Inhaltsverzeichnis
Objekt
Bildrechte
| Detailtitel: | Marientod (Teil von: Szenen aus dem Leben Mariens) |
| Alternativtitel Deutsch: | Tod Mariens; Tod Mariä und Gürtelspende; Dormitio virginis; Grabtragung |
| Titel in Originalsprache: | Morte della Vergine |
| Titel in Englisch: | Transitus of the Madonna; Dormition of the Virgin; The Dormition and Assumption of the Virgin |
| Datierung: | 1467 bis 1469 |
| Anmerkungen zur Datierung: | Nach dem Tod Fra Filippos am 10. Oktober 1469 war Fra Diamante für das Projekt zuständig, das kurz vor Weihnachten desselben Jahres abgeschlossen war. |
| Ursprungsregion: | italienischer Raum |
| Lokalisierung: | Italien; Spoleto; Duomo di Spoleto |
| Lokalisierung (Detail): | Chorapsis; zentrales Bildfeld; Teil der malerischen Gesamtausstattung bestehend aus: Verkündigung an Maria (linkes Bildfeld), Marientod und Himmelfahrt Mariens (zentral) und Geburt Christi mit anbetenden Hirten (rechts) an der Apsiswand; Propheten am Triumphbogen; Marienkrönung in der Halbkuppel |
| Medium: | Wandbild |
| Material: | Fresko; Tempera |
| Ikonografische Bezeichnung: | Marienleben: Marientod |
| Iconclass: | 73E74(+5) – the Dormition: Mary on her deathbed; the apostles are gathered around her (John the Evangelist may be shown sleeping or dreaming) (+ donor(s), supplicant(s), whether or not with patron saint(s)) |
| Datierung Wortlaut: | ohne |
| Signatur/Datierung Position: | ohne |
| Auftraggeber/Stifter: | Opera del Duomo im Auftrag der Kommune von Spoleto; die erste Ratenzahlung stiftete Berardo Kardinal Eroli (Bischof von Spoleto) |
| Provenienz: | in situ |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | öffentlich |
Bildnis 1
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | einzige frontal zum Betrachter gewendete Figur in der Gruppe am Fuße des Totenbetts |
| Ausführung Körper: | Ganzfigur stehend |
| Ausführung Kopf: | Frontalansicht |
| Ikonografischer Kontext: | evtl. Werkstattbildnis |
| Blick/Mimik: | Blick nach links in Richtung Bildmitte bzw. aufgebahrter Maria |
| Gesten: | die rechte Hand der Figur rafft mit gestrecktem kleinem Finger und Zeigefinger den helleren Umhang, während ihre linke Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die rechte bzw. möglicherweise auch auf das zentrale Geschehen zeigt |
| Körperhaltung: | aufrecht, frontal zum Betrachter ausgerichtet |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | zentrale Figur in der Gruppe am Fuße des Totenbetts; leicht überschnitten vom Totenbett sowie vom weiß gekleideten Engel mit Kerze; die Felsformationen der Landschaften und die Köpfe der links und rechts stehenden Figuren bilden hinter dem Selbstbildnis ein V, wodurch die Aufmerksamkeit auf die Figur gelenkt wird |
| Kleidung: | Karmeliterhabit |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | in einer Gruppe von Figuren, vorgeschlagen als Werkstattmitglieder bzw. mit Fra Filippo in Spoleto anwesende Personen: Fra Diamante (Figur mit verhüllten Händen links des Selbstbildnisses, vorgeschlagen von Pompilj), Piermatteo d’Amelia (Figur mit roter Kopfbedeckung, vorgeschlagen etwa von Zambrano), Filippino Lippi (weiß gekleideter Engel mit Kerze, vorgeschlagen u. a. von Pompilj und Roesler; Roettgen lehnt diese Identifizierung ab, da der Engel zu wenig porträthaft erscheine; Figur mit roter Kopfbedeckung rechts des Selbstbildnisses vorgeschlagen von Horký; blonde Figur, von der lediglich der Kopf sichtbar ist, vorgeschlagen von Woods-Marsden) und Sandro Botticelli (Figur mit verhüllten Händen links des Selbstbildnisses, vorgeschlagen von Dombrowski); bei der Figurengruppe befinden sich auch drei jugendliche Engel |
Zur Identifizierung der Kleidung als Karmeliterhabit.1 Zu Identifizierungsvorschlägen der zugeordneten Protagonisten: Figur mit verhüllten Händen links des Selbstbildnisses als Fra Diamante (Pompilj), Figur mit roter Kopfbedeckung als Piermatteo d’Amelia (Zambrano), Engel als Filippino Lippi (Pompilj, Roesler – Roettgen lehnt diese Identifizierung ab), blonde Figur (nur Haupt sichtbar) als Filippino Lippi (Woods-Marsden), Figur mit verhüllten Händen als Sandro Botticelli (Dombrowski).2
Verweise
Etwa Horký 2003, 61; Roesler 1999, 120; Woods-Marsden 1998, 57.↩︎
Zu den Identifizierungen vgl. Dombrowski [ca. 2005], 3 (unpubliziert); erstmals publiziert in Dombrowski 2013, 73f. Dem Autor gebührt an dieser Stelle herzlicher Dank für die Zurverfügungstellung des unveröffentlichten Beitrags; Horký 2003, 61; Pompilj 1957, 10, 15; Roesler 1999, 120; Roettgen 1996, 397; Woods-Marsden 1998, 60; Zambrano in Zambrano/Nelson 2004, 84.↩︎
Forschungsergebnis: Lippi, Fra Filippo
| Künstler des Bildnisses: | Lippi, Fra Filippo |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Porträt Fra Filippo Lippis von Fra Diamante |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Cavalcaselle/Crowe | 1864 | Cavalcaselle, Crowe 1864 – A New History of Painting | 343f | - |
| Bejahend | Cavalcaselle/Crowe | 1892 | Cavalcaselle, Crowe 1892 – Storia della pittura in Italia | 211 | - |
| Skeptisch/verneinend | Mendelsohn | 1909 | Mendelsohn 1909 – Fra Filippo Lippi | 170 | - |
| Skeptisch/verneinend | Benkard | 1927 | Benkard 1927 – Das Selbstbildnis vom 15 | 5 | - |
| Bejahend | Pompilj | 1957 | Pompilj 1957 – L'ultima opera di Fra Filippo | 10, 15 | - |
| Bejahend | Marchini | 1975 | Marchini 1975 – Filippo Lippi | 9 | - |
| Bejahend | Ruda | 1993 | Ruda 1993 – Fra Filippo Lippi | 295 | - |
| Bejahend | Roettgen | 1996 | Roettgen 1996 – Wandmalerei der Frührenaissance in Italien | 397 | - |
| Skeptisch/verneinend | Woods-Marsden | 1998 | Woods-Marsden 1998 – Renaissance Self-Portraiture | 57–62 |
DetailsPorträt, aber kein Selbstporträt
|
| Bejahend | Holmes | 1999 | Holmes 1999 – Fra Filippo Lippi | 156f | - |
| Bejahend | Roesler | 1999 | Roesler 1999 – Selbstbildnis und Künstlerbild | 120–122, 150–153 | - |
| Bejahend | Horký | 2003 | Horký 2003 – Der Künstler ist im Bild | 61–65, 116 |
Detailsevtl. auch nur Porträt und kein Selbstporträt
|
| Bejahend | Zambrano | 2004 | Zambrano, Nelson 2004 – Filippino Lippi | 85 | - |
| Bejahend | Mannini | 2009 | Mannini 2009 – L'Actualité de Filippo Lippi | 21 | - |
| Bejahend | Rossi | 2012 | Rossi 2012 – I pittori fiorentini del Quattrocento | 172f | - |
| Bejahend | Rossi | 2020 | Rossi 2020 – Perugino, Antoniazzo e Filippo Lippi | o. S. | - |
Cavalcaselle und Crowe (1864, 1892) schreiben, die hier diskutierte Figur, die mit einer Hand auf die Madonna zeige, sei der Marmorbüste am Grabmonument des Malers in Spoleto (siehe die Vorbemerkung zum Künstler) und damit dem erinnerten Bild Fra Filippos am ähnlichsten. Außerdem stellen sie eine Ähnlichkeit zum Selbstbildnis im Begräbnis des hl. Stephanus in Prato fest.1
Mendelsohn (1909) erwähnt, man – etwa Milanesi als Herausgeber Vasaris – habe in der hier diskutierten Figur fälschlicherweise ein Selbstbildnis Fra Filippos gesehen,2 äußert sich zur Identifizierung aber nicht weiter.3
Benkard (1927) hält die kniende Figur rechts unten in der Marienkrönung, in der heute mehrheitlich das Bildnis des Stifters gesehen wird, für ein authentisches Selbstbildnis Fra Filippos. Da diese Figur in der Marienkrönung keinerlei Ähnlichkeiten mit der hier diskutierten Figur im Marientod aufweise, sei ein Selbstbildnis auszuschließen. Zudem erscheint dem Autor die Figur im Marientod viel zu jung, um sich auf einen über 60-jährigen Maler beziehen zu können.4
Pompilj (1957) geht davon aus, dass Fra Filippo in den Fresken Spoletos zahlreiche StadtbewohnerInnen porträtierte.5 Das Selbstbildnis Fra Filippos beschreibt der Autor als das eines kränklichen älteren Mannes, der mit der einen Hand auf die verstorbene Maria zeigt, um damit entweder seine Urheberschaft hervorzuheben oder dem Gedanken an seinen eigenen Tod Ausdruck zu verleihen. Fra Filippos rechte Hand halte in einer Geste des Schwurs den Karmelitermantel. In seiner unmittelbaren Umgebung habe der Maler außerdem seinen Mitarbeiter Fra Diamante in der Figur mit den verhüllten Händen links und seinen Sohn Filippino im Engel mit der Kerze dargestellt. Die jugendliche blonde Figur zwischen dem Selbstbildnis und Fra Diamante interpretiert Pompilj als eine Art Alter Ego des Malers, als Gesicht „della sua anima di artista, della grazia segreta che guidò le amorose delicatezze della sua mano.“6
Marchini (1975) sieht viele Parallelen des Selbstbildnisses Fra Filippos im Marientod zur ebenfalls in Spoleto befindlichen marmornen Porträtbüste des Meisters am Epitaph, die er darauf zurückführt, dass sich Fra Filippos Sohn Filippino beim Entwurf des Denkmals am früheren Selbstbildnis orientierte. Zur Handhaltung Fra Filippos im Selbstbildnis meint Marchini, dass der Maler mit seiner linken Hand auf seine rechte hinweise, welche die typische Geste des Florentiners vollführe, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Filippino habe diese Geste für die Büste übernommen.7
Ruda (1993) erscheint die Annahme plausibel, dass Fra Filippo sich in der Gruppe zu Füßen der Maria zusammen mit den Mitgliedern seiner Werkstatt porträtierte. In Bezug auf das Selbstbildnis hebt Ruda die prominente Art der Positionierung und Darstellung hervor, die sich stark von den dezenteren Selbstbildnissen des Malers in der Pala Barbadori und in der Marienkrönung unterscheide.8
Für Roettgen (1996) wird das Selbstbildnis durch den Abgleich mit jenem in Prato (rechte Randfigur im Begräbnis des hl. Stephanus) bestätigt. Die Autorin nimmt an, Fra Filippo habe sich hier an exponierter Stelle in einer Art Vorahnung seines nahenden Todes porträtiert. Als diese These stützende Elemente erwähnt sie, dass Fra Filippo auf seine Malerhand zeigt, die eine apotropäische Geste vollführt, was eine „Anspielung auf die Ängste des sich seines sündigen Lebens bewußten Klosterbruders“9 sein könnte. Weiters sei bemerkenswert, dass sich der Maler unmittelbar hinter einer Totenkerze darstellte.10
Woods-Marsden (1998) sieht in der hier diskutierten Figur Fra Filippo dargestellt, was durch Ähnlichkeiten zum Selbstbildnis in der Marienkrönung sowie zur Porträtbüste im Grabmonument belegt sei. Allerdings hält die Autorin es für wahrscheinlicher, dass es sich nicht um ein Selbstbildnis, sondern um ein Bildnis des Meisters aus der Hand seines Gehilfen Fra Diamante handelt. Darauf weisen, so Woods-Marsden, der fehlende charakteristische, aus dem Selbststudium im Spiegel resultierende Blick aus dem Bild ebenso hin wie die begleitenden Engel und das Zeigen auf die verstorbene Maria als fürbittende Geste.11
Wie andere vor ihr sieht die Autorin in den umstehenden Figuren Werkstattmitglieder porträtiert. In ihren weiteren Ausführungen vergleicht Woods-Marsden drei Gruppenporträts von Malerwerkstätten miteinander und stellt eine fortschreitende Entwicklung des Selbstbewusstseins der Künstler fest. Während sich Filarete auf dem Bronzeportal für Alt-St. Peter noch versteckt und bescheiden auf der Rückseite darstelle,12 präsentiere sich Fra Filippos Werkstatt Ende der 1460er schon deutlich prominenter, allerdings noch andächtig in die Mysterien von Leben und Tod versunken. Domenico Ghirlandaio gehe zwanzig Jahre später im Gruppenbildnis seiner Werkstatt in Vertreibung von Joachim aus dem Tempel in Sta. Maria Novella13 noch einen Schritt weiter und verzichte auf Andacht und frommen Bezug zum heiligen Geschehen.14
In ihrer Besprechung des Selbstbildnisses Fra Filippos im Marientod konzentriert sich Holmes (1999) insbesondere auf die Bedeutung der Maria für den Maler als Karmeliter und auf die Inszenierung seiner rechten Hand. Fra Filippo könnte sich Holmes zufolge eingedenk seines eigenen nahenden Todes ganz bewusst an das Fußende der verstorbenen Maria gestellt haben, da den Karmeliterorden, dessen Namen in der Langform „Orden der Brüder der allerseligsten Jungfrau Maria vom Berge Karmel“ lautet, eine spezielle Beziehung zu Maria charakterisiert. Überdies würden die Ordensmitglieder, so hieß es, nach ihrem Tod von Maria geleitet werden.
Indem Fra Filippo mit seiner linken auf seine rechte Hand zeige, beziehe er sich überdies auf seine Rolle als Autor des Werks und verweise auf den Passus „mia propria mano“ bei Vertragsunterzeichnungen sowie auf den Topos der Künstlerhand. Holmes weist weiters darauf hin, dass auch Agnolo Poliziano die Hand des Künstlers in den Versen am Epitaph thematisiert. In Bezug auf die Interpretation der auffälligen Geste der rechten Hand Fra Filippos kommt Holmes zu keiner abschließenden Einschätzung. Sie stellt mit Fragezeichen jedoch die These auf, dass die Geste, welche die künstlerische Erfindungsgabe meint, gleichzeitig als Corna-Geste verstanden werden kann und so die Macht der Magie gegenüberstellen könnte.15
Roesler (1999), für die in der Figur im Habit der Karmeliter „mit größter Wahrscheinlichkeit das Porträt des Künstlers“16 zu sehen ist, legt in ihrer Beschäftigung mit dem Selbstbildnis das Augenmerk auf die Lichtsymbolik und insbesondere auf die Deutung der Darstellung der Hände. Die Kerze, die der Engel direkt vor Fra Filippo trägt und die den Künstler überschneidet, ist aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes der Fresken verblasst und daher nicht mehr so deutlich wie ursprünglich zu sehen. Sie ist laut Roesler als Lebenslicht zu interpretieren bzw. als eine auf den Sohn Filippino bezogene Auferstehungshoffnung in dem Sinne, dass der Nachkomme das Werk des Vaters fortführen solle.
Für Roesler steht außer Zweifel, das Fra Filippo seine Hände in seinem Selbstbildnis speziell hervorheben wollte, was durch den Kontrast zu den verhüllten Händen Fra Diamantes und die auffallenden Gesten gelingt: Fra Filippo zeige mit seiner linken Hand auf seine rechte, die Malerhand, mit der der Künstler eine der Corna ähnliche Haltung einnimmt. Grundsätzlich könnte diese als apotropäische Geste gedeutet werden, jedoch müsste zum einen die Hand dann auf das Abzuwehrende – hier vermutlich den Tod – zeigen, was sie nicht tut, und zum anderen wäre die Einbringung einer solchen Geste im sakralen Kontext der Autorin zufolge unpassend. Roesler hält es für wahrscheinlicher, dass Fra Filippo seine Malerhand betonte, um ostentativ festzuhalten, dass er, obwohl alt und krank, doch für die Fresken verantwortlich zeichnet. Sie vermutet überdies, es könnte sich um eine Anspielung auf eine in der Legenda Aurea niedergeschriebene Episode rund um den Tod der Maria handeln, der zufolge die Hände eines Hohepriesters, der die Bahre der Maria umwerfen wollte, an dieser kleben blieben, verdorrten und erst wieder freikamen, als er seinen Glauben an Jesus bekundete.17 Fra Filippo könnte so die Hände des Ungläubigen als Kontrastfolie für seine eigenen Hände verwendet haben, für die Hände des gläubigen Malers, die das fromme Werk schaffen.18
Horký (2003) hält es für möglich, dass Fra Filippo sein Bildnis nicht mehr selbst ausführte bzw. es von seiner Werkstatt und seinem Sohn Filippino vollendet wurde. Ihrer Einschätzung nach müssen die prominent platzierten Porträts Fra Filippos und seiner Gehilfen im Interesse der Dombauhütte als Auftraggeberin gewesen sein. Die Autorin setzt sich insbesondere mit der Gestik der Figur sowie mit ihrer Rolle im Bild auseinander. Dass die Haltung der rechten Hand mehr als ein Raffen des Gewandes meinen bzw. gar als apotropäische Corna-Geste interpretiert werden könnte, schließt Horký mit dem Verweis darauf aus, dass Fra Filippo diese Handhaltung auch in anderen Werken, etwa in der Pala Alessandri,19 verwendete. Die Autorin schreibt, der Maler weise mit seiner linken Hand ebenso wie mit seinem Blick auf den Leichnam der Maria, habe sich aber gleichzeitig wie inmitten erklärender Ausführungen seinem Sohn Filippino zugewendet, der mit roter Kopfbedeckung neben ihm steht. Das Bildthema und die Interaktion der Figuren lässt die Autorin an das ca. 100 Jahre zuvor entstandene Relief des Marientods von Andrea Orcagna in Orsanmichele20 denken, in dem sich der Künstler im Gespräch mit einem Propheten darstellt. Sowohl Orcagna als auch Fra Filippo treten laut Horký in ihrer „auktoriale[n] Rolle als Überlieferer und Beglaubiger von Wahrheit“21 und somit als Zeugen in ihren Bildern auf.22
Zambrano (2004) spricht von einem schönen Gruppenporträt der an der Freskierung der Apsis beteiligten Maler. Die Autorin widerspricht der These, es könnte sich bei der Figur um ein posthumes Bildnis Fra Filippos aus der Hand eines Werkstattmitglieds handeln und sieht es als ein als Signatur und Widmung zu interpretierendes Selbstbildnis an.23
Mannini (2009) bezeichnet Fra Filippos Selbstbildnis in Begleitung seines Sohnes Filippino im Marientod als letztes spirituelles sinnbildliches Vermächtnis des Künstlers, der hier mit der Hand eine das Böse abwehrende Geste vollführt.24
Rossi (2012, 2020) schreibt die Gruppe am Fußende der Maria Fra Filippo zu, der dort bei seinem Selbstbildnis auch Fra Diamante porträtiert habe. Die Geste Fra Filippos deutet Rossi als Corna, „un assoluto unicum iconografico“. Möglicherweise habe der Maler damit seine Feinde verhöhnen wollen. Das Porträt Filippinos in derselben Gruppe interpretiert der Autor ebenfalls als Zeichen des Stolzes auf den aus einer skandalbehafteten Beziehung hervorgegangen Sohn, das den Kritikern zum Trotz vorgetragenen wird.25
Verweise
Cavalcaselle/Crowe 1864, 343f; Cavalcaselle/Crowe 1892, 211. In der englischen Ausgabe von 1911 erwähnen die Autoren das Selbstbildnis ebenfalls, jedoch nur am Rande (Cavalcaselle/Crowe 1911, 169).↩︎
Milanesi in Vasari (hg. von Milanesi 1878), 625 (Anm.) führt aus, dass Cavalcaselle und Crowe ein Selbstbildnis in der rechten Randfigur des Bildfelds mit dem Begräbnis des hl. Stephanus in Prato sehen und merkt an, dass eine ähnliche Figur im Marientod in Spoleto zu finden sei. Ob er darin ein Selbstbildnis vermutet, erläutert Milanesi nicht.↩︎
Mendelsohn 1909, 170.↩︎
Benkard 1927, 5.↩︎
Pompilj 1957, 917–19.↩︎
Ebd., 10, 15.↩︎
Marchini 1975, 9.↩︎
Ruda 1993, 295.↩︎
Roettgen 1996, 397.↩︎
Ebd.↩︎
Woods-Marsden 1998, 57–62.↩︎
Filarete: Portale del Filarete, 1433–1445, Bronze, Petersdom, Vatikan (Vorderseite und Detail Rückseite, eingesehen am 27.09.2022).↩︎
Domenico Ghirlandaio: Vertreibung Joachims aus dem Tempel, 1486–1490, Tornabuoni-Kapelle, Sta. Maria Novella, Florenz.↩︎
Woods-Marsden 1998, 57–62.↩︎
Holmes 1999, 156f.↩︎
Roesler 1999, 120.↩︎
Voragine (Benz 1984), 587f.↩︎
Roesler 1999, 120–122, 150–153.↩︎
Fra Filippo: Saint Lawrence Enthroned with Saints and Donors, 1440er, Tempera auf Holz, Goldgrund, 121,3 x 115,6 cm, The Metropolitan Museum of Art, New York (Abbildung, eingesehen am 08.09.2022).↩︎
Andrea Orcagna: Tabernakel mit Tod und Himmelfahrt der Maria, 1359, Marmor, Lapislazuli, Gold und Glas, Orsanmichele, Florenz (Abbildung, eingesehen am 28.09.2022).↩︎
Horký 2003, 65.↩︎
Ebd., 61–65, 116.↩︎
Zambrano/Nelson 2004, 85.↩︎
Mannini 2009, 21.↩︎
Rossi 2012, 172f; Rossi 2020 o. S.↩︎
Bildnis 2
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | siebte stehende Figur von rechts bzw. äußerst linke Figur der rechten Figurengruppe |
| Ausführung Körper: | Hüftbild |
| Ausführung Kopf: | Halbprofil |
| Ikonografischer Kontext: | evtl. Werkstattbild |
| Blick/Mimik: | gesenkter, kontemplativer (?) Blick ins Leere / auf die Madonna bzw. im Vergleich zu den übrigen Figuren in dieser Gruppe trauriger (?) Gesichtsausdruck |
| Gesten: | Hände nicht sichtbar, verhüllt in Mantel |
| Körperhaltung: | aufrecht, Körper Richtung Bildmitte gewendet |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | positioniert vor einer felsigen Landschaft; überschnitten vom Fußende des Totenbettes der Maria bzw. von ihren durch eine orangefarbene Decke verhüllten Füßen; rechts leicht überschnitten vom Selbstbildnis Fra Filippo Lippis; das vorgeschlagene Selbstbildnis ist die am weitesten links stehende Figur der Werkstattgruppe (dieser formal zugehörig, jedoch ohne Interaktion), vor ihr eröffnet sich ein Freiraum mit direktem Blick auf die Madonna; ostentativ verhüllte Hände |
| Kleidung: | voluminöser, einfarbig blauer, monolithisch wirkender Mantel, farblich abgestimmte Kopfbedeckung |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | der Gruppe ist der Werkstatt Filippo Lippis zugeordnet: links neben der von Cavalcaselle und Crowe als Selbstbildnis Fra Filippo Lippis vorgeschlagenen Figur; über seine Schulter blickt eine von Woods-Marsden als Filippino Lippi vorgeschlagene Figur; die Figur mit der roten Kopfbedeckung ist von Zambrano als Bildnis des Piermatteo d’Amelia bzw. von Horký ebenfalls als Bildnis Filippino Lippis vorgeschlagen; der Engel mit der Kerze etwas weiter vorne ist etwa von Zambrano und Roesler ebenfalls vorgeschlagen als Filippino Lippi |
Zu Identifizierungsvorschlägen der Gruppe um das mögliche Selbstbildnis: Figur über die Schulter schauend als Filippino Lippi (Woods-Marsden), Figur mit der roten Kopfbedeckung als Piermatteo d’Amelia (Zambrano) bzw. als Bildnis Filippino Lippis (Horký), Engel als Filippino Lippi (Zambrano, Roesler).1
Verweise
Zu den Identifizierungen vgl. Cavalcaselle/Crowe 1864, 34; Horký 2003, 61; Roesler 1999, 120; Woods-Marsden 1998, 60; Zambrano in Zambrano/Nelson 2004, 85.↩︎
Forschungsergebnis: Botticelli, Sandro
| Künstler des Bildnisses: | Botticelli, Sandro |
| Status: | Einzelmeinung |
| Status Anmerkungen: | Der Vorschlag Dombrowskis wurde in der Forschung bislang nicht aufgegriffen. |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Fra Diamante (belegter Mitarbeiter Fra Filippos in Spoleto); evtl. Bildnis eines Gelehrten |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Dombrowski | 2005 | Dombrowski [ca. 2005] – The Painter without Hands | o. S. |
Detailsca. 2005, unpubliziert
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| Bejahend | Dombrowski | 2013 | Dombrowski 2013 – Imagination und Invention | 73f |
Details(erste publizierte Zuschreibung)
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Das Bildnis ist auch als ein Porträt von Fra Diamante (belegter Mitarbeiter Fra Filippos in Spoleto) vorgeschlagen.1 Zudem existiert die vorsichtig vorgebrachte These, es könne sich um das Bildnis eines Gelehrten handeln.2
Dombrowski geht von der Möglichkeit aus, Botticelli sei bei der Ausmalung des Doms von Spoleto noch Teil der Werkstatt Fra Filippo Lippis gewesen und habe sich selbst an die Seite seines Meisters gemalt. Er stellt in Anbetracht der zeitlichen Differenz zwischen den beiden Werken ausreichende physiognomische Ähnlichkeiten zum möglichen Selbstbildnis Botticellis in der Del-Lama-Anbetung fest und hebt insbesondere auf die Ähnlichkeit der Pose ab – auf das ostentative Verbergen der Hände in einem den ganzen Körper einhüllenden Mantel. Auch sei hier schon, ähnlich wie dann verstärkt in der Del-Lama-Anbetung, ein Dissoziieren vom Geschehen merkbar.3
Für die Eigenhändigkeit des Bildnisses spreche, dass die betonten Umrisslinien einerseits untypisch für Filippo Lippis Stil in seiner letzten Schaffensphase sind, der Malstil aber andererseits zu Botticellis im gleichen Zeitraum entstandener Madonna mit Kind und einem Engel (1466/67, Tempera auf Holz, Florenz, Galleria dello Spedale degli Innocenti) passe.4
Als weiteres Indiz wertet Dombrowski, dass sich in Fra Filippo Lippis Wandbild Gastmahl des Herodes im Dom von Prato (1452/3–65) zwei Figuren in ähnlicher Konstellation wie in Spoleto finden. In den beiden jungen Männern hinter der knienden Frau mit dem Haupt des Johannes könnten seiner Ansicht nach, wie in Spoleto, möglicherweise Botticelli und Filippino Lippi dargestellt sein.5
Dombrowski sieht durch die Übereinstimmungen im Erscheinungsbild zwischen der hier diskutierten Figur in Spoleto und jener in der Del-Lama-Anbetung das Selbstbildnis in letzterer bestätigt.6 Aufbauend darauf, dass Botticelli sich zweimal mit demonstrativ verhüllten Händen dargestellt haben könnte, formuliert Dombrowski insbesondere in Bezug auf die Del-Lama-Anbetung die These, Botticelli habe mit diesem Detail Aussagen zu seiner Auffassung von Kunst und Künstler gemacht.
Eine Frage der Hände
Zum möglichen Selbstbildnis Fra Filippo Lippis
Die Forschungstradition sieht in der hier diskutierten Figur im Dom von Spoleto mehrheitlich ein Selbstbildnis Fra Filippos. Als Vergleichsbeispiel kann die als authentisch geltende Porträtbüste des Meisters herangezogen werden. Da sie sich in derselben Kirche befindet, liegt es nahe, dass ihr ein Vorbild aus den Fresken zugrunde liegt. Berücksichtigt man Unterschiede, die durch die verschiedenen Gattungen Freskomalerei und Skulptur bedingt sind, so lassen sich die Physiognomien der beiden Figuren vereinbaren – der Karmelitermönch im Marientod dürfte also tatsächlich Fra Filippo darstellen. Auch die Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger kommt zweimal in ähnlicher Weise vor.
Gerade die Hände des Malers, der wohl im Kreise seiner Werkstattmitglieder dargestellt ist, sind in der Interpretation von besonderem Interesse.1 Fra Filippo steht in einer Gruppe von Figuren, deren Hände mehrheitlich nicht sichtbar sind. Bei einer Figur sind die Arme und Hände sogar ostentativ unter der Kleidung versteckt.2 Umso mehr stechen die Hände des Meisters ins Auge, deren Gesten sorgfältig ausgearbeitet sind.3 Der kleine Finger und der Zeigefinger der rechten Hand der Figur sind nach rechts unten ausgestreckt; mit dieser Hand rafft die Figur ihren Mantel vor dem Körper. Mit ihrer linken Hand zeigt die Figur mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihre rechte Hand. Die Geste der rechten Hand wurde u. a. als Corna bzw. als apotropäische Geste interpretiert, eine Deutung, die mangels eines plausiblen Grundes unwahrscheinlich scheint. Überdies stellt Fra Filippo auch mindestens eine weitere Figur, einen Heiligen in der Pala Alessandri, mit ähnlicher Handhaltung dar, worauf Horký aufmerksam macht.4 Bei dieser Heiligenfigur eine Corna-Geste anzunehmen, scheint abwegig, und so könnte diese Handhaltung einfach zum Repertoire Fra Filippos für das Raffen des Gewandes zu zählen sein. Deutlich nachvollziehbarer ist die Annahme, Fra Filippo habe mit dem Zeigegestus seine Malerhand besonders hervorheben wollen, was auch vor dem Hintergrund seines sich verschlechternden Gesundheitszustandes gegen Ende der 1460er und der daraus resultierenden Übertragung von Aufgaben an seinen Gehilfen Fra Diamante einleuchtet. Mit der in Verträgen üblichen Klausel „sua mano“ dürfte O’Malley zufolge zu der Zeit, als die Fresken des Chors von Spoleto entstanden, zwar noch weniger eine konkrete eigenhändige malerische Ausführung durch den Hauptkünstler gefordert worden sein – vielmehr sollte einer Vergabe von Subverträgen an andere Werkstätten vorgebeugt werden.5 Dennoch wurde die besondere Bedeutung der Malerhand bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch in der Theorie behandelt,6 wodurch eine auch bildliche Thematisierung durch Fra Filippo nicht abwegig scheint. Folgte man Dombrowskis Interpretation der neben Fra Filippo stehenden Figur als Selbstbildnis Sandro Botticellis, der dem Autor zufolge mit seinen verhüllten Händen eine Aussage über die geistigen im Gegensatz zu den handwerklichen Aspekten der Malerei treffen möchte (s. u.), so ergäbe sich fast so etwas wie ein innerbildlicher Diskurs, der Fragen der zeitgenössischen Kunsttheorie verhandelt.
Zum möglichen Selbstbildnis Sandro Botticellis
Die These, Fra Filippo Lippi habe sich im hier behandelten Fresko in Spoleto selbst im Kreise seiner Werkstatt porträtiert, findet im Allgemeinen Zustimmung. Als Gehilfen Lippis in Spoleto belegt sind lediglich Fra Diamante und Piermatteo d’Amelia.7 Die hier als Selbstbildnis Botticellis vorgeschlagene Figur wird üblicherweise als Fra Diamante interpretiert,8 der auch nach dem Tod Lippis für die Finalisierung des Projekts verantwortlich war. Pons schreibt aber beispielsweise, es sei nicht unwahrscheinlich, dass Botticelli nach dem Tod Lippis an der Fertigstellung der Fresken in Spoleto beteiligt war.9
Dombrowskis Erwägungen zu den stilistischen Unterschieden zwischen dem von ihm vorgeschlagenen Selbstbildnis Botticellis und dem Selbstbildnis Fra Filippo Lippis sind über fotografische Reproduktionen nur schwer zu beurteilen; auch ein Urteil vor dem Original dürfte sich aufgrund des nicht einwandfreien Erhaltungszustandes der Fresken schwierig gestalten.10 Nicht gänzlich geklärt ist auch der Anteil Fra Diamantes – Woods-Marsden erwägt etwa, dieser könnte seinen Meister Fra Filippo Lippi nach dessen Tod hier dargestellt haben.11 Es ist also unklar, ob das von Dombrowski vorgeschlagene Selbstbildnis Botticellis hinsichtlich des Stils mit Fra Filippo Lippi oder etwa mit Fra Diamante verglichen werden müsste.
Die Frage nach den physiognomischen Übereinstimmungen zwischen der angesprochenen Figur in Spoleto und dem möglichen Selbstbildnis Botticellis in der Del-Lama-Anbetung ist nur schwer zu beantworten. Eine gewisse Ähnlichkeit ist gegeben, insbesondere Nase und Haarfarbe unterscheiden sich jedoch. Ebenso schwierig ist es, den Zusammenhang zu den von Dombrowski ins Spiel gebrachten Figuren im Gastmahl des Herodes in Prato zu verifizieren oder zu falsifizieren. Bei der zweiten Person dürfte es sich jedoch anders als vom Autor impliziert nicht um Filippino Lippi handeln, war dieser doch zum Zeitpunkt der Beendigung des Auftrags in Prato erst ca. 8 Jahre alt. Im Marientod in Spoleto wird Filippino teils in der dem möglichen Botticelli über die Schulter blickenden Figur12 gesehen, teils aber auch in dem weiß gekleideten Engel13 vor Fra Filippo Lippi.
Sowohl beim möglichen Selbstbildnis Botticellis in der Del-Lama-Anbetung als auch bei der vorgeschlagenen Figur in Spoleto muss mit Dombrowski von einem „ostentative[n] Verbergen“14 der Hände gesprochen werden. Beide Male dient dazu ein einfarbiger, voluminöser und monolithisch wirkender Mantel, der den Figuren jeweils etwas Massives verleiht, und beide Male sind die Figuren farblich vereinheitlicht. Keine der umgebenden Figuren versteckt ihre Hände in ähnlicher Weise.15 Roettgen, der die verhüllten Hände der Figur im Marientod in Spoleto ebenfalls ins Auge fallen, deutet sie in Kombination mit der Kleidung als Hinweis darauf, dass hier kein Maler, sondern ein Gelehrter dargestellt sein könnte.16 Dombrowski stellt in Bezug auf die Del-Lama-Anbetung die These auf, Botticelli habe durch das Verbergen der Hände die Bedeutung der Idee bzw. der Erfindung eines Bildes hervorheben und verdeutlichen wollen, „dass der geistigen idea des Künstlers ebenso viel Aufmerksamkeit gebührt wie der materiellen Konkretisierung des Kunstwerks.“17 Inwieweit diese These auch auf das von Dombrowski in den Raum gestellte Selbstbildnis Botticellis in Spoleto zutreffen könnte, lässt der Autor offen. Interessant ist in jedem Fall die Tatsache, dass Botticelli hier neben einem möglichen Selbstbildnis Fra Filippo Lippis stünde – und dass dieser seine Hände markant inszeniert. Roesler widmet sich den Händen Fra Filippo Lippis ausführlich und interpretiert sie im Abgleich mit der von Dombrowski als Botticelli vorgeschlagenen Figur.18 In letzterer sieht sie Lippis Werkstattmitglied Fra Diamante und deutet sein Verbergen der Hände als bewusst eingesetzte Kontrastfolie, vor der die Hände Lippis besonders akzentuiert werden – die Aufmerksamkeit des Betrachters werde so auf dessen Hände gezogen „und damit auf das dem Künstler ureigene Instrument seines Schaffens“.19 Lippi weise zudem mit seiner linken Hand auf seine rechte. Gerade weil Lippi in Spoleto aufgrund seines fortgeschrittenen Alters weniger eigenhändig ausführen konnte, sei seine Hand besonders in Szene gesetzt.20 Dombrowski dürfte seine These in Unkenntnis der Ausführungen Roeslers formuliert haben. Ein Widerspruch ist nicht gegeben, im Gegenteil, Botticelli könnte – unabhängig davon, ob er in der hier diskutierten Figur dargestellt ist oder nicht – dank der Thematisierung der Hände durch seinen Meister Fra Filippo Lippi inspiriert worden sein, selbst den Status des Künstlers und der Kunst betreffende Aussagen mittels der Sprache der (verborgenen) Hände zu tätigen. Abgesehen von den beschriebenen Indizien fehlt jedoch jeglicher Beleg für diese Annahme.
Verweise
Zur möglichen Übernahme einer der Gesten Fra Filippos in der Marmorbüste des Epitaphs in Spoleto siehe die Vorbemerkung zum Künstler.↩︎
Gut zu sehen in dieser Abbildung, (eingesehen am 02.11.2022).↩︎
Horký 2003, 31 (Anm. 306).↩︎
O'Malley 1998, 155f.↩︎
Vgl. dazu etwa Warnke 1987, 57f.↩︎
Ruda 1993, 475.↩︎
Die Identifizierung wurde vorgeschlagen von Pompilj 1957, 10, 15.↩︎
Pons 1989, 12.↩︎
Zu Schäden und Restaurierungen vgl. etwa Roettgen 1996, 453.↩︎
Woods-Marsden 1998, 60.↩︎
Etwa ebd.↩︎
Roesler 1999, 120 mit Hinweisen auf ältere Literatur.↩︎
Dombrowski 2013, 83.↩︎
Wenn etwa der älteste König in der Del-Lama-Anbetung seine Hand verhüllt, so ist dies dadurch motiviert, dass er den Fuß des Jesuskindes nicht mit nackten Händen berühren will (vgl. etwa Schumacher 2018, 18) – ein Argument, das für die vorgeschlagenen Selbstbildnisse nicht in Frage kommt.↩︎
Roettgen 1996, 397.↩︎
Dombrowski 2013, 85↩︎
Roesler 1999, 120f, 150, 152f.↩︎
Ebd., 121.↩︎
Ebd., 152f.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Gstir, Verena: Marientod (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/lippi-fra-filippo-marientod-1467-bis-1469-spoleto-duomo-di-spoleto/ (05.12.2025).