Josef und seine Brüder

Gozzoli, Benozzo

1477

Italien; Pisa; Camposanto

Objekt

1 / 2
Bildrechte
Detailtitel:Josef und seine Brüder (Teil von: Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament)
Alternativtitel Deutsch:Josef und seine Brüder in Ägypten
Titel in Originalsprache:Giuseppe e suoi fratelli in Egitto; Giuseppe alla corte del faraone
Titel in Englisch:Joseph and His Brothers in Egypt
Datierung: 1477
Ursprungsregion:italienischer Raum
Lokalisierung:Italien; Pisa; Camposanto
Lokalisierung (Detail):Bildfeld Nr. 50; im Nordkorridor, rechts des Zugangs zur Cappella del Barbaresco, untere Zone
Medium:Wandbild
Material:Fresko; Mischtechnik
Bildträger:Wand; Leinwand; Eternit
Technik Anmerkungen:Fresko abgenommen, mit Leinwand auf Eternitstreifen übertragen und in situ wieder angebracht
Ikonografische Bezeichnung:Joseph von Ägypten
Ikonografie Anmerkungen:mehrere Szenen simultan auf einem Bildfeld zusammengefasst
Iconclass:71D1 – story of Joseph (part I)
Signatur Wortlaut:BENOZZUS
Datierung Wortlaut:ohne
Signatur/Datierung Position:signiert; auf einer von Engeln gehaltenen Schriftrolle auf dem gemalten Architrav des mittleren Bogens innerhalb der Inschrift
Inschriften:

HAEC TAM VARIIS, FINXIT SIMULACRA FIGURIS / NATURA INGENIO FOETIBUS APTA SUO: / EST OPUS ARTIFICIS: PINXIT VIVA ORA BENOZZUS / O SUPERI, VIVOS FUNDITE IN ORA SONOS.; auf einer von Engeln gehaltenen Schriftrolle auf dem gemalten Architrav des mittleren Bogens; Was betrachtest du Vögel, Fische und wilde Monster / und grünende Wälder und himmlische Häuser? / Kinder, Jugendliche, Mütter und ergraute Ahnen? Denen immer die Zier des Lebens das Gesicht beseelt? / Nicht die Natur hat mit ihrem Genius diese Bilder mit so abwechslungsreichen Gestalten gebildet, durch ihr Talent fähig solche zu formen. / Es ist das Werk eines Künstlers: Benozzo hat diese Gesichter wie lebendig gemalt. O Götter, erfüllet die Münder nun mit lebendigen Lauten. (Übersetzung durch d. V.)

Auftraggeber/Stifter:Dombauhütte von Pisa
Provenienz:in situ
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Zur Nummer des Bildfeldes1 und zur Inschrift.2

Verweise

  1. Nummer des Bildfeldes nach Ramalli/Bucci 1960, 135.↩︎

  2. Zitiert bei Ahl 1996, 194.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:Figur am linken Rand der Gruppe vor dem linken Pfeiler der zentralen Arkade
Ausführung Körper:Ganzfigur stehend
Ausführung Kopf:Frontalansicht
Ikonografischer Kontext:Figur in Gestalt eines Hofbeamten des Pharaos am Rand des Geschehens
Blick/Mimik:direkter Blick aus dem Bild
Gesten:mit der Rechten auf das Geschehen rechts deutend; die Linke vor den Oberkörper haltend (den rechten Ärmel haltend?)
Körperhaltung:frontal stehend; Fußspitzen leicht nach außen gedreht; leichter Kontrapost (der rechte Fuß ist leicht angehoben)
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:am hinteren Rand der vorderen Bildbühne der zentralen Szene; schließt die Gruppe vor dem linken Pfeiler nach links vorne ab; bildet die Verlängerung eines Pfeilers des linken Seitenschiffes; steht annähernd im Zentrum der linken Arkade; sie überschneidet mit ihrem linken Arm die Figur rechts hinter ihr; einzige nicht überschnittene Figur der Gruppe; höchste Figur der Gruppe
Kleidung:hohe Kappe (Mazzocchio)
Zugeordnete Bildprotagonisten:Teil einer Gruppe Porträts von Zeitgenossen

Forschungsergebnis: Gozzoli, Benozzo

Künstler des Bildnisses:Gozzoli, Benozzo
Status:kontrovers diskutiert
Status Anmerkungen:Die Beschaffung und Analyse der Literatur zum vorgeschlagenen Selbstbildnis ist derzeit noch nicht abgeschlossen, der Eintrag wird weiterhin ergänzt.
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Ahl 1996 Ahl 1996 – Benozzo Gozzoli 179 -
Bejahend Ames-Lewis 2000 Ames-Lewis 2000 – The Intellectual Life 228 -
Bejahend Ames-Lewis 2003 Ames-Lewis 2003 – Benozzo Gozzoli e l'immagine di 30f -
Bejahend Marchand 2004 Marchand 2004 – Gebärden in der Florentiner Malerei 240f -
Bejahend Rejaie 2006 Rejaie 2006 – Defining Artistic Identity 127 (Anm. 9) -

Ahl erkennt 1996 in der Gruppe mit den Höflingen des Pharaos zeitgenössische Porträts, darunter auch ein ganzfiguriges Selbstbildnis Gozzolis. Sie betont die Funktion dieser Assistenzfiguren als beglaubigende Zeugen der Heilsgeschichte, die jedoch nicht unmittelbar am Geschehen teilnehmen.1 Sie erwähnt den lobenden Text der Inschrift, die den Künstler als Schöpfer der Natur preist, und deutet implizit einen Zusammenhang mit der für den Künstler geplanten Grabstätte an.2 Einen expliziten Konnex zwischen Inschrift, Selbstbildnis und Grabfunktion thematisiert sie jedoch nicht.

Ames-Lewis vermutet 2000 in der Menschenmenge der Szene neben anderen Porträts von Zeitgenossen auch ein Selbstbildnis des Künstlers. Für ihn bezieht sich die Textzeile der Inschrift „This is the work of Benozzo: by his art their visages live“ auf die porträthaften Gesichtsdarstellungen im Bild darunter, unter ihnen auch das Selbstporträt des Künstlers.3 2003 bestimmt Armes-Lewis die Figur genauer, „un autoritratto a figura intera inserito fra gli osservatori nell'episodio centrale della storia di Giuseppe“.4 Er erweitert den Kontext der künstlerischen Selbstdarstellung und setzt auch die Inschrift auf der Grabplatte des Kenotaphs unterhalb des Freskos in Bezug zum Selbstbildnis.

Rejaie übernimmt 2006 die Identifizierung von Ahl und bescheinigt ihr große Plausibilität. Sie insistiert jedoch, dass aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes die Zuweisung nicht endgültig bestätigt werden könne. Sie sieht einen wechselseitigen Zusammenhang zwischen der lobenden Inschrift und dem Selbstporträt, welcher schließlich auch die Pisaner Bevölkerung zur Errichtung der Grabstätte für Gozzoli genau unterhalb dieses Freskos veranlasst habe.5

2004 identifiziert Marchand die Standfigur am Rande der Gruppe mit dem Künstler. Er arbeitet die Parallelen zu den Selbstporträts im Turmbau zu Babel und im Abschied des hl. Augustinus in San Gimignano heraus. In San Gimignano wie auch in der Josefs-Szene befinden sich nämlich gleichfalls lobende Inschriften, die den Maler erwähnen. Die Selbstbildnisse aller drei Gemälde zeichnen sich durch ihre periphere Position aus, entweder am äußersten Bildrand oder zumindest am Rand einer Bildszene. Die drei Figuren sind frontal dargestellt, das Spiel ihrer Hände ähnelt sich: Die Linke greift in das Gewand, die Rechte deutet mehr oder weniger klar auf des Bildgeschehen. Anhand von Vorkriegsfotografien kann Marchand auch Ähnlichkeiten in den Physiognomien nachweisen. Für den Autor ergibt sich daraus ein für Gozzoli typischer Modus für ein Selbstbildnis, das sich vor allem durch die Frontalität von anderen Selbstdarstellungen der Zeit unterscheidet.6

Verweise

  1. Ahl 1996, 179.↩︎

  2. Ebd., 194.↩︎

  3. Ames-Lewis 2000, 228.↩︎

  4. Ames-Lewis 2003, 30f.↩︎

  5. Rejaie 2006, 127 (Anm. 9).↩︎

  6. Marchand 2004, 240f.↩︎

Selbstdarstellung durch Wort und Bild im funeralen Kontext

Schon früh war dieses Gemälde in einem sehr schlechten Zustand, so wurde der linke Teil von Randinosi im 17. Jahrhundert stark übermalt. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es dann abgenommen und auf ein Metallgitter übertragen.1 Diese rudimentäre Erhaltung mag eventuell die Forschung davon abgehalten haben, in der frontalen Figur der linken Gruppe im Mittelfeld ein Selbstbildnis des Künstlers zu sehen. Die schließlich von Ahl anhand des Lasinio-Stiches vorgeschlagene Identifizierung mit Gozzoli kann durchaus begründet werden und wurde in der Folge von späteren ForscherInnen mehrmals übernommen.

