Wunder der Kreuzreliquie auf dem Campo San Lio
Mansueti, Giovanni di Niccolò
Italien; Venedig; Gallerie dell‘Accademia
Inhaltsverzeichnis
Objekt
Bildrechte
| Detailtitel: | Wunder der Kreuzreliquie auf dem Campo San Lio (Teil des Zyklus Wunder der Kreuzreliquie der Scuola Grande di San Giovanni Evangelista) |
| Alternativtitel Deutsch: | Wunder der Kreuzesreliquie auf dem Campo San Lio; Kreuzeswunder auf dem Campo San Lio; Kreuzeswunder von Santa Croce auf dem Campo San Lio |
| Titel in Originalsprache: | Miracolo della reliquia della Croce al ponte di San Lio; Miracolo della reliquia della Croce in Campo S. Lio; Miracolo della Reliquia della Santa Croce in Campo San Lio; Miracolo della Reliquia della Santa Croce in Campo S. Lio |
| Titel in Englisch: | Miracle of the Relic of the Holy Cross in Campo San Lio |
| Datierung: | um 1494 bis 1500 |
| Ursprungsregion: | italienischer Raum |
| Lokalisierung: | Italien; Venedig; Gallerie dell‘Accademia |
| Lokalisierung (Detail): | Inventarnummer: 375; Saal 20 |
| Medium: | Gemälde |
| Material: | Tempera |
| Bildträger: | Leinwand |
| Maße: | Höhe: 318 cm; Breite: 458 cm |
| Ikonografische Bezeichnung: | Kreuzreliquien; Kreuzverehrung |
| Iconclass: | 11D411 – legend of the True Cross |
| Signatur Wortlaut: | OPVS I IOANNIS DE I MANSVETI / S VENETI I RECTE SE / NTIENTIVM BELLI / NI DISC[I]P[V]LI. |
| Datierung Wortlaut: | ohne |
| Signatur/Datierung Position: | Nennung der Signatur im Cartellino, die die Figur des vorgeschlagenen Selbstbildnisses in der Hand hält |
| Auftraggeber/Stifter: | Scuola Grande di San Giovanni Evangelista |
| Provenienz: | Scuola Grande di San Giovanni Evangelista: Durch das Napoleonische Dekret von 1806 ging die Scuola in staatlichen Besitz über, die für die Accademia vorgesehenen bzw. ausgewählten Bilder wurden 1820 dorthin gebracht. Erst seit 1947 werden sie dort aber wieder miteinander ausgestellt. |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | teilöffentlich |
Die Datierung wird allgemein mit um 1494 festgesetzt, allerdings gibt Matino 20101 an, dass eine Entstehung nicht vor 1496 realistisch sei. Webster 20132 datiert das Gemälde sogar auf um 1500. Zur Signatu OPVS […]3 und deren Nennung im Cartellino;4 zur Provenienz.5
Verweise
Matino 2010, 5–8.↩︎
Webster 2013, 63.↩︎
Matino 2010, 17.↩︎
Während in der restlichen Literatur häufig von einem Cartellino die Rede ist, thematisiert Burg diese Bezeichnung in einer Anmerkung explizit bzw. stellt sie in Frage: „Von einem Cartellino kann hier in Anbetracht der Größe des Zettels keine Rede mehr sein.“ Burg 2007, 504, Anm. 239.↩︎
Scirè Nepi 1991, 98. Das genaue Überstellungsdatum, den 4. Juli 1820, nennt Moschini Marconi 1955, 134.↩︎
Bildnis 1
| Lokalisierung im Objekt: | erste und vorderste stehende Figur vor der Mauer ganz links, auf einem auskragenden Eck der Brücke positioniert |
| Ausführung Körper: | Ganzfigur stehend |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Zuschauer am Rande des Geschehens |
| Blick/Mimik: | Blick zur Kreuzreliquie |
| Gesten: | rechte Hand hält ein Cartellino mit der Inschrift und der Signatur; Grußgestus: die linke Hand greift an das Barett |
| Körperhaltung: | stehend |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | Schwellenbereich auf der Brücke und zusätzlich auf einem auskragenden Zwickel der Brücke positioniert |
| Formale Besonderheiten: | hält ein Cartellino in der rechten Hand, das Inschrift und Signatur enthält |
Forschungsergebnis: Mansueti, Giovanni di Niccolò
| Künstler des Bildnisses: | Mansueti, Giovanni di Niccolò |
