Der Zinsgroschen

Masaccio

um 1423 bis 1428

Italien; Florenz; Santa Maria del Carmine

Objekt

Bildrechte
Alternativtitel Deutsch:Tributzahlung des hl. Petrus; Die Entrichtung des Zinsgroschens
Titel in Originalsprache:Pagamento del tributo
Titel in Englisch:The Tribute Money
Datierung: um 1423 bis 1428
Ursprungsregion:italienischer Raum
Lokalisierung:Italien; Florenz; Santa Maria del Carmine
Lokalisierung (Detail):Cappella Brancacci; linke Wand (mit Blick auf den Altar); mittleres Register (des ursprünglichen Programms, heute oberstes erhaltenes Register der Freskierung des 15. Jahrhunderts); (Teil der malerischen Gesamtausstattung, bestehend aus: vier Evangelisten (Gewölbe, nicht erhalten); Szenen aus dem Leben des hl. Petrus (davon die zwei Bilder in den Lünetten und die Bilder links und rechts des Fensters an der Altarwand nicht erhalten); Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies; Reste eines Wandbildes unterhalb des Fensters; ornamentales Blattwerk in der Fensterlaibung mit zwei erhaltenen Köpfen in Medaillons; das Gewölbe und die Lünetten wurden in den 1740ern zerstört und von Agostino Meucci und Carlo Sacconi übermalt, der Eingang in die Kapelle wurde von Joseph Chamont umgestaltet)
Medium:Wandbild
Material:Fresko; Secco
Bildträger:Wand
Ikonografische Bezeichnung:Zinsgroschen
Iconclass:73C62 – the tribute money (Matthew 17:24–27)
Signatur Wortlaut:ohne
Datierung Wortlaut:ohne
Auftraggeber/Stifter:erste Ausmalungsperiode (Masolino und Masaccio, ca. 1423–1428): Felice di Michele di Piuvichese Brancacci (1382–ca. 1447, Seidenkaufmann, Politiker und Diplomat); für die zweite Ausmalungsperiode (Filippino Lippi, 1481–1485) werden unterschiedliche AuftraggeberInnen angegeben: Compagnia di Santa Maria del Popolo (gegründet 1460; die Laienschwestern hielten ihre religiösen Zusammenkünfte in der Kapelle ab); Nachfahren der Familie Brancacci; Lorenzo de’ Medici (1449–1492); Mönche des Karmeliterklosters, wobei Tommaso Soderini (1403–1484/85) als wichtiger Geldgeber von Santa Maria del Carmine vermutlich ein Mitspracherecht hatte
Provenienz:in situ; bei einem Brand der Kirche 1771 wurden die Fresken der Kapelle vom Ruß geschwärzt, blieben ansonsten jedoch verschont
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:teilöffentlich

Zur Ausstattung der Kapelle1 und zur Provenienz.2 Zum Stifter der ersten Ausmalungsperiode3 und zu den Stiftern der zweiten Ausmalungsperiode: Compagnia di Santa Maria del Popolo,4 Nachfahren der Familie Brancacci,5 Lorenzo de’ Medici6 sowie Mönche des Karmeliterklosters.7

Verweise

  1. Joannides 1993, 313.↩︎

  2. Procacci 1932, 149–151, 158 zitiert nach Ahl 2002a, 6 und Ahl 2002b, 139.↩︎

  3. Das genaue Sterbejahr von Felice Brancacci ist nicht bekannt, für circa 1447 sprechen sich jedoch etwa Joannides 1993, 314 oder Posselt in Vasari/Lorini/Posselt 2011, 70 (FN 10) aus. Zur Rolle der Familie Brancacci und insbesondere von Felice Brancacci für die Brancacci-Kapelle siehe Ahl 2002b, 143–145; Eckstein 2014, 66–73; Salucci 2014, 33–38.↩︎

  4. Im Anschluss an Molho 1977, 83 findet diese Annahme in der Forschungsliteratur die größte Anhängerschaft.↩︎

  5. Diese Möglichkeit erwähnen etwa Joannides 1993, 315; Roettgen 1996, 92.↩︎

  6. Zambrano in Zambrano/Nelson 2004, 188. Eckstein 2014, 202f lehnt Zambranos Vorschlag ab.↩︎

  7. Ebd.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:rechte Randfigur der Gruppe der Apostel in der Mitte des Bildes
Ausführung Körper:Ganzfigur stehend
Ausführung Kopf:annähernd im Profil
Ikonografischer Kontext:Porträt als einer der Apostel, möglicherweise Thomas
Blick/Mimik:Blick nach links vorne, vermutlich auf Jesus
Gesten:seinen linken Arm vor der Brust verschränkt, Hand nur teilweise sichtbar; rechter Arm und rechte Hand nicht sichtbar
Körperhaltung:aufrecht; annähernd orthogonal zur Bildoberfläche in Richtung Bildmitte orientiert; leichter Kontrapost
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:die Figur bildet den Abschluss der zentralen Apostelgruppe nach rechts; unmittelbar rechts von ihr endet der Landschaftshintergrund und die gemalte Architektur (vor der die Szene der Bezahlung des Zinsgroschens dargestellt ist) beginnt; die Figur bildet mit der linken Randfigur der zentralen Apostelgruppe eine Klammer; sie bildet außerdem eine Klammer mit der vierten Figur von rechts in der zentralen Apostelgruppe (Profilkopf mit blondem Haar); die vier rechten Apostel der zentralen Apostelgruppe bilden eine Untergruppe; die Figur ist Teil einer isokephalen Reihe; die Figur wird vom Zöllner (Rückenfigur) etwas überschnitten
Kleidung:voluminöser, pink-roter Mantel; die übrigen Apostel und Jesus tragen eine Art Tunika und einen Mantel in einer kontrastierenden Farbe; bei der hier diskutierten Figur ist entweder aufgrund ihrer Ausrichtung nur der Mantel sichtbar oder sie trägt ein anders geschnittenes Kleidungsstück
Zugeordnete Bildprotagonisten:einer der zwölf um Jesus gruppierten Apostel; Teil einer darin abgesetzten Vierergruppe; Zöllner (Rückenfigur); linke Randfigur der Apostelgruppe

Forschungsergebnis: Masaccio

Künstler des Bildnisses:Masaccio
Status:kontrovers diskutiert
Andere Identifikationsvorschläge:Apostel; Apostel Thomas; Auftraggeber Felice Brancacci
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Vasari 1555 Vasari, Lorini et al. 2011 – Das Leben des Malers Masaccio 40 -
Bejahend Baldinucci 1811 [1728?] Baldinucci 1811 – Notizie de' professori del disegno 301 -
Skeptisch/verneinend Cavalcaselle/Crowe 1883 Cavalcaselle, Crowe 1883 – Storia della pittura in Italia 299f (unentschieden) -
Bejahend Woermann 1906 Woermann 1906 – Die italienische Bildnismalerei der Renaissance 36 -
Bejahend Cavalcaselle/Crowe 1911 Cavalcaselle, Crowe 1911 – Umbria, Florence and Siena 48
Details
(nicht eindeutig entschieden, aber eher befürwortend, siehe auch die Publikation der Autoren von 1883)
Skeptisch/verneinend Mesnil 1927 Mesnil 1927 – Masaccio et les débuts 77f -
Bejahend van Marle 1928 Marle 1928 – The Renaissance Painters of Florence 288 -
Skeptisch/verneinend Salmi 1929 Salmi 1929 – L'autoritratto di Masaccio nella Cappella 99–102 -
Skeptisch/verneinend Steinbart 1948 Steinbart 1948 – Masaccio 51–53, 86 -
Bejahend Gasser 1961 Gasser 1961 – Das Selbstbildnis 23
Details
(bejahend mit leichter Skepsis)
Skeptisch/verneinend Meller 1961 Meller 1961 – La cappella Brancacci 187, 280–282, 291–294 -
Skeptisch/verneinend Prinz 1966 Prinz 1966 – Vasaris Sammlung von Künstlerbildnissen 38, 75 -
Skeptisch/verneinend Volponi/Berti 1968 Volponi, Berti 1968 – L'opera completa di Masaccio 95 -
Skeptisch/verneinend Vayer 1975 Vayer 1975 – Deux portraits du Felice Brancacci 5 -
Skeptisch/verneinend Sleptzoff 1978 Sleptzoff 1978 – Men or Supermen 126f -
Bejahend Castelnuovo 1993 Castelnuovo 1993 – Das künstlerische Portrait 27 -
Skeptisch/verneinend Joannides 1993 Joannides 1993 – Masaccio and Masolino 327 -
Skeptisch/verneinend Baldini/Casazza 1994 Baldini, Casazza 1994 – Die Brancacci-Kapelle 40, 45, 47 (Anm. 4, 5) -
Skeptisch/verneinend Salmi [1949] Salmi [1949] – Masaccio 11f -

Die Figur wird auch als Apostel Thomas1 bzw. als Auftraggeber Felice Brancacci interpretiert.2

Vasari setzt sich in der Vita des Masaccio mit dem Bildfeld Zinsgroschen auseinander und schreibt: „Nicht nur sieht man in einem der Apostel, dem letzten in der Reihe, das Porträt von Masaccio, das er mit dem Spiegel selbst ausgeführt hat,[…] und zwar so gut, daß es ganz und gar lebendig wirkt“.3 Lässt diese Formulierung noch Zweifel in Bezug darauf zu, welche Figur genau Vasari im Blick hat, so werden diese durch das Vitenbildnis Masaccios in der zweiten Auflage 1568 ausgeräumt, denn hierfür wurde eindeutig die hier diskutierte rechte Randfigur der mittleren Figurengruppe als Vorlage verwendet.4

Baldinucci schreibt im 17. Jahrhundert,5 im letzten Apostel des Zinsgroschens sei das Selbstbildnis Masaccios zu sehen.6

Cavalcaselle und Crowe (1883) zufolge handelt es sich bei der hier diskutierten Figur sicherlich um eine Porträtfigur. Sie beschreiben sie als im Vergleich mit den übrigen Aposteln zugleich robuster und untersetzter sowie durch ihren voluminösen Mantel feierlich und erhaben wirkend. Nach dieser Figur habe Vasari das Vitenbildnis Masaccios gefertigt, allerdings sei der Maler zum Zeitpunkt der Freskierung der Brancacci-Kapelle deutlich jünger gewesen als die Figur im Zinsgroschen. Die Autoren wollen nicht letztgültig entscheiden, ob es sich um ein Selbstbildnis handelt oder nicht, sind aber der Meinung, dass die Figur dem kraftvollen Genie entspricht, das das Fresko geschaffen hat.7 In einer weiteren Publikation (1911) äußern sich die Autoren ähnlich, jedoch etwas weniger skeptisch.8

Laut Woermann (1906) hat sich Masaccio in der hier diskutierten Figur mit „nicht eben schönen, breiten, knochigen, scharfgeschnittenen Züge[n]“ selbst dargestellt.9

Skeptisch zeigt sich Mesnil (1927). Er bezweifelt sowohl die Identifizierung der hier diskutierten Figur als Apostel Thomas als auch Vasaris Behauptung, Masaccio habe sich hier selbst dargestellt. Gegen ein Selbstbildnis spricht seiner Ansicht nach besonders die Stellung des Gesichts.10

Van Marle (1928) hält ein Selbstbildnis Masaccios in der hier diskutierten Figur für sehr wahrscheinlich.11

Salmi (1929), der ein Selbstbildnis im Zinsgroschen ablehnt und stattdessen eines im Bildfeld mit Petrus in Cathedra vorschlägt, widmet sich der hier diskutierten Figur ausführlich. Er schreibt, er habe sich bei seinen Besuchen der Brancacci-Kapelle stets gefragt, ob Vasari bei der Identifizierung sorgsam genug vorgegangen sei. Gegen ein Selbstbildnis spreche zunächst das unpassende Alter, denn der Apostel sei deutlich älter als Mitte zwanzig. Unverständlicherweise mache Vasari Masaccio im Vitenbildnis sogar noch älter. Weiters entspreche die elegante Figur nicht dem von Vasari gezeichneten Bild des Künstlers als einem, der sich wenig um Weltliches wie Kleidung kümmerte. Schließlich führt Salmi auch die Ausführung des Porträts als Profilansicht ins Treffen, die Vasaris Aussage, der Künstler habe sich nach dem Spiegel gemalt, widerspreche. Charakteristisch für Selbstbildnisse nach dem Spiegel sei die Dreiviertelansicht. Eine Profilansicht ist nur durch einen komplizierteren Aufbau mit zwei Spiegeln möglich – ein Vorgehen, das Salmi dem spontan arbeitenden Masaccio nicht zutraut.12 In einer umfangreicheren Publikation zur Brancacci-Kapelle äußert sich Salmi zwanzig Jahre später in ähnlicher Weise.13

Für Steinbart (1948) stellt die hier diskutierte Figur mit „Späheraugen und Adlernase“ den Auftraggeber Felice Brancacci dar, der zum Zeitpunkt der Freskierung Mitte vierzig und somit in einem zum Porträt passenden Alter gewesen sei. Steinbarts Einschätzung nach hat sich Vasari mit seinem Selbstbildnis-Vorschlag geirrt.14

Gasser (1961) erscheint es einleuchtend, dass auf der Suche nach einem Selbstbildnis Vasaris Wahl auf die hier diskutierte Figur fiel, sei deren Kopf doch „am feinsten und persönlichsten durchgebildet“ und ziehe die Aufmerksamkeit auf sich. Dass der zu dieser Zeit üblicherweise Selbstbildnisse markierende Blick aus dem Bild fehle, sei mit dem heiligen Ernst, der die Stimmung des Bildes charakterisiere, zu begründen – den Blick hier vom sakralen Geschehen abzuwenden, wäre unpassend. Insgesamt urteilt Gasser, dass „diejenigen, die an der ehrwürdigen Überlieferung festhalten und ihr Masaccio-Bild nach diesem edlen Antlitz formen, nicht schlecht beraten“ seien. Zwar hält der Autor das Selbstbildnis nicht für gesichert, wenn es aber keines sei, dann habe Masaccio „doch einen Mann dargestellt, durch dessen Züge und Haltung die gelassene Kraft und hohe Geistigkeit seiner Malerei überzeugend zum Ausdruck kommt.“15

Meller (1961) lehnt unter Berufung auf Salmis Argumente das Selbstbildnis Masaccios im Zinsgroschen ab. In seiner Auseinandersetzung mit den Porträts und Gesichts- bzw. Bildnistypen in der Brancacci-Kapelle weist er auf einen von Masolino gemalten Kopf in der Predigt Petri hin, der seiner Überzeugung nach auf Basis derselben Vorzeichnung gefertigt wurde wie die hier diskutierte Figur. Es handelt sich dabei um den Mann annähernd im Profil in der rechten Bildhälfte vor einem der Mönche bzw. oberhalb der Frau mit dunklem Kopftuch, von der lediglich die Augenpartie sichtbar ist. Meller schließt aus, dass die beiden Bildnisse Masaccio meinen, eventuell könnte es sich um zwei Bildnisse des Auftraggebers Felice Brancacci handeln. Meller sieht mit Salmi ein Selbstbildnis Masaccios in der Auferweckung und ein weiteres in der Schattenheilung.16

Auch Prinz (1966) spricht sich gegen die Annahme aus, Masaccio habe sich in dem Apostel im Zinsgroschen selbst porträtiert. Womöglich habe Vasari eine Überlieferung gekannt, nach der Masaccio ein Selbstbildnis in der Brancacci-Kapelle hinterlassen habe, sich aber schlicht für die falsche Figur entschieden.17

Vayer (1975) ist ebenfalls der Ansicht, im Falle der hier diskutierten Figur seien zwei klassische Bildnis-Beispiele verwechselt worden: Stifterbildnis und Selbstbildnis des Künstlers. Vayer spricht sich für ersteres aus.18

Sleptzoff (1978) ist der Ansicht, Vorschläge für Selbstbildnisse in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts seien generell mit Vorsicht zu genießen – ein Beispiel dafür sei das angebliche Selbstbildnis Masaccios im Zinsgroschen. Ihre Skepsis untermauert die Autorin mit einer Reihe von Argumenten, so sei die Figur etwa nicht von den übrigen Aposteln abgehoben, sie sei sicherlich nicht – wie von Vasari behauptet – mithilfe eines Spiegels ausgeführt worden und da nicht zwingend anzunehmen sei, dass die Figur den Apostel Thomas darstelle, sei auch das Argument der Darstellung in der Gestalt des Namenspatrons zu vernachlässigen.19

Castelnuovo (1993) übernimmt Vasaris Identifizierung der hier diskutierten Figur als Künstler.20

Auch Joannides (1993) hält Vasaris Identifizierung für falsch und stellt die These auf, Masaccio habe für die Darstellung der Apostelköpfe im Zinsgroschen einerseits Donatellos Skulpturen und andererseits auch dessen antike römische Quellen studiert. Die Art, wie Masaccio den Mantel der hier diskutierten Figur drapiere, um ihr Gesicht hervorzuheben, nehme die durchdachte Gestaltung von Porträtbüsten in der Hochrenaissance vorweg.21

Einen Versuch, die Apostel im Zinsgroschen zu benennen, unternehmen Baldini und Casazza (1994) in einer die Restaurierung der Fresken der Brancacci-Kapelle begleitenden Publikation. Die hier diskutierte Figur könnte – wie schon früher angemerkt wurde – den Apostel Thomas darstellen, was für ein Selbstbildnis Masaccios, dessen Name eigentlich „Tommaso“ war, in dieser Figur sprechen würde. Allerdings wurden während der Restaurierungsarbeiten die Heiligenscheine der vier Apostel rechts des Steuereintreibers (Rückenfigur) wiederentdeckt, weshalb Baldini und Casazza ausschließen, dass in einem der Apostel eine weltliche Person, konkret Masaccio oder der ebenfalls vorgeschlagene Auftraggeber Felice Brancacci, porträtiert sein könnte.22

Verweise

  1. Ebd., 40 schreiben, unter den Aposteln seien lediglich Petrus und Johannes eindeutig zu identifizieren. Sie versuchen, weitere Apostel zu benennen und gehen davon aus, dass in der hier diskutierten Figur der Apostel Thomas zu sehen sein könnte. Diese Identifizierung würde zu einem Selbstbildnis Masaccios (der eigentlich Tommaso hieß) passen, könnte aber auch unabhängig davon zutreffend sein.↩︎

  2. Diesen Vorschlag macht zunächst Salmi 1929, 101f, der jedoch gleich ein Gegenargument anführt: Vasari spricht von einem Porträt Felice Branacaccis in der Sagra und behauptet damit, dessen Gesichtszüge zu kennen. Dass Vasari in der Folge in einem Porträt desselben Mannes ein Selbstbildnis Masaccios annehmen könnte, wäre sehr unwahrscheinlich. Wie plausibel Salmis Argument zu werten ist, hängt von der Glaubwürdigkeit Vasaris ab, die ihrerseits in diesem Punkt nur schwer einzuschätzen ist. Zustimmend zur Identifizierung mit dem Auftraggeber äußern sich etwa Steinbart 1948, 51–53; Vayer 1975, 5, 9; ablehnend etwa Baldini/Casazza 1994, 47 (Anm. 5).↩︎

  3. Vasari/Lorini/Posselt 2011, 40.↩︎

  4. Posselt in ebd., 96 (Anm. 73).↩︎

  5. Filippo Baldinucci lebte von 1624 bis 1696; die sechs Bände der Notizie wurden zwischen 1681 und 1728 veröffentlicht, der zitierte fünfte Band dürfte 1728 erstmals herausgegeben worden sein. Für die Recherchen wurde eine Ausgabe von 1811 konsultiert.↩︎

  6. Baldinucci, 301.↩︎

  7. Cavalcaselle/Crowe 1883, 299f. Die Autoren schreiben wohl, das mögliche Selbstbildnis Masaccios befände sich „sull’estrema sinistra“ des Bildfeldes; aus der weiteren Diskussion geht jedoch eindeutig hervor, dass sie sich auf die Figur am rechten Rand der mittleren Apostelgruppe beziehen.↩︎

  8. Cavalcaselle/Crowe 1911, 48.↩︎

  9. Woermann 1906, 36.↩︎

  10. Mesnil 1927, 77f.↩︎

  11. Marle 1928, 288.↩︎

  12. Salmi 1929, 99–102.↩︎

  13. Salmi [1949], 12.↩︎

  14. Steinbart 1948, 51–53, 86.↩︎

  15. Gasser 1961, 23.↩︎

  16. Meller 1961, 187, 280–282, 291–294.↩︎

  17. Prinz 1966, 38, 75.↩︎

  18. Vayer 1975, 5, 9.↩︎

  19. Sleptzoff 1978, 126f.↩︎

  20. Castelnuovo 1993, 27.↩︎

  21. Joannides 1993, 327.↩︎

  22. Baldini/Casazza 1994, 40, 45, 47 (Anm. 4, 5).↩︎

Vasaris Fehlgriff

Masaccios Darstellung des Zinsgroschens gilt als eine Art Gründungsbild der Historienmalerei, Spike formuliert etwa: „With the Tribute Money, history painting begins.“1 Seit Vasari werden Komposition, Bildaufbau, Bilderzählung, Regungen und Interaktion der Apostel sowie mögliche politische Hintergründe mit unterschiedlichen Ergebnissen diskutiert. Abseits von monografischen Studien zu Masaccio oder der Brancacci-Kapelle setzten sich in jüngerer Zeit etwa Prinz2 oder Nagel3 mit dem Gemälde auseinander. Vasari war der Ansicht, im Apostel rechts außen innerhalb der mittleren Figurengruppe sei ein Selbstbildnis Masaccios zu sehen, was von der Forschung mehrheitlich abgelehnt wird. Die am häufigsten vorgebrachten Argumente, dass das Alter nicht passe und die Profilansicht für ein Selbstbildnis eher ungewöhnlich sei, scheinen sehr einleuchtend. Auf den Widerspruch, dass Vasari einerseits von einem nach dem Spiegel gefertigten Selbstbildnis schreibt und andererseits dieses hier diskutierte Profilbildnis als Vitenbildnis Masaccios auswählt,4 wurde mehrfach hingewiesen; aufgelöst werden konnte er nicht.

Der Heiligenschein der Figur wurde erst bei den jüngsten Restaurierungsarbeiten wieder freigelegt und muss nicht grundsätzlich gegen ein Bildnis oder Selbstbildnis sprechen (siehe etwa das vermutete Selbstbildnis des Taddeo di Bartolo in der Himmelfahrt Mariens in Montepulciano). Es stellt sich jedoch die Frage, ob ein Maler eine Apostelfigur für ein Selbstbildnis ausgewählt hätte, wenn genügend „gewöhnliche“ Assistenzfiguren zur Verfügung standen. Auch die Vermutung, dass es sich bei der hier diskutierten Figur um den Apostel Thomas und somit um den Namenspatron Masaccios handeln könnte, lässt sich nicht als Indiz für ein Selbstbildnis werten, ist doch die Identifizierung als Apostel Thomas erstens ungewiss und dürfte zweitens erst nach der Selbstbildnis-These Vasaris aufgekommen sein.

Ob stattdessen der Auftraggeber Felice Brancacci in der Apostelfigur porträtiert ist, wie mehrfach vorgeschlagen wurde, kann an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden. Es dürfte nicht auszuschließen sein, aber auch hier hätten sich zahlreiche als zeitgenössische Florentiner Bürger gekennzeichnete Figuren im Zyklus als wahrscheinlichere Alternativen angeboten.

Salmi merkt an, dass die Figur sich von den übrigen Aposteln in ihrer Kleidung unterscheide.5 Tatsächlich sind bei den meisten Aposteln sowie bei Jesus die in kontrastierenden Farben ausgeführten Tuniken und togaartigen Mäntel sichtbar, bei der hier diskutieren Figur hingegen sieht man nur einen voluminösen Mantel. Die einfachste Erklärung ist jedoch, dass die Tunika lediglich aufgrund der Ausrichtung der Figur nach links Richtung Bildmitte versteckt bleibt. Denn üblicherweise – und so auch im Zinsgroschen – bedeckt eine Toga den linken Arm und lässt den rechten frei. Somit ist wohl auch keine Auszeichnung der Figur durch andersgeartete, etwa zeitgenössischere Gewandung gegeben, die zur Suche nach einem speziellen Porträtvorbild ermutigt hätte.

In der Forschung wird ein anderes, von Salmi6 vorgeschlagenes Selbstbildnis Masaccios als deutlich wahrscheinlicher beurteilt. Es befindet sich rechts im Bildfeld Auferweckung des Theophilus-Sohnes und Cathedra Petri, das in der Kapelle im Register unterhalb des Zinsgroschens verortet ist, und weist viel mehr Indizien für ein Selbstbildnis auf. Vasari, der über hundert Jahre nach dem Tod Masaccios schrieb, dürfte sich also schlicht für die falsche Figur entschieden haben.

Verweise

  1. Spike 1996, 106.↩︎

  2. Prinz 2000, 401–405.↩︎

  3. Nagel 2009, 199–212.↩︎

  4. Vasari/Lorini/Posselt 2011, 40 und Posselt in Vasari/Lorini/Posselt 2011, 96 (Anm. 73).↩︎

  5. Salmi [1949], 12.↩︎

  6. Salmi 1929, 102.↩︎

Literatur

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Vasari, Giorgio/Lorini, Victoria/Posselt, Christina (1568): Das Leben des Malers Masolino. Vita di Masolino. Pittore (1568), in: Posselt, Christina (Hg.): Das Leben des Masolino, des Masaccio, des Gentile da Fabriano und des Pisanello (Edition Giorgio Vasari, 33), Berlin 2011, 12–16, 67–74.
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Woermann, Karl: Die italienische Bildnismalerei der Renaissance (Führer zur Kunst, 4), Esslingen 1906.
Zambrano, Patrizia/Nelson, Jonathan Katz: Filippino Lippi, Mailand 2004.

Zitiervorschlag: