Marientod

Meister der Lichtenthaler Marienflügel

1489

Deutschland; Karlsruhe; Kunsthalle Karlsruhe

Objekt

Bildrechte
Detailtitel:Marientod (Teil von: Lichtenthaler Marienflügel)
Alternativtitel Deutsch:Tod Mariä
Titel in Originalsprache:Marientod
Titel in Englisch:Death of Mary
Datierung: 1489
Ursprungsregion:deutschsprachiger Raum
Lokalisierung:Deutschland; Karlsruhe; Kunsthalle Karlsruhe
Lokalisierung (Detail):Inventarnummer: 806b; rechter Flügel eines ehemaligen Marienaltars mit dem Marientod (innen) und der Heimsuchung (außen); Pendant zur Tafel mit Mariengeburt und Verkündigung
Medium:Altarflügel; Tafelbild
Material:Mischtechnik
Bildträger:Holz (Tanne)
Maße: Höhe: 225 cm; Breite: 142 cm
Maße Anmerkungen:Maße mit Rahmen: 249 x 166,5 x 9 cm
Ikonografische Bezeichnung:Marienleben (Marientod)
Iconclass:73E74(+5) – the Dormition: Mary on her deathbed; the apostles are gathered around her (John the Evangelist may be shown sleeping or dreaming) (+ donor(s), supplicant(s), whether or not with patron saint(s))
Signatur Wortlaut:ohne
Datierung Wortlaut:ohne
Auftraggeber/Stifter:Margarethe von Baden (Äbtissin Kloster Lichtenthal)
Provenienz:Flügel des ehemaligen Hochaltarretabels der Zisterzienserinnenklosterkirche Lichtenthal bei Baden-Baden; zwischen 1803 und 1810 in die Großherzogliche Galerie in Schloss Mannheim gelangt; 1890 von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe übernommen
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Im ehemaligen Mittelschrein befand sich eine geschnitzte Anbetung der Könige, der Schrein wurde 1757 durch ein Altarbild ersetzt.1 Zur Auftraggeberin und zur Provenienz.2

Verweise

  1. Lauts 1966, 277. Zu einer Rekonstruktion des Retabels in geöffnetem Zustand vgl. Morath-Fromm 2013, 523 (Abb. 113).↩︎

  2. Lauts 1966, 277.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:zweite Figur von links, hintere Figurenebene
Ausführung Körper:Kopfbild
Ausführung Kopf:Dreiviertelporträt
Ikonografischer Kontext:Apostel am Totenbett Mariens
Blick/Mimik:verinnerlichter Blick nach rechts
Gesten:Hände nicht sichtbar
Körperhaltung:Körper nicht sichtbar
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:in der hintersten Figurenreihe am linken Bildrand; vor einer monochromen Wand; deutlicher Körperschatten an der Wand; großteils von den vorgelagerten Aposteln und deren Nimben überschnitten
Sonstiges:Nimbus
Zugeordnete Bildprotagonisten:alle Apostel, besonders die beiden direkt vor der Figur

Forschungsergebnis: Meister der Lichtenthaler Marienflügel

Künstler des Bildnisses:Meister der Lichtenthaler Marienflügel
Status:Einzelmeinung
Andere Identifikationsvorschläge:Apostel; evtl. Johannes
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Franke 2012 Franke 2012 – Raum und Realismus 275 (Anm. 899) -

Franke (2012) vergleicht im Zuge ihrer Analyse des Marientods von Hugo van der Goes und des dabei von ihr festgestellten Selbstbildnisses des Malers an der Bettstatt Mariens Bildfiguren vom Meister des Lichtenthaler-Retabels und von Martin Schongauer. Dabei handelt es sich jeweils um Marientod-Darstellungen: einen Altarflügel beim Lichtenthaler Meister und eine Grafik bei Schongauer.1 In beiden Fällen distanziere sich auf der linken Seite ein Jünger durch seinen Blick aus der Menge und gebe sich so als Selbstdarstellung zu erkennen.2

Verweise

  1. Martin Schongauer, Marientod, frühe 1470er-Jahre, London, The British Museum.↩︎

  2. Franke 2012, 275 (Anm. 899).↩︎

Ein spezieller Apostel

Ein Apostel im Marientod von Hugo van der Goes, der sich an der hinteren Bettkante der Madonna befindet, löste wegen seines speziellen Äußeren, insbesondere wegen seines schielenden Blicks und auch wegen seiner herausgehobenen Verankerung im Gemälde, Diskussionen in der Forschung aus. Franke identifizierte ihn als Selbstdarstellung von Hugo van der Goes.1 Im Zuge ihrer Ausführungen vergleicht die Autorin die van Goes’sche Bildfigur u. a. mit der des Lichtenthaler Meisters im linken hinteren Bildbereich des Marientods und schreibt auch dieser Selbstporträtcharakter zu.2 Wie Franke zu Recht feststellt, erscheint der Apostel durch seine Isolation und seinen Blick von den anderen distanziert.3 Er nimmt weder am Disput noch am Gebet der anderen teil, wenngleich sein nach innen gerichteter Blick als ein „inneres Sehen“ und damit als compassio gedeutet werden kann. Dieser Blick ähnelt dem von Stifterfiguren, die das Geschehen wie in einer Vision zu erleben scheinen – ein bekanntes Beispiel dafür ist der Kanoniker Joris van der Paele in der Paele-Madonna.
Diese Deutung des Blicks könnte die These der Selbstdarstellung verstärken – so könnte angenommen werden, dass sich der Maler als „künstlerischer Stifter“ zur Schau stellt. Der Porträtcharakter der Figur wird allgemein anerkannt.4 Des Weiteren lässt sich anführen, dass sich vielfigurige Szenen, wie etwa Marienthemen, besonders für Selbstdarstellungen eignen, da sie einerseits kompositorische Voraussetzungen für Assistenzporträts bieten und andererseits den Malern ermöglichen, auf den hl. Lukas Bezug zu nehmen – den christlichen Ur-Maler, der die Madonna porträtierte.5 Ein solches Vorgehen könnte im vorliegenden Fall indirekt gegeben sein. Zudem entspricht auch die Position am Rand jener, die viele Maler für ihre Selbstdarstellungen wählten. Freilich handelt es sich bei all diesen Überlegungen zu einer möglichen Selbstdarstellung um reine Indizien, die keinerlei Beweiskraft besitzen. Gegen eine Selbstdarstellung spricht jedoch der Nimbus der Figur. Abgesehen von der wahrscheinlichen Selbstdarstellung von Taddeo di Bartolo in Montepulciano kann keine Selbstdarstellung eines Malers in der Rolle eines Heiligen mit Nimbus im 15. Jahrhundert bestätigt werden.

Die These zu Hugo van der Goes‘ Selbstdarstellung und auch zu der des Meisters der Lichtenthaler Marienflügel ist zwar äußerst reizvoll, kann zum gegebenen Zeitpunkt jedoch ohne weiterführende verifizierende Argumente nicht bestätigt werden.

Verweise

  1. Vgl. weiterführend den Katalogeintrag zum Marientod von Hugo van der Goes.↩︎

  2. Nach Dresel/Lüdke/Vey könnte es sich um den Apostel Johannes handeln, vgl. Dresel/Lüdke/Vey 1992, 104. Zu den Lichtenthaler Marienflügeln bzw. dem Marientod des Meister weiterführend vgl. u. a. Dresel/Lüdke/Vey 1992, 102–106; Lauts 1966a, 277; Lauts 1966b; Morath-Fromm 2013, 520–528.↩︎

  3. Franke 2012, 275 (Anm. 899).↩︎

  4. Vgl. u. a. Lauts 1966b, o. S.; Morath-Fromm 2013, 523.↩︎

  5. Zur Eignung vielfiguriger Szenen und insbesondere Marienthemen für integrierte Selbstdarstellungen vgl. den Exkurs: Das narrative Umfeld von Selbstdarstellungen – die Menge macht’s in: Krabichler 2024, 70–76.↩︎

Literatur

Dresel, Ines/Lüdke, Dietmar/Vey, Horst (Hg.): Christus und Maria. Auslegungen christlicher Gemälde der Spätgotik und Frührenaissance aus der Karlsruher Kunsthalle (Ausstellungskatalog Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Karlsruhe, 6.6.–20.9.1992), Karlsruhe 1992.
Franke, Susanne: Raum und Realismus. Hugo van der Goes’ Bildproduktion als Erkenntnisprozess, Frankfurt am Main u. a. 2012.
Krabichler, Elisabeth: Vor aller Augen. Das integrierte Selbstporträt als Metabild in der Frühen Neuzeit (Dissertation, Universität Innsbruck), Innsbruck 2024.
Lauts, Jan: Katalog Alte Meister bis 1800, Karlsruhe 1966.
Lauts, Jan: Schwäbischer Meister 1489. Geburt und Tod Mariä. Zwei Altarflügel aus Kloster Lichtenthal (Bildhefte der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, 1), Karlsruhe 1966.
Morath-Fromm, Anna: Das Erbe der Markgrafen. Die Sammlung deutscher Malerei (1350–1550) in Karlsruhe, Ostfildern 2013.