| Status: | weitgehend anerkannt |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Foscari | 1933 | Foscari 1933 – Autoritratti di Maestri della Scuola | 247 | - |
| Bejahend | Moschini Marchoni | 1955 | Moschini Marconi 1955 – Gallerie dell'Accademia di Venezia | 134 | - |
| Bejahend | Fortini Brown | 1988 | Fortini Brown 1988 – Venetian Narrative Painting | 233 | - |
| Bejahend | Schweikhart | 1993 | Schweikhart 1993 – Das Selbstbildnis im 15 | 16 | - |
| Bejahend | Marschke | 1998 | Marschke 1998 – Künstlerbildnisse und Selbstporträts | 90, 358 | - |
| Bejahend | Brown | 2000 | Brown 2000 – The Painter's Reflection | 58 | - |
| Bejahend | Rearick | 2002 | Rearick 2002 – The Venetian Selfportrait | 152 | - |
| Bejahend | Horký | 2003 | Horký 2003 – Der Künstler ist im Bild | 66f | - |
| Bejahend | Burg | 2007 | Burg 2007 – Die Signatur | 382 | - |
| Bejahend | Köster | 2008 | Köster 2008 – Künstler und ihre Brüder | 329 | - |
| Bejahend | Gigante | 2010 | Gigante 2010 – Autoportraits en marge | 115 | - |
| Bejahend | Matino | 2010 | Matino 2010 – Gentile Bellini | 17 | - |
| Bejahend | Smith Abbot | 2012 | Smith Abbott 2012 – Sons of the Truth | 46 | - |
| Bejahend | Webster | 2013 | Webster 2013 – The Embedded Self-Portrait in Italian | 63 | - |
| Bejahend | Petkov | 2014 | Petkov 2014 – The Anxieties of a Citizen | 102f | - |
| Bejahend | Schaller | 2021 | Schaller 12/2021 – Hans Fries | 38 | - |
Ausgehend von der Inschrift auf dem Cartellino im Gemälde des Wunders der Kreuzreliquie schreibt Foscari 1933 über die Figur, die den Zettel hält: „questo personaggio dovrebbe essere il Mansueti stesso“1. Diese Möglichkeit stuft er vor allem mit Blick auf zwei weitere Signaturen im Zyklus immerhin als wahrscheinlich ein („com'è probabile“), gibt jedoch zu bedenken, dass man das Gesicht Mansuetis nicht gut erkennen könne, was an der Qualität der Ausführung oder an der Erhaltung liegen könne. Immerhin aber lässt ihn die Figur noch ein weiteres Selbstporträt Mansuetis, nämlich im Wunder der Tochter des Benvegnudo, als möglich erachten („possa di nuovo essere il Mansueti stesso“).2
Moschini Marchoni (1955) versammelt in ihrem Band die Werke des 15. und 16. Jahrhunderts, die sich im Besitz der Accademia in Venedig befinden. Bezogen auf Mansuetis Gemälde Wunder der Kreuzreliquie am Campo San Lio identifiziert sie dessen Selbstporträt folgendermaßen: „Il personaggio a sinistra che tiene detto cartello e porta una mano al berretto deve essere lo stesso Mansueti.“3
In ihrem umfangreichen Band zur narrativen Malerei in Venedig zur Zeit Carpaccios beschäftigt sich Fortini Brown (1988) besonders mit den von verschiedenen Scuolen in Auftrag gegebenen Zyklen, in die sich auch mehrere Maler selbst mit ihren Selbstporträts eingebracht haben. Während sie Unsicherheiten bei der Verifizierung von Carpaccios Selbstporträts hervorhebt, meint sie: „With Mansueti we are on firmer ground“ und spricht sich für ein Selbstporträt aus. FortiniBrown hebt speziell Mansuetis Detailtreue hervor, mit der er besonders auch sein eigenes Selbstbildnis im Wunder der Kreuzreliquie am Campo San Lio ausführt.4
Schweikhart (1993) nennt Mansuetis Gemälde als ein Beispiel für die enge Kombination von Selbstbildnis und Signatur und notiert, darin „steht der Maler links am Bildrand und hält in der rechten Hand ein Cartellino [...]“. Er schreibt dem Künstlerselbstbildnis zwei Funktionen zu: einerseits die Bestätigung der Autorschaft des Künstlers, andererseits der Ausdruck der Teilhabe an der religiösen Handlung.5
Marschke (1998) geht unter den Stichworten Devotion und Zeugenschaft u. a. auf venezianische Beispiele ein. Bezogen auf Bilder Gentile Bellinis und Giovanni Mansueti stellt sie fest: „in besonderer Weise werden hier das integrierte Selbstbildnis und die schriftliche Signatur deutlich aufeinander bezogen“. Sie geht anschließend ausführlich auf Gentiles Prozession auf dem Markusplatz ein,6 vermerkt in einer Fußnote dann allerdings: „noch deutlicher aufeinander bezogen sind Signatur und Selbstbildnis in Giovanni Mansuetis Kreuzeswunder von Santa Croce auf dem Campo San Lio [...], wo der Maler links am Bild steht [...] und einen cartellino mit der Aufschrift hält [...]“7
Brown (2000) identifiziert die erste Figur links im Mittelgrund des Wunders der Kreuzreliquie als Giovanni Mansueti – die Figur sei in schwarzes Künstlergewand gekleidet und habe eine Hand an der Kappe platziert. Sie meint die Figur sei „most likely the artist himself“ und begründet ihre Einschätzung wie einige andere Wissenschaftler mit dem Hinweis auf die Inschrift: „The identification of the figure as the artist is located in an inscription on the cartellino held by the figure“ Am Beispiel dieses Selbstporträts arbeitet sie die doppelte Funktion desselben als zweifache Signatur (in Kombination mit der Inschrift im Cartellino) und als Augenzeugenschaft des Künstlers heraus. Ausgehend vom Wunder der Kreuzreliquie identifiziert Brown als mögliches anderes Selbstporträt eine Figur im Wunder der Tochter Benvegnudos.8
Rearick (2002) gibt an, von den Künstlern aus dem Veneto hätten sich nur Mansueti und Carpaccio in größeren Bildverbänden selbst dargestellt, was zweifellos auf ihren engen Kontakt mit Gentile Bellini zurückzuführen sei, dem er als ersten venezianischen Künstler ein Selbstporträt zuschreibt. Konkretisierend zu seiner sehr allgemeinen Nennung von Mansuetis Selbstporträts im Text gibt er in der Anmerkung die beiden Bilder an, die seiner Meinung nach Selbstporträts von Mansueti beinhalten: Das Wunder der Kreuzreliquie am Campo San Lio und die Wundersame Heilung der Tochter Benvegnudos. Rearick fasst für beide Selbstporträts zusammen: „Mansueti's naive insertions are signaled as selfportraits through simple gestures or the propinquity of a signature“.9
Unter dem Stichwort „Beziehungsbilder“ behandelt Horký (2003) u. a. das Selbstbildnis Giovanni Mansuetis in dessen Wunder des Heiligen Kreuzes am Campo San Lio. Sie erwähnt das Bildnis ausschließlich aufgrund der Inschrift auf dem Cartellino in der Hand des Malers, der darin auf seinen Lehrmeister Gentile Bellini verweist. Dieses Abhängigkeitsverhältnis betont nicht nur die Autorin selbst, sondern es kann als eine allgemeine Tendenz der Forschung zu Mansueti betrachtet werden.10
Burg (2007) nennt Mansuetis Wunder der Kreuzreliquie als einziges ihm bekanntes Beispiel der Tafelmalerei, wo ein Maler sein Selbstbildnis mit seiner Signatur verknüpft und damit seine Selbstdarstellung eindeutig identifizierbar macht. Wie etwa Gentile Bellini verzichtet Mansueti auf den direkten Blick aus dem Bild als gängigen Selbstporträtmechanismus, gibt der Figur aber einen Zettel mit seiner Signatur in die Hand, die deren Identität unmissverständlich ausweist.11
Köster (2008) führt Autorenporträts von Vittore Carpaccio und Giovanni Mansueti als Beispiele für Künstler an, die Selbstporträts in ihre Bilder einfügten, obwohl sie selbst nicht Mitglieder der jeweiligen Scuola waren – im Gegensatz zu Gentile Bellini, dessen sozialer Hintergrund sich sehr von den beiden unterscheidet, was die Autorin ausführlich behandelt. In der zugehörigen Anmerkung spricht sie etwas vorsichtiger vom Selbstporträt Mansuetis, der „sich vermutlich im Wunder an der Brücke von San Lio für die Scuola Grande di San Giovanni Evangelista in der Figur selbst dar[stellte], die den cartello mit seiner Künstlersignatur hält“.12
Gigante (2010) benennt ohne Zögern ein Selbstporträt im Wunder der Kreuzreliquie: Giovanni Mansueti, „inclus son autoportrait“ und stelle sich selbst relativ isoliert im linken Hintergrund mit dem Cartellino in einer Hand dar, worauf die Signatur zu finden sei; mit der anderen Hand fasse er an den Hut. Bei der Identifizierung eines zweiten Selbstporträts (in der Wundersamen Heilung der Tochter des Benvegnudo) bezieht sie sich hingegen nur vorsichtig auf andere Forschungsmeinungen: „De l’avis de certains spécialistes on devrait également le reconnaître“, sie nimmt dazu aber nicht weiter Stellung.13
Smith Abbot stellt 2012 kurz und knapp fest, Mansuetis Wunder der Kreuzreliquie „includes both the artist‘s self-portrait and numerous portraits of scuole members“. Sie sieht den Künstler als eindeutig zuordenbar an, denn „Mansueti identifies himself by proudly displaying a scroll on which can be read the inscription“. Zudem vergleicht sie die porträthaften Darstellungen der Figuren mit autarken Porträts der Zeit.14
Webster (2013) trägt in seiner Masterarbeit viel Literatur zu integrierten Selbstporträts zusammen und behandelt in diesem Zug auch die bekannten venezianischen Künstler, wobei er sich vor allem auf Pope-Hennessy 1979, [Fortini-]Brown 1988 und Brown 2000 stützt. Bezüglich Mansuetis Wunder der Kreuzreliquie spricht Webster zunächst vom „likely self-portrait“ und bekräftigt schließlich doch: „The figure standing at the far left periphery of the canvas, clad in artisan black is undoubtedly the artist’s self-portrait.“15
Den wohl umfangreichsten Beitrag exklusiv zu Giovanni Mansuetis Gemälde Wunder der Kreuzrelique am Pont San Lio legt Gabriele Matino 2010 vor. Darin geht der Autor insbesondere auf Mansuetis sozialgeschichtlichen Hintergrund und den Entwurfs- bzw. Entstehungsprozess ein, der eng mit Gentile Bellini verbunden ist. In diesem Zug spricht er auch ganz selbstverständlich von Mansuetis „persona in autoritratto“, die in der einen Hand eine Karte mit der Inschrift hält und mit der anderen Hand höflich mit einem Griff ans Barett grüßt. Matino legt den Fokus seiner Ausführungen insgesamt aber eher darauf, Mansuetis Wahl des dargestellten Zeitpunkts und die Darstellung der Örtlichkeiten zu erklären und schlägt zum besseren Verständnis einen Titelzusatz vor: Riconoscimento del miracolo della reliquia della Croce al ponte di San Lio. Zudem startet er gewissermaßen einen Rehabilitierungsversuch bezüglich des vielfach kritisierten Bildaufbaus.16
Petkov (2014) geht ebenfalls auf den Bildaufbau und die (auch farbliche) Strukturierung des Bildes sowie auf die von Gentile Bellini stammende Entwurfszeichnung ein. Er hebt allerdings die Luftigkeit und Leichtigkeit der Szenerie hervor, während er Mansuetis räumliche Darstellung kritisch17 als überfüllt, verdichtet und sogar bedrohlich beschreibt und dem Maler Agoraphobie zuschreibt, was den Figuren keinen Bewegungsspielraum mehr lässt. Petkov arbeitet die soziale und farbliche Strukturierung in Patrizier, Mitbrüder und „Andere“ heraus und meint dann offensichtlich auf die Selbstdarstellung Mansuetis bezogen: „The painter himself seems to straddle the divide between brothers and onlookers, standing at the tail end of the procession but dressed in lay robes (he was not a brother of San Giovanni’s).“18
Schaller (2021) führt Mansuetis Selbstbildnis im Wunder der Kreuzreliquie auf dem Campo San Lio als mögliches Vorbild für Dürers Selbstporträts an und folgt damit Burg,19 der auf diese Möglichkeit in seinen detaillierten Ausführungen zu Signaturen bereits einige Jahre zuvor verweist. Schaller geht von Mansuetis Selbstdarstellung als gegeben aus (samt Beschreibung der Position und Nennung der Inschrift) und vergleicht sie zudem mit einer von ihr als „doppeltes Selbstporträt“ bezeichneten Darstellung von Hans Fries: „Mansueti entblösst sein Haupt zum Grusse, diese Grussgeste ist der von Fries ähnlich.“20
Verweise
Foscari 1933, 247.↩︎
Ebd.↩︎
Moschini Marconi 1955, 134.↩︎
Fortini Brown 1988, 233.↩︎
Schweikhart 1993, 16.↩︎
Marschke 1998, 90.↩︎
Ebd., 358 (Anm. 253).↩︎
Brown 2000, 58.↩︎
Rearick 2002, 152; 152 Anm. 12.↩︎
Horký 2003, 66f.↩︎
Burg 2007, 382.↩︎
Köster 2008, 329.↩︎
Gigante 2010, 115.↩︎
Smith Abbott 2012, 46.↩︎
Webster 2013, 63.↩︎
Matino 2010, 5-34, zum Selbstporträt bes. 17.↩︎
Petkov beschreibt Mansueti als Maler mit nur durchschnittlichen Fähigkeiten, der sich seiner Grenzen selbst bewusst war, vgl. Petkov 2014, 103.↩︎
Ebd., 102f.↩︎
Burg 2007, 382.↩︎
Schaller 2021, 38.↩︎
Ein unterschätztes Paradebeispiel
Bei Giovanni Mansueti handelt es sich um einen etablierten Künstler Venedigs an der Wende vom Quattro- zum Cinquecento. Er bezeichnet sich in seinen Signaturen selbst als Schüler Gentile Bellinis und stellt sich in dessen Nachfolge – genau das ist weitgehend auch jener Aspekt, der die Forschungslage zu Mansueti und seinem Werk dominiert. Der Künstler und vor allem seine kompositorischen Fähigkeiten werden von der Forschungsgemeinschaft teilweise sehr kritisch gesehen und mit jenen von Gentile Bellini verglichen, was insbesondere auch die Beiträge zum Wunder der Kreuzreliquie auf dem Campo San Lio betrifft. Dargestellt ist dabei eine Begebenheit, die eigentlich mehrere Handlungssequenzen umfasst, die in einem einzigen Gemälde aber schwer zusammenzufassen sind. Mansueti dürfte sich dieses Problems bewusst gewesen sein und sich mit Gentile Bellini ausgetauscht haben, von dem eine Entwurfsskizze existiert, was den Vorwurf der Abhängigkeit des jüngeren Malers in der Forschungsgemeinschaft befeuert.1 Gegen diese teils recht einseitige Sichtweise stellt sich hingegen Matino 2010, der dem Gemälde und der „Rehabilitierung“ von Mansuetis kompositorischen Hintergründen einen ganzen Beitrag widmet.2
Während sich bezüglich der Fähigkeiten des Künstlers somit die Geister scheiden, scheint sich die Forschungsgemeinschaft hinsichtlich des vorgeschlagenen Selbstporträt im Wunder der Kreuzreliquie auf dem Campo San Lio einig zu sein. Von jenen WissenschaftlerInnen, die das Selbstporträt ansprechen, wird es durchwegs bestätigt und teilweise sogar als besonders deutliches Beispiel eines integrierten Künstlerselbstporträts hervorgehoben, weil hier Inschrift und Signatur durch das Cartellino in den Händen der Figur so deutlich auf den Künstler verweisen.3 Es handelt sich also um ein in der Forschung durchwegs anerkanntes Selbstporträt, das auch an dieser Stelle als absolut glaubhaft eingestuft wird.
Literatur
Zitiervorschlag:
Mangard, Désirée: Wunder der Kreuzreliquie auf dem Campo San Lio (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/mansueti-giovanni-di-niccolo-wunder-der-kreuzreliquie-auf-dem-campo-san-lio-um-1494-bis-1500-venedig-gallerie-dellaccademia/ (05.12.2025).