Der heilige Eligius in seiner Werkstatt
Christus, Petrus
USA; New York; The Metropolitan Museum of Art; Robert Lehmann Collection
Inhaltsverzeichnis
Objekt
Bildrechte
| Alternativtitel Deutsch: | Der heilige Eligius; Ein Goldschmied in seinem Geschäft |
| Titel in Originalsprache: | Sint Eligius in zijn werkkamer; Een goudsmid in zijn winkel; Saint Eloi offrant une bague aux fiancés |
| Titel in Englisch: | Saint Eligius; A Goldsmith in his Shop; A Goldsmith in his Shop (Saint Eloi?) |
| Datierung: | 1449 |
| Ursprungsregion: | altniederländischer Raum |
| Lokalisierung: | USA; New York; The Metropolitan Museum of Art; Robert Lehmann Collection |
| Lokalisierung (Detail): | Inventarnummer: 1975.1.110 |
| Medium: | Altarbild |
| Material: | Öl |
| Bildträger: | Holz (Eiche) |
| Maße: | Höhe: 98 cm; Breite: 85 cm |
| Ikonografische Bezeichnung: | Eligius von Noyon arbeitet in der Goldschmiedewerkstatt |
| Iconclass: | 11H(ELOI) – the blacksmith and goldsmith Eloi (Eligius), bishop of Noyon |
| Signatur Wortlaut: | m petr xpi me. .fecit. |
| Datierung Wortlaut: | anno 1449 |
| Signatur/Datierung Position: | signiert, datiert: im Bild; unten in der Mitte auf dem gemalten Fensterrahmen |
| Inschriften/Signatur/Datierung weitere Ausführungen: | m petr xpi me. .fecit. anno 1449; im Bild, unten in der Mitte auf dem gemalten Fensterrahmen; Zeichenfolge erweiterbar in: magister Petrus Christus me fecit |
| Provenienz: | die Brüggener oder Antwerpener Goldschmiedegilde (?) |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | öffentlich |
Bildnis 1
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | erste Figur von rechts |
| Ausführung Körper: | Halbfigur |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Figur in Gestalt des heiligen Eligius |
| Blick/Mimik: | Blick nach oben zu den beiden Figuren links |
| Gesten: | rechte Hand auf den Tisch gestützt, ein Metallstück (Gewicht?) haltend; die Linke eine Waage in die Höhe haltend |
| Körperhaltung: | frontal sitzend, den Kopf nach links oben geneigt |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | Figur bildet den rechten Abschluss der Personengruppe im dargestellten Innenraum; sie ist durch Überschneidungen mit den beiden Figuren links hinter ihr zu einer Gruppe verbunden; weibliche Figur links von ihr überschneidet sie mit ihrer linken Hand im rechten Schulterbereich; Figur selbst überschneidet den Unterkörper und den linken Arm der hinter ihr stehenden männlichen Figur; als einzige der Figuren auf dem Bild sitzend dargestellt |
| Attribute: | eine Goldwaage in der Hand |
| Kleidung: | leuchtend hellrotes, einfärbiges Obergewand und eine dunkelrote Kopfbedeckung |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | zwei stehende Figuren links; weibliche Figur links vorgeschlagen als Maria von Geldern von van der Velden |
Forschungsergebnis: Christus, Petrus
| Künstler des Bildnisses: | Christus, Petrus |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Status Anmerkungen: | Identifizierung wird nicht aufgegriffen |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Goldschmied Willem van Vlueten |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Upton | 1990 | Upton 1990 – Petrus Christus | 33f | - |
| Skeptisch/verneinend | van der Velden | 1998 | Velden 1998 – Defrocking St | 243f | - |
