Inhaltsverzeichnis
Objekt
Bildrechte
| Detailtitel: | Begräbnis des hl. Stephanus (Teil von: Zyklus zu den Heiligen Stephanus und Johannes dem Täufer) |
| Alternativtitel Deutsch: | Exequien des hl. Stephanus; Exequien für den hl. Stephanus; Bestattung des hl. Stephanus; Die Leichenfeier des hl. Stephanus |
| Titel in Originalsprache: | Funerali di santo Stefano; Esequie di santo Stefano |
| Titel in Englisch: | The Funeral of St. Stephen; Obsequies of S. Stephen; Celebration of the Relics of St. Stephen |
| Datierung: | um 1452 bis 1464 |
| Ursprungsregion: | italienischer Raum |
| Lokalisierung: | Italien; Prato; Duomo di Prato |
| Lokalisierung (Detail): | Hauptchor-Kapelle, Nordwand, unteres Register; Teil der malerischen Gesamtausstattung bestehend aus: Zyklus zum hl. Stephanus (Nordwand) und Johannes dem Täufer (Südwand) in je drei Registern: Geburtshäuser und Kindheitsgeschichte in den Gewölbelünetten; im mittleren Register vier Szenen aus dem Wirken der beiden Heiligen; im unteren Register das Begräbnis des hl. Stephanus und das Gastmahl des Herodes; Martyrien der beiden Heiligen im unteren Register der Stirnseite der Kapelle; im darüberliegenden Register dort die Heiligen Johannes Gualbertus (links, Norden) und Albert (rechts, Süden); die vier Evangelisten im Gewölbe; Fenster mit Die auferstandene Maria überreicht dem hl. Thomas ihren Gürtel und weitere Heilige (Entwürfe möglicherweise ebenfalls von Fra Filippo) |
| Medium: | Wandbild |
| Material: | Fresko; Tempera |
| Bildträger: | Wand |
| Ikonografische Bezeichnung: | Begräbnis des hl. Stephan, Erzmärtyrer |
| Iconclass: | 11H(STEPHEN)68(+5) – the deacon and (proto)martyr Stephen; possible attributes: censer, stones - death, deathbed of male saint (+ donor(s), supplicant(s), whether or not with patron saint(s)) |
| Signatur Wortlaut: | FRATERFILIPPVSOPVS 1460 |
| Datierung Wortlaut: | siehe Signatur |
| Signatur/Datierung Position: | linke untere Bildecke |
| Inschriften/Signatur/Datierung weitere Ausführungen: | Die Signatur wird etwa bei Roettgen angegeben. Es ist jedoch umstritten, ob diese Signatur original ist oder ob sie später hinzugefügt wurde. |
| Auftraggeber/Stifter: | Kommune von Prato, die das Patronat der Kapelle innehatte, in Zusammenarbeit mit Opera del Sacro Cingolo und den karitativen Stiftungen Ceppo Vecchio und Ceppo Nuovo |
| Provenienz: | in situ |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | öffentlich |
Zur Datierung der Prateser Fresken werden unterschiedliche Angaben gemacht.1 Weiterführend zur Technik,2 zur Signatur3 und deren umstrittenen Originalität4 und zum Stifter.5
Verweise
Während Borsook 1980, 102 etwa schreibt, dass die Arbeiten von 1452 bis 1466 dauerten, nimmt Ruda 1993, 259 mit 1453 bis 1464 einen kürzeren Ausmalungszeitraum an. Da die Angaben zu den einzelnen Bildfeldern noch weiter divergieren, wurde auf eine Einzeldatierung verzichtet.↩︎
Ruda 1993, 274.↩︎
Roettgen 1996, 309.↩︎
Marchini 1975, 210 und Ruda 1993, 457 halten sie etwa für eine spätere Zutat, Borsook 1975, 23f. geht davon aus, dass sie das Jahr der Feierlichkeiten anlässlich der Ernennung von Carlo de’ Medici zum Propst der Kirche bezeichnet und nicht jenes der Fertigstellung des Bildfeldes.↩︎
Borsook 1975 (mit den Dokumenten zum Auftrag im Anhang); zu den organisatorischen Details, den Verträgen und zur Bezahlung siehe auch Borsook 1980, 102; Roettgen 1996, 302–306; Ruda 1993, 455–457; Graul in Vasari 2011, 126 (Anm. 65).↩︎
Bildnis 1
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | zweite (schwarz gekleidete) Figur von rechts |
| Ausführung Körper: | Ganzfigur stehend |
| Ausführung Kopf: | Frontalansicht |
| Ikonografischer Kontext: | Assistenzfigur beim Porträt des hl. Stephanus |
| Blick/Mimik: | Blick aus dem Bild; leicht schielender Blick nach rechts oben |
| Gesten: | Hände nicht sichtbar |
| Körperhaltung: | aufrecht, frontal zum Betrachter ausgerichtet |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | die Figur befindet sich gemeinsam mit acht weiteren stehenden Männern auf einem Podest rechts des aufgebahrten hl. Stephanus; sie wird sowohl von der links als auch von der rechts von ihr stehenden Figur stark überschnitten, sodass lediglich der Kopf und ein Ausschnitt des Oberkörpers sichtbar sind |
| Kleidung: | schwarze Kleidung, schwarze Kopfbedeckung, von der ein Stück Stoff über die Schulter hängt |
| Sonstiges: | entweder abstehende Ohren oder die Ohren werden von der Kopfbedeckung nach außen gedrückt |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | in einer Gruppe von Männern rechts der Totenbahre des hl. Stephanus, in denen zeitgenössische Porträts vermutet werden: rot gekleidete Figur vorgeschlagen als Papst Pius II. etwa von Borsook; Figur mit roter Kopfbedeckung rechts dahinter vorgeschlagen als Carlo de’ Medici (ab 1460 Propst der Kirche) etwa von Borsook; insbesondere zugeordnet der rechten, ebenfalls dunkel gekleideten Randfigur, diese vorgeschlagen als Fra Diamante (Werkstattmitglied Fra Filippos) oder als Selbstbildnis Fra Filippos siehe Selbstbildnis 2; die beiden letztgenannten Figuren sind außerdem vorgeschlagen als Erzpriester der Pieve von Ruda; die zu Füßen des Totenbettes kniende Figur, die aus dem Bild blickt, vorgeschlagen als Fra Diamante von Roettgen |
Zur Deutung der Figur auf Basis seiner Kleidung.1 Zu Identifizierungsvorschlägen zu den zugeordneten Bildprotagonisten: zum Porträt von Papst Pius II.,2 von Carlo de’ Medici,3 zur rechten Randfigur als Fra Diamante oder als Selbstbildnis Fra Filippos,4 zu den beiden dunkel gekleideten Figuren als Erzpriester der Pieve von Ruda5 und zum vorgeschlagenen Porträt von Fra Diamante.6
Verweise
Ruda 1993, 464 deutet die Figur aufgrund ihrer Kleidung als Porträt eines Laienpriesters.↩︎
Borsook 1980, 102f.↩︎
Ebd. Siehe auch Roettgen 1996, 309.↩︎
Die Tradition, in den beiden schwarz gekleideten Figuren rechts im Begräbnis des hl. Stephanus ein Selbstbildnis Fra Filippos sowie ein Bildnis Fra Diamantes zu sehen, geht auf Vasari zurück (Vasari 2011, 29–31), wobei der frühe Kunsthistoriker wie einige seiner NachfolgerInnen in seinen Formulierungen so vage bleibt, dass unklar ist, in welcher der beiden Figuren welcher der beiden Maler dargestellt sein soll.
Ruda 1993, 464.↩︎
Roettgen 1996, 309.↩︎
Forschungsergebnis: Lippi, Fra Filippo
| Künstler des Bildnisses: | Lippi, Fra Filippo |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Status Anmerkungen: | Häufig wird in der Literatur nicht völlig klar, ob sich Ausführungen auf die rechte Randfigur (Dreiviertelprofil) oder auf die zweite Figur von rechts (frontal, abstehende Ohren) beziehen. |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Fra Diamante; ein Erzpriester der Pieve von Ruda |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Vasari | 1550 | Vasari 2011 – Das Leben des Florentiner Malers | 29–31 |
Detailsbenennt Figur nicht eindeutig
|
| Skeptisch/verneinend | Benkard | 1927 | Benkard 1927 – Das Selbstbildnis vom 15 | 5 |
Detailsbenennt Figur nicht eindeutig
|
| Skeptisch/verneinend | Prinz | 1966 | Prinz 1966 – Vasaris Sammlung von Künstlerbildnissen | 38, 86 |
Detailsbenennt Figur nicht eindeutig
|
| Bejahend | Borsook | 1980 | Borsook 1980 – The Mural Painters of Tuscany | 103 |
Detailsnur Erwähnung
|
| Skeptisch/verneinend | Ruda | 1993 | Ruda 1993 – Fra Filippo Lippi | 464 | - |
| Skeptisch/verneinend | Holmes | 1999 | Holmes 1999 – Fra Filippo Lippi | 156f | - |
| Bejahend | Rossi | 2012 | Rossi 2012 – I pittori fiorentini del Quattrocento | 171 | - |
| Bejahend | Rossi | 2020 | Rossi 2020 – Perugino, Antoniazzo e Filippo Lippi | o. S. | - |
Vasari (1550) beschreibt Fra Filippos Fresken in Prato ausführlich und lobend und äußert sich zum Selbstbildnis mit folgenden Worten: „Rings um die Festtafel [des Herodes] sieht man unzählige Figuren in sehr schönen Posen und mit gut ausgeführten Gewändern und Gesichtszügen. Unter ihnen hat er sich mit Hilfe eines Spiegels in einem schwarzen Prälatenhabit selbst porträtiert und unter denen, die den Heiligen Stephanus beweinen, auch seinen Schüler Fra Diamante“.1 Obwohl eine Restunsicherheit bleibt und die Textstelle etwa auch auf die zweite Figur von rechts (siehe Selbstbildnis 2) gemünzt sein könnte, wird üblicherweise angenommen, dass sich Vasari mit dieser Beschreibung auf die rechte Randfigur im Begräbnis des hl. Stephanus bezieht.
Benkard (1927) erwähnt Vasaris Identifizierungsvorschlag und lehnt ihn ab, denn die Figur zeige „weder in der Stellung der Augen die Charakteristika einer solchen Arbeit, noch in der Bildung der Züge Verwandtschaft mit dem von uns abgebildeten Kopf aus der Krönung Mariae in den Uffizien“.2
Prinz (1966) geht davon aus, dass Vasari mit seinem Hinweis, Fra Filippo habe sich in einem Prälaten – und somit im Begräbnis des hl. Stephanus – in den Prateser Fresken porträtiert, falsch liegt. Stattdessen nimmt der Autor an, dass sich der Maler in der Disputation in der Synagoge darstellte.3
Borsook (1980) schreibt, Marchini habe die Figur direkt hinter dem Porträt Carlo de’ Medicis als Selbstbildnis Fra Filippos identifiziert.4 Marchini dürfte das Selbstbildnis Fra Filippos in der ersten Figur von rechts sehen (siehe Selbstbildnis 2), möglicherweise versteht Borsook aber, dass Marchini das Selbstbildnis in der zweiten Figur von rechts annimmt.5
Ruda (1993) erklärt, zwischen der zweiten Figur von rechts und dem Selbstbildnis Fra Filippos im Marientod in Spoleto würden durchaus Ähnlichkeiten bestehen, weswegen auch verständlich sei, dass Borsook Marchinis Identifizierung des Selbstbildnisses Fra Filippos in der rechten Randfigur fälschlicherweise auf diese Figur bezogen habe.6 Der Autor beschreibt jedoch die Nase der zweiten Figur von rechts als deutlich kürzer und ihre Lippen als dünner als jene der Figur in Spoleto. Gegen ein Selbstbildnis in beiden rechts stehenden Figuren in Prato spricht laut Ruda die Kleidung, die sie als Laienpriester und somit wohl als Porträts von Mitgliedern der Pieve ausweise.7
Holmes (1999) erwähnt, dass das Selbstbildnis Fra Filippos sowohl in der rechten Randfigur als auch in der zweiten Figur von rechts gesehen wurde und analysiert anschließend letztere als Selbstbildnis (siehe Selbstbildnis 2).8
Rossi äußert sich in Publikationen 2012 und 2020 je in ähnlicher Weise zu den Selbstbildnissen Fra Filippos, wobei er insgesamt sieben für plausibel hält und zwei davon für unwiderlegbar. Beide dieser gesicherten Selbstbildnisse sieht er im Stephanus-Zyklus in Prato, eines in der Disputation in der Synagoge und eines in der hier diskutierten Figur. Fra Filippo porträtiere sich wie von Marchini ausgeführt am rechten Bildrand gleich hinter dem Bildnis Papst Pius’ II., worin möglicherweise eine Anspielung auf dessen Intervention zugunsten der Beziehung des Malermönchs zu Lucrezia Buti zu sehen sei. Durch die Bezugnahme auf Marchinis Identifizierung (siehe Selbstbildnis 2) entsteht zunächst der Eindruck, Rossi spreche von der rechten Randfigur, ausgeführt im Dreiviertelprofil, als Selbstbildnis Fra Filippos. Allerdings behandelte der Autor unmittelbar zuvor das Selbstbildnis in der Disputation, wobei er angibt, der Meister habe sich in der frontal dargestellten Figur mit den abstehenden Ohren porträtiert. Dieses und das hier diskutierte Bildnis hält er nun für „praticamente sovrapponibili“9, wodurch kein Zweifel bestehe, dass es sich um dieselbe Person handeln müsse.10
Verweise
Vasari 2011, 29–31.↩︎
Benkard 1927, 5. Aus den Ausführungen des Autors geht nicht eindeutig hervor, welche Figur er als das von Vasari vorgeschlagene Selbstbildnis annimmt – er könnte sich auf die rechte Randfigur ebenso wie auf die zweite Figur von rechts beziehen.↩︎
Prinz 1966, 38, 86. Aus den Ausführungen des Autors geht nicht eindeutig hervor, welche Figur er als „Prälat“ definiert, es könnte sowohl die rechte Randfigur als auch die zweite Figur von rechts gemeint sein.↩︎
Borsook 1980, 103.↩︎
Ruda 1993, 464 gibt an, Borsook habe Marchini in diesem Sinne missverstanden. Zu Marchinis Ausführungen siehe Selbstbildnis 2.↩︎
Borsook 1980, 103 verweist allerdings lediglich auf Marchinis Vorschlag, ohne näher darauf einzugehen.↩︎
Ruda 1993, 464.↩︎
Holmes 1999, 156f.↩︎
Rossi 2012, 171.↩︎
Ebd.; Rossi 2020, o. S.↩︎
Bildnis 2
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | erste (schwarz gekleidete) Figur von rechts |
| Ausführung Körper: | Ganzfigur stehend |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Assistenzfigur beim Begräbnis des hl. Stephanus |
| Blick/Mimik: | Blick aus dem Bild |
| Gesten: | Arme vor dem Körper abgewinkelt; Hände übereinandergelegt; Hände raffen Kleidung nach oben |
| Körperhaltung: | aufrecht |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | die Figur befindet sich gemeinsam mit acht weiteren stehenden Männern auf einem Podest rechts des aufgebahrten hl. Stephanus; die Figur überschneidet die links hinter ihr stehende Figur stark; selbst wird sie lediglich leicht von der rot gekleideten Figur links und von den Felsen, die zur rechts anschließenden Szene des Martyriums des hl. Stephanus gehören, überschnitten; diese Felsen scheinen aber im Übrigen wie an die Silhouette der Figur angepasst; die Figur steht an einer Bildschwelle, am Übergang zum rechts anschließenden und in den Bildraum hineinragenden Bildfeld mit der Steinigung |
| Kleidung: | schwarze Kleidung, schwarze Kopfbedeckung |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | in einer Gruppe von Männern rechts der Totenbahre des hl. Stephanus, in denen zeitgenössische Porträts vermutet werden: rot gekleidete Figur vorgeschlagen als Papst Pius II.; Figur mit roter Kopfbedeckung rechts dahinter vorgeschlagen als Carlo de’ Medici (ab 1460 Propst der Kirche); insbesondere zugeordnet der hinter ihr stehenden, ebenfalls dunkel gekleideten Figur in Frontalansicht, diese vorgeschlagen als Fra Diamante (Werkstattmitglied Fra Filippos) oder als Selbstbildnis Fra Filippos; die beiden letztgenannten Figuren sind außerdem vorgeschlagen als Erzpriester der Pieve von Ruda; die zu Füßen des Totenbettes kniende Figur, die aus dem Bild blickt, vorgeschlagen als Fra Diamante |
Zur Deutung der Figur auf Basis seiner Kleidung.1 Zu Identifizierungsvorschlägen zu den zugeordneten Bildprotagonisten: zum Porträt von Papst Pius II.,2 von Carlo de’ Medici,3 zur rechten Randfigur als Fra Diamante oder als Selbstbildnis Fra Filippos (siehe Selbstbildnis 2),4 zu den beiden dunkel gekleideten Figuren als Erzpriester der Pieve von Ruda5 und zum vorgeschlagenen Porträt von Fra Diamante.6
Verweise
Ruda 1993, 464 deutet die Figur aufgrund ihrer Kleidung als Porträt eines Laienpriesters.↩︎
Borsook 1980, 102f.↩︎
Ebd. Siehe auch Roettgen 1996, 309.↩︎
Die Tradition, in den beiden schwarz gekleideten Figuren rechts im Begräbnis des hl. Stephanus ein Selbstbildnis Fra Filippos sowie ein Bildnis Fra Diamantes zu sehen, geht auf Vasari zurück (Vasari 2011, 29–31), wobei der frühe Kunsthistoriker wie einige seiner NachfolgerInnen in seinen Formulierungen so vage bleibt, dass unklar ist, in welcher der beiden Figuren welcher der beiden Maler dargestellt sein soll (siehe Forschungsstand zu Selbstbildnis 1 und Selbstbildnis 2).↩︎
Ruda 1993, 464.↩︎
Roettgen 1996, 309.↩︎
Forschungsergebnis: Lippi, Fra Filippo
| Künstler des Bildnisses: | Lippi, Fra Filippo |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Fra Diamante; ein Erzpriester der Pieve von Ruda |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Vasari | 1550 | Vasari 2011 – Das Leben des Florentiner Malers | 29–31 |
Detailsbenennt Figur nicht eindeutig
|
| Bejahend | Cavalcaselle/Crowe | 1864 | Cavalcaselle, Crowe 1864 – A New History of Painting | 343 |
DetailsBeurteilung offenbar beruhend auf einem irreführenden Stich
|
| Bejahend | Cavalcaselle/Crowe | 1892 | Cavalcaselle, Crowe 1892 – Storia della pittura in Italia | 207 |
DetailsBeurteilung möglicherweise beruhend auf einem irreführenden Stich
|
| Bejahend | Ulmann | 1893 | Ulmann 1893 – Sandro Botticelli | 8 | - |
| Bejahend | Woermann | 1906 | Woermann 1906 – Die italienische Bildnismalerei der Renaissance | 36f | - |
| Skeptisch/verneinend | Mendelsohn | 1909 | Mendelsohn 1909 – Fra Filippo Lippi | 132 | - |
| Bejahend | Cavalcaselle/Crowe | 1911 | Cavalcaselle, Crowe 1911 – Umbria, Florence and Siena | 168 |
DetailsBeurteilung möglicherweise beruhend auf einem irreführenden Stich
|
| Skeptisch/verneinend | Benkard | 1927 | Benkard 1927 – Das Selbstbildnis vom 15 | 5 | - |
| Skeptisch/verneinend | Prinz | 1966 | Prinz 1966 – Vasaris Sammlung von Künstlerbildnissen | 38, 86 |
Detailsbenennt Figur nicht eindeutig
|
| Bejahend | Marchini | 1975 | Marchini 1975 – Filippo Lippi | 10 | - |
| Skeptisch/verneinend | Ruda | 1993 | Ruda 1993 – Fra Filippo Lippi | 464 | - |
| Bejahend | Roettgen | 1996 | Roettgen 1996 – Wandmalerei der Frührenaissance in Italien | 309 | - |
| Bejahend | Holmes | 1999 | Holmes 1999 – Fra Filippo Lippi | 156f | - |
Vasari (1550) beschreibt Fra Filippos Fresken in Prato ausführlich und lobend und äußert sich zum Selbstbildnis mit folgenden Worten: „Rings um die Festtafel [des Herodes] sieht man unzählige Figuren in sehr schönen Posen und mit gut ausgeführten Gewändern und Gesichtszügen. Unter ihnen hat er sich mit Hilfe eines Spiegels in einem schwarzen Prälatenhabit selbst porträtiert und unter denen, die den Heiligen Stephanus beweinen, auch seinen Schüler Fra Diamante“.1 Obwohl eine Restunsicherheit bleibt und die Textstelle etwa auch auf die zweite Figur von rechts (siehe Selbstbildnis 1) gemünzt sein könnte, wird üblicherweise angenommen, dass sich Vasari mit dieser Beschreibung auf die rechte Randfigur im Begräbnis des hl. Stephanus bezieht.
Cavalcaselle und Crowe (1864, 1892, 1911) sind der Ansicht, dass sich Fra Filippo in der rechten Randfigur („man at the extreme right“2), die dem Betrachter das Gesicht frontal zuwende und eine schwarze Mütze trage, selbst dargestellt hat – dafür spreche die Ähnlichkeit zur Bildnisbüste im Grabdenkmal in Spoleto sowie zum Selbstbildnis im Marientod, mit dem auch die Haltung der Figur übereinstimme.3
Ulmann (1893) spricht sich für ein Selbstbildnis Fra Filippos in der rechten Randfigur aus, die Figur dahinter stellt für ihn dessen „wackeren Gehilfen“ Fra Diamante dar.4
Woermann (1906) stimmt dem Vorschlag zu, ein Selbstbildnis Fra Filippos in der ersten Figur von rechts anzunehmen, und ergänzt, der Künstler bringe sich hier an ähnlicher Stelle wie im Marientod in Spoleto ein.5
Mendelsohn (1909) lehnt Vasaris Vorschlag ab, weil die hier diskutierte Figur weder Fra Filippos Bildnis im Grabdenkmal in Spoleto (siehe die Vorbemerkung zum Künstler) noch dem Selbstbildnis des Malers in der Marienkrönung ausreichend ähnlich sehe. (Allerdings geht Mendelsohn davon aus, dass sich Fra Filippo in jener Figur rechts unten in der Marienkrönung darstellte, die heute als Stifterporträt gilt.)6
Benkard (1927) erwähnt Vasaris Identifizierungsvorschlag und lehnt ihn ab, denn die Figur zeige „weder in der Stellung der Augen die Charakteristika einer solchen Arbeit, noch in der Bildung der Züge Verwandtschaft mit dem von uns abgebildeten Kopf aus der Krönung Mariae in den Uffizien“.7
Prinz (1966) geht davon aus, dass Vasari mit seinem Hinweis, Fra Filippo habe sich in einem Prälaten – und somit im Begräbnis des hl. Stephanus – in den Prateser Fresken porträtiert, falsch liegt. Stattdessen nimmt der Autor an, dass sich der Maler in der Disputation in der Synagoge darstellte.8
Marchini (1975) geht davon aus, dass sich Fra Filippo in „l’ultimo personaggio sulla destra“ dargestellt hat und beschreibt die Figur als in ihren Habit gehüllt wie in einen Kokon und mit durchdringendem Blick die Szene beobachtend. Der Maler habe sich etwas unverschämt direkt hinter den Papst – sofern dieser hier tatsächlich dargestellt sei – platziert. Neben sich habe Fra Filippo Fra Diamante mit dem Gesicht eines Bauern und schmalem Kinn („mandibole strette“) dargestellt.9
Ruda (1993) zufolge kann in der hier diskutierten Figur kein Selbstbildnis Fra Filippos vorliegen, da sie keinerlei Ähnlichkeiten zu wahrscheinlicheren Porträts des Künstlers aufweise. Gegen ein Selbstbildnis sowohl in der rechten Randfigur als auch in der zweiten Figur von rechts spreche weiters ihre Kleidung, die sie als Laienpriester und somit wohl als Porträts von Mitgliedern der Pieve ausweise.10
Roettgen (1996) schreibt, dass die rechte Randfigur als einzige Figur die von Vasari angegebenen Merkmale des Selbstbildnisses Fra Filippos im Begräbnis des hl. Stephanus aufweise.11
Für Holmes (1999) stellen die Selbstbildnisse Fra Filippos eine indirekte Auseinandersetzung mit seiner künstlerischen Identität dar. Die Autorin merkt an, dass der Maler im Begräbnis des hl. Stephanus die Pose des rot gekleideten Geistlichen, der möglicherweise Pius II. darstellt, nachahmt. Weiters betont sie, dass Fra Filippo sich an einem Bruch in der visuellen Logik der Erzählung positioniert: Unmittelbar rechts von ihm ragen die Felsen, welche die Szene mit der Steinigung des hl. Stephanus abgrenzen, in den Kirchenraum, der die Bühne für das Begräbnis bildet, und überschneiden eine gemalte Säule. So werde anders als bei den von architektonischer Rahmung begrenzten Bildfeldern der zeitliche Fluss betont und der Künstler stehe hier direkt bei einer Demonstration seines ingegno als eine Verkörperung der künstlerischen Freiheit. Möglicherweise, so Holmes, nahm sich Fra Filippo für den Bildaufbau Lippo di Andreas Begräbnis der hl. Cäcilia in Sta. Maria del Carmine zum Vorbild.12
Verweise
Vasari 2011, 29–31.↩︎
Cavalcaselle/Crowe 1864, 343.↩︎
Ebd.; Cavalcaselle/Crowe 1892, 207; Cavalcaselle/Crowe 1911, 168. Die Beschreibung der Autoren erweist sich als problematisch, da im Fresko nicht die rechte Randfigur, sondern die zweite Figur von rechts frontal dargestellt ist und auch jener in Spoleto ähnlicher schaut als die rechte Randfigur. Möglicherweise lässt sich diese Unschärfe mit dem nicht gänzlich originalgetreuen Stich nach dem Fresko erklären, der in die Ausgabe von 1864 vor Seite 341 eingefügt ist (online Abbildung, eingesehen am 28.09.2022): Hier ist es nämlich die rechte Randfigur, die annähernd frontal zum Betrachter ausgerichtet ist, während die zweite Figur von rechts in Dreiviertelansicht dargestellt ist.↩︎
Ulmann 1893, 8.↩︎
Woermann 1906, 36f.↩︎
Mendelsohn 1909, 132.↩︎
Benkard 1927, 5. Aus den Ausführungen des Autors geht nicht eindeutig hervor, welche Figur er als das von Vasari vorgeschlagene Selbstbildnis annimmt – er könnte sich auf die rechte Randfigur ebenso wie auf die zweite Figur von rechts beziehen.↩︎
Prinz 1966, 38, 86. Aus den Ausführungen des Autors geht nicht eindeutig hervor, welche Figur er als „Prälat“ definiert, es könnte sowohl die rechte Randfigur als auch die zweite Figur von rechts gemeint sein.↩︎
Marchini 1975, 10.↩︎
Ruda 1993, 464.↩︎
Roettgen 1996, 309.↩︎
Holmes 1999, 156f. Die Lippo di Andrea zugeschriebenen Fresken in der Sakristei von Sta. Maria del Carmine in Florenz datieren auf das erste Viertel des 15. Jahrhunderts (Abbildung etwa hier: http://catalogo.fondazionezeri.unibo.it/entry/work/4799/, eingesehen am 29.09.2022).↩︎
Bildnis 3
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | erste stehende Figur von links in der Gruppe am Fußende des Totenbetts |
| Ausführung Körper: | Hüftbild stehend |
| Ausführung Kopf: | annähernd im Profil |
| Ikonografischer Kontext: | Assistenzfigur beim Begräbnis des hl. Stephanus |
| Blick/Mimik: | Blick nach links unten zum aufgebahrten hl. Stephanus |
| Gesten: | die Figur hat ihre rechte Hand mit der Handfläche zum Betrachter erhoben, ihre linke Hand umfasst den über die Schulter geworfenen Mantel |
| Körperhaltung: | aufrecht stehend |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | die Figur steht in der Gruppe von Männern am Fußende des Totenbetts des hl. Stephanus; sie wird von den vor ihr am Boden sitzenden bzw. knienden Figuren teilweise überschnitten |
| Kleidung: | reich verzierter Mantel |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | Figur dahinter vorgeschlagen als Fra Diamante; gegenüber am Kopfende der Bahre positionierte weiß gekleidete Figur mit roter Kopfbedeckung vorgeschlagen als Filippino Lippi |
Forschungsergebnis: Lippi, Fra Filippo
| Künstler des Bildnisses: | Lippi, Fra Filippo |
| Status: | Einzelmeinung |
| Status Anmerkungen: | Die Ansicht, dass Fra Filippos Selbstbildnis in dieser Figur zu suchen ist, dürfte früher weiter verbreitet gewesen sein. Sie wurde jedoch seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrheitlich abgelehnt und findet in der aktuelleren Forschung keine Berücksichtigung mehr. |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Baldanzi | 1835 | Baldanzi 1835 – Delle Pitture di Fra Filippo | 40f | - |
| Skeptisch/verneinend | Cavalcaselle/Crowe | 1864 | Cavalcaselle, Crowe 1864 – A New History of Painting | 343 | - |
| Skeptisch/verneinend | Cavalcaselle/Crowe | 1892 | Cavalcaselle, Crowe 1892 – Storia della pittura in Italia | 206f | - |
| Skeptisch/verneinend | Ulmann | 1893 | Ulmann 1893 – Sandro Botticelli | 8 | - |
| Skeptisch/verneinend | Cavalcaselle/Crowe | 1911 | Cavalcaselle, Crowe 1911 – Umbria, Florence and Siena | 167f | - |
Baldanzi (1835) schreibt, das Selbstbildnis Fra Filippos sei in der hier diskutierten Figur zu erkennen, die ihre Hand wie zum Segen erhebe, während die unmittelbar dahinterstehende Figur Fra Diamante darstelle. Der Autor liefert keine Gründe für die von ihm vorgenommene Identifizierung.1
Für Cavalcaselle und Crowe (1864, 1892, 1911) ist es ausgeschlossen, dass Fra Filippo sich hier gemeinsam mit Fra Diamante proträtiert hat. Ihrer Ansicht nach sprechen Position und Kleidung gegen Malerbildnisse, viel mehr aber noch die fehlende Ähnlichkeit zum Selbstbildnis Fra Filippos in der Marienkrönung sowie zur Porträtbüste im Grabmonument in Spoleto (siehe die Vorbemerkung zum Künstler). Stattdessen schlagen sie vor, in einer Figur rechts im Bildfeld ein Selbstporträt Fra Filippos zu sehen siehe Selbstbildnis 1).2
Ulmann (1893) lehnt ein Selbstbildnis Fra Filippos in der hier diskutierten Figur aus denselben Gründen wie Cavalcaselle und Crowe ab.3
Verweise
Baldanzi 1835, 40f. Marchini vertritt zudem die Meinung, bei der weiß gekleideten Figur mit roter Kopfbedeckung am Kopfende der Bahre handle es sich um Filippino Lippi, vgl. Marchini 1975, 211. Marchinis Vorschlag ist unhaltbar, da Filippino Lippi erst 1457 geboren wurde und somit zum Entstehungszeitpunkt des Freskos erst ein Kleinkind war.↩︎
