Inhaltsverzeichnis
Objekt
| Detailtitel: | Turmbau zu Babel (Teil von: Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament) |
| Alternativtitel Deutsch: | Turmbau zu Babylon |
| Titel in Originalsprache: | La Costruzione della Torre di Babele; La Torre di Babele |
| Titel in Englisch: | The Tower of Babel; Building of the Tower of Babel |
| Datierung: | 1470 |
| Ursprungsregion: | italienischer Raum |
| Lokalisierung: | Italien; Pisa; Camposanto |
| Lokalisierung (Detail): | Bildfeld Nr. 34; Nordkorridor, links des Zugangs zur Cappella Ammanati, untere Zone |
| Medium: | Wandbild |
| Material: | Fresko; Mischtechnik |
| Bildträger: | Wand; Leinwand; Eternit |
| Technik Anmerkungen: | Fresko abgenommen, mit Leinwand auf Eternitstreifen übertragen und in situ wieder angebracht |
| Ikonografische Bezeichnung: | Babylonischer Turm |
| Iconclass: | 71B421 – the building of the Tower of Babel; Nimrod may be present, supervising or assisting the construction |
| Signatur Wortlaut: | ohne |
| Datierung Wortlaut: | ohne |
| Auftraggeber/Stifter: | Dombauhütte von Pisa |
| Provenienz: | in situ |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | öffentlich |
Bildnis 1
| Lokalisierung im Objekt: | dritte Figur von links; erste freistehende Ganzfigur am linken Bildrand |
| Ausführung Körper: | Ganzfigur stehend |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Figur in der Gestalt einer unbeteiligten Person am Rand des Geschehens |
| Blick/Mimik: | direkter Blick aus dem Bild |
| Gesten: | die rechte Hand verweist nach links auf das Bildgeschehen |
| Körperhaltung: | frontal stehend, leicht nach links gewandt |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | Figur befindet sich am linken vorderen Rand der Bildbühne; ihr Rocksaum wird rechts nur ganz leicht von einer kleinwüchsigen Figur überschnitten; der Saum berührt links die gemalte Rahmenarchitektur |
| Kleidung: | zeitgenössische Kleidung einer vornehmen Person; rote Kopfbedeckung |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | umstehende Figuren als Assistenten vorgeschlagen von Meller; Ganzfiguren rechts daneben als Künstlerporträts von Verrocchio oder Brunelleschi vorgeschlagen von Meller; die gleichen Figuren als Vorsteher der Dombauhütte vorgeschlagen von Marchand |
Forschungsergebnis: Gozzoli, Benozzo
| Künstler des Bildnisses: | Gozzoli, Benozzo |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Status Anmerkungen: | Die Beschaffung und Analyse der Literatur zum vorgeschlagenen Selbstbildnis ist derzeit noch nicht abgeschlossen, der Eintrag wird weiterhin ergänzt. |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Menging | 1909 | Mengin 1909 – Benozzo Gozzoli | 115 | - |
| Bejahend | Bucci, Bertolini | 1960 | Bucci, Bertolini 1960 – Der Camposanto von Pisa | 116 | - |
| Bejahend | Meller | 1974 | Meller 1974 – Two Drawings of the Quattrocento | 278 (Anm. 45) | - |
| Bejahend | Marchand | 2004 | Marchand 2004 – Gebärden in der Florentiner Malerei | 240 | - |
| Bejahend | Merseburger | 2016 | Merseburger 2016 – Gemalte Gewandung im Florentiner Quattrocento | 217 (Anm. 725) | - |