1990 deutet Upton die Möglichkeit eines Selbstporträts in der Figur des hl. Eligius an. Die im Vergleich zu den anderen Figuren des Gemäldes äußerst elaborierte Unterzeichnung bestätigt für ihn den Porträtcharakter.1 Er begründet seine Vermutung mit der Tatsache, dass Christus selbst auch als Goldschmied tätig gewesen sein könnte. Ein Indiz dazu sei die herzförmige Marke in der Signatur, die an Goldschmiedepunzen erinnere: „Since it is reminiscent of the designs used by goldsmiths to brand their own work.”2 Er stellt die Selbstdarstellung des Künstlers als Schutzheiliger in Bezug zu van der Weydens Lukasmadonna und erkennt zudem auch in der Gestalt des hl. Nikodemus in der Brüsseler Beweinung ein Selbstporträt des Künstlers: „It is possible that Christus was himself a goldsmith and that the figure of Saint Eloy (who reappears in the Brussels Lamentation as Nicodemus) is a self-portrait in the guise of a saintly patron in tradition of Roger van der Weyden’s Saint Luke Painting the Virgin.”3
1998 konstatiert van der Velden den Porträtcharakter der Figur: „[t]here is every reason to assume that his countenance is indeed an actual portrait.”4 Er identifiziert die Figur mit dem Goldschmied Willem van Vlueten, der das Gemälde auch in Auftrag gegeben habe. Nach Meinung des Autors stelle die Szene den Besuch Maria von Gelderns in der Werkstatt dieses Goldschmieds dar und das Gemälde selbst sei als sein Geschenk zu ihrer Vermählung mit Jakob II. von Schottland gedacht gewesen.5 Er spricht dem Gemälde jeglichen sakralen Charakter ab, vor allem da seit Entfernung des wahrscheinlich erst im 19. Jahrhundert hinzugefügten Nimbus’ jegliche hagiografischen Hinweise fehlen: Die Figur trägt keine Pontifikalkleidung, es fehlt der Hammer als Attribut, auch sei die sitzende Figur eher ein Juwelenhändler denn ein Goldschmied.6 Die herzförmige Marke der Signatur soll die Punze des Goldschmieds darstellen.7
Bildnis 2
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | die rechte der beiden Figuren im Spiegel rechts unten |
| Ausführung Körper: | Halbfigur stehend |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Figur in der Gestalt eines Passanten, der sich in einem Spiegel auf der Ladentheke reflektiert |
| Blick/Mimik: | Blick aus dem Bild nach rechts gerichtet |
| Gesten: | trägt auf dem linken Arm einen Falken |
| Körperhaltung: | Oberkörper ist nach rechts gerichtet, Kopf ist nach links gewandt |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | Der gewölbte Spiegel befindet sich an der rechten unteren Bildecke. Er steht auf der Ladentheke und wird vom rechten Fensterrahmen überschnitten. Im Spiegelbild ist oben ein Ausschnitt eines Straßenzuges zu erkennen, in der unteren Hälfte befinden sich zwei Halbfiguren. Die rechte wird dabei von der Figur links überschnitten. |
| Attribute: | Falke |
| Kleidung: | auffallend modische Kopfbedeckung in Gestalt eines grünen Chaperons mit gezaddelten Bändern |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | Begleitperson links der Figur |
Forschungsergebnis: Christus, Petrus
| Künstler des Bildnisses: | Christus, Petrus |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Schabacker | 1972 | Schabacker 1972 – Petrus Christus’ Saint Eloy | 117 (Anm. 49) | - |
| Bejahend | Hagen/Hagen | 1989 | Hagen, Hagen 1989 – Ein heiliger Handwerker wirbt | 124 | - |
| Skeptisch/verneinend | Braune | 2020 | Braune 2020 – Von der Äußeren zur inneren | 124 (Anm. 36) | - |
1972 erwähnt Schabacker die Möglichkeit eines Selbstporträts in der Figur des Falkenträgers im Spiegel: „The falconer in Christus' panel has, interestingly, all the hallmarks of a self-portrait.”1 Die typischen Kennzeichen eines Selbstbildnisses werden jedoch nicht näher präzisiert. Der Autor erkennt in dem Motiv des gewölbten Spiegels einen Hinweis auf Jan van Eyck. Er spricht den Gegenständen des Gemäldes Symbolcharakter zu, die Waage etwa deutet er als Seelenwage. In der Spiegelung der beiden aristokratisch gekleideten Herren mit dem Falken sieht er folglich einen Hinweis auf die Laster Stolz und Gier.
