Anbetung der Könige

Fabriano, Gentile da

1423

Italien; Florenz; Gallerie degli Uffizi

Objekt

Bildrechte
Detailtitel:Anbetung der Könige (Haupttafel von: Pala Strozzi)
Alternativtitel Deutsch:Strozzi-Altar
Titel in Originalsprache:Adorazione dei Magi
Titel in Englisch:Adoration of the Kings
Datierung: 1423
Ursprungsregion:italienischer Raum
Lokalisierung:Italien; Florenz; Gallerie degli Uffizi
Lokalisierung (Detail):Inventarnummer: 8364
Medium:Altarbild
Material:Tempera
Bildträger:Holz
Maße: Höhe: 172 cm; Breite: 227 cm
Maße Anmerkungen:Altar gesamt: 300 x 282 cm mit Predella und Aufbau
Ikonografische Bezeichnung:Geburt Christi, Drei Könige (Anbetung und Zyklus der Magier)
Iconclass:73B57 – adoration of the kings: the Wise Men present their gifts to the Christ-child (gold, frankincense and myrrh)
Signatur Wortlaut:OPUS GENTILIS DE FABRIANO MCCCCXXIII MENSIS MAII
Datierung Wortlaut:OPUS GENTILIS DE FABRIANO MCCCCXXIII MENSIS MAII
Signatur/Datierung Position:signiert und datiert auf dem Rahmen der Haupttafel unten; bei der Signatur/Datierung handelt es sich um einen zusammengesetzten Wortlaut
Auftraggeber/Stifter:Palla di Nofri Strozzi (Vetter des Palla di messer Palla), Mitglied der Kaufmannsfamilie Strozzi
Provenienz:Ursprünglicher Hauptaltar in der Sakristei bzw. Kapelle des Palla di Nofri Strozzi in S. Trinita, Florenz; zwischen 1743 und 1755 Transfer des Altars an die gegenüberliegende Kapellenwand; ab 1810 in der Accademia di Belle Arti; seit 1919 in den Gallerie degli Uffizi.
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Es handelt sich um eine personenreiche Darstellung des Gefolges als Reflex auf die Dreikönigsumzüge in den Städten des 14. und 15. Jahrhunderts.1 Auffallend ist das Gepränge einer höfischen Jagd.2 Er kann auch in Zusammenhang mit den in Florenz abgehaltenen Reiterspielen gesehen werden.3 Zum Auftraggeber4 und zur Ikonografie.5

Verweise

  1. Hille 2015, 271; Mâle 1910, 267f, er erwähnt den Dreikönigsumzug in Mailand 1336.↩︎

  2. Siede 1999, 29.↩︎

  3. Strehlke 2005, 48.↩︎

  4. Marchi 1992, 92.↩︎

  5. Bollati 2006, 159; Christiansen 1982, 97.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:erste Figur rechts hinter dem jungen König
Ausführung Körper:Schulterstück
Ausführung Kopf:Frontalansicht
Ikonografischer Kontext:Figur aus dem Gefolge der Heiligen Drei Könige, die nicht unmittelbar am Geschehen beteiligt ist.
Blick/Mimik:direkter Blick aus dem Bild
Gesten:Hände sind nicht sichtbar
Körperhaltung:aufrecht
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:Die Figur ist leicht exzentrisch im Bild positioniert, etwas rechts der vertikalen Mittelachse und ziemlich genau auf der horizontalen Mittelachse. Sie befindet sich am hinteren Rand der Bildbühne und markiert mit den Figuren rechts den Beginn der Menschenmenge, die den Mittelgrund der rechten Bildhälfte bildet. Inhaltlich bildet sie mit der fragmentarisch abgebildeten Person rechts hinter ihr und der stehenden Figur rechts neben ihr eine Dreiergruppe. Die Figur blickt als einzige aus dem Bild. Das Gesicht ist nicht überschnitten und hebt sich auch durch ein dunkleres Inkarnat von den anderen Figuren im Umkreis ab.
Kleidung:dunkelroter Turban, schwarzes Brokatkleid mit goldenen Blumenmotiven
Zugeordnete Bildprotagonisten:stehende Figur mit Falken: Die Figur rechts des vorgeschlagenen Selbstporträts, die einen Falken trägt wurde mit dem Auftraggeber identifiziert bzw. als dessen Vater und Stifter der Familienkapelle, Onofrio Strozzi, angesehen

Zur Identifizierung der Figur mit Falken: als Auftraggeber,1 als Onofrio Strozzi.2

Verweise

  1. Schaeffer 1904, 79.↩︎

  2. Davisson 1975, 324.↩︎

Forschungsergebnis: Fabriano, Gentile da

Künstler des Bildnisses:Fabriano, Gentile da
Status:kontrovers diskutiert
Status Anmerkungen:Der Porträtcharakter der Darstellung wird von den meisten AutorInnen anerkannt, allerdings mit verschiedenen Zuweisungen.
Andere Identifikationsvorschläge:Palla Strozzi (Auftraggeber); Lorenzo Palla (Sohn des Auftraggebers)
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Vasari 1568 Vasari, Posselt et al. 2011 – Das Leben der Maler Gentile 54–56 -
Bejahend Benedetti 1830 Benedetti gia Montevecchio 1830 – Delle Opere di Maestro Gentile 14 -
Bejahend Schaeffer 1904 Schaeffer 1904 – Das Florentiner Bildnis 79 -
Bejahend van Marle 1927 Marle van 1927 – Gentile, Pisanello and Late Gothic 5 -
Bejahend Prinz 1966 Prinz 1966 – Vasaris Sammlung von Künstlerbildnissen 88 -
Skeptisch/verneinend Davisson 1975 Davisson 1975 – The Iconology of the S 324 -
Skeptisch/verneinend Christiansen 1982 Christiansen 1982 – Gentile da Fabriano 98 -
Skeptisch/verneinend Panczenko 1983 Panczenko 1983 – Cultura Umanistica di Gentile da 72f -
Bejahend Schweikhart 1993 Schweikhart 1993 – Das Selbstbildnis im 15 15 -
Skeptisch/verneinend Prinz 2000 Prinz 2000 – Die Tiere 650f -
Skeptisch/verneinend Cardini 2004 Cardini 2004 – Die Heiligen Drei Könige 23 -
Skeptisch/verneinend Marcelli 2005 Marcelli 2005 – Gentile da Fabriano 152 -
Skeptisch/verneinend Strehlke 2005 Strehlke 2005 – Palla di Nofri Strozzi 48 -
Skeptisch/verneinend Gigante 2010 Gigante 2010 – Autoportraits en marge 52 -
Skeptisch/verneinend Walter 2011 Walter 2011 – Die Strozzi 27 -
Skeptisch/verneinend Hiery 2012 Hiery 2012 – Bildergeschichten lesen 50 -
Skeptisch/verneinend Nagele 2013 Nagele 2013 – Die Familie Strozzi als Auftraggeber 9f -
Skeptisch/verneinend Hille 2015 Hille 2015 – Training the Eye 277 -

Das Bildnis erfuhr verschiedene Interpretationen, es wurde als Palla Strozzi (Auftraggeber),1 bzw. als Lorenzo Palla (Sohn des Auftraggebers) identifiziert.2

Vasari berichtet 1568 in seinen Viten über Gentile da Fabriano: „Er arbeitete in San Giovanni in Siena und in der Sakristei von S. Trinita in Florenz; wo er eine Tafel mit der Anbetung der Könige malte; in der er sich selbst naturgetreu porträtierte.“3

Benedetti bezieht sich 1830 auf die Zuweisung von Vasari und den Holzschnitt in den Viten: „Si sa di Gentile che nell'Epifania di Firenze effigiò se medesimo in un ritratto qual si riporta in un incisione; che corre nella raccolta dei ritratti de’pittori“.4

Schaeffer erkennt 1904 zwei Porträts in der Anbetung; ohne sie allerdings präziser zu lokalisieren: ein Selbstporträts des Künstlers und eines des Stifters Palla Strozzi. Er stellt die Pala Strozzi in den Zusammenhang der Anbetungen des frühen Quattrocento; die den Ausgangspunkt für die späteren Repräsentationsbilder bilden.5

1927 scheint für van Marle die Zuweisung als Selbstporträt nach Vasari noch selbstverständlich; wenn von Gentiles Anbetung die Rede ist; „the Adoration of the Magi with the artist's own portrait“.6

Prinz sieht 1966 in diesem Bildnis noch eine frühe Selbstdarstellung; in der der Künstler ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein darlegt.7 2000 tendiert er jedoch aufgrund der zentralen Stellung des Porträts zu einer Identifizierung als Stifterporträt.8 Er bezieht auch die Tierdarstellungen in seine Argumentation mit ein: Der Falke in der Hand der Figur rechts daneben deute als Familienemblem auf die Familie Strozzi; der Affe oberhalb des Bildnisses würde auf den Künstler als „simia naturae“; als Nachäffer der Natur; verweisen; falls es sich um ein Selbstporträt Gentiles handelte. 9

Davisson konstatiert 1975 den Porträt-Charakter und die Zusammengehörigkeit mit der Figur rechts daneben. In seiner Arbeit über die Sakristei bzw. Kapelle sieht er zum ersten Mal in der Zweiergruppe Palla Strozzi; den Stifter des Altares; und dessen Vater; Onofrio Strozzi; den Stifter der Kapelle; verwirklicht.10

Auch Christiansen erkennt 1982 den Porträtcharakter; identifiziert jedoch den herausblickenden Mann mit Turban als Lorenzo Strozzi; die danebenstehende Figur als dessen Vater Palla Strozzi. Er argumentiert mit dem passenden Alter der beiden Darstellungen: „Though the two figures certainly are portraits; they appear to represent Lorenzo and Palla; aged respectively eigthteen and fifty in 1422.“11

Auch Panczenko (1983) konstatiert den Porträtcharakter; schwankt bei der Zuweisung jedoch zwischen Selbstporträt und Stifterbild. Auch er betont den engen Zusammenhang mit der Figur rechts daneben. Die beiden bilden die einzige Zweiergruppe im Gemälde; wenn man von dem kaum sichtbaren Gesicht zwischen ihnen absieht.12

Schweikhart (1993) bejaht als letzter die Zuweisung als Selbstporträt. Er argumentiert hauptsächlich mit dem „betonten Blick nach außen“;13 welcher den Charakter des Selbstbildnisses unterstreiche.

Cardini sieht 2004 in der Figur mit dem auf die BetrachterIn gerichteten Blick den Auftraggeber (Palla Strozzi) dargestellt.14

Marcelli erkennt 2005 den 18-jährigen Sohn des Auftraggebers und wendet sich ausdrücklich gegen die Interpretation als Selbstporträt. Er argumentiert wie Christiansen mit dem Alter des Dargestellten: „Naturalmente il volto giovanile della figura smaschera quest'identificazione erronea; giacché Gentile nel 1423 era ormai maturo.“15

Im gleichen Jahr (2005) sieht auch Strehlke in den beiden Figuren Porträts von Mitgliedern der Stifterfamilie; wobei er ebenfalls Identifizierungen als Palla und dessen Sohn Lorenzo bevorzugt. Ein neues Argument dafür; Palla in der Figur des Falkenträgers zu erkennen; liefern ihm die Farben der Kopfbedeckung; die den persönlichen Farben Pallas bei Florentiner Reiterspielen und Turnieren entsprechen sollen.16

Gigante (2010) kann nur wenige Hinweise finden; die eine Zuordnung als Selbstporträt rechtfertigen; schlägt aber auch keine andere Identifizierung vor; „[...] peu d'éléments permettant d'identifier comme autoportrait la figure qui fait face au spectateur; au centre de l'Adoration des Mages des Offices [...]“.17 Sie erklärt sich Vasaris Zuweisung als Selbstporträt mit der Intensität des Blickes der herausblickenden Figur.18

Walter konzentriert sich in ihrer Argumentation von 2011 auf die Figur des Falkenträgers; der als Repräsentant der höfischen Kultur und in Verbindung mit dem Wappentier von ihr eindeutig als Palla Strozzi gedeutet wird. Quasi en passant wird ohne weitere Begründung der Mann mit Turban daneben mit seinem Sohn Lorenzo gleichgestellt.19

2012 sieht Hiery im behandelten Bildnis ein Porträt des Auftraggebers. Wie schon Schaeffer verweist auch sie auf die Bedeutung des Bildnisses als sehr frühes Beispiel für eine Porträtdarstellung im Motiv der Anbetung der Könige; für eine „Verschmelzung von Sujet und Memorialbild“.20

2013 übernimmt Nagele; die sich mit der Auftraggeberfamilie Strozzi beschäftigt; die Zuweisung des Porträts an Lorenzo Strozzi.21 Sie analysiert dabei detailliert die Rolle des Falken als Emblem der Familie.22

Für Hille (2015) stellt die Figur mit dem Turban Palla Strozzi dar. Abgesehen vom Blick verleihe auch die zentrale Stellung in der Bildkomposition der Figur besondere Bedeutung: „Palla Strozzi forms the center of a second layer of the composition.“23

Verweise

  1. Davisson 1975, 324.↩︎

  2. Christiansen 1982, 98.↩︎

  3. Vasari/Posselt/Lorini 2011, 54–56.↩︎

  4. Benedetti gia Montevecchio 1830, 14.↩︎

  5. Schaeffer 1904, 79.↩︎

  6. Marle van 1927, 5.↩︎

  7. Prinz 1966, 88.↩︎

  8. Prinz 2000, 650.↩︎

  9. Ebd., 650f.↩︎

  10. Davisson 1975, 324.↩︎

  11. Christiansen 1982, 98.↩︎

  12. Panczenko 1983, 72f. (Anm. 56).↩︎

  13. Schweikhart 1993, 15.↩︎

  14. Cardini 2004, 23.↩︎

  15. Marcelli 2005, 152.↩︎

  16. Strehlke 2005, 48.↩︎

  17. Gigante 2010, 52.↩︎

  18. Ebd., 104.↩︎

  19. Walter 2011, 27.↩︎

  20. Hiery 2012, 50.↩︎

  21. Nagele 2013, 10 (Anm. 20).↩︎

  22. Ebd., 9f.↩︎

  23. Hille 2015, 277.↩︎

Ein Auftritt im Gefolge als Eintritt in die Reihe?

Die Anbetung der Könige bildet die Haupttafel der Pala Strozzi. Der Altar gehörte ursprünglich zur Ausstattung der Familienkapelle der Strozzi in der Florentiner Kirche S. Trinita.1 Der Altar mit der Darstellung der Anbetung der Heiligen Drei Könige auf der Haupttafel wurde von Palla di Nofri di Strozzi zur Ausschmückung der von seinem Vater Onofrio oder Nofri initiierten Familienkapelle in der Sakristei der Kirche S. Trinita in Florenz in Auftrag gegeben. Die Strozzi gehörten zu diesem Zeitpunkt zu den reichsten Familien der Stadt und versuchten mit ihrem Lebensstil den oberitalienischen Fürstenhöfen nachzueifern.2 Palla war persönlich sehr am aktuellen Kunstgeschehen interessiert und trat als humanistisch gebildeter Kunstmäzen in Erscheinung; die Gestaltung der Kapelle erfolgte z. B. durch Lorenzo Ghiberti.3 Für den Altar beauftragte er einen ebenfalls arrivierten Künstler; Gentile da Fabriano; der zuvor für den Papst gemalt hatte.4 Dessen erzählerische und detailfreudige Malweise schien ihm wohl adäquat; eine möglichst aufsehenerregende Tafel für das Prestige-Projekt der Familienkapelle zu schaffen.5 Die bemerkenswerte Wiedergabe der stofflichen Qualitäten wird der durch Tuchhandel wohlhabend gewordenen Familie entgegengekommen sein;6 vor allem aber entsprach der höfisch-aristokratische Charakter des noch der internationalen Gotik verhafteten Gentile den Wünschen des gesellschaftlichen Parvenüs.7 Die selbstbewusste Signatur des Künstlers auf der Rahmenleiste wird nicht ohne Zustimmung des Auftraggebers zustande gekommen sein; der sein eigenes Prestige mit dem Namen des angesehensten Malers seiner Zeit erhöhen konnte.