Cavalcaselle/Crowe 1864, 343; Cavalcaselle/Crowe 1892, 206f; Cavalcaselle/Crowe 1911, 167f.↩︎
Ulmann 1893, 8.↩︎
Bildnis 4
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | erste Figur von links |
| Ausführung Körper: | Ganzfigur stehend |
| Ausführung Kopf: | annähernd im Profil |
| Ikonografischer Kontext: | Assistenzfigur beim Begräbnis des hl. Stephanus |
| Blick/Mimik: | Blick nach schräg links unten aus dem Bild |
| Gesten: | die Figur hält ihren rechten Arm locker und leicht angewinkelt seitlich um den Körper |
| Körperhaltung: | aufrecht; dem Betrachter fast vollständig den Rücken zugekehrt; Kopf nach rechts gedreht |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | die Figur befindet sich gemeinsam mit anderen Männern (größtenteils Geistliche) auf einem Podest neben dem Kopfende der Bahre des hl. Stephanus; durch ihre Körperhaltung bildet sie eine Art das Bild nach links abschließender Klammer; durch ihren über die Schulter nach unten aus dem Bild gerichteten Blick stellt sie eine Beziehung zum Betrachter her; Figur steht auf dem Sockel mit der Signatur Fra Filippos (siehe Angaben zum Objekt) |
| Kleidung: | einfache dunkle Kopfbedeckung; weißes Unterkleid; roter geschmückter Mantel |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | in einer Gruppe von Männern links der Totenbahre des hl. Stephanus; in den beiden Figuren am rechten Bildrand wird ein Selbstbildnis Fra Filippos sowie ein Bildnis Fra Diamantes vermutet; ein weiteres Bildnis Fra Diamantes schlägt Roettgen in der zu Füßen des Totenbettes knienden Figur vor, die aus dem Bild blickt |
Forschungsergebnis: Fra Diamante
| Künstler des Bildnisses: | Fra Diamante |
| Status: | Einzelmeinung |
| Status Anmerkungen: | Rossis Vorschlag wurde in der Forschung nicht aufgegriffen. |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Bejahend | 2020 | Rossi | Rossi 2020 – Perugino, Antoniazzo e Filippo Lippi | o. S. | - |
| Erstzuschreibung | 2012 | Rossi | Rossi 2012 – I pittori fiorentini del Quattrocento | 171 | - |
Rossi äußert sich in seinen Publikationen von 2012 und 2020 zu Selbstbildnissen Fra Diamantes in den Prateser Fresken. Dem Autor zufolge hat sich der Gehilfe Fra Filippos einmal in der Disputation in der Synagoge dargestellt und einmal in der linken Randfigur vom Begräbnis des hl. Stephanus, wo er den typischen Blick eines Künstlers aufweise, der sich beim Malen im Spiegel betrachte. Der Maler sei damals ca. 30 Jahre alt gewesen, was zum Alter dieser Figur passe, nicht jedoch zur als Bildnis Fra Diamantes aus der Hand Fra Filippos vorgeschlagenen, deutlich älteren Figur im rechten Bildbereich (siehe die Vorbemerkung zu Fra Diamante). Die Kleidung der Figur beschreibt Rossi als „Kutte“ (saio). Rossi zeigt sich überdies überzeugt davon, dass die Physiognomie der Figur zum Bildnis Fra Diamantes im Marientod Fra Filippos in Spoleto passe.1
Verweise
Rossi 2012, 171; Rossi 2020, o. S.↩︎
Gordischer Knoten
Die Selbstbildnisse Fra Filippo Lippis
Unter den ForscherInnen, die sich mit dem Begräbnis des hl. Stephanus auseinandersetzten, herrscht Einigkeit darüber, dass Fra Filippo hier in den differenziert ausgeführten Köpfen zahlreiche Zeitgenossen und wohl auch sich selbst porträtierte, die einzelnen Identifizierungen sind deutlich umstrittener.1 Drei Figuren wurden als Selbstbildnisse Fra Filippos vorgeschlagen, weitere als (Selbst-)Bildnisse seines Gehilfen Fra Diamante (s. u.). Insgesamt präsentiert sich ein komplexes Gemenge an Forschungsmeinungen, die sich aufgrund fehlender oder zu kurz greifender Beschreibungen nicht immer eindeutig auf eine bestimmte Figur beziehen lassen. Das Problem nimmt seinen Anfang bereits bei Vasari, aus dessen Ausführungen man fast ebenso gut schließen könnte, er spreche von einem Selbstbildnis Fra Filippos im Gastmahl des Herodes. Dort allerdings fehlt eine passende Figur, sodass es plausibel ist, seine Identifizierung auf die beiden rechten Randfiguren im Begräbnis zu beziehen. Beide sind in Schwarz gekleidet und blicken aus dem Bild, beide stehen unmittelbar hinter der rot gekleideten Figur, auf die in den Analysen häufig Bezug genommen wird. Und so lässt sich bis heute etwa nicht eindeutig feststellen, ob nun eine Mehrheit der ForscherInnen der rechten Randfigur (Selbstbildnis 2) oder der zweiten Figur von rechts (Selbstbildnis 1) den Vorzug gibt, wobei sich aber eine Tendenz zur Randfigur ablesen lässt.
Diese Frage kann auch hier nicht geklärt werden, es sollen aber (nochmals) einige Beobachtungen bzw. Argumente angerissen werden. Das Alter beider Figuren scheint grob passend für Fra Filippo, der während des Freskierungszeitraums zwischen Mitte 40 und um die 60 Jahre alt war. Eine genauere Einschätzung verbietet hierbei nicht zuletzt der schlechte Erhaltungszustand der Wandbilder, die teils in secco ausgeführt wurden. Auch physiognomische Vergleiche gestalten sich schwierig bzw. führen zu widersprüchlichen Ergebnissen: Die zweite Figur von rechts weist in ihrer frontalen Ausrichtung, mit ihren abstehenden Ohren und ihren Gesichtszügen Ähnlichkeiten zum Selbstbildnis im Marientod in Spoleto auf, die rechte Randfigur ließe sich dafür besser mit der Porträtbüste am Epitaph ebendort in Einklang bringen (zur Büste und zu den physiognomischen Typen der vorgeschlagenen Selbstbildnisse Fra Filippos siehe die Vorbemerkung zum Künstler). Geht man davon aus, dass in den beiden Figuren Meister und Gehilfe dargestellt sind, so stünde der prominentere Platz dem Meister zu. Dies würde für ein Selbstbildnis Fra Filippos in der Randfigur sprechen, die im Gegensatz zur anderen kaum überschnitten wird und in ihrer Pose überdies die vor ihr stehende rot gekleidete Figur, in der Papst Pius II. gesehen wird, imitiert. Auch der Blick der Randfigur geht klarer aus dem Bild und spricht den Betrachter direkt an, während die zweite Figur von rechts zumindest mit einem Auge eher nach rechts schielt, wodurch die Blickrichtung insgesamt unbestimmt wirkt. Wenn in einer der Figuren ein Selbstbildnis Fra Filippos gesehen werden soll, so kann auch hier im Anschluss an die Mehrheit der Forschungsmeinungen ein vorsichtiges Votum für die rechte Randfigur abgegeben werden.
Der Vorschlag, in der Figur mit der erhobenen rechten Hand am Fußende des Totenbetts (Selbstbildnis 3) ein Selbstbildnis zu sehen, kann – wie dies auch in der Forschung geschieht – vernachlässigt werden; hier ist eher das Porträt eines geistlichen Würdenträgers zu vermuten.
Die (Selbst-)Bildnisse Fra Diamantes: Ist es der da, der da, der da oder der da?
Fra Filippos Gehilfe Fra Diamante könnte wie sein Meister ein Selbstbildnis in das Bildfeld mit dem Begräbnis des hl. Stephanus eingefügt haben – ebenso wie vier Figuren als Bildnisse Fra Diamantes aus der Hand Fra Filippos vorgeschlagen sind. Rossi sieht das Selbstbildnis Fra Diamantes in der linken Randfigur; früher wurde der junge Mann hinter der Figur mit erhobener Hand am Fußende des Totenbetts als Bildnis gedeutet2 und in jüngerer Zeit wurden einerseits die am Fußende knieende Figur, die aus dem Bild blickt,3 und andererseits sowohl die rechte Randfigur als auch die zweite Figur von rechts als Bildnisse vorgeschlagen.4 Bei den beiden letztgenannten Figuren wird jedoch auch die Meinung vertreten, dass es sich um Selbstbildnisse Fra Filippos handeln könnte. Insgesamt befinden sich im Bildfeld also fünf Figuren, in denen das Antlitz Fra Diamantes vermutet wurde oder wird.
Der Maler war zum Entstehungszeitpunkt des Freskos ca. 30 Jahre alt, was gegen die beiden Figuren am rechten Rand spricht, die trotz des schlechten Erhaltungszustandes des Freskos wohl deutlich ältere Männer darstellen dürften.5 Die etwas schüchtern hinter dem Mann mit erhobener Hand sichtbar werdende Figur wiederum wirkt genau wie die knieende Figur etwas zu jung, während die linke Randfigur tatsächlich um die 30 Jahre alt sein könnte. Nur war Fra Diamante ein einfacher Karmelitermönch, zu dem die kostbare rote Kleidung der Figur nicht recht passen will.
Rossis Argumente, die Figur weise den üblichen Selbstbildnisblick auf und sehe dem Bildnis Fra Diamantes im Marientod in Spoleto ähnlich, sind nicht zu widerlegen, bleiben aber zu schwach, um seinem Vorschlag tatsächlich zuzustimmen, denn die Ähnlichkeit ist sehr allgemein und oberflächlich und der Blick allein kein belastbarer Beweis. Möglicherweise hat sich Fra Diamante in einer der Figuren des Bildfelds porträtiert oder wurde von seinem Meister dargestellt, möglicherweise wurde bis dato aber die richtige Figur noch gar nicht thematisiert.
Verweise
Borsook 1980, 104 und Roettgen 1996, 309 erwähnen etwa, dass in diesem Bildfeld die größte Anzahl an Tagwerken vorzufinden ist, was die Autorinnen darauf zurückführen, dass hier besonders viele Porträts untergebracht wurden.↩︎
Baldanzi 1835, 40f.↩︎
Roettgen 1996, 309.↩︎
Der Vorschlag, in den beiden rechten Randfiguren ein Selbstbildnis Fra Filippos und ein Bildnis Fra Diamantes zu sehen, geht auf Vasari zurück (siehe Forschungsstand zu Selbstbildnis 1 und Selbstbildnis 2). Für Ulmann 1893, 8 etwa stellt die zweite Figur von rechts Fra Diamante dar.↩︎
Dieses Argument führt auch Ruda 1993, 464 konkret gegen den Vorschlag, Fra Diamante in der zweiten Figur von rechts zu sehen, ins Treffen.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Gstir, Verena: Begräbnis des hl. Stephanus (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/lippi-fra-filippo-begrabnis-des-hl-stephanus-um-1452-bis-1464-prato-duomo-di-prato/ (05.12.2025).