1989 sehen Rose-Marie und Rainer Hagen in der Figur des Falkenträgers ein Selbstporträt in Analogie zu der vermuteten Selbstdarstellung des Jan van Eyck im Spiegel des Arnolfini-Bildnisses. Sie gehen davon aus, dass Christus als Geselle bei ihm gearbeitet habe. Sie argumentieren schließlich mit der schrägen Kopfhaltung der Figur, die für Selbstporträts typisch sei.2
2020 widerspricht Braune vehement einer Zuweisung als Selbstporträt: „Dabei sind die Interpretationsvorschläge teilweise sehr abenteuerlich, wenn etwa Rose-Marie und Rainer Hagen aufgrund der Kopfhaltung im Falkner ein Selbstporträt des Künstlers vermuten.“3 Den Spiegel, der vielleicht den Zweck hatte, potentielle Diebe im Blick zu behalten, deutet sie als moralisierendes Mittel zur Selbstreflexion und Gewissensüberprüfung.4 Im Blick des Falkners entdeckt sie Neugier auf das eigene Spiegelbild.5
Aus dem Schatten der großen Vorbilder
Das Gemälde Der heilige Eligius in seiner Werkstatt mit seinem unkonventionellen Bildmotiv wirft einige Fragen auf, die bis heute noch nicht eindeutig geklärt worden sind. Das Motiv soll auf eine verschollene Tafel von Jan van Eyck zurückgehen, welche Halbfiguren an einem Tisch zeigte und auf die auch Quentin Massys in seinem Gemälde Der Geldwechsler und seine Frau zurückgegriffen haben soll.1 Auch der gewölbte Spiegel, in dem sich zwei Figuren spiegeln, geht auf Jan van Eyck zurück. Christus hat die Motive seines Vorgängers übernommen und neu kombiniert.2
Über die Identität des Mannes mit der Goldwaage und damit einhergehend über die Funktion des Bildes herrscht indes Unklarheit. Ist es ein Goldschmied oder ein Juwelenhändler, ist es der hl. Eligius oder ein Handwerker, ist es schließlich überhaupt ein Porträt? Nicht zuletzt aufgrund der Unterzeichnung wird ihm von vielen Autoren Porträthaftigkeit attestiert, obschon andere einen Schematismus zu erkennen glauben.3 Ainsworth erwähnt die Zuweisung Uptons als Selbstporträt und diejenige Gellmans als Porträt eines konkreten Goldschmieds.4 Eine Zuweisung als heiliger Eligius war lange unbestritten, wird aber inzwischen stark angezweifelt. Wolff und andere betonen den profanen Charakter des Gemäldes, der einen Gebrauch als Altarbild unwahrscheinlich mache.5 Als Heiliger Eligius ist das Gemälde erstmals 1817 dokumentiert, die Hinzufügung des Heiligenscheines wird daraufhin im 19. Jahrhundert erfolgt sein. Das Gemälde gilt inzwischen als profane Darstellung, vielleicht sogar als eines der ältesten Berufsporträts. Damit wäre Uptons Identifizierung als Selbstbildnis des Künstlers in der Rolle eines Schutzpatrons hinfällig. Er glaubte Parallelen zur Lukasmadonna van der Weydens festzustellen, dem zweiten großen Vorbild von Christus. In beiden Fällen zeigt sich der Heilige bei der Ausübung seiner Tätigkeit, als Maler bzw. als Goldschmied. Uptons Vermutung, Christus habe auch eine Goldschmiedeausbildung genossen und sich deshalb als hl. Eligius dargestellt, bleibt unbewiesen. Die Bedeutung der herzförmigen Marke auf der Signatur, die er als Indiz verwendet, muss nicht zwingend auf Christus als Goldschmied verweisen.6 Wenn wir von einem profanen Bild ausgehen, stellt sich zudem die Frage nach dem Kontext, der ein so großes Porträt ermöglicht und warum sich ein Maler gerade als Schmied darstellt.
Die Figur des Falkenträgers im gewölbten Spiegel als Selbstporträt ist gleichfalls durch ein großes Vorbild motiviert, das Arnolfini-Verlöbnis von Jan van Eyck. Vilain bemerkt bei seiner Analyse des „autoportrait caché“, dass zwar viele Maler die Darstellungen im gewölbten Spiegel von van Eyck übernommen haben, die Selbstbezeugung mittels eines Porträts aber weniger Nachhall fand: „Si l‘utilisation des ressources pictorales du miroir se prolonge chez Christus, Memling, Juan de Flandes..., ‚l'autoportrait caché‘ semble avoir eu un succès beaucoup plus limité.“7 Eine Deutung des Falkenträgers als Selbstbildnis scheint kaum wahrscheinlich. Es fehlt anders als bei van Eyck eine Inschrift, die einen Hinweis geben könnte. Es wird bei Christus auch ein anderer Bildraum reflektiert als bei van Eyck: Der Spiegel gibt den Außenraum der Straße wieder und nicht den Raum des Geschehens, dadurch öffnet er den Bildraum für die BetrachterInnen, während van Eyck diesem den Zugang eher blockiert.8 Diese Öffnung des Bildraumes nach außen macht eine intendierte Identifizierung mit der betrachtenden Person wahrscheinlicher als jene mit dem Maler. Für Dirk repräsentieren die gespiegelten Figuren die Zeugen des eigentlichen Geschehens im Innenraum.9 Die Neigung des Kopfes als Indiz für ein Selbstporträt zu deuten, wie es das Autorenpaar Hagen vermutet, scheint zweifelhaft.10 Wohl aber könnte der Blick zur BetrachterIn als Hinweis auf ein Selbstbildnis gedeutet werden, die Figur ist zudem die einzige, die aus dem Bild blickt. Durchaus plausibel lässt sich der Blick aber ebenso als originelle Alltagsbeobachtung erklären, die zeigt, wie ein Passant im Vorbeigehen neugierig auf sein Spiegelbild aufmerksam wird. Weitere Gegenargumente sind zum einen die modische, wenn nicht höfische Kleidung der Figur sowie der Falke, war die Falkenjagd doch ein adeliges Privileg. Zum anderen weist auch die Symbolik des Spiegels im Bildzusammenhang eher in eine negative Richtung, was einer Interpretation als Selbstbildnis zuwiderläuft. Spiegel, modische Kleidung und Falke können nämlich als Anspielungen auf die Laster der Gier und Hoffart verstanden werden. Kreisrunde Bläschen im Spiegel gelten Milman zufolge als Hinweis auf Seifenblasen und damit auf die Vergänglichkeit des Menschen.11 Auch diese moralisierende Interpretationslinie erschwert die Deutung als Selbstbildnis mehr, als dass sie sie untermauern könnte. Aus dem Bildkontext lässt sich also ein Selbstporträt nicht motivieren. Es scheint vielmehr, dass Christus das Spiegelmotiv van Eycks übernommen hat, um daraus eine genrehafte Szene zu bauen.
Sowohl die Identifizierung des Goldschmieds als auch diejenige des Falkenträgers mit der Person des Künstlers erweisen sich als nicht sehr plausibel. In beiden Fällen scheinen die großen Vorbilder Rogier van der Weyden und Jan van Eyck die AutorInnen dazu motiviert zu haben, auch im Werk des Petrus Christus Selbstdarstellungen zu finden. Dieser übernimmt zwar deren Motive – ein Künstler bei der Ausübung seiner Tätigkeit, ein gewölbter Spiegel, in welchem sich Figuren reflektieren – versucht aber, diese neu zu verwerten: als profanes Berufsporträt in dem einen Fall oder als originelle Alltagsbeobachtung in dem anderen. Beides zeugt von der Fortschrittlichkeit und Eigenständigkeit des Malers und trägt dazu bei, das Gemälde zu einem „remarkable document in the history of secular panel painting” zu machen.12
Verweise
Panhans-Bühler 1978, 92f. Quentin Massys, Der Geldwechsler und seine Frau, 1514, Paris, Musée du Louvre.↩︎
Kruse 1994, 194.↩︎
So etwa ebd.; Richter 1974, 36.↩︎
Ainsworth 1994a, 101 (Anm. 27).↩︎
Wolff 1998, 71.↩︎
Miman erkennt etwa darin ein mechanisches Uhrwerk als Vanitas-Motiv, Milman 2013, 79f.↩︎
Vilain 1970, 54.↩︎
Upton 1995, 58.↩︎
Draxler 2021, 83f.↩︎
Hagen/Hagen 1989, 124.↩︎
Dieses und weitere Indizien in dem Gemälde machen es für die Autorin zu einem Vorläufer der späteren Vanitas-Stillleben, Milman 2013, 74–80.↩︎
Wolff 1998, 71.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Rupfle, Harald: Der heilige Eligius in seiner Werkstatt (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/christus-petrus-der-heilige-eligius-in-seiner-werkstatt-1449-new-york-the-metropolitan-museum-of-art/ (05.12.2025).