1909 erkennt Mengin in der stehenden Figur am linken Bildrand ein Selbstbildnis Gozzolis. Er sieht Ähnlichkeiten zur Pose der Figur am rechten Bildrand in der Szene Abschied des hl. Augustinus von Rom in S. Gimignano, ohne diese jedoch als Selbstbildnis zu identifizieren.1 Der Zeigegestus könne die Figur als Urheber der Malereien ausweisen. Ähnlichkeiten der Gesichtszüge zum Porträt Gozzolis in der Cappella Medicea kann Mengin nicht ausmachen, was er sich mit den unsachgemäßen Restaurierungen erklärt. Er erwähnt die Figur eines Kleinwüchsigen daneben, die einen Hofzwerg der Medici darstellen soll.2
1960 identifizieren Bucci und Bertolini ein Selbstbildnis Gozzolis in der Figurengruppe links des Riesen Nimrod und verdeutlichen ihre Zuweisung anhand einer Abbildung.3 Als Argument dient ihnen, dass sich die Figur vom ganzen Geschehen distanziert, ihr „estraniarsi da tutto“. Zudem sehen sie Bezüge zur Selbstdarstellung Gozzolis in S. Gimignano, ohne diese zu präzisieren.4
Meller sieht 1974 in einer Figur auf der linken Seite den Künstler mit seinen Assistenten verewigt. Er erkennt physiognomische Ähnlichkeiten zum Porträt Gozzolis der zweiten Ausgabe von Vasaris Viten und zum Selbstbildnis in S. Agostino. Er zieht auch Vergleiche zu den Darstellungen im Turmbau zu Babel, im Abschied des hl. Augustinus und im Zug der Könige der Medici-Kapelle, wo der Künstler sich jeweils mit seinen Gehilfen dargestellt haben soll.5 Etwas rechts der Figur glaubt er einer Gruppe Florentiner Künstler, unter anderem Verrocchio, dargestellt. Durch die Darstellung zeitgenössischer Künstler wolle Gozzoli den großen künstlerischen Unternehmungen im damaligen Florenz die biblische Dimensionen des Turmbaus zu Babel zubilligen.6
2004 erkennt Marchand den Künstler in der Figur am linken Bildrand. Er zieht Vergleiche zum Selbstbildnis Gozzolis in S. Agostino und stellt eine große Ähnlichkeit der Gesichtszüge fest, auch wenn in Pisa das Gesicht rundlicher erscheint und die Lippen dünner sind. Große Ähnlichkeiten sieht er auch in Haltung und Gebärde, wobei die Figur in S. Gimignano eine Spiegelung der Figur in Pisa zu sein scheint. Wie in S. Gimignano blickt auch in Pisa der Künstler aus dem Bild, ohne die BetrachterIn anzublicken.7
2016 erwähnt Merseburger das Selbstporträt im Bildfeld Turmbau zu Babel in Zusammenhang mit den Porträts von Mitgliedern der Medici-Familie.8 Er konzentriert sich in seinen Ausführungen auf die Identifizierungen der Medici.
Verweise
Aufgrund des schlechten Zustandes der Malereien nach den Restaurierungen wagt Mengin keine konkreten Zuweisungen, Mengin 1909, 83. Siehe dazu auch Vorbemerkung zu Benozzo Gozzoli.↩︎
Ebd., 115.↩︎
Ramalli/Bucci 1960, Tafel XLII.↩︎
Bucci/Bertolini 1960, 116.↩︎
Meller 1974, 278 (Anm. 45).↩︎
Ebd., 279 (Anm. 45).↩︎
Marchand 2004, 240.↩︎
Merseburger 2016, 217 (Anm. 725).↩︎
Von der Büste zum festaiolo – ein Paradigmenwechsel im Selbstbildnis
Die Parallelen in der Darstellung zum Selbstbildnis in San Gimignano wurden schon früh in der Forschung erkannt und sind immer wieder erwähnt worden. Beide Figuren befinden sich am Bildrand, blicken in den BetrachterInnen-Raum und deuten auf das Geschehen. Sie lenken dadurch den Blick des Betrachters bzw. der Betrachterin und fungieren als Festarrangeure des Bildes. In dieser Rolle des festaiolos stellen sich die Künstler der Renaissance gerne selber dar. Erst jüngst analysierte Marchand diese Figuren und bezieht noch das nicht mehr erhaltene Selbstbildnis in der Szene Josef und seine Brüder in den Vergleich mit ein. Er analysiert vor allem die Gestik, wobei nicht alle Parallelen nachvollziehbar sind. Das von ihm erwähnte Taschentuch in der Josefsszene erscheint beispielsweise nicht auf dem Stich von Lasinio, welcher bei Ahl reproduziert ist. Die Figur weist vom linken Bildrand aus auf das Geschehen rechts während die Bildsituation in San Gimignano gespiegelt wird. Eine Deutung dieser Spiegelung verweigert Marchand zwar, sie kann aber in Bezug zur Entstehungszeit der Bildfelder gesehen werden. In San Gimignano wird nämlich mit dem Bildfeld der Zykus abgeschlossen und Gozzoli verweist auf das schon vollendete Werk links. In Pisa schließt Gozzoli an die älteren Bildfelder oberhalb an und verweist auf die noch entstehenden Szenen, die dann rechts anschließen. Während Mengin bei seiner Erstidentifikation die physiognomischen Unterschiede zum attestierten Selbstbildnis der Medici-Kapelle betont, attestiert Marchand eine Ähnlichkeit zur Figur in San Gimignano. Er bemerkt zwar Unterschiede in der Form des Gesichts und der Lippen, hält sie aber für irrelevant. Auf das gut sichtbare Haar der Figur im Turmbau zu Babel geht er nicht ein, wobei gerade die Kahlköpfigkeit als Kennzeichen Gozzolis gilt. Auch Meller zieht den Vergleich zu anderen Selbstbildnissen und bemerkt vor allem Parallelen bei den zugeordneten Figuren, in denen er Porträts der Assistenten vermutet. Seine Vermutung, bei den anderen Figuren könnte es sich um Künstlerporträts handeln, wird von der späteren Forschung nicht weiter diskutiert. Es sprechen somit einige Indizien für eine Selbstdarstellung des Malers als festaiolo, allerdings ist eine Ähnlichkeit zu den anderen Selbstbildnissen nur schwer auszumachen, und die Frage nach der Authentizität muss allen Parallelen zum Trotz offenbleiben.
Im unteren Medaillon auf dem linken Rand des gemalten Rahmens wird ebenfalls ein Selbstbildnis vermutet. Horký erkennt darin einen Rekurs auf das Selbstbildnis Puccios, welches sich im Rahmenwerk des Bildfeldes Bau der Arche Noah direkt oberhalb befindet.1 Wie im Vortext zum Camposanto dargelegt wird, sprechen gute Gründe für die Authentizität von Gozzolis Selbstbildnis: etwa der bewusste Bezug auf den Vorgänger, der sich auch in der deutlichen Wiederholung der Balkenstrukturen manifestiert oder die Ähnlichkeiten zu Gozzolis frühem Selbstbildnis in Orvieto, welches ebenfalls in das Dekorsystem gemalt wurde.
Wenn man von der Authentizität beider Selbstbildnisse ausgeht, stellt sich die Frage nach dem Grund für diese Verdoppelung. Die Selbstbildnisse in der Medici-Kapelle, in San Gimignano aber auch dasjenige in der Josefs-Szene stehen jeweils im Konnex schriftlicher Identifizierungen und lassen auf einen hohen Grad an Selbstreflexivität des Künstlers schließen. Somit wäre es durchaus möglich, dass durch die Gegenüberstellung eines Selbstbildnisses in der älteren Form eines starren Porträtkopfes im Rahmenwerk mit einer der im 15. Jahrhundert entwickelten integrierten Assistenzfiguren, welche die BetrachterIn aktiv in das Bildgeschehen führen, nicht nur die Entwicklung des Selbstbildnisses sondern auch der eigene künstlerische Anspruch im Bild thematisiert werden.
Verweise
Horký 2003, 27.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Rupfle, Harald: Turmbau zu Babel (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/gozzoli-benozzo-turmbau-zu-babel-1470-pisa-camposanto/ (05.12.2025).