Vertreibung von Joachim aus dem Tempel

Ghirlandaio, Domenico

1486 bis 1490

Italien; Florenz; Santa Maria Novella; Cappella Tornabuoni

Objekt

1 / 2
Bildrechte
Titel in Originalsprache:Cacciata di Gioacchino dal Tempio; Espulsione di Gioacchino dal Tempio
Titel in Englisch:The Expulsion of Joachim from the Temple
Datierung: 1486 bis 1490
Ursprungsregion:italienischer Raum
Lokalisierung:Italien; Florenz; Santa Maria Novella; Cappella Tornabuoni
Lokalisierung (Detail):Tornabuoni-Kapelle, Westwand, 1. Register, linkes Bildfeld; Teil der malerischen Gesamtausstattung bestehend aus zwei Themenkreisen (aus dem Leben der hl. Maria; aus dem Leben Johannes des Täufers); Stifterbildnissen; Dominikanerheiligen; Propheten (Gesamtausstattung Wandmalerei unter Beteiligung der Werkstatt)
Medium:Wandbild
Material:Fresko; Secco
Bildträger:Wand
Ikonografische Bezeichnung:Marienleben: Ausweisung Joachims aus dem Tempel
Iconclass:73A2323 – Joachim's sacrifice refused by the priest
Signatur Wortlaut:ohne
Datierung Wortlaut:ohne
Inschriften:

VENIET AD TEMPLVM SANCTVM SVVM DOMINATOR; auf der Frieszone des Gebälks der Tempelarchitektur; Textzeile nach dem Propheten Maleachi (Mal 3,1)

Auftraggeber/Stifter:Giovanni Tornabuoni (Kaufmann, Bankier) mit Francesca di Luca Pitti
Provenienz:in situ
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Zur Kapellenausstattung,1 zur Inschrift2 und zum Auftraggeber.3

Verweise

  1. Roettgen 1997, 178.↩︎

  2. Kecks 2000, 285.↩︎

  3. Roettgen 1997, 164, 178.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:zweite Figur von rechts
Ausführung Körper:Ganzfigur stehend; Kontrapost
Ausführung Kopf:Dreiviertelporträt
Ikonografischer Kontext:Künstlergruppenbild am Rande der sakralen historie der Vertreibung von Joachim aus dem Tempel
Blick/Mimik:direkter Blick aus dem Bild
Gesten:selbstbezeichnende Geste mit der rechten Hand
Körperhaltung:aufrecht; Schulterblick; Triumphellenbogen
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:Interaktion innerhalb der Künstlergruppe (über die ansatzweise gespiegelte Körperhaltung besonders mit der Rückenfigur); parallelisiert mit der Gruppe der Patrizier links (vorrangig mit der äußerst rechten Figur dieser Gruppe, Ähnlichstellung in Blick und Körperhaltung); Übereinstimmungen mit einer Frau im rechten Mittelgrund (Gebärden); an der rechten Bildschwelle positioniert, Ellenbogen von gemaltem Architekturfragment überschnitten, von Werkstattgruppe umgeben; raumgreifende Pose; auffällige Gebärden, einzige Figur, deren beide Hände sichtbar sind; Zäsur innerhalb der Künstlergruppe rechts des Gesichts des Selbstporträts über die Pfeilerarchitektur im Mittelgrund; Künstlergruppe als nahezu geschlossenes Hochrechteck (betont durch den geraden Abschluss nach oben über die horizontal ausgerichteten Köpfe); Viererkonstellation in Bezug stehend zu einer Gruppe von Humanisten im Bildfeld der Verkündigung an Zacharias auf der gegenüberliegenden Kapellenwand; weitere Übereinstimmung von Blick und Kleidung mit einem möglichen Selbstbildnis im Bildfeld der Heimsuchung auf der gegenüberliegenden Kapellenwand; das Selbstbildnis befindet sich im ersten Bildfeld der Gesamtkapellenausstattung
Kleidung:selbe Kleidung wie bei einem möglichen zweiten Selbstbildnis in der Kapelle im Bildfeld der Heimsuchung
Zugeordnete Bildprotagonisten:Künstlergruppe am rechten Bildrand, von links nach rechts: Davide Ghirlandaio, Alessio Baldovinetti, Domenico Ghirlandaio, Bastiano Mainardi, identifiziert von Vasari; die Figur des alten Mannes abweichend identifiziert als Tommaso Bighordi von Benedetto Landucci; die äußerste rechte Figur abweichend vorgeschlagen als Benedetto Ghirlandaio von Cadogan; zudem die kommunizierende Gruppe der Patrizier aus der Familie der Tornabuoni am linken Bildrand: vierte Figur von links: Lorenzo Tornabuoni, identifiziert von Ridolfi; unterschiedliche Vorschläge für die restlichen Figuren

Zu Identifizierungsvorschlägen für die Künstlergruppe vgl.: zur Identifizierung als Davide Ghirlandaio, Alessio Baldovinetti, Domenico Ghirlandaio und Bastiano Mainardi;1 zu abweichenden Identifizierungen: zu Tommaso Bighordi2 Benedetto Ghirlandaio.3 Zu Identifizierungen für die Figurengruppe links im Bild: zu Lorenzo Tornabuoni4 und zu weiteren Vorschlägen.5

Verweise

  1. Vasari (hg. von Schorn/Förster 2010), 255.↩︎

  2. Zur Landucci-Liste (Provenienz und Inhalt) vgl. bes. Schmid 2002, 78–81.↩︎

  3. Cadogan 2000, 242.↩︎

  4. Ridolfi 1890, 5.↩︎

  5. Zur Forschungsgeschichte der Zuweisungen und weiteren Identifizierungen vgl. u. a. Anrep-Bjurling 1980, 281f, 290; Cadogan 2000, 242; Kecks 2000, 286f; Merseburger 2016, 115; Simons 1985, 289–291.↩︎

Forschungsergebnis: Ghirlandaio, Domenico

Künstler des Bildnisses:Ghirlandaio, Domenico
Status:weitgehend anerkannt
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Vasari 1550 Vasari 2010 – Leben der berühmtesten Maler 255 -
Bejahend Billi 1892 Billi 1892 – Il Libro di Antonio Billi 58 -
Bejahend Cavalcaselle/Crowe 1896 Cavalcaselle, Crowe 1896 – Storia della pittura in Italia 328 -
Bejahend Steinmann 1897 Steinmann 1897 – Ghirlandajo 56, 59 -
Bejahend Davies 1908 Davies 1908 – Ghirlandaio 108–110 -
Bejahend Benkard 1927 Benkard 1927 – Das Selbstbildnis vom 15 XVf -
Bejahend Marle 1931 Marle 1931 – The Renaissance Painters of Florence 68 -
Bejahend Lauts 1943 Lauts 1943 – Domenico Ghirlandajo 31 -
Bejahend Prinz 1966 Prinz 1966 – Vasaris Sammlung von Künstlerbildnissen 99 -
Bejahend Hatfield 1976 Hatfield 1976 – Botticelli's Uffizi Adoration 100 -
Bejahend Sleptzoff 1978 Sleptzoff 1978 – Men or Supermen 68–71, 87, 115–118, 133 -
Bejahend Anrep-Bjurling 1980 Anrep-Bjurling 1980 – Domenico Ghirlandaio's Portraits 282, 290 -
Bejahend Borsook/Offerhaus 1981 Borsook, Offerhaus 1981 – Francesco Sassetti and Ghirlandaio 41 -
Bejahend Simons 1985 Simons 1985 – Portraiture and Patronage in Quattrocento 291–294 -
Bejahend Simons 1987 Simons 1987 – Patronage in the Tornaquinci Chapel 242 -
Bejahend Micheletti 1990 Micheletti 1990 – Domenico Ghirlandaio 43 -
Bejahend Roettgen 1997 Roettgen 1997 – Wandmalerei der Frührenaissance in Italien 177 -
Bejahend Marchand 1998 Marchand 1998 – The Representation of Citizens 119, 123f -
Bejahend Marschke 1998 Marschke 1998 – Künstlerbildnisse und Selbstporträts 90 -
Bejahend Paolucci 1998 Paolucci (Hg.) 1998 – Cappelle del rinascimento a Firenze 96f -
Bejahend Roesler-Friedenthal 1998 Roesler-Friedenthal 1998 – Das Porträt des Künstlers 198 -
Bejahend Woods-Marsden 1998 Woods-Marsden 1998 – Renaissance Self-Portraiture 60–62 -
Bejahend Roesler 1999 Roesler 1999 – Selbstbildnis und Künstlerbild 44–59, 52–56, 69f, 173–175 -
Bejahend Ames-Lewis 2000 Ames-Lewis 2000 – The Intellectual Life 239f -
Bejahend Brown 2000 Brown 2000 – The Painter's Reflection 118 -
Bejahend Cadogan 2000 Cadogan 2000 – Domenico Ghirlandaio 13f, 90, 242 -
Bejahend Kecks 2000 Kecks 2000 – Domenico Ghirlandaio und die Malerei 287 -
Bejahend Schmid 2002 Schmid 2002 – Et pro remedio animae et 78–81, 113–117 -
Bejahend Delbé 2003 Delbé 2013 – Künstlerselbstdarstellungen in der italienischen Renaissance o. S. -
Bejahend Horky 2003 Horký 2003 – Der Künstler ist im Bild 106f, 113, 145 -
Bejahend Kuhn 2005 Kuhn 2005 – Erfindung und Komposition 413 -
Bejahend Rejaie 2006 Rejaie 2006 – Defining Artistic Identity 148–151, 171, 179–185 -
Bejahend Gigante 2010 Gigante 2010 – Autoportraits en marge 331f -
Bejahend Dombrowski 2013 Dombrowski 2013 – Imagination und Invention 74, 83 -
Bejahend Cadogan 2014 Cadogan 2014 – An Huomo di Chonto 39f -
Bejahend Merseburger 2016 Merseburger 2016 – Gemalte Gewandung im Florentiner Quattrocento 115, 118f, 122–128, 138f -
Bejahend DePrano 2017 DePrano 2017 – Art Patronage 112–114 -
Bejahend Kecks 2021 Kecks 2021 – Ghirlandaio o. S. -

„In diesem Bilde sind gegen das Fenster zu vier männliche Gestalten nach dem Leben abgebildet; der eine, alt schon, mit geschorenem Bart und einer roten Kapuze, ist Alessio Baldovinetti, von welchem Domenico Unterricht in der Malerei und im Mosaik empfing, der zweite mit unbedecktem Haupt, eine Hand in die Seite gestützt, einen roten Mantel und ein blaues Untergewand tragend, ist Domenico, der Meister des Werkes selbst, der sich nach dem Spiegelbild zeichnete. Der dritte, mit langem schwarzem Haupthaar und dicken Lippen, stellt Bastiano von S. Gimignano dar, Domenicos Schüler und Schwager; der letzte, der den Rücken zuwendet und ein Barett auf dem Haupt hat, ist der Maler Davide Ghirlandaio, Domenicos Bruder, und diese werden von jedem, der sie gekannt hat, als sehr ähnlich gerühmt.“1

Seit den Ausführungen Vasaris ist das Selbstbildnis Ghirlandaios aus der Tornabuoni-Kapelle, das er mit leichten Abwandlungen auch als Vitenbild des Malers verwendete,2 von der Forschung allgemein anerkannt und extensiv besprochen. Der frühe Kunsthistoriker löste eine lebhafte Diskussion zu den begleitenden Personen aus, die teils bis heute andauert: Das Bildnis Baldovinettis wurde schon früh angezweifelt, denn seit einer 1506 verfassten und mittlerweile verschollenen Handschrift von Benedetto Landucci3 wird es auch als eine Darstellung von Domenicos Vater Tommaso Bigordi diskutiert.4 Auch bei den Identifizierungen der Werkstattmitglieder herrscht Uneinigkeit. Cadogan schlägt für die äußerst rechte Figur eine Identifizierung mit Domenicos jüngerem Bruder Benedetto Ghirlandaio vor,5 was DePrano ebenfalls möglich erscheint.6 Roettgen zweifelt mit Ausnahme der Identifizierung von Domenico alle Vorschläge an.7

Abhängig von den favorisierten Identifizierungen wird die Vierergruppe als Künstlergruppenporträt oder Familienporträt angesehen. Die zweite These wird argumentativ durch die Signatur BIGHORDI GRILLANDAI (Familien- und Berufsname in der Mehrzahl) im Bildfeld der Mariengeburt gestützt.8

Neben frühen Beschreibungen9 fokussieren inhaltlich differenzierende Forschungsmeinungen teils ineinandergreifend auf formale Darstellungsmechanismen, die im Vergleich mit weiteren Selbstporträts des Künstlers als Erkennungsmerkmale dienen;10 auf Überlegungen zur Persönlichkeit und den Fähigkeiten des Künstlers, die vorzugsweise aus Analysen von dessen Körperhaltung resultieren; auf soziale Indikationen, die insbesondere im Zusammenhang mit der parallelisierten Gruppe auf der linken Seite rund um Lorenzo Tornabuoni, dem Sohn des Stifters, relevant erscheinen; sowie auf Wettbewerbsstrategien, die ihre Basis sowohl im Zusammenspiel der Künstlergruppe als auch im Vergleich mit Sandro Botticelli finden. Kritische Stimmen weisen auf Unstimmigkeiten hin, die sich aus dem Gebrauch von Assistenzporträts in sakralen Bildfeldern ableiten lassen.11 In seltenen Fällen wird dem Selbstbildnis ein humanistischer Bedeutungsgehalt zugesprochen. Die wesentlichsten Forschungsmeinungen sind in der Folge angegeben.

Vorschläge zur Persönlichkeit des Künstlers unterbreitet Steinmann (1897), indem er den Ehrenplatz, den Ghirlandaio über seine Stellung einnimmt, betont und die Figur als „Genius“ von „ernstem Wollen und tüchtigem Vollbringen“ mit der Ausstrahlung begründeten Selbstbewusstseins beschreibt.12 Lauts (1943) überträgt die psychologische Komponente auf die ganze Figurengruppe, die für ihn Ausdruck von Wert und Respekt ist und erkennt in der Figur des Davide „lebenskluge Tatkraft“, in der des Domenico „zartere Veranlagung“.13

Benkard (1927) erachtet die zeitgenössische Aktualisierung über die Assistenzporträts in Ghirlandaios Fresken in Santa Maria Novella als wesentlich und betitelt die Wandmalereien als „zeremonielle Genrestücke“, welche die historisch überlieferte Huldigung des sakralen Geschehens hintanstellen. Der Autor betont zudem, dass die Gegenüberstellung der Familien Bighordi und Tornabuoni ein von kompositorischen und geometrischen Überlegungen motiviertes Konzept darstelle, räumt jedoch ein, dass es sich ebenso um einen Ausdruck von zeitgemäßem Persönlichkeitsbewusstsein handeln könne. Daneben weist er auf die unterschiedlichen sozialen Parameter der beiden Figurengruppen hin: Während Patrizierfamilien ihren Status kontinuierlich über Fortpflanzung erhalten, werde das künstlerische Talent des Malers verschwinden – das Selbstbildnis würde demnach nach dem Ableben Ghirlandaios zu einem der Komposition geschuldeten Inhalt reduziert.14

Sleptzoff (1978) analysiert Porträts in religiösen Themen und stellt fest, dass diese als „pretext“ für Bildnisse wichtiger Bürger dienen. Porträts gehören als vom Geschehen isolierte Sujets der Ebene der BetrachterIn an und treten als bezeugende Vermittler auf. Der Vorwurf fehlender Devotion könne nicht gemacht werden, da der religiöse Charakter der Fresken nicht beeinträchtigt werde.15 Sleptzoff stuft Ghirlandaio als führenden und heroisierenden Porträtisten von Humanisten in religiösen Szenen ein.16 Die Gemeinschaft der Künstlerporträts in der Tornabuoni-Kapelle beschreibt die Autorin als ein bewusst arrangiertes Gruppenporträt, das man in ein querformatiges Bildnis transferieren könnte. Ghirlandaios kompositionelle Anlage der vier Maler verdeutliche Kohärenz innerhalb der Werkstatt und der Familie, die Gruppierung (Domenico neben dem Vater) impliziere Respekt und betone den Kontrast zwischen ehrwürdigem Alter sowie voller Reife und erinnere an moralische und soziale Ansprüche der zeitaktuellen humanistischen Rhetorik. Als beglaubigende Akteure von der Hauptszene isoliert, daneben über Bewegungsmuster an die Handlung angeschlossen, sind alle Bildnisse von individuellem Charakter.17 Das Porträt Domenico Ghirlandaios vereine nach Sleptzoff Sandro Botticellis und Filippino Lippis idealisierende Arbeitsweise mit Peruginos kontemplativen Tendenzen.18 Zudem hebt die Autorin die soziale Wirkkraft der Bildnisse hervor: Im Zusammenhang mit der Porträtgruppe um Lorenzo Tornabuoni schwinge die Möglichkeit eines Aufstiegs Ghirlandaios in humanistische Kreise mit.19 Nach Sleptzoff betone der Meister über die Selbstporträtgruppe seine zunehmende Bedeutung, zudem weise er auf die über den Darstellungsmodus versinnbildlichte Hierarchie der Maler hin. Seine Figur, prominent, zentral angeordnet, im Vergleich kaum überschnitten und damit weitgehend einsichtig, ist deutlich hervorgehoben.20

Simons (1985/87) verweist auf Ghirlandaios visuelles Bewusstsein, das ihn befähige, religiöse Sensibilität und familiäres Gedenken allgemeinverständlich auszudrücken. Eine formale Analyse Ghirlandaios Figur mit Fokus auf raumbildende Eigenschaften – die Weiterführung des Bildraums Richtung BetrachterInnenraum über den angewinkelten Ellenbogen – versteht die Autorin als Untermauerung der in der Zeit gültigen Einschätzung seiner Person als zügig und intensiv arbeitenden Maler.21 Besonderes Augenmerk wirft Simons auf die Analyse der Künstlergruppe als physiognomische Signatur – äquivalent zur bereits o. a. Inschrift im angrenzenden Fresko im Plural.22 Zudem bringt die Autorin sowohl Kleidung und BetrachterInnenansprache über Haltung, Blick und ausladende Geste des Selbstporträts als auch die Formulierung im Gruppenverband in Zusammenhang mit der Figur des jungen Tornabuoni. Sie vergleicht das Zusammenspiel der beiden Hände mit den Gebärden der opferbringenden Frau im rechten Hintergrund des Malers und macht seine bildnerische Arbeit als Gabe von künstlerischen Fähigkeiten begreifbar.23 Simons betont Funktionen der devotio und sakralen memoria ebenso wie Zeugenschaft.24 Wesentlich erscheint ihr zudem Domenicos subjektive Aussage, nicht zuletzt ausgedrückt durch die mittels der Fresken verfestigte Beziehung zu seinem Schutzpatron25 in der Hauptkirche der Dominikaner in Florenz.26 Über weiterführende formale Vergleiche mit dem früheren Selbstbildnis in der Erweckung des Knaben in der Sassetti-Kapelle macht Simons Ghirlandaios Entwicklung deutlich.27

Micheletti (1990) versteht die Darstellung der Künstlerporträts als gemalte Chronik.28

Marchand (1998) beschreibt Ghirlandaios Selbstbildnisse im Rahmen seiner Analyse der Assistenzporträts als Abgeordnete in eigener Sache mit künstlerischer, religiöser und sozialer Gültigkeit.29

Woods-Marsden (1998) betont den offensichtlichen Führungsanspruch Ghirlandaios, der sich aus der Übereinstimmung mit den Porträts der Stifterfamilie und auch aus seiner „aggressiven“ Körperhaltung ergebe. Zudem legt die Autorin den Fokus auf das Arrangement des Gruppenbildnisses, das ihr über die bewusste Organisation der Köpfe auf derselben Höhe als harmonisches Ganzes erscheint. Dies stellt sie weiterführend mit der Signatur in der Mariengeburt gleich und hebt es unter Bezugnahme auf Vasaris Ausführungen als Beleg der vertrauensvollen Freundschaft zwischen Stifter und Maler hervor.30 Nach Verweisen auf zeitnahe Kombinationen von Stifter- und Künstlerbildern (etwa bei Filarete oder Fra Filippo Lippi) stellt die Autorin fest, dass es keine vergleichbare Inszenierung im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts gebe.31

Marschke (1998) interpretiert das Gruppenbildnis und insbesondere das Porträt Domenicos als Ausdruck von Kontinuität und Erfolg; es ziele auf eine generelle „Künstler-Huldigung“.32

Roesler-Friedenthal (1998) unterstreicht die Bedeutung des Gruppenbildnisses mit Selbstporträt als Vorbild für El Grecos Vertreibung der Wechsler aus dem Tempel.33

Besonders intensive Beschäftigung und weitreichende Analysen erfahren Ghirlandaios Selbstbildnisse in Roeslers (1999) Dissertation zu Selbstbildnissen und Künstlerbildern in der italienischen Renaissance. Über Vergleiche mit Darstellungen von Selbst- und Assistenzporträts, etwa von Benozzo Gozzoli,34 Analysen des Oeuvres Ghirlandaios und Bezugnahmen zu Darstellungskonzeptionen von Ehrenmalen, etwa von Filippo Brunelleschi35 oder Giotto di Bondone,36 entwickelt die Autorin die Theorie einer „Bildtradition von Selbstbildnissen.“37 Ghirlandaio parallelisiert sie unter Bezugnahmen zu Marcus Fabius Quintilianus mit einem Rhetor: In der Kombination von auf das Herz weisender Geste und über die Schulter geschlagenem Mantel visualisiere der Maler wie kein anderer den von Quintilian im Traktat Institutionis Oratoria38 erörterten Gebrauch von Gebärden des guten antiken Redners und zeige sich analog als guter Künstler, als vir bonus.39 (Mit der Analyse der Gestik Ghirlandaios schloss die Autorin eine Forschungslücke, die sie im Jahr zuvor thematisiert hatte.40) Den intellektuellen Gehalt des Selbstbildnisses untermauert Roesler über die Beobachtung, dass das Selbstbildnis auf die dargestellte Gruppe von vier bedeutenden Humanisten der Zeit im Bildfeld der Verkündigung an Zacharias auf der gegenüberliegenden Wand ausgerichtet ist.41 Die Verbindung von Künstlerporträts und Humanistenbildnissen ist evident, ebenso wie jene von Künstlern und Auftraggebern.42 Die bildhaft gemachten sozialen Gefüge sieht die Autorin im Zusammenklang mit Bühnencharakter und zeitgenössischer Aktualisierung als Zeichen von Ghirlandaios Marketing – seiner Absicht, sich als Stadtmaler vorzustellen.43 In Summe betrachtet sie das Gruppenporträt als ein „Zeugnis über den Aufstieg der Kernfamilie in der frühen Neuzeit.“44

Eine intellektuelle Verknüpfung über die Blickrichtung des Selbstporträts mit den Humanistenporträts in der Verkündigung an Zacharias konstatiert auch Ames-Lewis (2000). Im direkten Vergleich der Figuren stellt der Autor eine Überlegenheit der naturnahen Erfassung der Künstler gegenüber jener der Humanisten fest. Er schlägt daher vor, Ghirlandaio habe Leonardo da Vincis Grundsätze des paragone – die Überlegenheit der Malerei über die Natur – bildhaft umgesetzt, was die wachsende Akzeptanz gegenüber der Malerei spiegle. Ein weiterer Vergleich mit Filaretes Selbstdarstellung als Werkstattmeister am Tor von St. Peter45 fokussiert ebenso auf Ghirlandaios Führungsanspruch, der über die kraftvolle, heroische, raumeinnehmende Selbstinszenierung zeichenhaft deutlich werde.46

Brown (2000) listet in ihrer Aufzählung wesentlicher Florentiner Selbstdarstellungen zwei Beispiele von Ghirlandaio auf: das integrierte Selbstbildnis in der Erweckung eines Knaben und das in der Vertreibung von Joachim aus dem Tempel. Die Autorin betont, dass die Entwicklung des Sujets in Florenz begründet liege und in Zusammenhang mit der wachsenden gesellschaftlichen Anerkennung der Maler stehe. Diese zeigen sich gerne gemeinsam mit bedeutenden Stiftern und setzen ihre Bildnisse als Signaturen oder als Zeichen von devotio ein.47

In der aktuelleren Forschung weist etwa Kecks (2000, 2021) auf die betont selbstbewusste Inszenierung Ghirlandaios hin. Das Auftreten im Reigen führender Persönlichkeiten entspreche nicht nur dem allgemeinen Statusverständnis des Künstlers der Zeit, vielmehr belege es im Fall von Ghirlandaio seine gesellschaftliche Selbstwahrnehmung.48

Besonders deutlich wird dies in den Ausführungen Cadogans (2000). Die Autorin weist auf die mit dem Selbstporträt in der Anbetung der Hirten in der Sassetti-Kapelle vergleichbare selbstbezeichnende Geste der rechten Hand hin, die sie als Verweis auf kreative und malerische Fähigkeiten deutet – als einen symbolischen Hinweis auf Ghirlandaios „gift of artistic skill in the murals“.49 Diese setzt sie mit der materiellen Leistung des Stifters gleich.50 Die auffällige Geste des angewinkelten Arms wird in ihrer Übereinstimmung mit der des Lorenzo Tornabuoni zum Symbol sozialer Erhöhung, während der Gleichklang der Gebärden mit der Frauenfigur im Hintergrund auch humanitäre Eigenschaften des Malers bezeugt (s. o.).51 Cadogan hebt weiters die kühne Gleichstellung des Künstlers mit dem Sohn des Auftraggebers hervor; indem Domenico sich und seinen Familienverband der Stifterfamilie symmetrisch gegenüberstellt, habe er erstmals eine dem Auftraggeber äquivalente Rolle beansprucht und ebenso dynastische Ambitionen verdeutlicht.52 Bezugnehmend auf die Funktion Santa Maria Novellas als Grablege53 für Ghirlandaio interpretiert Cadogan den Maler resümierend als Mitpatron.54 Kuhn (2005) relativiert Cadogans Ausführungen hinsichtlich des hervorgehobenen Selbstbewusstseins des Malers: Einerseits handelt es sich bei Lorenzo um den Sohn des Stifters und nicht um den Stifter selbst, andererseits setze die Verbindung der Motive die Erlaubnis von Giovanni Tornabuoni voraus. Dieser habe es Ghirlandaio gestattet, sich im Verband seiner Familie zu zeigen.55

In einer weiteren Untersuchung zu Ghirlandaios sozialem und wirtschaftlichem Status bezeichnet Cadogan (2014) den Maler als erfolgsorientierten Netzwerker, der Selbstbildnisse als Beweise seiner Autorenschaft einfügt. Sein Selbstporträt in der Tornabuoni-Kapelle zeige Fertigkeit und Genie ebenso wie dem Stifter gleichwertige Demut. So war es im Vertrag grundgelegt, was die Darstellung Ghirlandaios samt seiner Werkstatt rechtfertige.56 Zudem betont Cadogan (2000) die Funktion des Bildnisses als einführendes Zeichen sowie als Beleg der Autorenschaft und unter Verweis auf Albertis Theorie der BetrachterInnenansprache auch seine Bedeutung als Vermittler zur zeitgenössischen BetrachterIn.57

Schmid (2002) weist auf die selbstbewusste Hauptrolle Ghirlandaios hin, der sich in Pose und Blick wie Lorenzo Tornabuoni inszeniert, um sich selbst aufzuwerten,58 und zieht Parallelen zu einem System der Darstellung, das Sandro Botticelli in der Anbetung der Könige von 1475 vorformuliert hat.59 Das Selbstbildnis Botticellis in der Del-Lama-Anbetung, die lange als Werk Ghirlandaios galt,60 ist ein wichtiges Vergleichsbeispiel: Während Botticelli sich nach Dombrowski (2013) allein, ohne Bezug zur Handlung und mit versteckten Händen als Zeichen von kontemplativem Charakter und ausgeprägtem Selbstbewusstsein zeige, verankere sich Ghirlandaio innerhalb der mehrfigurigen Künstlergruppe mit deutlich auffälligerer Körpersprache.61

Delbé (2003) weist auf die Gleichschaltung der beiden Figurengruppen (Künstler, Stifter) hin und hebt die Auffälligkeit der Künstlergruppe hervor. Die Autorin gibt eine Erklärung für die Verankerung der Künstler im rechten Bereich des Freskos: Die Aufteilung zwischen Künstler- und Stifterseite untermauere den Standesunterschied zwischen den Parteien. Dieser zeige sich durch die Position der Maler auf der Seite, die heraldisch links zur sakralen Handlung stehen.62

Horký (2003), die das Selbstbildnis prinzipiell als Autorenbild sieht,63 fokussiert insbesondere auf das komplexe System von Gesten, das die Gruppe trotz aller Analogie von den Stifterbildern absetzt. Sie versteht die Figur des Domenico als Sinnbild eines ekstatischen Visionärs,64 der die BetrachterInnen insbesondere im Zusammenspiel mit der Rückenfigur auf das illusionierte Geschehen verweist.65

Rejaie (2006) bestätigt drei Selbstbildnisse von Ghirlandaio (in der Vertreibung von Joachim aus dem Tempel in der Tornabuoni-Kapelle; in der Erweckung eines Knaben in der Sassetti-Kapelle; im Innocenti-Altarbild)66 und spricht dem Maler in der Folge eine lokale Führungsposition zu: „[…] three separate works located within two square miles of each other containing selfimages, which puts Domenico at the forefront as the painter of the greatest number of known self-portraits of Quattrocento artists within the city of Florence.“67 Das kommt ihrer These entgegen, nach der Selbstbildnisse von Auftraggebern (und der Renaissance-Gesellschaft) als Zeichen der Reputation eines Künstlers als Marke gesehen und entsprechend genutzt wurden.68 Konkret zum Bildnis in der Tornabuoni-Kapelle stellt Rejaie zunächst fest, dass die Formulierung des Selbstbildnisses im ersten Fresko des Zyklus trotz fehlender Thematisierung im Vertrag zwischen Ghirlandaio und Tornabuoni Akzeptanz des Stifters impliziere (dieser hätte es im gegenteiligen Fall im Verlauf der Arbeiten entfernen lassen können). Zudem schließt die Positionierung innerhalb der Kapellenausstattung aus, dass es sich um eine Signatur handelt. Bezugnehmend auf Cadogan (s. o.) thematisiert Rejaie die Mehrfachfunktion des Bildnisses als Zeuge bzw. als Opfernder. Die Autorin betont, dass die Erlaubnis zum Selbstporträt in der wachsenden Bedeutung Ghirlandaios in der Stadt und der gönnerhaften Großzügigkeit des Stifters, Status und Anliegen des Künstlers anzuerkennen, begründet liegt. Tornabuoni habe die Kapelle im Sinne christlicher devotio und weltlicher memoria in aller Großzügigkeit inszeniert – eine Großzügigkeit, die er auch auf den Künstler ausdehnte. Gegenteilig zu Cadogan, die eine „Gleichstellung von Stifter und Maler“ vorgeschlagen hat (s. o.), gibt Rejaie an, Ghirlandaio habe seine Interessen denen der Stifterfamilien unterordnen müssen. Sein Bildnis funktioniere als Verherrlichung der Familie Tornabuoni.69 Zudem weist die Autorin auf Rivalität zwischen Ghirlandaio und Botticelli und die Vorbildwirksamkeit von letzterem hin. Es sei möglich, dass Ghirlandaio in der Selbstdarstellung Botticellis in der Del-Lama Anbetung einen Präzedenzfall für sein Porträt gefunden hat.70 Abschließend spekuliert Rejaie, dass Ghirlandaio mit seinen Selbstbildnissen Meilensteine seines Schaffens markierte.71

Gigante (2010) bringt die Selbstdarstellungen Ghirlandaios in der Vertreibung des Joachim und in der Erweckung des Knaben mit Signorellis Bildnis in Orvieto in Vergleich. Signorelli habe ein herausragendes Beispiel einer im Bildraum isolierten Selbstrepräsentation mit kategorischer Ausrichtung auf die BetrachterIn gegeben; er habe sich „en personne“72 im Raum verankert. Signorellis Lösungen stünden den späteren Ausführungen von Dürer nahe und auch Ghirlandaio sei vergleichbar.73

Auch Merseburger (2016) fokussiert auf die Parallelisierung der beiden zeitgenössischen Porträtgruppen. Die Übereinstimmung der Persönlichkeiten Lorenzo Tornabuoni und Domenico Ghirlandaio (u. a. über den sogenannten „Triumphellenbogen“74) verdeutliche den Führungsanspruch der Männer. Im Falle Ghirlandaios handelt es sich nach Merseburger um die Zurschaustellung eines „primus inter pares“, in dem die Hochstimmung des erfolgreichsten Florentinischen Künstlers der 1480er verewigt ist. Auch sie vergleicht die siegreiche Pose mit der des Konkurrenten Botticelli und meint in Ghirlandaios Darstellung den Triumph des Jüngeren zu erkennen, der selbstreferenziell und herausfordernd seine Stellung innerhalb der Zunft behauptet.75

Verweise

  1. Vasari (hg. von Schorn/Förster 2010), 255.↩︎

  2. Prinz 1966, 99. Vgl. Abbildung in Vasari (hg. von Schorn/Förster 2010), 250.↩︎

  3. Zur Landucci-Liste (Provenienz und Inhalt) vgl. bes. Schmid 2002, 78–81.↩︎

  4. Den Identifizierungen Vasaris folgen etwa Billi (hg. von Frey 1892), 58; Bocchi (hg. von Cinelli Calvoli 1677), 249f; Cavalcaselle/Crowe 1896, 328; Kecks 2000, 287; Merseburger 2016, 115; Prinz 1966, 99; Schmid 2002, 114f; Simons 1985, 292f; Landuccis Vorschlag favorisieren u. a. Anrep-Bjurling 1980, 281f, 290; Davies 1908, 109f; Lauts 1943, 31; Marle 1931, 68; Roesler 1999, 69; Sleptzoff 1978, 115; Steinmann 1897, 56. Zum Forschungsstand zu den Identifizierungen vgl. Kecks 2000, 287; Kuhn 2005, 413; Simons 1985, 291–294. Eine Gesamtschau der Identifizierungen aller Assistenzporträts in der Tornabuoni-Kapelle bietet: Schmid 2002, zu den Bildnissen in der Vertreibung des Joachims bes. 110–115.↩︎

  5. Cadogan 2000, 242.↩︎

  6. DePrano 2017, 120.↩︎

  7. Roettgen 1997, 177.↩︎

  8. Vgl. Einführungstext zu Domenico Ghirlandaio mit Werkstatt.↩︎

  9. Vgl. u. a. Cavalcaselle/Crowe 1896, 328.↩︎

  10. Vgl. u. a. Borsook/Offerhaus 1981, 41.↩︎

  11. Vgl. u. a. Davies 1908, 108f; Marchand 1998, 123f.↩︎

  12. Steinmann 1897, 56, 59.↩︎

  13. Lauts 1943, 31.↩︎

  14. Benkard 1927, XVf.↩︎

  15. Sleptzoff 1978, 68–71.↩︎

  16. Ebd., 87.↩︎

  17. Ebd., 115f. In weiterer Folge vergleicht und analysiert die Autorin die Gruppe mit den Künstlerporträts der Gaddi-Familie (Porträt von Gaddo, Taddeo und Agnolo Gaddi, um 1430, Florenz, Uffizien). Vgl. Sleptzoff 1978, 117f.↩︎

  18. Sleptzoff 1978, 133.↩︎

  19. Ebd., 117.↩︎

  20. Ebd., 133.↩︎

  21. Simons beruft sich auf eine anonyme Beschreibung eines Mailänders in den 1480er Jahren. Vgl. Simons 1985, 292; Simons 1987, 242.↩︎

  22. Simons 1985, 292.↩︎

  23. Simons 1987, 242. Auch Cadogan (s. u.) sollte neben anderen Analysen den Vergleich mit der gabenbringenden Hintergrundfigur anstellen und Ghirlandaio als opferbringenden Betrachter der sakralen Szene charakterisieren, vgl. Cadogan 2000, 90.↩︎

  24. Simons 1985, 291.↩︎

  25. Vgl. zudem: Cadogan 2000, 14.↩︎

  26. Simons 1985, 294.↩︎

  27. Ebd., 291f.↩︎

  28. Micheletti 1990, 43.↩︎

  29. Marchand 1998, 119, 123f.↩︎

  30. Vasari (hg. von Schorn/Förster 2010), 253.↩︎

  31. Woods-Marsden 1998, 60–62.↩︎

  32. Marschke 1998, 90.↩︎

  33. Roesler-Friedenthal 1998, 198. Vgl. El Greco, Vertreibung der Wechsler aus dem Tempel, um 1570–75, Minneapolis, Institute of Arts. In El Grecos Gemälde findet sich im rechten unteren Eck eine Reihe von Künstlerporträts: Tizian, Michelangelo, Giulio Clovio. Für das letzte Bildnis wird die Möglichkeit einer Selbstdarstellung diskutiert.↩︎

  34. Benozzo Gozzoli, Abreise des hl. Augustinus nach Karthago.↩︎

  35. Andrea di Lazzaro di Cavalcanti, Ehrenmal Filippo Brunelleschi, 1447, Florenz, Santa Maria del Fiore.↩︎

  36. Benedetto da Maiano, Ehrengrabmal Giotto di Bondone, 1490, Florenz, Santa Maria del Fiore.↩︎

  37. Roesler 1999, 52–54.↩︎

  38. Quintilianus (hg. von Rahn 1975), 654f.↩︎

  39. Roesler 1999, 54f, 70, 173–175.↩︎

  40. Roesler-Friedenthal 1998, 198 (Anm. 60).↩︎

  41. Roesler 1999, 55f.↩︎

  42. Roeslers Überlegungen schließen an der Stelle auch ältere Bildnisse, etwa in der Sassetti-Kapelle, ein.↩︎

  43. Roesler 1999, 69f.↩︎

  44. Ebd., 69.↩︎

  45. Filarete, Selbstporträt mit Mitarbeitern, 1433–45, Rom, St. Peter, Portal.↩︎

  46. Ames-Lewis 2000, 239f.↩︎

  47. Brown 2000, 118.↩︎

  48. Kecks 2000, 287; Kecks 2021.↩︎

  49. Cadogan 2000, 13.↩︎

  50. Ebd., 13f.↩︎

  51. Ebd., 90.↩︎

  52. Ebd., 13f.↩︎

  53. Vgl. Simons 1985, 291.↩︎

  54. Cadogan 2000, 90.↩︎

  55. Kuhn 2005, 413; vgl. zudem Rejaie 2006, 179–184.↩︎

  56. Cadogan 2014, 39f.↩︎

  57. Cadogan 2000, 13, 90. Zum Bildnis als Vermittler zwischen Bild- und BetrachterInnenraum vgl. etwa Delbé 2013, o. S.; Marchand 1998, 119; Simons 1987, 242.↩︎

  58. Schmid 2002, 113.↩︎

  59. Ebd., 117.↩︎

  60. Horne 1908, 40; Ulmann 1893, 57.↩︎

  61. Dombrowski 2013, 74, 83. Wie Hatfield davon abweichend betont, stimmen beide Figuren in ihrer Darstellung innerhalb der üblichen Standards im rechten Bildvordergrund überein, vgl. Hatfield 1976, 100; Simons hingegen konstatiert für Ghirlandaio eine zur Handlung distanzierte Rolle, vgl. Simons 1987, 242; vgl. zudem Kecks 2000, 287.↩︎

  62. Delbé 2013, o. S.↩︎

  63. Horký 2003, 145.↩︎

  64. Ebd., 106f.↩︎

  65. Ebd., 113.↩︎

  66. Rejaie 2006, 149.↩︎

  67. Ebd., 171.↩︎

  68. Ebd., 148f.↩︎

  69. Ebd., 179–184.↩︎

  70. Ebd., 151.↩︎

  71. Ebd., 185.↩︎

  72. Gigante 2010, 331.↩︎

  73. Ebd., 331f.↩︎

  74. Merseburger 2016, 122–128.↩︎

  75. Ebd., 138f.↩︎

Il grande Finale

Das Selbstporträt Ghirlandaios befindet sich innerhalb einer Gruppe von Malern am vorderen rechten Bildrand im Bildfeld der Vertreibung des Joachim. In kompositorischer Entsprechung mit den Assistenzporträts links rahmt die Gruppe das sakrale Geschehen, das sich aus einer Tempelarchitektur im Mittelgrund, die perspektivisch bühnenhaft angelegt ist, herausentwickelt. Die zeitgenössische Aktualisierung der Bauwerke erinnert an Florenz.1 Die Pose, die Gebärde des Triumphes und der Selbstbezeichnung, der Schulterblick und auch der Blick aus dem Bild zeichnen das Selbstporträt aus – ebenso wie die nur marginalen Überschneidungen durch die Rückenfigur und die daraus resultierende gute Sichtbarkeit innerhalb der Gruppe. Diese erscheint als in sich geschlossene Größe, sowohl seitlich als auch nach vorne am äußersten Rand des Bildes platziert. Unterschiedliche Blickrichtungen und mimische Ausdrucksmöglichkeiten der Beteiligten, die Übernahme der raumerweiternden Körperhaltung und die halbkreisförmige Erweiterung der Bewegungsrichtung der Gruppe durch die Position der Rückenfigur sowie scheinbar über den Bildrand hinausragende Formen evozieren ein vielfältiges Netz an Bezügen – sowohl in den Bildraum hinein als auch Richtung Kapellenraum.

Seit Vasari beschäftigt sich die Forschung umfassend mit dieser Selbstinszenierung: Zusammenhänge, Merkmale, Funktionen und Verankerungen innerhalb der zeitgenössischen Kunstszene oder erweiterte Bedeutungsebenen, besonders jene, die aus der offensichtlichen Übereinstimmung mit der Figur des Lorenzo Tornabuoni in der gegenüberliegenden Gruppe resultieren, wurden vielfach diskutiert und bedürfen keiner weiteren Ausführungen. Nach Sleptzoffs Überlegungen zum Künstlerbildnis als bewusstes Gruppenporträt bzw. Ames-Lewis‘ Betonung der naturnahen Erfassung bieten die Künstlerporträtfiguren in ihrem Zusammenspiel auch Verweise auf die Porträtentwicklung per se. Während die Stifter noch klassischer ausgeführt sind und die Profildarstellungen überwiegen, zeigen sich die Künstler mit ihren variierenden Dreiviertelporträts als moderner.2

Als „grande finale“ der von Ghirlandaio innerhalb seines Oeuvres entwickelten – vielmehr institutionalisierten – Tradition der persönlichen Selbstinszenierung vereint das Bildnis die wesentlichsten Errungenschaften des Malers: die Inszenierung im Familien- bzw. Werkstattverband; die bildwirksame Bespielung kompositioneller Randzonen samt ihrer implizierten Zäsuren; die Verflechtung von Gebärden, Blickachsen, Bewegungselementen verschiedener Figuren sowie die Darstellung der eigenen Person als aussagekräftiges Zeichen; die Unterstützung innerbildlicher Sinnschichten über die Selbstporträtfigur; die unmissverständliche Betonung der eigenen Persönlichkeit; die Inszenierung des Selbstporträts unter Wahrung des decorum und der Unantastbarkeit der sakralen historie;3 die Anleitung der BetrachterIn;4 die Erweiterung von Bild- und BetrachterInnenraum und nicht zuletzt das merkantile Geschick des Malers, das sich auch in der Akzeptanz des Selbstporträts durch den Auftraggeber spiegelt.5 Am Ende seines Lebens bekleidet Ghirlandaio eine eindeutige Führungsposition: Seine Profession, sein Status und seine Malerei werden über sein Selbstporträt greifbar.

Verweise

  1. Konkrete Angaben zur dargestellten Architektur finden sich u. a. bei: ebd., 116, Micheletti 1976, 40–43.↩︎

  2. Vgl. Forschungsstand.↩︎

  3. Zur historischen Kritik des Dominikaners Girolamo Savonarola, der die Kombination von Assistenzporträts und sakralen Historien prinzipiell als Zeichen von Götzendienst und als Verfälschung biblischer Wahrheiten anprangerte, vgl. Roettgen 1997, 174.↩︎

  4. Kecks wies insbesondere auf die Rückenfigur des Davide, der mit derselben Blickrichtung wie die BetrachterIn am deutlichsten auf das sakrale Geschehen reagiert. Vgl. Kecks 2000, 287.↩︎

  5. Zur Geschäftsbeziehung mit Giovanni Tornabuoni vgl. bes. O'Malley 2004, 24–27.↩︎

Literatur

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