Einholung der Pilger

Herlin, Friedrich

1466

Deutschland; Rothenburg ob der Tauber; St. Jakob (Wallfahrtskirche zum hl. Blut)

Objekt

Bildrechte
Detailtitel:Einholung der Pilger (Teil von: Rothenburger Hochaltar)
Titel in Originalsprache:Einholung der Pilger
Titel in Englisch:Catching up With the Pilgrims
Datierung: 1466
Ursprungsregion:deutschsprachiger Raum
Lokalisierung:Deutschland; Rothenburg ob der Tauber; St. Jakob (Wallfahrtskirche zum hl. Blut)
Lokalisierung (Detail):Hochaltar der einschiffigen Kirche; Teil der malerischen Ausstattung des Altars bestehend aus: Predella; Predellenwangen; Schreinwangen; Flügel der Festtagsseite (Marienleben): Verkündigung, Heimsuchung, Anbetung Christi, Beschneidung (rechts); Anbetung der Könige, Darbringung im Tempel, Marientod (2-teilig) (links); Flügel der Werktagsseite (Jakobuslegende): Predigt und Gefangennahme des hl. Jakobus, Enthauptung des Heiligen, Einholung der Pilger, Die Rückkehr der Pilger (links); Wunderbare Überführung des Leichnams Jakobi nach Santiago, Mahl der Compostela-Pilger, Vogelwunder, Der Wirt wird zum Galgen geführt (rechts); Bemalung Rückseite (Entwurf Herlin, Ausführung unbekannte Maler)
Medium:Altarflügel; Tafelbild
Material:Öl; Gold; Pressbrokat
Bildträger:Holz (Linde)
Maße Anmerkungen:Altar gesamt mit geöffneten Flügeln: 10 m Höhe, 7,35 m Breite
Ikonografische Bezeichnung:Pilger; Pilgerschaft
Iconclass:11QQ62 – pilgrimage, pilgrim(s) under way - QQ - large group
Signatur Wortlaut:Fridrich Herlein Maler
Datierung Wortlaut:M.CCCC.L.XVI
Signatur/Datierung Position:signiert, datiert: auf den Außenflügeln links; Signatur oberhalb des Bildfeldes der Einholung der Pilger
Inschriften:

Dis werck hat gemacht Fridrich Herlein Maler. M.CCCC.L.XVI. Sant Jakob. Bit Got fur In; auf den Außenflügeln links, horizontal zwischen den beiden Bildregistern
Bis. Duo. C. Quoque sexaginta sex quoquc Mille / Hic Chorus Albatus super Altar [T]abulatus; auf den Außenflügeln, beidseitig unterhalb der Bildfelder

Auftraggeber/Stifter:unbekannt
Provenienz:in situ
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Zu Abbildungen des Altars,1 zum Gesamtaltar umfassend.2 Zur Inschrift auf den Außenflügeln links und unterhalb der Bildfelder.3

Verweise

  1. Krüger 2004, 226–237.↩︎

  2. Vgl. u. a. Kahsnitz 2005, 58–75; Krüger 2004, 88–120, zu den Bildfeldern der Pilger bes. 88f, 111f; Taubert 1972.↩︎

  3. Krüger 2004, 88.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:zweite Figur von links, hinterste Figurenreihe
Ausführung Körper:Kopfbild
Ausführung Kopf:Dreiviertelporträt
Ikonografischer Kontext:Assistenzfigur in der Szene der Einholung der Pilger
Blick/Mimik:direkter Blick aus dem Bild
Gesten:Hände nicht sichtbar
Körperhaltung:Körper nicht sichtbar
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:Figur im äußeren linken Bildbereich als Teilnehmer einer Gruppe von Pilgern; von vorgelagerten Pilgern mit Ausnahme des Kopfes zum großen Teil überschnitten; Kopf von Pilgerstäben eingerahmt; diese Stäbe weisen in Richtung der oberhalb des Bildfeldes angebrachten Signatur des Malers; einzige aus dem Bild blickende Figur der Szene
Attribute:Pilgerstab
Zugeordnete Bildprotagonisten:vier mit Stäben ausgestattete Pilger am Bildrand

Forschungsergebnis: Herlin, Friedrich

Künstler des Bildnisses:Herlin, Friedrich
Status:weitgehend anerkannt
Status Anmerkungen:Das Prädikat „weitgehend anerkannt“ ist auf wenige Forschungsmeinungen zurückzuführen. Das Gros der ForscherInnen, die sich nicht zu einer möglichen Selbstdarstellung äußern, fand keine Berücksichtigung.
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Buchner 1923 Buchner 1923 – Die Werke Friedrich Herlins 29–31 -
Bejahend Kehrer 1934 Kehrer 1934 – Dürers Selbstbildnisse und die Dürer-Bildnisse 24 -
Bejahend Söll-Tauchert 2010 Söll-Tauchert 2010 – Hans Baldung Grien 1484/85–1545 106 -

Bereits 1923 identifiziert Buchner Herlins Selbstbildnis in der Rolle eines Pilgers in der Einholung der Pilger im Rothenburger Hochaltar. Der Autor betont den direkten Blick der Figur sowie die Ähnlichkeit des Porträts mit dem Stifterbild des Malers in seinem Familienaltar: „In dem fest den Betrachter anblickenden, rückwärtigen Pilger kann ein Selbstbildnis Herlins vermutet werden, wofür die weitgehende Verwandtschaft der Physiognomie mit dem Selbstbildnis von 1488 auf dem Mittelstück des Familienaltars, als der eigentümlich fixierte Blick sprechen.“1

Kehrer (1934) verzeichnet Herlins verstecktes Selbstbildnis in der Rolle des Pilgers in der Einholung im Rothenburger Hochaltar als ein frühes deutsches Beispiel, das fern von Ruhmesdenken als Beispiel christlicher devotio zu werten ist. Erkennbar sei das Selbstporträt über den „gespiegelten Blick“. Aus der Physiognomie leitet der Autor Übereinstimmungen mit der Figur des Apostels Philippus in der Predella desselben Altars ab, die er in weiterer Folge ebenfalls als Selbstdarstellung einstuft.2

Söll-Tauchert (2010) interpretiert das Bildnis, das innerhalb der Gesamtansicht der Alltagsseite des Altars stark zurückgenommen erscheine, als Ausdruck von Erlösungshoffnung des Malers. Zudem sei das Selbstbildnis als Zeichen von Autorenschaft und von Künstlerstolz zu werten.3

Verweise

  1. Buchner 1923, 29–31.↩︎

  2. Kehrer 1934, 24.↩︎

  3. Söll-Tauchert 2010, 106.↩︎

Mustergültig wirksam

Die von Buchner in seiner Erstthematisierung des Selbstporträts im Bildfeld der Einholung der Pilger im Rothenburger Hochaltar festgestellte Ähnlichkeit zum Stifterporträt Herlins im Familienaltar von 1488 ist gegeben.1 Ebenso können deutliche physiognomische Übereinstimmungen mit dem möglichen Selbstporträt in der Rolle des zweiten Königs in der Anbetung der Könige von 1462 festgestellt werden.

Bei der Figur des aus dem Bild blickenden Pilgers in Rothenburg handelt es sich um die einzige Figur innerhalb der für Herlin thematisierten Selbstdarstellungen, die die Kriterien eines integrierten Selbstporträts umfassend erfüllt (Integration im narrativen Bildzusammenhang, Verankerung an einer Bildschwelle am linken Bildrand, Ansprache der BetrachterIn durch den direkten Blick). Neben dieser Systematik erhöht ein Abgleich mit weiteren selbstreferenziellen Zeichen im Altar die Wahrscheinlichkeit, dass es sich tatsächlich um eine Selbstdarstellung handelt: Direkt oberhalb des Bildfeldes ist jener Teil der Inschrift des Malers angeführt, der seinen Namen enthält; diagonal nach oben weisende Bildmotive wie u. a. die Stäbe der Pilgergruppe, in der sich die Selbstdarstellung befindet, führen den Blick direkt zur Signatur. Rechts der Einholung im Bildfeld der Rückkehr der Pilger ist zudem ein Käuzchen gemalt, das über die Verankerung am linken Bildrand und die Intensität des Blickes mit dem Selbstporträt parallelisiert ist und das als Künstlerzeichen eingestuft wird.2 Dieser Vogel ist auch in der Haupttafel des Familienaltars von 1488 am linken Bildrand zu finden, in dem Gemälde, in dem Herlin die Kombination selbstreferenzieller Zeichen zu einem Höhepunkt bringt (Selbstporträt, Familienwappen, Hl. Lukas als Patron der Maler, Käuzchen als Künstlerzeichen). Wie im Familienaltar gelingt es Herlin auch im Rothenburger-Hochaltar, die über die Malerei deutlich gemachte christliche devotio mit Aspekten von Selbstmarketing zu erweitern und sein Porträt somit als mehrfach-funktionales Bild zu verewigen.

Verweise

  1. Vgl. den Einführungstext zu Friedrich Herlin.↩︎

  2. Zum Kauz als Künstlerzeichen Herlins vgl. u. a. Buchner 1923, 43f.↩︎

Literatur

Buchner, Ernst: Die Werke Friedrich Herlins, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 13. Jg. 1923, 1–51.
Kahsnitz, Rainer: Die großen Schnitzaltäre. Spätgotik in Süddeutschland, Österreich, Südtirol, München 2005.
Kehrer, Hugo: Dürers Selbstbildnisse und die Dürer-Bildnisse, Berlin 1934.
Krüger, Ralf: Friedrich Herlin. Maler und Altarbauunternehmer (Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg e. V.), Rothenburg ob der Tauber 2004.
Söll-Tauchert, Sabine: Hans Baldung Grien (1484/85–1545). Selbstbildnis und Selbstinszenierung (Atlas, 8), Köln 2010.
Taubert, Johannes: Friedrich Herlins Nördlinger Hochaltar von 1462. Fundbericht, in: Kunstchronik, 25. Jg. 1972, 57–61, 69–72.