporträt
Ikonografischer Kontext:Nikodemus; Diener von Joseph von Arimathäa
Blick/Mimik:verinnerlichter Blick nach vorne und unten, wahrscheinlich zu den Marterwerkzeugen
Gesten:stützt den Oberkörper des toten Christus, Hände sind verborgen
Körperhaltung:leicht nach vorne gebeugt; das rechte Knie wahrscheinlich vollständig gebeugt, das linke Bein nur angewinkelt
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:Figur befindet sich auf der vorderen Bildbühne; sie schließt die Figurengruppe um Christus und Maria gegen rechts ab und bildet mit ihnen einen kompositorischen Bogen; Christus überschneidet mit seinem Oberkörper die Unterarme der Figur; sie selbst überschneidet mit ihrem Rücken den Gewandsaum der Figur rechts oberhalb von ihr; mit ihrem Knie überschneidet sie leicht den Oberarm des toten Christus; sie trägt als einzige männliche Figur eine Kopfbedeckung
Kleidung:Figur ist in ein leuchtend rotes Gewand gekleidet
Zugeordnete Bildprotagonisten:bildet mit den um Christus stehenden Figuren eine Gruppe; bildet mit den beiden Figuren rechts hinter ihm eine Dreiergruppe; diese beiden Figuren vorgeschlagen als Anselmus Adornes und seine Frau von Martens; die männliche Figur vorgeschlagen als hl. Nikodemus von Schabacker

Die Gestalt des Nikodemus ist Teil des Figurenpersonals bei der Beweinung Christi. Sie ist vorgeschlagen als Diener des Josef von Arimathäa.Zur Identifizierung von Anselmus Adornes und seine Frau von Martens.2

Verweise

  1. Schabacker 1974, 120.↩︎

  2. Martens 1990/1991, 15.↩︎

Forschungsergebnis: Christus, Petrus

Künstler des Bildnisses:Christus, Petrus
Status:Einzelmeinung
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Upton 1990 Upton 1990 – Petrus Christus 33f (Anm. 29) -

1990 identifiziert Upton die Figur des heiligen Nikodemus als ein mögliches integriertes Selbstporträt des Künstlers. Er argumentiert mit Ähnlichkeiten zur Figur des Heiligen Eligius, welche er gleichfalls als Selbstbildnis interpretiert: „It is possible that Christus was himself a goldsmith and that the figure of Saint Eloy (who reappears in the Brussels Lamentation as Nicodemus) is a self-portrait in the guise of a saintly patron.”1 Er liefert darüber hinaus keine weiteren Argumente.

Verweise

  1. Upton 1990, 33f (Anm. 29).↩︎

Nikodemus als Folie für ein Selbstporträt

Die Identifizierung der Figur des Nikodemus als Selbstporträt erfolgt bei Upton über eine postulierte Ähnlichkeit zum vermuteten Selbstporträt in der Figur des hl. Eligius. Zwar sind stilistische Parallelen zwischen den beiden Werken vorhanden, gerade bei der Behandlung der Köpfe hingegen zeigen sich markante Differenzen.1 Auch die etwas maskenhafte Ausführung der beiden Gesichter lässt einen solchen Schluss nur mit Einschränkungen zu, wenn ihnen überhaupt Porträtcharakter attestiert werden kann.2 Abgesehen von den dunkelbrauen Augen und den etwas buschigeren Augenbrauen finden sich Ähnlichkeiten vor allem in der Kleidung: Beide Heilige tragen ein hellrotes Gewand und eine dunkelrote Kappe.3 Da wir kein authentisches Porträt des Künstlers besitzen, sind sämtliche Ähnlichkeitsbezüge spekulativ.

Die Figur des Nikodemus als Projektionsfläche für ein Selbstporträt hingegen wäre in der westlichen Kunst durchaus zu finden. Nach Kruse kennt eine alte Tradition Nikodemus auch als Maler eines Christusbildes, daher war diese Figur als Identifikation für einen Künstler geeignet. Eine weitere Version der Legende überliefert, dass er ein authentisches Bildnis in Form eines Kruzifixes geschnitzt haben soll. Der Bildhauer Niccolo dell’Arca stellte sich beispielsweise 1463 in einer Beweinungsgruppe in Bologna als Nikodemus dar.4 In der niederländischen Malerei vermutet man auch ein Selbstbildnis des Hugo van der Goes im Nikodemus der Wiener Beweinung. Falls es sich bei der Figur des Nikodemus in der Brüsseler Beweinung wirklich um ein Selbstbildnis von Petrus Christus handeln sollte, würde es den Künstler als innovativen Geist und Vorläufer van der Goes zeigen und seiner Reputation als Epigone und Nachahmer entgegenlaufen.

Verweise

  1. Richter 1974, 46.↩︎

  2. Kruse vergleicht die Heiligendarstellungen bei Christus gar mit „Gliederpuppen“, Kruse 1994b, 195.↩︎

  3. Richter 1974, 41.↩︎

  4. Kruse 1994a, 235. Das berühmteste Beispiel für ein Selbstporträt in Gestalt des Nikodemus ist wohl dasjenige von Michelangelo in der Florentiner Pietà Bandini. Michelangelo Buonarroti, Pietà Bandini, 1545–55, Florenz, Museo dell’Opera del Duomo.↩︎

Literatur

Kruse, Christiane: Dokumentation. Hugo van der Goes, in: Belting, Hans/Kruse, Christiane (Hg.): Die Erfindung des Gemäldes. Das erste Jahrhundert der niederländischen Malerei, München 1994, 226–242.
Kruse, Christiane: Dokumentation. Petrus Christus, in: Belting, Hans/Kruse, Christiane (Hg.): Die Erfindung des Gemäldes. Das erste Jahrhundert der niederländischen Malerei, München 1994, 194–203.
Martens, Maximiliaan P. J.: New Information on Petrus Christus's Biography and the Patronage of His Brussels „Lamentation", in: Simiolus: Netherlands Quarterly for the History of Art, 20. Jg. 1990/1991, H. 1, 5–23.
Richter, Burkhard: Untersuchungen zum Werk des Petrus Christus (Dissertation, Universität Heidelberg) 1974.
Schabacker, Peter H.: Petrus Christus, Utrecht 1974.
Upton, Joel Morgan: Petrus Christus. His Place in Fifteenth-Century Flemish Painting, University Park u. a. 1990.
Verougstraete, Hélène/Schoute, Roger van: La Lamentation de Petrus Christus, in: Ainsworth, Maryan W. (Hg.): Petrus Christus in Renaissance Bruges. An Interdisciplinary Approach (Symposiumsband zur Ausstellung, New York, 10.–12.06.1994), New York 1995, 193–203.