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Objekt
Bildrechte
| Alternativtitel Deutsch: | Petrus heilt mit seinem Schatten; Der heilige Petrus heilt durch seinen Schatten |
| Titel in Originalsprache: | San Pietro risana gli infermi con la sua ombra; San Pietro che risana con la propria ombra |
| Titel in Englisch: | St. Peter healing the sick with his shadow; St. Peter Healing with His Shadow |
| Datierung: | um 1423 bis 1428 |
| Ursprungsregion: | italienischer Raum |
| Lokalisierung: | Italien; Florenz; Santa Maria del Carmine |
| Lokalisierung (Detail): | Cappella Brancacci; Altarwand; links des Altars (mit Blick auf den Altar); unteres Register; (Teil der malerischen Gesamtausstattung, bestehend aus: vier Evangelisten (Gewölbe, nicht erhalten); Szenen aus dem Leben des hl. Petrus (davon die zwei Bilder in den Lünetten und die Bilder links und rechts des Fensters an der Altarwand nicht erhalten); Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies; Reste eines Wandbildes unterhalb des Fensters; ornamentales Blattwerk in der Fensterlaibung mit zwei erhaltenen Köpfen in Medaillons; das Gewölbe und die Lünetten wurden in den 1740ern zerstört und von Agostino Meucci und Carlo Sacconi übermalt, der Eingang in die Kapelle wurde von Joseph Chamont umgestaltet) |
| Medium: | Wandbild |
| Material: | Fresko |
| Bildträger: | Wand |
| Ikonografische Bezeichnung: | Schattenwunder |
| Iconclass: | 73F21221 – sick people brought into the streets, so that Peter’s shadow might fall on them |
| Signatur Wortlaut: | ohne |
| Datierung Wortlaut: | ohne |
| Auftraggeber/Stifter: | erste Ausmalungsperiode (Masolino und Masaccio, ca. 1423–1428): Felice di Michele di Piuvichese Brancacci (1382–ca. 1447, Seidenkaufmann, Politiker und Diplomat); für die zweite Ausmalungsperiode (Filippino Lippi, 1481–1485) werden unterschiedliche AuftraggeberInnen angegeben: Compagnia di Santa Maria del Popolo (gegründet 1460; die Laienschwestern hielten ihre religiösen Zusammenkünfte in der Kapelle ab); Nachfahren der Familie Brancacci; Lorenzo de’ Medici (1449–1492); Mönche des Karmeliterklosters, wobei Tommaso Soderini (1403–1484/85) als wichtiger Geldgeber von Santa Maria del Carmine vermutlich ein Mitspracherecht hatte |
| Provenienz: | in situ; bei einem Brand der Kirche 1771 wurden die Fresken der Kapelle vom Ruß geschwärzt, blieben ansonsten jedoch verschont |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | teilöffentlich |
Zur Ausstattung der Kapelle1 und zur Provenienz.2 Zum Stifter der ersten Ausmalungsperiode3 und zu den Stiftern der zweiten Ausmalungsperiode: Compagnia di Santa Maria del Popolo,4 Nachfahren der Familie Brancacci,5 Lorenzo de’ Medici6 sowie Mönche des Karmeliterklosters.7
Verweise
Joannides 1993, 313.↩︎
Procacci 1932, 149–151, 158 zitiert nach Ahl 2002a, 6 und Ahl 2002b, 139.↩︎
Das genaue Sterbejahr von Felice Brancacci ist nicht bekannt, für circa 1447 sprechen sich jedoch etwa Joannides 1993, 314 oder Posselt in Vasari/Lorini/Posselt 2011, 70 (FN 10) aus. Zur Rolle der Familie Brancacci und insbesondere von Felice Brancacci für die Brancacci-Kapelle siehe Ahl 2002b, 143–145; Eckstein 2014, 66–73; Salucci 2014, 33–38.↩︎
Im Anschluss an Molho 1977, 83 findet diese Annahme in der Forschungsliteratur die größte Anhängerschaft.↩︎
Diese Möglichkeit erwähnen etwa Joannides 1993, 315; Roettgen 1996, 92.↩︎
Zambrano in Zambrano/Nelson 2004, 188. Eckstein 2014, 202f lehnt Zambranos Vorschlag ab.↩︎
Ebd.↩︎
Bildnis 1
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | erste Figur von rechts |
| Ausführung Körper: | Ganzfigur stehend |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Porträt in der Gestalt des Apostel Johannes |
| Blick/Mimik: | leicht schielender, leicht gesenkter Blick |
| Gesten: | linker Arm vor dem Körper, Hände nicht sichtbar |
| Körperhaltung: | aufrecht; annähernd parallel zur Bildoberfläche |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | die beiden Apostel Petrus und Johannes bewegen sich von rechts hinten eine Straße entlang nach vorne, wobei Johannes hinter Petrus geht; Johannes ist ähnlich gekleidet wie Petrus |
| Kleidung: | antikisierend; Heiligenschein |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | die Figur befindet sich direkt hinter dem Apostel Petrus und wird von diesem überschnitten; der Mann mit weißem Bart und blauer (?) Kopfbedeckung hinter der Figur ist vorgeschlagen als möglicherweise Bicci di Lorenzo bzw. als Donatello, laut Salucci auch als Masaccios Bruder Lo Scheggia; der Mann mit der roten Kopfbedeckung auf der anderen Seite Petri gilt seit Vasari als Bildnis Masolinos; von Poggi wurde eine Ähnlichkeit des Mannes mit gefalteten Händen mit einem der hl. drei Könige in der Pisaner Anbetung der Könige festgestellt, während Meller annimmt, es könnte sich um Donatello handeln |
Zu den Identifizierungen der zugeordneten Bildprotagonisten: zum möglichen Porträt von Bicci di Lorenzo,1 Donatello2 bzw. Lo Scheggia;3 zu den möglichen Porträts von Masolino4 und Donatello;5 zu Ähnlichkeit des letztgenannten mit einem der hl. drei Könige in der Pisaner Anbetung der Könige.6
Verweise
Siehe etwa Carniani 1998, 31.↩︎
Volponi/Berti 1968, 96; Joannides 1993, 337 bewertet beide Identifikationsvorschläge für Donatello in diesem Bildfeld als grundsätzlich möglich. Gegen die Identifizierung der zweiten Figur von rechts führt er jedoch ins Treffen, dass der Künstler damals ca. 40 Jahre alt war und daher jünger ausgesehen haben dürfte.↩︎
Salucci 2014, 102f erwähnt diesen Vorschlag, den er ablehnt, ohne Nennung der Quelle.↩︎
U. a. Prinz 1966, 73 stellt fest, dass Vasari diesen Kopf als Vorlage für das Vitenbildnis Masolinos verwendete. Dem stimmt etwa Meller 1961, 295, 300 zu. Steinbart 1948, 61 fällt eine Ähnlichkeit des Kopfes zum mittleren, dort als „Donatello“ bezeichneten Bildnis in Fünf Meister der Florentiner Renaissance (siehe die Vorbemerkung zu Masaccio) auf, das er Masaccio zuschreibt.↩︎
Meller 1961, 300.↩︎
Poggi 1903 zitiert nach Baldini/Casazza/Ambrosio 1991, 61.↩︎
Forschungsergebnis: Masaccio
| Künstler des Bildnisses: | Masaccio |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Lo Scheggia (Masaccios Bruder) |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Meller | 1961 | Meller 1961 – La cappella Brancacci | 289–300 | - |
| Bejahend | Pope-Hennessy | 1966 | Pope-Hennessy 1966 – The Portrait in the Renaissance | 7 |
Details(hält für möglich)
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| Skeptisch/verneinend | Volponi/Berti | 1968 | Volponi, Berti 1968 – L'opera completa di Masaccio | 96 |
Details(referieren neutral neben anderen Identifikationsvorschlägen)
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| Skeptisch/verneinend | Hatfield | 1976 | Hatfield 1976 – Botticelli's Uffizi Adoration | 97, Anm. 104 | - |
| Skeptisch/verneinend | Joannides | 1993 | Joannides 1993 – Masaccio and Masolino | 337 | - |
| Skeptisch/verneinend | Baldini/Casazza | 1994 | Baldini, Casazza 1994 – Die Brancacci-Kapelle | 171 |
Details(referieren neutral neben anderen Identifikationsvorschlägen)
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| Bejahend | Brown | 2000 | Brown 2000 – The Painter's Reflection | 117f | - |
| Skeptisch/verneinend | Del Carlo | 2012 | Del Carlo 2012 – La cappella Brancacci nella chiesa | 55 |
Details(referiert neutral neben anderen Identifikationsvorschlägen)
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In der Figur wird auch ein Porträt von Lo Scheggia gesehen, der Masaccios Bruder und ebenfalls Maler war.1
Meller beschäftigt sich in einem Aufsatz 1961 mit den Bildnissen und Selbstbildnissen in der Brancacci-Kapelle. Er lehnt das Selbstbildnis Masaccios im Zinsgroschen ab und stimmt jenem bei der Kathedra Petri zu. Zusätzlich schlägt er ein weiteres Selbstbildnis des Malers in der Schattenheilung vor, wo er sich als Apostel Johannes hinter Petrus dargestellt habe. In diesem Bildnis sehe der Maler jünger aus als im anderen Selbstbildnis und die Art der Ausführung sei etwas unsicherer, die Physiognomien stimmten jedoch überein. Meller geht davon aus, dass Masaccio in diesem Bildfeld eine Art Gruppenporträt der für die Ausstattung der Kapelle verantwortlichen Künstler anbringen wollte: Während er sich selbst auf der einen Seite Petri einfügt, befinden sich auf der anderen Seite des Apostels mit roter Kopfbedeckung Masolino, der zum Teil gleichzeitig mit Masaccio die Wände freskierte, und Donatello, der Meller zufolge mit dem Marmortabernakel beauftragt gewesen sein könnte. Auf diese Weise habe bereits Masaccio wie später Filippino in derselben Kapelle sein Selbstbildnis zweimal, gleichsam als zwei Signaturen, eingebracht sowie Künstlerkollegen an seiner Seite verewigt.2
Pope-Hennessy (1966) hält ein Selbstbildnis Masaccios in der Schattenheilung für möglich, äußert sich aber nicht weiter dazu.3
Berti (1968) referiert die Porträtzuschreibungen in der Schattenheilung inklusive der zwei Vorschläge für den Apostel Johannes – so auch den Selbstbildnis-Vorschlag Mellers –, ohne eine Wertung vorzunehmen.4
Hatfield (1976) steht Mellers Porträtidentifikationen insgesamt eher skeptisch gegenüber und hält auch seine Vorschläge für Künstler(selbst)porträts in der Schattenheilung für zweifelhaft, beruhten sie doch auf nicht nachvollziehbarer Evidenz.5
Für Joannides (1993) ist Mellers Vorschlag, im Apostel Johannes ein Selbstbildnis Masaccios zu sehen, wenig überzeugend.6
Baldini und Casazza (1994) erwähnen Mellers Selbstbildnis-Zuweisung lediglich wertungsfrei neben anderen Vorschlägen für die Figur.7
Brown (2000) schreibt, Masaccio habe sich in der Schattenheilung gemeinsam mit seinem Freund Donatello dargestellt.8
Del Carlo (2012) stellt Mellers These vom Selbstbildnis Masaccios im Apostel Johannes nur neutral neben den anderen Vorschlag, in der Figur Masaccios Bruder Lo Scheggia zu sehen. Eine Wertung nimmt er insofern vor, als er die Identifizierung der Figur mit weißem Bart zwischen Johannes und Petrus als Donatello für noch unwahrscheinlicher als die beiden Vorschläge für Johannes hält.9
Verweise
Siehe etwa Carniani 1998, 31; Del Carlo 2012, 55; ausführlichere Diskussion bei Salucci 2014, 102f. Den Vorschlag, in der ersten Figur von rechts den Bruder Masaccios zu sehen, dürfte erstmals Parronchi 1966 (zitiert nach Baldini/Casazza/Ambrosio 1991, 61) gemacht haben.↩︎
Meller 1961, 289–300.↩︎
Pope-Hennessy 1966, 7.↩︎
Volponi/Berti 1968, 96.↩︎
Hatfield 1976, 97, Anm. 104.↩︎
Joannides 1993, 337.↩︎
Baldini/Casazza 1994, 171.↩︎
Brown 2000, 117f.↩︎
Del Carlo 2012, 55.↩︎
Der ideale Apostel
Mellers Vorschlag, in der rechten Randfigur der Schattenheilung ein Selbstbildnis Masaccios zu sehen, blieb in der Forschung fast gänzlich ohne Zustimmung. Die Figur ist durch ihre Kleidung (Tunika, Toga) und ihren Heiligenschein als biblische Figur ausgezeichnet, schreitet hinter Petrus, der das Schattenwunder vollbringt, und wird üblicherweise mit dem Apostel Johannes identifiziert. Meller stellt das Gesicht der Figur dem von der Forschung großteils anerkannten bei der Cathedra Petri gegenüber. Er konstatiert ausreichende Ähnlichkeit, was die Annahme von zwei Selbstbildnissen derselben Person rechtfertige. Dieser Befund kann nur sehr eingeschränkt geteilt werden. Zwar stimmt die Gesichtsform der beiden in Dreiviertelansicht Dargestellten grob überein und es sind auch die lange Nase und der Mund vergleichbar. Doch scheint weder ihre Übereinstimmung frappant noch ihr Unterschied zu anderen Köpfen groß genug, um Mellers Schlussfolgerung zuzustimmen.
Der Alternativvorschlag, in der Figur stattdessen ein Porträt von Lo Scheggia, dem jüngeren Bruder des Masaccio, zu sehen, scheint ähnlich unplausibel. Hierfür würde aber wenigstens sprechen, dass Lo Scheggia auf den Namen „Giovanni“ getauft wurde und somit als sein Namenspatron dargestellt wäre.
Ähnlich wie Vasari bei seiner Selbstbildnis-Zuweisung im Zinsgroschen liefert Meller außerdem einen Einwand gegen ein (Selbst-)Bildnis in dieser Figur implizit mit, wenn er von einem Wandel in der Bildnismalerei hin zu deutlich ausgeprägterer Porträtähnlichkeit zwischen Masolino und Masaccio spricht.1 Denn gerade der Johannes der Schattenheilung wirkt sehr idealisiert und wenig individuell. Aus der Analyse der Tagwerke lässt sich ebenfalls kein valider Schluss ziehen, denn der Kopf der Figur wurde in einem Tagwerk gemeinsam mit jenem des Petrus und der dazwischen positionierten Figur geschaffen,2 was einer für Masaccio durchaus üblichen Tagwerk-Größe entspricht. Auch das erwähnte anerkannte Selbstbildnis bei der Cathedra Petri wurde gemeinsam mit zwei anderen Köpfen gefertigt.3
Grundsätzlich wäre die Schattenheilung dank ihres Settings durchaus geeignet für die Einfügung von (Selbst-)Porträts, handelt es sich doch um eine jener Szenen in der Kapelle, die durch die zeitgenössische Architektur und die Darstellung bedürftiger bzw. körperbehinderter Menschen, die im Viertel der Kirche Santa Maria del Carmine häufig zu sehen waren, deutlich im Hier und Jetzt des Florentinischen Quattrocento verortet sind.4 Warum Masaccio dafür aber einen Apostel und nicht eine der bürgerlichen Assistenzfiguren gewählt haben sollte, erschließt sich nicht.
Verweise
Meller 1961, 303f.↩︎
Baldini/Casazza 1994, 173 u. grafische Darstellung S. 357.↩︎
Ebd., 358f (grafische Darstellung).↩︎
Zur dargestellten Architektur vgl. etwa Salucci 2014, 101; vgl. Eckstein 2005; Eckstein 2014, 131, 133ff, der die Umgebung der Kirche als ein von Armut geprägtes Viertel beschreibt und die Bedeutung von wohltätigen Frauenvereinigungen für die Bevölkerung und die Kirche bzw. die Brancacci-Kapelle aufarbeitet; vgl. Spike 1996, 134 zur möglichen Wirkung des Settings auf die zeitgenössischen BetrachterInnen.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Gstir, Verena: Die Schattenheilung (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/masaccio-die-schattenheilung-um-1423-bis-1428-florenz-santa-maria-del-carmine/ (05.12.2025).