Folter des Judas

Francesca, Piero della

1454 bis 1458

Italien; Arezzo; Basilica di San Francesco

Objekt

Bildrechte
Detailtitel:Folter des Judas (Teil von: Kreuzzyklus)
Alternativtitel Deutsch:Folter des Juden; Folterung des Juden namens Judas
Titel in Originalsprache:Tortura dell’ebreo Giuda; Il Supplizio dell‘Ebreo
Titel in Englisch:The Torture of Judas; The Raising of Judas
Datierung: 1454 bis 1458
Ursprungsregion:italienischer Raum
Lokalisierung:Italien; Arezzo; Basilica di San Francesco
Lokalisierung (Detail):Hauptchorkapelle; Stirnwand; linkes oberes Bildfeld
Medium:Wandbild
Material:Fresko
Bildträger:Wand
Ikonografische Bezeichnung:Folter des Juden Judas
Ikonografie Anmerkungen:seltene Nebenszene im Zusammenhang mit der Kreuzlegende
Iconclass:11D41161 – Judas, a Jew, put into a well by Helena, mother of Constantine ~ legend of the True Cross
Signatur Wortlaut:ohne
Datierung Wortlaut:ohne
Inschriften:

Prudentius; auf einem Zettel an der Kopfbedeckung der Figur am linken Bildrand; klüger oder Eigenname

Auftraggeber/Stifter:Francesco Bacci (Angehöriger einer Gewürzhändlerfamilie)
Provenienz:in situ
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Zum Auftraggeber.1

Verweise

  1. Bertelli 1992, 186.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:erste von Figur von rechts
Ausführung Körper:Ganzfigur stehend
Ausführung Kopf:Dreiviertelporträt
Ikonografischer Kontext:Figur in Gestalt eines Amtsträgers bei einer Handlung, einer der Protagonisten der Szene
Blick/Mimik:kommunizierender Blick in Richtung des Gefolterten
Gesten:rechte Hand packt den Gefolterten am Haarschopf; die linke Hand stützt sich auf einen Stock.
Körperhaltung:stehend, leicht nach vorne gebeugt
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:Die Figur steht am hinteren Rand der Bildbühne und schließt die Gruppe der Akteure nach rechts hin ab. Sie steht frei, ihre Beine sind aufgrund von Schäden am Gemälde nicht vollständig sichtbar, der linke Fuß berührt die Stufe des Ziehbrunnens. Die Figur überschneidet den schrägen Balken einer Krankonstruktion. Durch ihre leicht gebeugte Haltung folgt die Figur der schrägen Linie des Balkens, die von rechts unten zur oberen Bildmitte führt. Die Figur bildet mit dem Gefolterten eine Zweiergruppe; der Figur zugeordnet sind zwei weitere Handlungsträger am linken Bildrand, welche den gefolterten Judas mittels eines Krans aus dem Brunnen ziehen. Die Figur trägt als einzige im Bild eine Kopfbedeckung. Die Neigung des Kopfes wird durch den Holzbalken direkt dahinter betont. Die Figur ist Großteils von der monochromen roten Mauer hinterfangen.
Formale Besonderheiten:ein Schriftzug auf einem Zettel an seiner Kopfbedeckung
Attribute:Stab mit Spiralmuster
Kleidung:Kleidung eines Beamten
Zugeordnete Bildprotagonisten:vorrangig der Gefolterte, prinzipiell alle Figuren im Bild

Zur Figur als kaiserlicher Beamter.1

Verweise

  1. Vayer 1992, 436.↩︎

Forschungsergebnis: Francesca, Piero della

Künstler des Bildnisses:Francesca, Piero della
Status:kontrovers diskutiert
Status Anmerkungen:Identifizierung wird nur von wenigen ForscherInnen übernommen. (Die Beschaffung und Analyse der Literatur zum vorgeschlagenen Selbstbildnis ist derzeit noch nicht abgeschlossen, der Eintrag wird weiterhin ergänzt.)
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Vayer 1992 Vayer 1992 – Il problema degli autoritratti di 439f -
Bejahend Beck 2003 Beck 2003 – Piero della Francesca at San 69 -
Bejahend Fornasari 2008 Fornasari 2008 – Il racconto della Historia Salutis 134f -
Skeptisch/verneinend Angelini 2014 Angelini 2014 – Piero della Francesca 175 -

1992 identifiziert Vayer den kaiserlichen Beamten als Selbstporträt des Künstlers. Für ihn stellt diese Figur das einzige erhaltene Selbstporträt des Künstlers dar: „l’unico suo autoritratto che si sia conservato, e che gli esperti hanno invano cercato per tanto tempo“.1 Er beruft sich zum einen auf die Ähnlichkeit zum Vitenbildnis Vasaris, welches er auf die Tafel der Familie Franceschi-Marini zurückführt und als authentisch erachtet. Er erkennt im Holzschnitt der Vasari-Ausgabe Schraffuren, die auf eine blonde Haarfarbe des Porträtierten schließen lassen sollen. Zum anderen argumentiert er mit dem Schriftzug „prudentius“ auf der Kappe des Beamten, in der er eine Anspielung auf den spätrömischen Dichter und Gelehrten Aurelius Prudentius Clemens und dessen weitverbreitetes Werk der Psychomachia erkennt. Dadurch solle nicht nur die humanistische Bildung des Künstlers thematisiert werden, es sei auch ein Hinweis auf das Programm des Zyklus als Kampf zwischen Tugend und Laster.2 Die geometrischen Formen des Gemäldes interpretiert Vayer als bewusste Anspielungen: Die Spirale des Stabes etwa deute auf Archimedes, die aus Dreiecken zusammengesetzte Form des Krans auf Euklid, konkret auf einen Tetraeder, also auf einen der platonischen Körper aus dem „Libellus de quinque corporibus regularibus“.3 Die idealisierten Züge sollen den Künstler als Ideal-Typ eines Intellektuellen charakterisieren.4

2003 übernimmt Beck die Identifizierung Vayers. Auch er konstatiert eine große Ähnlichkeit zum Vasari-Bildnis: „He looks remarkably like Vasari's portrait of Piero published in the Vite […].“5 Zudem thematisiert er die Schwierigkeiten bei Identifizierungen von Porträts des 15. Jahrhunderts und relativiert die Zuweisung als bloßen Vorschlag.6

2007 erwähnt Fornasari zwei Selbstporträts im Kreuzzyklus, eines bei der Begegnung der Königin von Saba mit König Salomon und eines bei der Folter des Judas. Für die letzte Zuweisung führt er als Quelle Vayer an.7

2014 schreibt Angelini die Ausführung des Gemäldes Die Folter des Judas dem ersten Mitarbeiter Pieros, Giovanni di Piamonte, zu. Er erkennt dessen typische Malweise beim Übertragen der Vorlagen. Angelini gibt keinen Hinweis auf ein Porträt des Künstlers.8

Verweise

  1. Vayer 1992, 440.↩︎

  2. Ebd., 438.↩︎

  3. Ebd., 440f.↩︎

  4. Ebd., 442.↩︎

  5. Beck 2003, 69.↩︎

  6. Ebd., 80 (Anm. 17).↩︎

  7. Fornasari 2008, 134f (Anm. 27).↩︎

  8. Angelini 2014, 175–180.↩︎

Eine gelehrte Konstruktion für einen gelehrten Maler

Wie für viele andere ForscherInnen ist eine proklamierte Ähnlichkeit zum Viten-Bild Vasaris auch für Vayers der Ausgangspunkt seiner Argumentation. Während die grundlegenden Ähnlichkeiten wie rundliches Gesicht, große Augen oder lockiges Haar plausibel erscheinen, kann die Erklärung der hellen Haarfarbe eher schwer nachvollzogen werden. Die auffallende Inschrift auf dem cartellino der Kopfbedeckung verleiht der Figur ungeachtet der Interpretation einen symbolischen Wert. Die Lesart als Prudentius und der Hinweis auf die humanistische Gelehrsamkeit des Malers ergeben sich aber nicht zwingend daraus. Die geometrischen Formen wie Spirale und Tetraeder mögen den Mathematiker Piero fasziniert haben und eine Anspielung auf die antiken Theoretiker Archimedes und Euklid kann durchaus intendiert sein – einen Beweis für ein Selbstporträt liefern sie nicht. Spätestens seit der Zuschreibung der Fresken an Giovanni di Piamonte, der die Vorlagen Piero della Francescas übertragen hat, wird die These des Selbstporträts in der Folter des Judas entkräftet. Sollte Piero della Francesca dargestellt sein, so handelt es sich um ein Porträt des Meisters von der Hand di Piamontes.

Literatur

Angelini, Alessandro: Piero della Francesca, Mailand 2014.
Beck, James: Piero della Francesca at San Francesco in Arezzo. An Art-Historical Peregrination, in: Artibus et Historiae, 24. Jg. 2003, H. 47, 51–80.
Bertelli, Carlo: Piero della Francesca. Leben und Werk des Meisters der Frührenaissance, Köln 1992.
Fornasari, Liletta: Il racconto della Historia Salutis del popolo cristiano. La Leggenda della Vera Croce nella cappella maggiore in San Francesco di Arezzo, in: Fornasari, Liletta/Gentilini, Giancarlo/Giannotti, Alessandra (Hg.): Arte in terra d'Arezzo. Il Quattrocento, Florenz 2008, 131–150.
Vayer, Lajos: Il problema degli autoritratti di Piero della Francesca sulla base del ciclo in S. Francesco in Arezzo, in: Ciardi Dupré Dal Poggetto, Maria Grazia (Hg.): Studi di storia dell'arte sul Medioevo e il Rinascimento nel centenario della nascita di Mario Salmi (Tagungsband, Arezzo; Florenz, 16.–19.11.1989), Florenz 1992, 433–447.