Inhaltsverzeichnis
Objekt
Bildrechte
| Detailtitel: | Das Urteil des Kambyses (Teil des Diptychons: Gerechtigkeit des Kambyses) |
| Alternativtitel Deutsch: | Die Verhaftung des Sisamnes |
| Titel in Originalsprache: | Oordeel van Cambyses; Arrestatie van de Sisamnes |
| Titel in Englisch: | Judgment of Cambyses; Capture of the corrupt judge Sisamnes |
| Datierung: | 1498 |
| Ursprungsregion: | altniederländischer Raum |
| Lokalisierung: | Belgien; Brüssel; Groeningemuseum |
| Lokalisierung (Detail): | Inventarnummer: 0.40 |
| Medium: | Tafelbild; Diptychon |
| Material: | Öl |
| Bildträger: | Holz (Eiche) |
| Maße: | Höhe: 182,3 cm; Breite: 159,2 cm |
| Maße Anmerkungen: | Teil eines Diptychons bestehend aus zwei Tafeln: linke Tafel (Urteil des Kambyses) 182,3 x 159,2 cm; rechte Tafel (Häutung des Sisamnes) 182,2 x 159,4 cm |
| Ikonografische Bezeichnung: | Gerechtigkeitsbild |
| Iconclass: | 98B(CAMBYSES) – (story of) Cambyses 44G6 – juridical examples; exemplary judges; ‘Gerechtigkeitsbilder‘ |
| Signatur Wortlaut: | ohne |
| Datierung Wortlaut: | 1498 |
| Signatur/Datierung Position: | datiert: oberhalb des Richterstuhls |
| Inschriften: | VRDXLSTAOPI HOYLAN; am Saum des Mantels des Offiziers mit Helm im linken Bereich |
| Auftraggeber/Stifter: | Rathaus Brügge |
| Provenienz: | 1498 im Schöffensaal des Brügger Rathauses aufgestellt; 1794 von den Franzosen entwendet; 1816 zurückgegeben und erneut im Rathaus aufgestellt; 1828 ins Museum überführt |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | öffentlich |
Zur Inschrift VRDXLSTAOPI HOYLAN1 und zur Inschrift VOR,2 zum Rathaus Brügge als Auftraggeber3 und zur Provenienz.4
Verweise
Weale 1863, 228.↩︎
Miegroet 1989, 288.↩︎
Van der Velden stellt die These auf, dass es sich bei den eingefügten Porträts um die Verantwortlichen für die Rechtsprechung der Stadt handeln könne, die sich persönlich an den Kosten des Gemäldes beteiligt haben könnten. Vgl. Velden 1995, 52.↩︎
Miegroet 1989, 290.↩︎
Bildnis 1
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | erste Figur von links |
| Ausführung Körper: | Kopfbild |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Assistenzfigur im Gerechtigkeitsbild |
| Blick/Mimik: | direkter Blick aus dem Bild |
| Gesten: | Hände nicht sichtbar |
| Körperhaltung: | Körper nicht sichtbar, vermutlich aufrecht; leicht nach rechts ausgerichtet |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | am äußerst linken Bildrand; weitgehend von diesem bzw. der vorgelagerten Figur überschnitten, nur Teile des Kopfs sichtbar; am Ende einer isokephalen Reihe porträthaft ausgeführter Figuren; einzige Figur mit direktem Blick in den BetrachterInnenraum (mit Ausnahme eines Mannes schräg rechts dahinter, von dem nur ein Auge sichtbar ist) |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | alle Protagonisten aus dem Gefolge des Kambyses, insbesondere der Offizier, in dessen Stahlhelm sich Gebäude und abgeschattete Figuren spiegeln (in den Gebäuden wurde die Kirche des hl. Johannes erkannt – über die Spiegelung ist wie über den Blick des vermutlichen Selbstbildnisses eine Verbindung in den BetrachterInnenraum aufgebaut) |
Forschungsergebnis: David, Gerard
| Künstler des Bildnisses: | David, Gerard |
| Status: | weitgehend anerkannt |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Weale | 1863 | Weale 1863 – Gerard David | 228 | - |
| Bejahend | Michiels | 1866 | Michiels 1866 – Histoire de la peinture flamande | 133 | - |
| Bejahend | Weale | 1895 | Weale 1895 – Gerard David | 10 | - |
| Bejahend | Bodenhausen | 1905 | Bodenhausen 1905 – Gerhard David und seine Schule | 134 | - |
| Bejahend | van Miegroet | 1988 | Miegroet 1988 – Gerard David's Justice of Cambyses | 128–130 | - |
| Bejahend | van Miegroet | 1989 | Miegroet 1989 – Gerard David | 162 | - |
| Bejahend | Ainsworth | 1998 | Ainsworth 1998 – Gerard David | 90 (Anm. 62) | - |
| Bejahend | De Vos | 2002 | De Vos 2002 – The Flemish Primitives | 194 | - |
| Bejahend | De Vos | 2002 | De Vos 2002 – Flämische Meister | 196 | - |
| Bejahend | Salomon | 2009 | Salomon 2009 – Geertgen tot Sint Jans | 51–53 | - |
1863 identifiziert Weale den Mann am äußerst linken Bildrand als ein Selbstporträt Davids. Der Autor begründet seinen Vorschlag über einen physiognomischen Abgleich des Protagonisten mit der Zeichnung des Porträts des Malers, die in der Bibliothèque municipale in Arras verwahrt ist.1 1895 wiederholt Weale seine Identifikation und meint zudem, dass es sich beim Bildnis um das früheste Selbstporträt Davids handle: „Behind this officer [with the helmet with the reflected church] is a man about thirty years of age, whose head only is seen. This is the earliest portrait of the painter we have.“2
1866 findet sich ein Eintrag bei Michiels, der die Erstidentifikation Weales nahezu gleichlautend wiederholt.3
1905 nimmt Bodenhausen die Argumentation Weales auf und vergleicht das Bildnis weiterführend mit dem Stifterporträt in Rouen und dem Bildnis im Baum Jesse.4 Bodenhauser bestätigt die Ähnlichkeiten und befürwortet Weales These zurückhaltend.5
1988 spricht sich van Miegroet für eine Identifizierung des Selbstporträts aus. Er verweist auf die durch das Stifterporträt in Rouen bekannten Züge des Malers sowie auf die niederländische Tradition von Assistenzporträts in Historienbildern, die David aufnehme.6
Ainsworth (1998) zählt in ihrer Auflistung der meistzitierten Identifizierungen Gerard Davids neben den vorgeschlagenen Selbstdarstellungen in der Anbetung der Könige in Brüssel auch die Figur am Rand des Urteils des Kambyses auf. All diese Protagonisten seien über Ähnlichkeiten miteinander und mit dem verifizierten Porträt in Rouen verbunden.7
2002 definiert de Vos das Selbstporträt sehr bestimmt, jedoch ohne Weiterführendes dazu zu äußern: „The man looking at us on the far left of the first panel is a self-portrait of the painter.”8
Nach Salomon (2009) zählen integrierte Selbstdarstellungen in Gerechtigkeitsbildern seit Rogier van der Weydens verlorenen Rathausbildern zu den ikonografischen Mustern des Sujets. Wie im Arnolfini-Bildnis von van Eyck, bezeugen solche Porträts die Wahrhaftigkeit der Szenen. Ein relativ gesichertes Beispiel sei jenes von Gerard David am linken Rand im Urteil des Kambyses; ein weiteres finde sich bei Bouts hinter einer Säule in der Feuerprobe. Die Säule erachtet die Autorin ebenfalls als eine wiederkehrende Konstante bei niederländischen Selbstdarstellungen. Hierzu zählt sie Selbstdarstellungen in nachfolgenden Gemälden auf: Dieric Bouts‘, Abendmahlaltar, (Hans Memlings, Donne-Altar), Hans Memlings, Johannes-Altar und Rogier van der Weydens, Sakramentsaltar.9
Verweise
Weale 1863, 228; vgl. weiterführend den Einführungstext zu Gerard David.↩︎
Weale 1895, 10.↩︎
Michiels 1866, 133.↩︎
Zum Stifterbild in Rouen und dem Baum Jesse vgl. den Einleitungstext zu Gerard David.↩︎
Bodenhausen 1905, 134.↩︎
Miegroet 1988, 128–130; ähnlich in Miegroet 1989, 162.↩︎
Ainsworth 1998b, 90 (Anm. 62).↩︎
De Vos 2002b, 194; gleichlautend in De Vos 2002a, 196.↩︎
Salomon 2009, 51–53.↩︎
Mehr als einer von vielen
Gerechtigkeitsbilder wurden prinzipiell als exemplarische Beispiele guter Regierung für Rathäuser geschaffen und hatten didaktische Funktionen. In den Niederlanden existieren solche Sujets profaner Thematik seit dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts. Zu den bekanntesten Beispielen zählen die Gemälde von Rogier van der Weyden1, die zwischenzeitlich nur mehr als Tapisseriekopien erhalten sind, die Tafeln von Dieric Bouts und das Diptychon von Gerard David. Die besonderen Bildniskonstellationen der Tafeln erfüllen die Kriterien holländischer Gruppenporträts: Es handelt sich jeweils um Ansammlungen von zeitgenössischen Porträts im Zusammenhang mit Rechtsakten, was trotz fehlender Identifizierungen auf zusammengehörende Gesellschaftsgruppen schließen lässt.2 In all diesen Beispielen sind innerhalb der bezeugenden Menschenmengen Selbstdarstellungen der jeweiligen Künstler identifiziert worden. In den Gerechtigkeitsbildern Davids, die sich aus zwei Tafeln zusammensetzen, handelt es sich dabei um die erste Figur am linken Bildrand des linken Gemäldes und folglich um das erste Bildnis des Diptychons überhaupt, das ursprünglich als zusammengehörende Tafel im Schöffensaal des Brügger Rathauses aufgestellt war. Neben dem Urteil des gerechten Königs Kampyses über den bestechlichen Richter Sisamnes auf der linken Tafel ist auf der rechten die Konsequenz daraus – die Häutung des Sisamnes – dargestellt.3 Die ungewöhnlich brutale Darstellung, die Vielzahl an Bildnissen, Medaillons und Wappen, die teils erst in einer späten Phase des Auftrags eingefügt bzw. verändert wurden, gaben Anlass zu unterschiedlichen Deutungen der Gemälde: Diese wurden einerseits traditionell als allgemeine Ermahnung zu gerechter Rechtsprechung, andererseits aber auch als politisch konnotierte Bilder vor dem Hintergrund der Übernahme der Stadt durch die Habsburger im Burgundischen Erbfolgekrieg gelesen.4
Seit der Erstidentifikation des Selbstporträts Davids durch Weale,5 dessen Argumentation auf einem physiognomischen Vergleich mit der Porträtzeichnung des Malers in Arras6 aufgebaut ist, sind in der umfangreich gesichteten Literatur keine weiteren befürwortenden Begründungen – abgesehen von Hinweisen auf Ähnlichkeiten – formuliert worden. Dies ist umso verwunderlicher, da David, der erwiesenermaßen zahlreiche Einflüsse in seinen Werken assimilierte, auf eine Tradition niederländischer Gerechtigkeitsbilder mit Selbstdarstellungen zurückblickte und sich offenbar in diese Reihe stellte. Der Umstand, dass sich im Oeuvre Davids weitere Selbstinszenierungen finden, verstärkt dieses Indiz.7 Offensichtlich sind dabei die kompositorische Verankerung an einer Bildschwelle, die Abgrenzung vom Geschehen und der direkte Blick in Richtung BetrachterInnenraum – allesamt bekannte Merkmale von Selbstporträts. Zudem sprechen die Ergebnisse gemäldetechnologischer Befunde für ein Selbstbildnis. Auf Basis eines Röntgenbefunds stellt Ainsworth in Detailbetrachtungen kompositioneller Veränderungen fest, dass viele der Porträts (ca. acht Köpfe der ersten und sieben der zweiten Tafel)8 im Verlauf des Malprozesses überarbeitet oder eingefügt wurden.9 Diese Änderungen wurden vermutlich von den Auftraggebern erwirkt, die eine Aktualisierung der verantwortlichen Personen anstrebten.10 Die Figur am Rand blieb trotz der vielen Korrekturen unangetastet.11 Das lässt darauf schließen, dass David sein Selbstporträt wohl von Anfang an geplant hat.
Verweise
Vgl. den Einleitungstext zu Rogier van der Weyden.↩︎
Zum Gruppenporträtcharakter von Gerechtigkeitsbildern vgl. bes. die Ausführungen zur Feuerprobe von Dieric Bouts. Pächt hebt die Gerechtigkeitstafel von Bouts als eine Frühform der holländischen Gruppenporträts hervor – diese Feststellung kann auf die Tafeln von David übertragen werden. Vgl. Pächt (hg. von Rosenauer 1994), bes. 103f, 139f. Zum Gruppenporträt allgemein vgl. Riegl 1931, der den Beginn bei Geertgen tot Sint Jans verortet. Vgl. weiterführend den Eintrag zum Johanniteraltar von tot Sint Jans und den daran anschließenden Katalogbeitrag zum Schicksal der irdischen Überreste des Heiligen.↩︎
Gerard David, Häutung des Sisamnes, 1498, Brüssel, Groeningemuseum. Zur Erzählung und den historischen Quellen vgl. u. a. Miegroet 1988, 117–120; Miegroet 1989, 143–146, 289f.↩︎
Zu Davids Gerechtigkeitsbildern vgl. umfassend u. a. Ainsworth 1998b, 60–73; De Vos 2002a, 189–198; De Vos 2002b, 189–198; Miegroet 1988; Miegroet 1989, 143–177, 288–290; Velden 1995. Zur Deutung als allgemeines Exempla vgl. bes. Ainsworth 1998a, bes. 62, 72; Blümle 2011, bes. 262. Zu politischen Überlegungen vgl. bes. De Vos 2002a, 198; Geirnaert/Vandamme 1998, 33f; Miegroet 1988, bes. 122–133; Miegroet 1989, 146–170.↩︎
Weale 1863, 228.↩︎
Vgl. den Einführungstext zu Gerard David.↩︎
Vgl. den Einführungstext zu Gerard David und weitere Katalogeinträge in der vorliegenden Datenbank: besonders die Ausführungen zur Kreuzigung in Madrid und zur Anbetung in Brüssel.↩︎
De Vos 2002a, 194.↩︎
Ainsworth 1998b, 63–73, zu den Porträts bes. 66–72.↩︎
Zur Identifizierung der Männer als im Jahr 1496/97 neu bestellte Verantwortliche vgl. u. a. Ainsworth 1998b, 72; Weale 1895, 196.↩︎
Ainsworth 1998b, 67f.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Krabichler, Elisabeth: Urteil des Kambyses (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/david-gerard-urteil-des-kambyses-1498-brussel-groeningemuseum/ (05.12.2025).