Ames-Lewis analysiert in der Folge detaillierter die Zusammenhänge zwischen der bildlichen Selbstdarstellung im Porträt und den Erwähnungen des Namens in der lobenden Inschrift oberhalb und auf der Grabplatte zu Füßen des Gemäldes, gleichsam die sprachliche Klammer um die bildhafte Darstellung. Das gemeinsame Auftreten von Selbstbildnis und lobender Inschrift, das sich bei Gozzoli zum ersten Mal findet, wurde später aufgegriffen, beispielsweise von Perugino in seinem Selbstporträt im Collegio del Cambio.

Bereits Ahl verweist auf den funeralen Kontext, der durch die geplante Grabstätte Gozzolis vor dem Wandbild entstand: „The inscripition on the architrave of the painted loggia would have served as his epitaph.“2 Während sie die Wahl des Ortes vor allem durch die Inschrift motiviert sieht, glaubt Rejaie, dass die Pisaner das Selbstporträt als solches erkannt haben und eben diese Kombination von Bildnis und Lobgedicht sie dazu bewog, an dieser Stelle ein Grab zu Ehren des Künstlers zu planen.3 Der Grabkontext als Argument für die Identifizierung als Selbstbildnis scheint plausibel, gerade in Kombination mit der Inschrift. Durch die Anbringung der Grabplatte wurde die selbstbewusste Selbstinszenierung des Künstlers, der sich gleichsam ein Denkmal geschaffen hatte, von den Bürgern in ein Grabmal umgedeutet.

Marchand stellt die Selbstdarstellung der Josefs-Szene in den Zusammenhang mit zwei weiteren Selbstbildnissen im Werk Gozzolis. Er argumentiert mit nachvollziehbaren Parallelen in Haltung, Gestik und mit Ähnlichkeiten der Physiognomien, und auch die Kombination von Selbstbildnis und lobender Inschrift findet sich mehrmals in seinem Werk. Allerdings befindet sich die entsprechende Figur in der Szene Joseph und seine Brüder eben nicht am Bildrand oder gar am Ende eines ganzen Zyklus wie im Abschied des hl. Augstinus von Rom sondern nur am Rande einer einzelnen Bildszene. Ihr kann die Funktion eines festaiolos somit nur mit Einschränkungen zugesprochen werden. Die Ähnlichkeiten zu den anderen Selbstporträts sind wegen des schlechten Zustands der Originalmalerei und der schemenhaften Darstellung auf dem Stich Lasinios rein spekulativ. Marchand erwähnt zwar eine Vorkriegsaufnahme, er verabsäumt es aber leider, uns die Bildquelle zu nennen. Selbst über die Gestik der Figur kann nur mit Vorbehalt Auskunft gegeben werden, das Taschentuch, welches Marchand in der rechten Hand erkennt, ist auf dem Stich nicht zu finden. Viele Indizien, die sich aus dem situativen Kontext und aus dem Vergleich mit anderen Beispielen im Werk Gozzolis ergeben, deuten auf die Authentizität des Selbstbildnisses hin, allein der Zustand macht eine definitive Zuweisung unmöglich.

Verweise

  1. Bucci/Bertolini 1960, 136.↩︎

  2. Ahl 1996, 194.↩︎

  3. Rejaie 2006, 127 (Anm. 9).↩︎

Literatur

Ahl, Diane Cole: Benozzo Gozzoli, New Haven 1996.
Ames-Lewis, Francis: Benozzo Gozzoli e l'immagine di sé come artista, in: Castelnuovo, Enrico/Malquori, Alessandra (Hg.): Benozzo Gozzoli. Viaggio attraverso un secolo (Collana arte, 1; Tagungsband, Florenz; Pisa, 8.–10.1.1998), Pisa 2003, 27–40.
Ames-Lewis, Francis: The Intellectual Life of the Early Renaissance Artist, New Haven, Yale 2000.
Bucci, Mario/Bertolini, Licia: Gli affreschi, le sinopie, in: Ramalli, Giuseppe/Bucci, Mario (Hg.): Camposanto monumentale di Pisa. Affreschi e sinopie, Pisa 1960, 33–144.
Marchand, Eckart: Gebärden in der Florentiner Malerei. Studien zur Charakterisierung von Heiligen, Uomini Famosi und Zeitgenossen im Quattrocento (Kunstgeschichte, 79), Münster 2004.
Ramalli, Giuseppe/Bucci, Mario (Hg.): Camposanto monumentale di Pisa. Affreschi e sinopie, Pisa 1960.
Rejaie, Azar M.: Defining Artistic Identity in the Florentine Renaissance: Vasari, Embedded Self-Portraits, and the Patron's Role (Dissertation, University of Pittsburgh) 2006.

Zitiervorschlag:

Rupfle, Harald: Josef und seine Brüder (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/gozzoli-benozzo-josef-und-seine-bruder-1477-pisa-camposanto/ (05.12.2025).