Die gerechten Ritter

Eyck, Jan van

um 1425 bis 1432

Belgien; Gent; Sint-Bavo-Kathedrale

Objekt

Bildrechte
Detailtitel:Die gerechten Ritter (Teil von: Genter Altar)
Alternativtitel Deutsch:Ritter Christi
Titel in Originalsprache:De rechtvaardige rechters (Het altaarstuk van Gent)
Titel in Englisch:The just judges (The Ghent Altarpiece)
Datierung: um 1425 bis 1432
Ursprungsregion:altniederländischer Raum
Lokalisierung:Belgien; Gent; Sint-Bavo-Kathedrale
Medium:Altarflügel; Tafelbild
Material:Öl; Gold
Bildträger:Holz (Eiche)
Maße: Höhe: 157,1 cm; Breite: 65,7 cm
Maße Anmerkungen:die Maßangaben zum Flügelbild entsprechen einer Annahme der originalen Maße samt Rahmung; Gesamtaltar geöffnet ca. 375 x 520 cm (geschlossen ca. 375 x 260 cm); bestehend aus 24 gerahmten Gemälden, darunter die Tafel zu den Gerechten Rittern (unteres Register, Außenflügel, Festtagsseite) und die Tafel zu Gottvater (oberes Register, zentrale Tafel, Festtagsseite), die in der Datenbank Metapictor relevant werden; Hauptthema des Flügelaltars: Die Anbetung des Lammes (unteres Register, zentrale Tafel, Festtagsseite)
Iconclass:46A124 – knight
Signatur Wortlaut:P[IC]TOR HUBERTUS EEYCK. MAIOR QUE NEMO REPERTUS. INCEPIT. PONDUS. Q[UE] JOHANNES ARTE SECUNDUS. [FRATER] PERFECIT. JUDOCI VIJD PRECE FRETUS. VERSU SEXTA MAI. VOS COLLOCAT ACTA TUERI
Datierung Wortlaut:1432
Signatur/Datierung Position:bezeichnet (signiert), datiert: Widmungsaufschrift am Rahmen des geschlossenen Retabels
Inschriften:

IUSTI IUDICES; Die gerechten Ritter, am Rahmen

Auftraggeber/Stifter:Joos Vijd (Bürger, Politiker aus Gent) und Gemahlin Elisabeth Borluut
Provenienz:ursprünglich Teil der Ausstattung der ersten südlichen Chorkapelle der Sint-Bavo-Kirche (ursprünglich Sint-Jans) in Gent; die Tafel zu den Gerechten Rittern wurde 1934 gestohlen und durch eine Kopie von J. van der Veken ersetzt; heute befindet sich der Altar nach einer bewegten Geschichte (u. a. sichere Verwahrung während des niederländischen Bildersturms, Verschleppung nach Paris unter Napoleon, Verschleppung im Zweiten Weltkrieg u. a. in das Salzbergwerk bei Altaussee), diversen Verlusten und Restaurierungen seit 1920 wieder in der Sint-Bavo-Kirche
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Zu detaillierten Angaben zum Altar,1 zur Signatur P[IC]TOR HUBERTUS […]2 und zur Inschrift IUSTI IUDICES,3 zum Stifter4 und zur Provenienz.5

Verweise

  1. Dhanens 1980, 374–381.↩︎

  2. „Maler Hubert van Eyck, einen größeren gab es nicht, hat dies Werk begonnen und sein Bruder Johannes, der zweite in dieser Kunst, hat im Auftrag von Jodocus Vijd die schwere Aufgabe vollendet. Durch diese Verse vertraut er Eurer Obhut das an, was am 6. Mai 1432 entstand.“ Im letzten Vers ist das Vollendungsjahr 1432 in rot gemalten Buchstaben als ein Chronogramm enthalten. Vgl. Kruse 1994, 144.↩︎

  3. Dhanens 1980, 377; zu einer Zusammenschau aller In- und Aufschriften des Altars vgl. Dhanens 1980, 374–379.↩︎

  4. De Vos 2002, 36.↩︎

  5. Zur Geschichte und zu Restaurierungen des Altars vgl. u. a. Dhanens 1980, 379f; Fransen/Stroo 2020; Kemperdick 2014a; Kemperdick 2014b; Kemperdick/Rößler 2014; Rößler 2014; Stehr/Dubois 2014. Zum Diebstahl und den Ersatz durch eine Kopie vgl. De Vos 2002, 36f.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:vierte der vorderen Figuren
Ausführung Körper:Halbfigur
Ausführung Kopf:Dreiviertelporträt
Ikonografischer Kontext:Ritter
Blick/Mimik:direkter Blick aus dem Bild
Gesten:Hände nicht sichtbar
Körperhaltung:sitzend; Kopf und Oberkörper nach links geneigt; Kopf zudem nach links gedreht
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:von drei Reitern im vorderen Bereich überschnitten; Alleinstellung durch die monochrome dunkle Kleidung
Attribute:Kette
Kleidung:dunkle Sendelbinde, dunkle Kleidung mit Pelzbesatz
Zugeordnete Bildprotagonisten:alle Reiter im Bild, insbesondere die drei vorgelagerten, von denen eines als Porträt von Hubert van Eyck vorgeschlagen ist

Forschungsergebnis: Eyck, Jan van

Künstler des Bildnisses:Eyck, Jan van
Status:kontrovers diskutiert
Status Anmerkungen:Das Bildnis ist nur in Kopie erhalten. Der umfangreiche Forschungsstand zum Gemälde und zum möglichen Porträt, das früh thematisiert wurde, dessen Identifizierung mittlerweile aber weitgehend abgelehnt wird, ist nicht zur Gänze erfasst.
Andere Identifikationsvorschläge:Heinrich V.; Philipp der Gute
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Lucas de Heere 1565 Lucas de Heere 1969 – Den hof en boomgaerd 29–32, bes. 30 -
Bejahend Lampsonius 1572 Lampsonius 1572 – Pictorum aliquot insignium Germaniae inferioris o. S. -
Bejahend van Mander 1617 Mander 2000 – Das Leben der niederländischen 25, 28, 30–33 -
Bejahend van Mander 1618 Mander 1764 – Het Leven der Schilders o. S. -
Bejahend Bullart 1682 Bullart 1682 – Academie Des Sciences Et 377–380 -
Bejahend Crowe/Cavalcaselle 1857 Crowe, Cavalcaselle 1857 – The Early Flemish Painters 86
Details
wertneutrale Formulierung
Skeptisch/verneinend Cavalcaselle/Crowe 1875 Cavalcaselle, Crowe 1875 – Geschichte der altniederländischen Malerei 55, 86
Details
wertneutrale Formulierung mit ablehnender Grundhaltung
Bejahend Conway 1887 Conway 1887 – Early Flemish Artists and their 131 -
Bejahend Durand-Grévelle 1905 Durand-Grévelle 1905 – Hubert Van Eyck 23–25 -
Bejahend Waetzoldt 1908 Waetzoldt 1908 – Die Kunst des Porträts 315
Details
vorsichtig zustimmend
Skeptisch/verneinend Reinach 1910 Reinach 1910 – Jean VI Paléologue et Hubert 375 -
Skeptisch/verneinend Ring 1913 Ring 1913 – Beiträge zur Geschichte der niederländischen 101f -
Skeptisch/verneinend Post 1921 Post 1921 – Wen stellen die vier ersten bes. 69–76 -
Skeptisch/verneinend Dimier 1932 Dimier 1932 – Le portrait méconnu de Jan 193 -
Skeptisch/verneinend Kehrer 1934 Kehrer 1934 – Dürers Selbstbildnisse und die Dürer-Bildnisse 19 -
Bejahend Goldscheider 1936 Goldscheider 1936 – Fünfhundert Selbstportraits 15, o. S. (Abb. 13) -
Skeptisch/verneinend Minghetti 1940 Minghetti 1940 – Un nuovo documento per l’iconografia 36 -
Bejahend Puyvelde 1946 Puyvelde 1946 – Van Eyck 52 -
Skeptisch/verneinend Boon 1947 Boon 1947 – Het zelfportret in de Nederlandsche 11f -
Bejahend Schenk 1949 Schenk 1949 – Selbstbildnisse von Hubert und Jan 13f -
Bejahend Masciotta 1949 Masciotta 1949 – Autoritratti del Quattrocento e del o. S. (Abb. 4) -
Bejahend Hall 1963 Hall 1963 – Portretten van Nederlandse beeldende kunstenaars 96 -
Skeptisch/verneinend Faggin 1968 Faggin 1968 – L'opera completa dei Van Eyck 83 -
Bejahend Lanckorońska 1969 Lanckorońska 1969 – Die Medici-Madonna des Rogier van 31 -
Skeptisch/verneinend Raupp 1984 Raupp 1984 – Untersuchungen zu Künstlerbildnis und Künstlerdarstellung 18, 23 (Anm. 18) -
Skeptisch/verneinend Jansen 1988 Jansen 1988 – Similitudo 57f -
Skeptisch/verneinend Jansen 1989 Jansen 1989 – Jan van Eycks Selbstbildnis 37 -
Skeptisch/verneinend Pächt 1989 Pächt 1989 – Van Eyck 126 -
Skeptisch/verneinend Liess 1993 Liess 1993 – Der Quatrain des Genter Altars bes. 42f, 51, 53, 58 -
Skeptisch/verneinend Véronee-Verhaegen 1994 Véronee-Verhaegen 1994 – Le portrait 228 -
Skeptisch/verneinend Campbell 1998 Campbell 1998 – The Fifteenth Century Netherlandish Schools 216
Details
wertneutrales Statement
Skeptisch/verneinend Châtelet 1999 Châtelet 1999 – Rogier van der Weyden 17 -
Skeptisch/verneinend o. A. 2000 o. Hg. (Hg.) 2000 – Fünfhundert Selbstporträts o. S. -
Skeptisch/verneinend Martens 2001 Martens 2001 – Une curieuse effigie de Jean bes. 152 -
Skeptisch/verneinend Scherer 2004 Scherer 2004 – Die Kopfbedeckung des Künstlers 24f, bes. 24 -
Bejahend Gludovatz 2005 Gludovatz 2005 – Der Name am Rahmen 153f -
Skeptisch/verneinend Borchert 2008 Borchert 2008 – Jan van Eyck 95 -
Bejahend Kemperdick 2014 Kemperdick 2014 – Die Geschichte des Genter Altars 46 (Abb. 39), 51–55
Details
vorsichtig zustimmend
Skeptisch/verneinend Cleland 2015 Cleland 2015 – Rogier van der Weyden 18, 22 -
Skeptisch/verneinend Hindriks 2019 Hindriks 2019 – Der vlaemsche Apelles 91, 265 (Anm. 233) -

Der früheste überlieferte Hinweis auf ein Selbstporträt Jan van Eycks unter den Reitern des Genter Altars befindet sich in Lucas de Heeres Ode Lof en prijs der vvercs (dvvelc S. Ians inde capelle es) Van schilderien, ghemaect by die M. Ian hiet Van Maesheyc gheboren den vlaemschen Apelles: Nerstigh leest, verstaet ende op d'vverck dan ziet (1565).1 Dieses Lobgedicht des Genter Malers und Dichters de Heere preist den Genter Altar und erwähnt im Passus zum Flügelbild mit den Reitern, dass Jan van Eyck – erkennbar an einem roten Paternoster über seinem schwarzen Gewand – in der Gruppe der Könige, Prinzen und Alten dargestellt sei. Neben ihm reite sein Bruder Hubert: „Ten rechten siet men onder de zulcke verkeeren, / Den princelicken Schilder die dit werck voldé‘ / Met den rooden Pater noster op zwarte cleeren / Sijn broeder Hubert rijdt by hem in d'hooghste sté.“2

Dominicus Lampsonius greift diese Überlieferung auf und publiziert die beiden Bildnisse der Brüder van Eyck mit begleitenden lobenden Worten am Beginn seiner druckgrafischen Sammlung Pictorum aliquot insignium Germaniae inferioris effigies (1572).3

Van Mander (1617) zitiert in der Vita der Gebrüder van Eyck die Ode de Heeres vollständig4 und beschreibt die beiden Porträts als Darstellungen der Maler, wobei Hubert rechts neben Jan reite.5Unter dem Titel DE IOANNE MAIO PICTORE führt van Mander einen davon abweichenden Holzschnitt an.6
In der Ausgabe von 1618 erscheinen hingegeben die beiden Porträts aus dem Genter Altar.7

Bullart (1682) setzt die Rezeption fort. Er integriert die Grafiken mitsamt Lobreden und Lebensläufen in seine Sammlung berühmter Männer.8

Cavalcaselle/Crowe (1875) bemerken neutral, dass der stattlich gekleidete Reiter auf dem weißen Pferd als Hubert und die jüngere, schwarz gekleidete Figur mit Turban, die sich Hubert zuwendet, als Jan identifiziert werde.9 Die Autoren diskutieren zudem die These, dass das ganzfigurige Männerporträt im Arnolfini-Doppelbildnis ein Selbstporträt von Jan van Eyck sein könnte, weisen jedoch auf die fehlende Ähnlichkeit mit dem Porträt im Genter Altar hin.10

Conway (1887) weist auf die Überlieferung, wonach die Porträts von Hubert und Jan van Eyck mit hoher Wahrscheinlichkeit im Genter Altar zu finden seien: Hubert auf dem weißen Pferd, Jan in schwarz gekleidet etwas weiter hinten. Dieselben Figuren könne man auch im Madrider Lebensbrunnen erkennen.11

Durand-Grévelle (1905) identifiziert über einen Vergleich des Reiters im Genter Altar das Londoner Porträt mit rotem Turban als Selbstbildnis von Jan van Eyck. Die beiden Bildnisse würden den Maler im Abstand von etwa zwölf bis dreizehn Jahren zeigen, weshalb physiognomische Veränderungen festzustellen wären. Er stützt seine These auf die Beobachtung auffälliger Merkmale und typischer Selbstporträtzeichen, wie den angestrengten Blick oder die markante Kopfbedeckung, die nur ein Künstler tragen könne.12

Waetzoldt (1908) kritisiert die Identifizierung von Porträts in Wand- und Tafelbildern als spekulatives „Ratespiel“. Dennoch hält er es für möglich, dass die Gebrüder van Eyck unter den Gerechten Rittern dargestellt sind, da die Bildnisse stark individualisiert und realitätsnah wirkten.13

Reinach (1910) deutet die Figur als Heinrich V.14

Ring (1913) verweist auf die Rezeption der Ode de Heeres in frühen Quellen, betont jedoch die geringe Glaubwürdigkeit der Thesen zu den Porträts.15

Post (1921) zweifelt die Thesen zu den Künstlerbildern im Genter Altar an, da sie nicht den Konventionen niederländischer integrierter Selbstdarstellungen entsprechen, die sich durch unauffällige Positionen auszeichnen. Zudem widerspreche van Manders Bericht, der Grafen und Maler zu Pferd erwähnt, den Standesunterschieden der Zeit.16 Auf Basis von biografischen Überlegungen und Vergleichen mit überliefertem Bildmaterial identifiziert Post in weiteren Ausführungen folgende adelige Herren in der Tafel der Gerechten Ritter: Philipp der Kühne, Ludwig von Male, Johann ohne Furcht und Philipp der Gute (von vorne nach hinten).17

Dimier (1932) vermutet Porträts von Jan van Eyck mit seiner Gattin im Arnolfini-Doppelporträt. Einen physiognomischen Abgleich mit den vorgeschlagenen Selbstporträts im Genter Altar hält er aber wenig zielführend, da diese Identifizierung auf einer unbedeutenden Quelle beruhe.18

Kehrer (1934) führt als Motivation für integrierte Selbstdarstellungen in der italienischen Malerei Ruhmesgedanken und die Sichtbarmachung des eigenen Schaffens an, die als Bewertungsmaßstab für solche Bildnisse gelten. Sichtbare Merkmale wie Blicke und Signaturen, wie sie etwa Gozzoli in der Cappella Medici-Riccardi zeigt, seien dabei entscheidend. Da diese Kriterien im Fall der Reiter im Genter Altar nicht erfüllt seien, könne man nicht von Selbstdarstellungen der Brüder van Eyck ausgehen.19

1936 wird das Bildnis Jan van Eycks in der Selbstporträtsammlung von Goldscheider angeführt.20 Goldscheider thematisiert Ähnlichkeiten zwischen den Bildnissen im Genter Altar und den umstrittenen Künstlerbildnissen im Lebensbrunnen21 und resümiert, das mutmaßliche Selbstbildnis im Genter Altar habe trotz der zwischenzeitlichen Ablehnung in der Forschung eine beständige Tradition. Die Überlieferung sei nicht weniger glaubwürdig als jene, die Vasari für italienische Selbstbildnisse bereitstelle.22
In der Neuauflage der Publikation (2000) ist das Bildnis nicht mehr angeführt.23

Minghetti (1940) äußert sich skeptisch gegenüber den Versuchen, die beiden Künstlerporträts in der Tafel der Gerechten Ritter zu identifizieren.24

Puyvelde (1946) neigt dazu, die Thesen zu den Künstlerbildern im Genter Altar zu befürworten. Er argumentiert, dass eine lokale Tradition integrierter Selbstdarstellungen bestanden haben könnte und dass die Gruppe der Richter dafür standesmäßig geeignet sei, da sich der Maler nicht unter Heilige oder mächtige Herren gemischt hätte. Zudem ähnelten die Züge der Figur, die Jan van Eyck darstellen soll, dem Londoner Porträt mit rotem Turban.25

Boon (1947) verweist in seinen Ausführungen zu niederländischen Selbstdarstellungen auf die möglichen Selbstdarstellungen von Hubert und Jan van Eyck im Genter Altar. Diese Selbstbildnisse widersprächen jedoch aufgrund ihrer Position und der Kleidung dem sozialen Rang der Maler und seien daher abzulehnen. Das früheste niederländische Selbstporträt stamme nicht von van Eyck, sondern von Dieric Bouts, der sich im Abendmahl-Altar seinem Stand entsprechend zurückhaltend dargestellt habe. Ein weiteres akzeptables Selbstporträt sei das von Memling im Donne-Altar.26

Schenk (1949) erklärt, dass er das Bildnis auch ohne die Überlieferung von de Heere als Selbstdarstellung erkannt hätte. Als Argumente führt er an, dass das Bildnis in der Komposition wenig verankert sei, aus dem Bild blicke, Lichtreflexe in den Augen aufweise und als einziges im Bild einen Turban trage. Zudem lasse es sich physiognomisch mit dem autonomen Männerporträt mit Turban vergleichen, das ebenfalls Jan van Eyck zeige. Schenk geht auch auf de Heeres Bericht zu einem Porträt von Hubert ein, favorisiert dabei die Profilfigur hinter Jan, verfolgt die These zu einem möglichen Bildnis von Hubert im Genter Altar jedoch nicht weiter. Stattdessen identifiziert er das Bildnis eines Mannes mit Nelke als Selbstporträt Huberts.27

Masciotta (1949) bildet das Porträt des Reiters mit Sendelbinde in seiner Sammlung von Künstlerselbstporträts als Bildnis von Jan van Eyck ab.28

Hall (1963) listet in seiner Sammlung niederländischer Selbstporträts verschiedene Selbstbildnisse Jan van Eycks auf: Die integrierten Bildnisse in der Tafel der Gerechten Ritter, die Spiegelung im Arnolfini-Bildnis, das autonome Porträt mit rotem Turban und eine Kohlezeichnung, die ebenfalls Hubert zeige, sowie eine weitere kleine Zeichnung.29

Faggin (1968) bildet Details von Porträts ab und vergleicht die Bildnisse im Genter Altar mit jenen im Lebensbrunnen. All diese Porträts beschreibt er mit der Bezeichnung „angeblich“.30

Lanckorońska (1969) verweist auf das Selbstbildnis von van Eyck im Genter Altar.31

Raupp (1984) analysiert die Vorlagen für die Porträtsammlung von Domenicus Lampsonius. Neben Bildnissen und Selbstbildnissen seien im Fall der Gebrüder van Eyck „Phantasiebildnisse [...] nach Figuren aus dem Genter Altar32 herangezogen worden. Nach Raupp herrsche in der Forschung Einigkeit darüber, dass diese Bildnisse trotz der langen Überlieferung keine Selbstdarstellungen sind.33

Jansen (1988) stellt fest, dass Stifterbildnisse, Autorenbilder in mittelalterlichen Handschriften und Selbstporträts in Assistenz in Zusammenhang mit der übergeordneten Bildaussage stehen und nicht als isolierte Protagonisten zu deuten sind. Sollte es sich bei den Figuren unter den Gerechten Rittern um die Gebrüder van Eyck handeln, so der Autor wenig konkret, gelte das auch für diese Bildnisse.34 1989 deutet Jansen die Figur als Philipp den Guten.35

Pächt (1989) betont, dass es für die Tafel der Gerechten Ritter keine zuverlässige Identifikation der Dargestellten gebe.36

Liess (1993) untersucht die Künstlerinschrift des Genter Altars. Nach einer vergleichenden Analyse von Inschriften und Gemälden aus dem Oeuvre Jan van Eycks kommt der Autor zu dem Schluss, dass sich der Genter Altar im zentralen Gottesbild konzentriere, mit dem sich van Eyck identifiziere – ähnlich wie später Albrecht Dürer in seinem Münchner Selbstbildnis.37 Die Annahme, dass Jan und Hubert in Gestalt der Reiter im Genter Altar dargestellt seien, bezeichnet Liess als eine, von der Inschrift ausgelöste Fantasie.38 Auch die Theorie, van Eyck habe sich im Porträt des Timotheus verewigt, überzeugt Liess nicht.39 Hingegen bestätigt er die Selbstdarstellung van Eycks im autonomen Porträt mit rotem Turban.40

Véronee-Verhaegen (1994) geht auf Funktionen und Erkennungsmerkmale von Selbstdarstellungen ein und weist auf die Schwierigkeit der Identifikation. Die mutmaßlichen Selbstporträts im Genter Altar bewertet sie ebenso als hypothetisch wie die Identifizierung des Mannes mit rotem Turban als Selbstporträt Jan van Eycks.41

Campbell (1998) widmet sich im Katalogbeitrag zum Porträt eines Mannes mit rotem Turban vergleichenden Analysen mit weiteren möglichen Selbstbildnissen des Malers. Während die Spiegelungen im Arnolfini-Bildnis und in der Paele-Madonna aufgrund ihrer geringen Größe keine Identifikationsmerkmale liefern, erkennt Campbell eine bedingte Ähnlichkeit zwischen der von de Heere als Bildnis Jans bezeichneten Figur im Genter Altar und diesem autonomen Porträt. Die Diskussion um den Mann mit Turban könnte, so Campbell, den Anstoß gegeben haben, auch im Genter Altar ein Selbstporträt zu vermuten.42

Châtelet (1999) entwickelt Thesen zu niederländischen Selbstdarstellungen und hebt die Vorreiterrolle Rogier van der Weydens hervor, der sich als hl. Lukas dargestellt habe43 – eine derart prominente Selbstdarstellung habe es im Vorfeld nicht gegeben. Der Autor verweist zudem auf die Gebrüder van Eyck, die sich möglicherweise in der Tafel des Mystischen Lamms im Genter Altar verewigt haben könnten, sich dabei aber so unauffällig positionierten, dass im 16. Jahrhundert stattdessen die Gesichter der beiden Ritter Christi als Selbstdarstellungen reproduziert wurden.44

Martens (2001) untersucht die Bedeutung der Ode de Heeres und die darauf basierende Publikation der Bildnisse aus dem Genter Altar als Selbstdarstellungen der Gebrüder Eyck bei Lampsonius. Unabhängig davon, ob die beiden Reiter tatsächlich als Selbstdarstellungen zu deuten sind, prägten die Bildnisse die Ikonografie beider Maler, wie Martens anhand zahlreicher Bildbeispiele bis in die Romantik nachzeichnet. Als abweichendes Phänomen nennt er die Malerbildnisse bei Joachim von Sandrart,45 die auf einer anderen Vorlage beruhen. Sandrart habe auf ein Gemälde von Marinus van Reymerswaele46 zurückgegriffen, das er als Doppelporträt der Gebrüder van Eyck ansah, und so die „Van-Eyck-Ikonographie ungewollt um eine unerwartete Variante erweitert“.47

Scherer (2004) analysiert Kopfbedeckungen von Künstlern und verweist auf die bei Lampsonius publizierten Bildnisse von Hubert und Jan van Eyck. Letzterer wird mit einer Sendelbinde dargestellt, einem geschlungenen Tuch, das nach Scherer zum Statussymbol der Künstler avancierte und die Künstlerikonografie prägte. Die von de Heere als Künstlerporträts beschriebenen Bildnisse im Genter Altar dienten als Vorlagen für druckgrafische Porträtsammlungen. Obwohl es sich dabei nur um „angebliche[...] Bildnisse[...]“ gehandelt habe, wurde insbesondere die Darstellung Jans zum offiziellen Konterfei des Malers.48

Gludovatz (2005) verweist auf van Mander, der den Reiter im Genter Altar als einziges Selbstbildnis Jan van Eycks benennt und dabei besonders die Kopfbedeckung beschreibt. Damit könnte er sich bereits auf eine ikonografische Überlieferung bezogen und die rote Kopfbedeckung als ein Markenzeichen des Malers interpretiert haben.49

Borchert (2008) weist auf die traditionelle Identifizierung der beiden Selbstbildnisse von Jan und Hubert auf der Tafel der Gerechten Ritter hin und darauf, dass die beiden Bildnisse als Grundlage für weitere Porträts der Maler dienten. Dennoch betont der Autor, dass die Selbstporträts nicht gesichert sind.50

Kemperdick (2014) untersucht de Heeres Ode: Während die Beschreibung Jans als Figur mit Paternosterkette eindeutig zuordbar ist, erlauben die Angaben zu Huberts Bildnis keine eindeutige Identifikation. Zudem könnte eine frühe Restaurierung das Porträt links von Jan, das Kemperdick als Porträt Huberts favorisiert, verändert haben, was möglicherweise zu einer Fehleinschätzung bei Lampsonius führte, der den vordersten Reiter als Bildnis von Hubert identifizierte. Jans Bildnis hingegen war bereits vor der schriftlichen Überlieferung bekannt – dies belege eine 1563 vom Bildhauer Wilhelm van den Broecke geschaffene Büste von Jan van Eyck mit der Aufschrift BELGARUM SPLENDOR.51 Kemperdick betont zudem, dass Selbstdarstellungen ein anerkanntes Phänomen waren, wie etwa die Ausführungen von Cusanus zu den Rathausbildern von Rogier van der Weyden zeigen. Van der Weyden habe sich vielfach von van Eyck inspirieren lassen, er könnte ihm auch in der Praxis der Selbstdarstellungen nachgeeifert haben. Auch die Kopie des Genter Altars durch Michiel Coxcie, der in der Tafel zu den Gerechten Rittern Porträts und ein Selbstporträt einfügte52 könne als Hinweis auf die tatsächliche Existenz eines Selbstporträts von Jan van Eyck gewertet werden. Dennoch betont Kemperdick, dass alle Überlegungen spekulativ bleiben, da keine gesicherten Bildnisse der Brüder existieren. Erschwerend komme der Verlust der Tafel hinzu, der eine physische Untersuchung ausschließe.53

Cleland (2015) lehnt Thesen zu einem möglichen Selbstporträt Rogier van der Weydens in seinen verlorenen Rathausbildern ab.54 Sie begründet dies unter anderem mit dem Fehlen von Präzedenzfällen in der nordischen Malerei und dem Mangel an überzeugenden dokumentarischen Belegen.55 Diese Argumentation impliziert eine indirekte Ablehnung des mutmaßlichen Selbstporträts von Jan van Eyck. Zudem geht Cleland auf die Überlieferung zum Bildnis im Genter Altar ein und weist darauf hin, dass die Ode von de Heere als frühester Hinweis darauf erst 1559, lange nach der Fertigstellung des Gemäldes, niedergeschrieben wurde.56

Hindriks (2019) bezieht sich ebenfalls auf die Ode von Lucas de Heere. Im Anmerkungsapparat führt der Autor an, dass die vermeintlichen Künstlerporträts Projektionen des Publikums seien, die den Ruhm Jan van Eycks gefördert hätten. Jans Privilegien als Hofmaler Philipps des Guten und sein Künstlerstolz wurden überliefert und bestärkten die Rezipierenden in ihrem Glauben, dass sich van Eyck inmitten der gesellschaftlichen Elite seiner Zeit porträtiert habe.57

Verweise

  1. Lucas de Heere (hg. von Waterschoot 1969), 29–32.↩︎

  2. Ebd., 30.↩︎

  3. Lampsonius 1572.↩︎

  4. Mander (Floerke 2000), 30–33.↩︎

  5. Ebd., 28.↩︎

  6. Ebd., 25.↩︎

  7. Mander (hg. von Esveldt 1764), o. S.↩︎

  8. Bullart 1682, 377–380.↩︎

  9. Cavalcaselle/Crowe 1875, 55.↩︎

  10. Crowe/Cavalcaselle 1857, 86.↩︎

  11. Conway 1887, 131. Zum Lebensbrunnen vgl. den Einführungstext zu Jan van Eyck.↩︎

  12. Durand-Grévelle 1905, 23–25. Zum Porträt Mann mit rotem Turban vgl. den Einleitungstext zu Jan van Eyck.↩︎

  13. Waetzoldt 1908, 315.↩︎

  14. Der Autor geht zudem davon aus, dass es sich bei der ersten Figur vorne links um den Herzog von Berry, bei der Profilfigur dahinter um Johannes VI Palaiologios handelt. Von Berry sei damit in jener Figur zu erkennen, die teils als Hubert van Eyck angenommen wird. Vgl. Reinach 1910, 370–375, bes. 375. Zum möglichen Porträt von Hubert van Eyck, vgl. den Eintrag zum Genter Altar.↩︎

  15. Ring 1913, 101f samt einer Zusammenschau zeitnaher Forschung unter Berücksichtigung abweichender Identifizierungen.↩︎

  16. Post 1921, 69f.↩︎

  17. Ebd., 71–76.↩︎

  18. Dimier 1932, bes. 193.↩︎

  19. Kehrer 1934, 19.↩︎

  20. Goldscheider 1936, o. S. (Abb. 13).↩︎

  21. Vgl. weiterführend den Einführungstext zu Jan van Eyck.↩︎

  22. Goldscheider 1936, 15.↩︎

  23. O. Hg. 2000, o. S.↩︎

  24. Minghetti 1940, 36.↩︎

  25. Puyvelde 1946, 52. Zum Mann mit rotem Turban vgl. den Einleitungstext zu Jan van Eyck.↩︎

  26. Boon 1947, 11f.↩︎

  27. Schenk 1949, 13f. Zum Männerporträt mit Turban und dem Bildnis eines Mannes mit Nelke vgl. weiterführend den Einleitungstext zu Jan van Eyck.↩︎

  28. Masciotta 1949, o. s. (Abb. 4).↩︎

  29. Hall 1963, 96; zu den Grafiken vgl. weiterführend den Einleitungstext zu Jan van Eyck.↩︎

  30. Faggin 1968, 83.↩︎

  31. Lanckorońska 1969, 31.↩︎

  32. Raupp 1984, 18.↩︎

  33. Ebd., 18, 23 (Anm. 18).↩︎

  34. Jansen 1988, 57f.↩︎

  35. Jansen 1989, 37.↩︎

  36. Pächt (hg. von Schmidt-Dengler 1989), 126.↩︎

  37. Zum Gottesbild vgl. weiterführend den Eintrag zum Genter Altar; zum Münchner Selbstbildnis den Eintrag zu Albrecht Dürer.↩︎

  38. Liess 1993, 42f.↩︎

  39. Ebd., 53.↩︎

  40. Ebd., 51. Zum Porträt des Timotheus und zum Porträt mit rotem Turban vgl. weiterführend den Vortext zu Jan van Eyck.↩︎

  41. Véronee-Verhaegen 1994, 228. Zum Porträt mit rotem Turban vgl. weiterführend den Vortext zu Jan van Eyck.↩︎

  42. Campbell 1998, 216.↩︎

  43. Vgl. den Einleitungstext zu Rogier van der Weyden und Katalogeintrag zum Lukasbild.↩︎

  44. Châtelet 1999, 17.↩︎

  45. Joachim von Sandrart, Porträts der Gebrüder van Eyck (neben anderen), 1675, in: Academia der edlen Bau-, Bild- und Malerkünste (München, Bayerische Staatsbibliothek, Codex 366).↩︎

  46. Marinus van Remerswaele, Steuereintreiber, 1600–49, Warschau, MNW.↩︎

  47. Martens 2001, 152.↩︎

  48. Scherer 2004, 24f, bes. 24.↩︎

  49. Gludovatz 2005, 153f.↩︎

  50. Borchert 2008, 95.↩︎

  51. Wilhelm van den Broecke, Büste des Jan van Eyck, 1563, Antwerpen, Museum aan de Stroom.↩︎

  52. [dazu Ab. 39,s 46: Michiel Coxcie, Streiter Christi (Kopie des Genter Altars), 1558, Berlin, Staatliche Museen – Gemäldegalerie. Vgl. Kemperdick 2014, 46 (Abb. 39).↩︎

  53. Ebd., 51–55.↩︎

  54. Vgl. weiterführend den Einleitungstext zu Rogier van der Weyden.↩︎

  55. Cleland 2015, 22.↩︎

  56. Ebd., 18.↩︎

  57. Hindriks 2019, 91, 265 (Anm. 233).↩︎

Eine Ode an den Maler

Die Thesen zu einem möglichen Selbstporträt Jan van Eycks stützen sich auf die Ausführungen von Lucas de Heere, der 1565 ein Lobgedicht auf den Genter Altar verfasste. De Heeres Angaben entbehren jedoch einer fundierten Argumentation und sind nicht anhand von Quellen aus der Lebenszeit van Eycks belegbar. Dennoch begründete die Ode eine ikonografische Tradition, in der das genannte Bildnis als Selbstdarstellung überliefert wurde. In der heutigen Forschung wird diese Identifizierung weitgehend abgelehnt.

Nach dem aktuellen Wissensstand zu integrierten Selbstdarstellungen spricht lediglich der direkte Blick aus dem Bild für die These, wobei dieser Blick kein universelles Merkmal von Selbstdarstellungen darstellt.1 Der einzig nachvollziehbare Hinweis auf eine Selbstdarstellung van Eycks im herkömmlichen Sinn – da weder die Spiegelungen in der Paele-Madonna und dem Arnolfini-Doppelporträt noch die kleine Rückenfigur in der Rolin-Madonna als solche gelten können – ist das autonome Porträt Mann mit rotem Turban in London.2 Ob eine überzeugende Ähnlichkeit zwischen diesem Porträt und dem möglichen Selbstporträt im Genter Altar bestanden haben könnte, die angesichts der realistischen Malweise van Eycks als Beleg hätte dienen können, lässt sich aufgrund des Verlusts der Tafel – und damit des möglichen Selbstporträts – nicht mehr feststellen.

Verweise

  1. Zum Blick des Malers vgl. Krabichler 2024, 89–91.↩︎

  2. Zum Porträt Mann mit rotem Turban vgl. den Einleitungstext zu Jan van Eyck.↩︎

Literatur

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