Der lange Zug der Könige ermöglicht es; prachtvolle Gewänder und höfisches Leben in üppigen Bildern aufleben zu lassen.8 Personenreiche Darstellungen spiegeln die Tradition der Dreikönigsumzüge; in denen die Eliten der Städte sich und ihren Reichtum in Szene setzten konnten.9 Der Zug der Magier wirkt daher auch eher wie ein Reiterspiel oder eine fürstliche Jagd; was den sozialen Anspruch der Auftraggeber verdeutlicht.10 Der Zug schildert in mehreren synchronen Szenen die Reise der Magier. Jedem der drei Bogenfelder im oberen Teil des Bildes ist eine Szene zugeordnet; bis der Zug von rechts oben kommend am Bildrand eine Wende vollzieht. Im linken Teil der vorderen Bildbühne vollzieht sich dann die Haupthandlung: die Anbetung der Könige.

Inmitten des Getümmels fällt vor allem die Person eines in schwarzen Brokatstoff gekleideten Mannes mit seiner turbanähnlichen dunkelroten Kopfbedeckung auf. Er steht rechts hinter dem jungen König und befindet sich leicht aus dem Zentrum des Bildes nach rechts verschoben; jedoch ziemlich genau auf der horizontalen Mittelachse. Dies ist die einzige Figur des Gemäldes; die uns frontal aus dem Bild heraus entgegenblickt. Dieser auffallend suggestive Blick auf die BetrachterIn hat schon früh eine Identifikation der Figur mit dem Künstler nach sich gezogen. Lange wurde diese Zuschreibung auch unter dem Einfluss der Autorität Vasaris beibehalten. Auch der rechts daneben stehenden Figur des einen Falken tragenden Höflings wurde Porträtcharakter zugewiesen.11 Eine Identifizierung der beiden Porträts mit Mitgliedern der Familie Strozzi wurde auch deshalb als plausibel erachtet; weil es sich bei dem Falken um ein Emblem der Familien handelt; die ihren Namen vom „Strozziere“ (Falkner) herleitet.12 Die prominente Position und die bedeutungsvolle Frontalansicht liefern Argumente; im Mann mit dem roten Turban den Auftraggeber Palla Strozzi zu sehen. Demzufolge wäre in der offenbar älteren Figur rechts daneben sein Vater Onofrio Strozzi zu erkennen. Das jugendliche Alter wiederum lässt für den Turbanträger Lorenzo Strozzi als Identifikation plausibler erscheinen; eine Zuweisung; die in den jüngsten Arbeiten den größten Zuspruch erhält.

Wenn nun der Falke als Identifikationshinweis für die Strozzi gilt; so kann auch dem Affen; der sich oberhalb des Mannes mit rotem Turban auf einem Kamel (nicht Pferd) tummelt; dieser Hinweischarakter zugebilligt werden – dies umso mehr; als der Affe ja direkt mit seiner Kette auf den roten Turban zu deuten scheint. Da der Zusammenhang von Affe und Künstler (Künstler wurden als Nachäffer der Natur verstanden) dem zeitgenössischen Publikum in Florenz vertraut war; könnte im Affen ein gelehrter Hinweis auf ein Künstler(selbst)porträt angelegt sein.13 Davisson sieht in den dargestellten Tieren einen theologischen Hinweis auf die Sterblichkeit der dargestellten Personen.14 Dies würde die Porträts in den Kontext der liturgischen Memoria stellen. Natürlich können Falke und Affe zusammen mit den Kamelen und Leoparden auch nur als Beiwerk gesehen werden; welches die Exotik und Pracht des Zuges illustrieren soll; um den höfischen Ambitionen des Auftraggebers zu entsprechen.15

Auch die Kleidung kann als Bedeutungsträger wirken. Die dargestellten Kostüme spiegeln großteils die zeitgenössische Florentiner Mode wider16 und stellen offensichtlich einen Bezug zum zeitgenössischen Umfeld dar. Daneben verweisen vereinzelte Reminiszenzen; wie die pseudo-kufischen Inschriften17 oder extravagante Kopfbedeckungen und Turbane; auf den Orient. Der blau-goldene Turban des Falkenträgers stellt eine enge Verbindung zu Palla Strozzi dar; der diese Farben bei Reiterspielen trug. Die Pracht seines blau-roten Brokatgewandes und die scharlachroten Strümpfe setzen ihn ebenfalls in einen explizit adelig-höfischen Kontext und stellt ihn rangmäßig über die herausblickende Figur links von ihm. Deren schwarzes, talarartiges Gewand kann mit Künstlern und Gelehrten in Verbindung gebracht werden. Die auffallende rote Kopfbedeckung lässt die heutige BetrachterIn zudem unwillkürlich an Jan van Eycks Selbstporträt denken.

Eine Zuweisung als Künstlerselbstporträt wird in der Forschung vor allem mit dem Hinweis auf das scheinbar zu jugendliche Alter der herausblickenden Figur abgetan.18 Sicherlich wirkt der bartlose; leicht füllige Mann jünger als der bärtige Falkenträger rechts daneben; dennoch wurde auch er schon mit Palla Strozzi identifiziert; dessen Alter in etwa dem Gentiles entspricht.19 Benedetti sieht in ihm eindeutig das Porträt eines reifen Künstlers in Vergleich zu seinem jugendlichen Selbstporträt auf einer nicht eruierbaren Tafel; „in questa [tavola] v'è Gentile di volto più giovane; che nell'altra di Firenze“20. Eine Identifizierung mit dem achtzehnjährigen Lorenzo Strozzi scheint also nicht zwingend plausibler; zumal dieser auch die große Bedeutung des Blicks und der prominenten Stellung dagegenspricht. Die Alterszuweisung ist in allen Fällen schlichtweg zu subjektiv; als dass sie als stichhaltiges Argument für eine konkrete Identifikation dienen könnte.

Resümierend kann festgestellt werden; dass bei allen Differenzen in der Zuweisung der Porträt-Charakter der aus dem Bild blickenden Figur und auch der Figur daneben allgemein anerkannt wird. Somit haben wir in der Pala Strozzi ein frühes; wenn nicht gar das früheste Beispiel eines Assistenzporträts in der Ikonografie der Heiligen Drei Könige und somit den Eintritt in eine lange Reihe von Repräsentationsgemälden mit dem Bildthema der Anbetung.21

Viele Argumente lassen schließlich die Interpretation als Selbstbildnis des Künstlers als die schlüssigste erscheinen. Es sind dies vor allem der Blick aus dem Gemälde zur BetrachterIn; die Intensität dieses Blickes und die prominente Positionierung der Figur. Der Affe als Hinweis auf den Nachäffer der Natur würden Gentile dazu noch als reflektierenden Maler zeigen; der sich im Gemälde bewusst inszeniert. Wenn wir nun einen Blick über den Rahmen des Anbetungsbildes werfen und uns den ganzen Altar vergegenwärtigen; kann eventuell noch ein anderer Bezug ins Kalkül gezogen werden. Es gibt nämlich noch eine zweite Figur auf dem Altar; die die BetrachterIn frontal anblickt und die bisher nicht berücksichtigt wurde: Christus als Weltenrichter im zentralen Gesprenge darüber. Inwieweit Gentile sich parallel dazu als zweiten Schöpfer inszeniert; indem er sein frontales Selbstporträt in die Nähe der von Christus dominierten Mittelachse rückt; sei dahingestellt. Dieser Gedanke bietet aber einen Ansatz zu weiterer Diskussion.

Verweise

  1. Zu den aktuellsten Publikationen zum Altarwerk vgl. Alessandro Cecchi 2005; Laureati 2006; Marchi/Laureati/Mochi Onori 2006.↩︎

  2. Micheletti 1963, 22.↩︎

  3. Panczenko 1983, 27–75.↩︎

  4. Campbell 1990, 51f.↩︎

  5. Chastel 1984, 74.↩︎

  6. Rossi 2012, 33f.↩︎

  7. Siede 1999, 29.↩︎

  8. Micheletti 1976, 90.↩︎

  9. Mâle 1910, 267.↩︎

  10. Siede 1999, 29.↩︎

  11. Schaeffer 1904, 79.↩︎

  12. Nagele 2013, 69.↩︎

  13. Prinz 2000, 650f.↩︎

  14. Davisson 1975, 324.↩︎

  15. Prinz 2000, 650f.↩︎

  16. Schaeffer 1904, 79.↩︎

  17. Boskovits 2003, 291 (Anm. 16); Marle van 1927, 27. Van Marle sieht in der Verwendung arabischer Lettern keinen Orientalismus.↩︎

  18. U.a. Marcelli 2005, 152.↩︎

  19. Davisson 1975, 72f (Anm. 56).↩︎

  20. Benedetti gia Montevecchio 1830, 14.↩︎

  21. Hiery 2012, 50; Schaeffer 1904, 79.↩︎

Literatur

Alessandro Cecchi (Hg.): Gentile da Fabriano agli Uffizi, Mailand 2005.
Benedetti gia Montevecchio, Pompeo: Delle Opere di Maestro Gentile da Fabriano. Memorie pittoriche, Pesaro 1830.
Bollati, Milvia: Catalogo completo delle opere autografe di Gentile da Fabriano, in: Marchi, Andrea de/Laureati, Laura/Mochi Onori, Laurenza (Hg.): Gentile da Fabriano. Studi e ricerche (Ergänzungsband zum Ausstellungskatalog, Fabriano, 21.4.–23.7.2006), Mailand 2006, 156–167.
Boskovits, Miklós: Gentile da Fabriano c. 1370–1427, in: Boskovits, Miklós/Brown, David Alan (Hg.): Italian Paintings of the Fifteenth Century (Collections of the National Gallery of Art: Systematic catalogue), New York 2003, 287.
Campbell, Lorne: Renaissance Portraits. European Portrait-Painting in the 14th, 15th and 16th Centuries, New Haven u. a. 1990.
Cardini, Franco: Die Heiligen Drei Könige im Palazzo Medici, in: Cardini, Franco (Hg.): Die Heiligen Drei Könige im Palazzo Medici, Florenz 2004, 13–59.
Chastel, André: Chronik der italienischen Renaissancemalerei. 1280–1580, Würzburg 1984.
Christiansen, Keith: Gentile da Fabriano, Ithaca 1982.
Davisson, Darrell D.: The Iconology of the S. Trinita Sacristy, 1418–1435. A Study of the Private and Public Functions of Religious Art in the Early Quattrocento, in: Art Bulletin, 57. Jg. 1975, H. 3, 315–334.
Gigante, Elisabetta: Autoportraits en marge. Images de l'auteur dans la peinture de la Renaissance (Thèse de Doctorat, École des Hautes Études en Sciences Sociales), Paris 2010.
Hiery, Katharina: Bildergeschichten lesen. Überlegungen zur Darstellung von Zeit und Bilderzählung anhand Benozzo Gozzolis Freskenzyklus der Heiligen Drei Könige im Palazzo Medici-Riccardi, in: Helikon. A Multidisciplinary Online Journal 2012, H. 2, 9–55.
Hille, Christiane: Training the Eye. The Advent of the Beholder Into Sandro Botticelli's Adorazioni, in: Fricke, Beate/Krass, Urte (Hg.): The Public in the Picture. Involving the Beholder in Antique, Islamic, Byzantine and Western Medieval and Renaissance Art (Bilder-Diskurs), Zurich 2015, 267–285.
Laureati, Laura (Hg.): Gentile da Fabriano and the Other Renaissance (Ausstellungskatalog Spedale di Santa Maria del Buon Gesù, Fabriano, 21.4.–23.7.2006), Mailand 2006.
Marcelli, Fabio: Gentile da Fabriano, Mailand 2005.
Marchi, Andrea de/Laureati, Laura/Mochi Onori, Laurenza (Hg.): Gentile da Fabriano. Studi e ricerche (Ergänzungsband zum Ausstellungskatalog Spedale di Santa Maria del Buon Gesù, Fabriano, 21.4.–23.7.2006), Mailand 2006.
Marchi, Andrea de: Gentile da Fabriano. Un viaggio nella pittura italiana alla fine del gotico, Mailand 1992.
Marle van, Raimond: Gentile, Pisanello and Late Gothic Painting in Central and South Italy (The Development of the Italian Schools of Painting, 8), Den Haag 1927.
Micheletti, Emma (Hg.): L'opera completa di Gentile da Fabriano (Classici dell'arte, 86), Mailand 1976.
Micheletti, Emma: L' adorazione dei magi di Gentile da Fabriano (Elzeviri della pittura), Mailand 1963.
Mâle, Emile: Les rois Mages et le drame liturgique, in: Gazette des Beaux-Arts, 4. Jg. 1910, H. 4, 261–270.
Nagele, Sophie Theresa: Die Familie Strozzi als Auftraggeber und Bauherren des Palazzo Strozzi und der Cappella Strozzi in Santa Maria Novella in Florenz (Diplomarbeit, Karl-Franzens-Universität Graz), Graz 2013.
Panczenko, Russell: Cultura Umanistica di Gentile da Fabriano, in: Artibus et Historiae, 4. Jg. 1983, H. 8, 27–75.
Prinz, Wolfram: Die Tiere, in: Prinz, Wolfram (Hg.): Die Storia oder die Kunst des Erzählens in der italienischen Malerei und Plastik des späten Mittelalters und der Frührenaissance 1260–1460. Textband, Mainz 2000, 641–655.
Prinz, Wolfram: Vasaris Sammlung von Künstlerbildnissen. Mit einem kritischen Verzeichnis der 144 Vitenbildnisse in der zweiten Ausgabe der Lebensbeschreibungen von 1568, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 12. Jg. 1966, Beiheft, 1, 3–158.
Rossi, Sergio: I pittori fiorentini del Quattrocento e le loro botteghe. Da Lorenzo Monaco a Paolo Uccello, Todi 2012.
Schaeffer, Emil: Das Florentiner Bildnis, München 1904.
Schweikhart, Gunter: Das Selbstbildnis im 15. Jahrhundert, in: Poeschke, Joachim/Ames-Lewis, Francis (Hg.): Italienische Frührenaissance und nordeuropäisches Spätmittelalter. Kunst der frühen Neuzeit im europäischen Zusammenhang (Italienische Frührenaissance und nordeuropäisches Mittelalter), München 1993, 11–40.
Siede, Irmgard: „Pferde von hinten“ in der New Yorker Doppeltafel. Eine unberücksichtigte Pathosformel und die Rolle Italiens bei ihrer Verbreitung, in: Pantheon, 57. Jg. 1999, 22–32.
Strehlke, Carl Brandon: Palla di Nofri Strozzi, „Kavaliere“ e mecenate, in: Alessandro Cecchi (Hg.): Gentile da Fabriano agli Uffizi, Mailand 2005, 41–58.
Vasari, Giorgio/Posselt, Christina/Lorini, Victoria (1568): Das Leben der Maler Gentile da Fabriano und Vittore Pisanello aus Verona. Vita di Gentile da Fabriano e di Vittore Pisanello Veronese. Pittori (1568), in: Posselt, Christina (Hg.): Das Leben des Masolino, des Masaccio, des Gentile da Fabriano und des Pisanello (Edition Giorgio Vasari, 33), Berlin 2011, 53–64.
Walter, Ingeborg: Die Strozzi. Eine Familie im Florenz der Renaissance, München 2011.

Zitiervorschlag: