Pilatus wäscht seine Hände

Meister des Aachener Altars

1492 bis 1495

Vereinigtes Königreich; Liverpool; Walter Art Gallery

Objekt

Bildrechte
Detailtitel:Pilatus wäscht seine Hände (Teil von: Passionsaltar)
Alternativtitel Deutsch:Pilatus wäscht seine Hände in Unschuld; Handwaschung
Titel in Originalsprache:Pilatus wäscht seine Hände
Titel in Englisch:Pilate Washing his Hands
Datierung: 1492 bis 1495
Ursprungsregion:deutschsprachiger Raum
Lokalisierung:Vereinigtes Königreich; Liverpool; Walter Art Gallery
Lokalisierung (Detail):Inventarnummer: WAG 1225; Raum 01, 1a
Medium:Altarflügel; Tafelbild
Material:Tempera; Öl; Gold
Bildträger:Holz (Eiche)
Maße: Höhe: 109,1 cm; Breite: 54,2 cm
Maße Anmerkungen:Gesamtmaße: Mitteltafel 107,3 x 120,3 cm (Kreuzigung); Seitenflügel je 109,1 x 54,2 cm (Pilatus wäscht seine Hände; Gregorsmesse)
Ikonografische Bezeichnung:Pilatus
Iconclass:73D3233 – Pilate washing his hands (in innocence)
Signatur Wortlaut:ohne
Datierung Wortlaut:ohne
Inschriften:

EO / HRM / TX; auf der Waffenscheide des vorderen Soldaten
VON (?) M; auf dem Banner

Auftraggeber/Stifter:Hermann Rinck (Bürgermeister von Köln)
Provenienz:Pfarrkirche St. Columba, Köln; Export nach England; Trennung von Seitentafeln (Besitz Walker Art Gallery Liverpool) und Mitteltafel (Besitz National Gallery London) im frühen 19. Jahrhundert (vor oder während der Ausfuhr nach England); Gesamtaltar in Liverpool ausgestellt
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Zu den Inschriften1 und zur Provenienz.2

Verweise

  1. Walker Art Gallery 1963, 104.↩︎

  2. National Museums Liverpool.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:zweite Figur von links in der mittleren Bildebene
Ausführung Körper:Schulterstück
Ausführung Kopf:Dreiviertelporträt
Ikonografischer Kontext:Zeuge in der Szene der Handwaschung des Pilatus
Blick/Mimik:direkter Blick aus dem Bild
Gesten:Hände nicht sichtbar
Körperhaltung:Körper nicht sichtbar; Kopf nach links gedreht
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:am linken Bildrand und in der Figurenebene hinter der Vordergrundhandlung mit Pilatus verankert; von vorgelagerten Figuren und Architekturfragmenten weitgehend überschnitten; Gesicht zur Gänze zu sehen; scheinbar von einem Portal hinterfangen; von einem weitgehend monochromen Bereich dahinter betont; einziger Bildprotagonist, der sich außerhalb der vielen Bildebenen befindet, in denen zahlreiche Figuren dargestellt sind
Kleidung:dunkle Kopfbedeckung

Forschungsergebnis: Meister des Aachener Altars

Künstler des Bildnisses:Meister des Aachener Altars
Status:kontrovers diskutiert
Status Anmerkungen:Das Attribut „kontrovers diskutiert“ ergibt sich schon daraus, dass für die Tafel drei Bildnisse als Selbstdarstellungen thematisiert sind.
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Friedländer 1917 Friedländer 1917 – Der Meister des Aachener Altars 225
Details
unbestimmte Aussage
Bejahend Stange 1952 Stange 1952 – Köln in der Zeit 118
Details
unklare Aussage
Bejahend Kisky 1961 Kisky 1961 – Der Meister des Aachener Altares 45
Details
unklare Aussage
Bejahend Andree/Leppin/Vey 1961 Andree, Leppin et al. 1961 – Nachlese der Ausstellung Kölner Maler 341 (Abb. 224–226) -
Bejahend Stange 1967 Stange 1967 – Köln, Niederrhein 108 -
Bejahend National Museums Liverpool o. D. National Museums Liverpool – The Crucifixion Altarpiece o. S. -

Friedländer (1917), der sowohl die Berliner Anbetung der Könige1 als auch die Neuerburger Anbetung der Könige aus dem Besitz des Grafen Landsberg-Velen dem Meister des Aachener Altars zuschreibt, bringt darin angeführte mögliche Selbstdarstellungen in einen Vergleich mit dem Bildnis des Malers in der Liverpooler Pilatusszene. Der Autor nutzt die Bildnisse, die unterschiedliche Altersstufen des Malers repräsentieren sollen, um die Werke chronologisch zu ordnen – so erscheine der Maler in der Neuerburger Anbetung der Könige jünger als in der Handwaschung des Pilatus. Aus Friedländers Beschreibung der möglichen Selbstporträtfigur in der Handwaschung (ein Mann mit jugendlichem, bartlosem Kopf) kann nicht genau abgeleitet werden, welchen der beiden linksstehenden Protagonisten der Autor anspricht.2 (Aus diesem Grund werden die Ausführungen Friedländers sowohl den Thesen zur Figur hinter Pilatus als auch jenen zum Mann neben dem Präfekten vorangestellt.)

Stange (1952) leitet von Selbstbildnissen des Meisters ebenfalls eine Chronologie ab. Das Porträt tauche viermal im Werk auf; erstens in der Neuerburger Anbetung der Könige im zweiten Mann von rechts in der hinteren Reihe mit Selbstbildnisblick; zweitens in der Berliner Anbetung der Könige als mittlere Person in der Gruppe hinter dem Mohrenkönig; drittens als auffällige, vom Autor nicht näher bestimmte Figur in der Handwaschung des Pilatus; und viertens als ein Porträt in der Ecce-Homo-Szene in Aachen, das ähnlich wie in Liverpool verankert ist.3 (Aus diesem Vergleich mit dem Selbstbildnis im Ecce Homo, das sich hinter Pilatus befindet, lässt sich ableiten, dass Stange auch im Fall der Liverpooler-Tafel das Porträt hinter dem Präfekten anspricht). Das Porträt in Berlin wird von Stange als das eines jungen, jedoch bereits reiferen Mannes eingeschätzt, jenes in Liverpool wäre das Bildnis eines wesentlich älteren Mannes, während das in Aachen den Maler als kranken Mann zeige. So sollen die Bildnisse auf erhebliche Unterschieden in den Entstehungszeiten der Werke hinweisen.4

Kisky (1961) nimmt Friedländers chronologische Einschätzung der Selbstdarstellungen des Meisters wertneutral auf. Vieles spreche dafür, dass die Werke in folgender Reihenfolge entstanden sind: Anbetung der Könige Neuerburg, Berliner Anbetung der Könige, Liverpooler Handwaschung und Aachener Ecce-Homo-Szene. Die von Friedländer thematisierten Selbstdarstellungen des Meisters seien dabei als einigermaßen sicher zu bewerten.5 (Kisky geht dabei nicht näher auf die Figuren ein, weshalb man aus seinen Ausführungen auch nicht herauslesen kann, welche der beiden Randfiguren in der Handwaschung des Pilatus thematisiert ist. Zudem kombiniert er in seinen Ausführungen die Thesen von Friedländer und Stange.)

Andree, Leppin und Vey (1961) bilden drei Details mit Selbstbildnissen des Meisters des Aachener Altars ab – nämlich Ausschnitte aus der Berliner Anbetung der Könige, dem linken Flügel des Passions-Triptychons in Liverpool und dem linken Flügel des Aachener Altars.6

Stange (1967) weist ohne weitere Ausführungen auf das Selbstporträt des Malers links hinter Christus hin.7

Auf der offiziellen Internetseite der Nationalmuseen Liverpool wird auf die Möglichkeit einer Selbstdarstellung des Meisters in der Figur mit dem schwarzen Hut, der über die Schultern von Pilatus blickt, aufmerksam gemacht.8

Verweise

  1. Friedländer 1917, 225.↩︎

  2. Zu den angesprochenen Selbstdarstellungen in Berlin und Aachen vgl. den Einführungstext zum Meister von Aachen.↩︎

  3. Stange 1952, 118.↩︎

  4. Kisky 1961, 45.↩︎

  5. Andree/Leppin/Vey 1961, 341 (Abb. 224–226). Zu den möglichen Selbstbildnissen in der Anbetung der Könige und im Aachener Altar vgl. den Vortext zum Meister von Aachen.↩︎

  6. Stange 1967, 108.↩︎

  7. National Museums Liverpool.↩︎

Bildnis 2

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:erste Figur am linken Bildrand
Ausführung Körper:Ganzfigur stehend
Ausführung Kopf:Dreiviertelporträt
Ikonografischer Kontext:Figur reicht Pilatus Wasser und Wasserschale und hält ein Tuch bereit
Blick/Mimik:Blick nach links Richtung Pilatus
Gesten:hält den Wasserkrug in der rechten, die Wasserschale in der linken Hand
Körperhaltung:Körper nicht zur Gänze sichtbar, Oberkörper und Kopf nach vorne gebeugt/gestreckt
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:am äußerst linken Bildrand und in derselben Figurenebene wie Pilatus verankert; vom Bildrand, Pilatus, seinem Thron und seinem Tuch teilweise überschnitten; Gesicht zur Gänze zu sehen; Teil des Figurenpersonals der Vordergrundszene
Attribute:Wasserkrug; Wasserschale; Tuch
Zugeordnete Bildprotagonisten:Pilatus

Forschungsergebnis: Meister des Aachener Altars

Künstler des Bildnisses:Meister des Aachener Altars
Status:kontrovers diskutiert
Status Anmerkungen:Das Attribut „kontrovers diskutiert“ ergibt sich schon aus dem Fakt, dass für die Tafel drei Bildnisse als Selbstdarstellungen thematisiert sind.
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Friedländer 1917 Friedländer 1917 – Der Meister des Aachener Altars 225
Details
unbestimmte Aussage
Bejahend Kisky 1961 Kisky 1961 – Der Meister des Aachener Altares 45
Details
unklare Aussage
Bejahend Jacob 1963 Jacob 1963 – The Master of the Aachen 9 -
Bejahend Walter Art Gallery 1963 Walker Art Gallery 1963 – Foreign Schools Catalogue 104f -

Friedländer (1917) vergleicht Selbstdarstellungen des Meisters in der Berliner Anbetung der Könige,1 in der Neuerburger Anbetung der Könige aus dem Besitz des Grafen Landsberg-Velen sowie ein Bildnis des Malers in der Liverpooler-Pilatusszene, woraus er eine Chronologie der Werke ableitet. Friedländers Beschreibung der möglichen Selbstporträtfigur in der Handwaschung (ein Mann mit jugendlichem, bartlosem Kopf) kann nicht genau entnommen werden, welchen der beiden linksstehenden Protagonisten der Autor anspricht.2 (Aus diesem Grund werden die Ausführungen Friedländers sowohl den Thesen zur Figur hinter Pilatus als auch jenen zum Mann neben dem Präfekten vorangestellt.)

Kisky (1961) nimmt Friedländers chronologische Einschätzung der Selbstdarstellungen des Meisters wertneutral auf. Zwar seien die Beobachtungen Friedländers vorsichtig zu bewerten, dennoch spreche viel dafür, dass die Werke in der vorgeschlagenen Reihenfolge entstanden sind: Anbetung der Könige Neuerburg, Berliner Anbetung der Könige, Liverpooler Handwaschung und Aachener Ecce-Homo-Szene. Die von Friedländer thematisierten Selbstdarstellungen des Meisters seien dabei als einigermaßen sicher zu bewerten.3 (Kisky geht dabei nicht näher auf die Figuren ein, weshalb man aus seinen Ausführungen auch nicht herauslesen kann, welche der beiden Randfiguren in der Handwaschung des Pilatus thematisiert ist. Zudem kombiniert der Autor die Ausführungen von Friedländer und Stange, der auch das Selbstbildnis in Aachen zum Thema machte.4)

Jacob (1963) bezieht sich auf Ausführungen von Stange und relativiert diese. Stanges These,wonach der auf der Grundlage angenommener Selbstporträts eine Chronologie der Werke des Meisters des Aachener Altars anzunehmen sei, lasse sich aufgrund der großen stilistischen Nähe der Arbeiten nicht bestätigen. Bei den diskutierten Selbstdarstellungen handelt es sich um den jungen Mann, der in der Liverpooler-Tafel auf der linken Seite steht und die Wasserkanne und das Becken für Pilatus hält, sowie um den Mann in der Aachener Ecce-Homo-Szene, der über die Schultern von Christus blickt.5 In Jacobs Ausführungen schwingt eine gewisse Ablehnung gegenüber den Thesen zu den Selbstporträts mit.6 (Jacob bezieht sich in seinen Ausführungen und mit der Kritik an Stange ausdrücklich auf den Mann mit der Wasserkanne. Aus Stanges Ausführungen geht jedoch nicht hervor, dass er dieses Porträt meint. Vielmehr ist anzunehmen, dass Stange den Mann hinter Pilatus im Blick hatte – wie an entsprechender Stelle ausgeführt wird.7)

Im Katalog der Walker Art Gallery (1963) wird ebenfalls auf die These Bezug genommen, wonach es möglich wäre, auf Basis angeblicher Selbstdarstellungen eine Chronologie der Werke des Meisters herauszuarbeiten. Zwei als Selbstporträts thematisierte Bildnisse – in der Handwaschung des Pilatus (der Mann mit dem Wasserkrug links) und in der Aachener Ecce-Homo-Szene (der Mann, der Christus über die Schultern schaut)8 – lassen zwar einen gewissen Altersunterschied erkennen, stilistisch sind die Werke einander jedoch so ähnlich, dass es unmöglich scheint, sie in entsprechendem zeitlichen Abstand zueinander zu verorten.9 Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass Thesen zu Selbstdarstellungen abgelehnt werden.

Verweise

  1. Friedländer 1917, 225.↩︎

  2. Kisky 1961, 45.↩︎

  3. Vgl. Stange 1952, 118.↩︎

  4. Zum möglichen Selbstbildnis in der Ecce-Homo-Szene vgl. den Vortext zum Meister von Aachen.↩︎

  5. Jacob 1963, 9.↩︎

  6. Zu Stanges Ausführungen vgl. weiterführend den Forschungsstand zum Bildnis hinter Pilatus.↩︎

  7. Vgl. den Vortext zum Meister von Aachen.↩︎

  8. Walker Art Gallery 1963, 104f.↩︎

Bildnis 3

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:erste Figur rechts des Throns von Pilatus
Ausführung Körper:Ganzfigur stehend
Ausführung Kopf:Dreiviertelporträt
Ikonografischer Kontext:Zeuge bei der Handwaschung von Pilatus
Blick/Mimik:Blick aus dem Bild; Blick leicht nach rechts gerichtet
Gesten:rechte Hand hält eine Waffe; linke Hand vermutlich nicht zu sehen (evtl. handelt es sich um die Hand an der Fessel Christi rechts von der Rückenfigur)
Körperhaltung:Kopf etwa auf der Höhe der Armlehne des Throns, rechter Fuß auf der Stufe des Throns und rechter Arm nach vorne hin orientiert; Rest des Körpers nicht sichtbar
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:von der vorgelagerten Rückenfigur weitgehend überschnitten; Kopf ist nahezu zur Gänze sichtbar; mit dem Fuß auf der Stufe des Herodes stehend und damit an der Schwelle zwischen den beiden Szenen mit Pilatus und Christus
Attribute:Waffe

Forschungsergebnis: Meister des Aachener Altars

Künstler des Bildnisses:Meister des Aachener Altars
Status:Einzelmeinung
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Rensing 1964 Rensing 1964 – Der Meister des Aachener Altares 229–234 -

Rensing (1964) geht nach Analysen einer Inschrift in Pilatus wäscht seine Hände in Unschuld und einer weiteren in der Anbetung der Könige aus der Neuerburger Sammlung davon aus, dass es sich jeweils um Signaturen handelt, die die Identität des Malers in verschleierter Form preisgeben. In Liverpool sind die Zeichen SO / HRM / TX auf der Scheide des Schwertes des als Rückenfigur ausgeführten Soldaten im Vordergrund zu lesen. Weiterführend zieht Rensing u. a. eine Parallele zur Inschrift MARIA LAIB MARIA bei Conrad Laib. Wie Laib seinen Namen mit der Gottesmutter in Verbindung brachte, könnte der Meister mit der Inschrift SO / HRM / TX Ähnliches aussagen wollen. Bezieht man das T auf SO, so führe das mit SOT zu einer verkürzten Form eines Nachnamens (Soeting, Sotmann oder Sotmeyer), HRM stünde für Hermann und das X wäre als Zeichen für Christus zu lesen. In der Anbetung der Könige erscheinen die Zeichen HE und AN, die Rensing mit RM zu HERM ergänzen will, an ähnlicher Stelle an der Figur des jüngsten der Heiligen Könige im vorderen linken Bildeck. Auf Grundlage dieser Inschriften stellt der Autor die These auf, dass der Maler mit dem Goldschmied Hermann Soytmann gleichgesetzt werden könnte. Zwar räumt der Autor ein, dass die Selbstdarstellungen des Malers bereits zugeordnet sind,1 dennoch könne man bei diesem stark individualisierten Mann mit Schnauzbart an eine Selbstdarstellung des Meisters denken.2

Verweise

  1. Rensing gibt ohne Angaben von Quellen bzw. näherer Erläuterungen summarisch an, dass für den Meister vier Selbstdarstellungen allgemein bekannt sind. Vgl. ebd., 232.↩︎

  2. Ebd.↩︎

Überzeugende Randposition II

Das mögliche Selbstporträt in der Liverpooler Handwaschung des Meisters von Aachen wurde bereits 1917 von Friedländer erkannt und zur Datierung des Werks des Meisters herangezogen. Das ist ein Ansatz, den auch Stange Mitte des 20. Jahrhunderts entsprechend weiterführte.1 Davon abgesehen wurden keine Überlegungen mit Gehalt zur Figur angestellt – im Gegenteil, weitgehend wurden die frühen Forschungsmeinungen übernommen. Da sich aber weder Friedländer noch Stange konkret zur Position des Selbstporträts äußerten, verwundert es nicht, dass die These auf zwei Figuren am linken Bildrand angewandt wurde, nämlich auf den jungen Diener neben Pilatus sowie auf die Figur im linken Hintergrund, die in Richtung BetrachterInnenraum blickt – der Zuschreibung dieser hinteren Figur als Selbstdarstellung wird der Vorzug gegeben.

Das vermutliche Selbstporträt befindet sich in klassischer Verankerung am Bildrand; durch seine Position und die Unbeteiligtheit an der Szene ist die Figur von der Narration ausgeschlossen; sie trägt eine dunkle Kopfbedeckung und spricht die BetrachterIn durch den Blick direkt an. Mit diesem Bildnis am Bildrand reiht sich der Aachener Meister in die Entwicklungen seiner Zeit ein, wie sie sowohl im Norden als auch im Süden zu beobachten sind.
Zudem kann die verworrene Raumsituation am Rand als weiteres Indiz zur Stützung der Selbstporträtthese herangezogen werden: In ihrem seitlichen Bildbereich scheint die Figur vollkommen isoliert zu sein. Sie ist von einem Portal hinterfangen und in einem monochromen Bereich im ansonsten figurenreich und mit vielen Simultanhandlungen bespielten Gemälde freigestellt. All dies bewirkt eine sehr gute Sichtbarkeit des Porträts, trotz seiner Position im Hintergrund.

Freilich kann die Physiognomie des Mannes nur bedingt zur Verifizierung herangezogen werden, da sich mehrere ähnliche Figuren im Werk des Aachener Meisters finden, die mit ähnlich schmalen, sensiblen Gesichtern ausgestattet sind (im vorliegenden Bild trifft das etwa auch für den Diener zu, der ebenfalls als Selbstbildnis vorgeschlagen ist). Im Zusammenspiel mit der dunklen Kappe stellt die Gesichtsform dennoch ein aussagekräftiges Kriterium dar – insbesondere, da alle anerkannten Selbstdarstellungen des Malers, wie im Einleitungstext angeführt, eine entsprechende Kopfbedeckung tragen.

(Eine abweichende These von Rensing zur Figur mit Bart, die im vorderen mittleren Bereich zur RezipientIn blickt, wurde hingegen in der Forschung nicht weiterverfolgt. Diese These ist zwar überzeugend argumentiert und verlockend, letztlich jedoch nicht verifizierbar. Sie steht in direktem Zusammenhang mit einem Bildnis in der Neuerburger Anbetung der Könige und wird im Beitrag zu diesem Bild näher erörtert.)

Verweise

  1. Friedländer 1917, 225; Stange 1952, 118. Zu den detaillierten Überlegungen der beiden Forscher vgl. weiterführend den Forschungsstand zum möglichen Selbstporträt. Zum Gemälde weiterführend vgl. u. a. Andree u. a. 1961; Walker Art Gallery 1963, 104f.↩︎

Literatur

Andree, Rolf/Aust, Günter/Leppin, Helmut R./Vey, Horst/Wallrath, Rolf: Die Handwaschung des Pontius Pilatus. 40 B, in: Wallraf-Richartz-Museum (Hg.): Der Meister des Bartholomäus-Altares – der Meister des Aachener Altares. Kölner Maler der Spätgotik (Kölner Maler der Spätgotik; Ausstellungskatalog, Köln, 25.3.–28.5.1961), Köln 1961, 113.
Andree, Rolf/Leppin, Helmut R./Vey, Horst: Nachlese der Ausstellung „Kölner Maler der Spätgotik“, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch, 23. Jg. 1961, 327–341.
Friedländer, Max J.: Der Meister des Aachener Altars, in: Amtliche Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen, 38. Jg. 1917, H. 9, 221–226.
Jacob, John: The Master of the Aachen Altarpiece. A Discovery, in: Liverpool bulletin, 11. Jg. 1963, H. 3, 7–21.
Kisky, Hans: Der Meister des Aachener Altares, in: Wallraf-Richartz-Museum (Hg.): Der Meister des Bartholomäus-Altares – der Meister des Aachener Altares. Kölner Maler der Spätgotik (Kölner Maler der Spätgotik; Ausstellungskatalog, Köln, 25.3.–28.5.1961), Köln 1961, 44–54.
National Museums Liverpool: The Crucifixion Altarpiece: Pilate Washing his Hands (Front Left Wing). Master of the Aachen Altarpiece, 1492–1495, https://www.liverpoolmuseums.org.uk/artifact/crucifixion-altarpiece-pilate-washing-his-hands-front-left-wing (16.05.2024).
Rensing, Theodor: Der Meister des Aachener Altares, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 1964, H. 26, 229–234.
Stange, Alfred: Köln in der Zeit von 1450 bis 1515 (Deutsche Malerei der Gotik, 5), München u. a. 1952.
Stange, Alfred: Köln, Niederrhein, Westfalen, Hamburg, Lübeck und Niedersachsen (Kritisches Verzeichnis der deutschen Tafelbilder vor Dürer, 1), München 1967.
Walker Art Gallery, Liverpool: Foreign Schools Catalogue. Text, Liverpool 1963.

Zitiervorschlag: