Anbetung der Könige (Madrid)

Memling, Hans

um 1470 bis 1472

Spanien; Madrid; Museo del Prado

Objekt

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Bildrechte
Detailtitel:Anbetung der Könige (Mitteltafel von: Triptychon zur Anbetung der Könige)
Alternativtitel Deutsch:Triptychon von Karl V.
Titel in Originalsprache:Triptiek met aanbidding van de koningen
Titel in Englisch:Triptychon with the Adoration of the Kings
Datierung: um 1470 bis 1472
Ursprungsregion:altniederländischer Raum
Lokalisierung:Spanien; Madrid; Museo del Prado
Lokalisierung (Detail):Inventarnummer: P001557; Raum 058A
Medium:Tafelbild; Triptychon; Altarbild
Material:Öl
Bildträger:Holz (Eiche)
Maße: Höhe: 96,4 cm; Breite: 147,4 cm
Maße Anmerkungen:Triptychon gesamt: Mitteltafel: 96,4 x 147,4 cm; linker Seitenflügel 98,2 x 63,3 cm; rechter Seitenflügel 98 x 63,6 cm
Ikonografische Bezeichnung:Geburt Christi; Drei Könige (Anbetung und Zyklus der Magier)
Iconclass:73B57 – adoration of the kings: the Wise Men present their gifts to the Christ-child (gold, frankincense and myrrh)
Signatur Wortlaut:ohne
Datierung Wortlaut:ohne
Auftraggeber/Stifter:unbekannt
Provenienz:mögliche Verbindung zur Dünenabtei, Koksijde; evtl. um 1500 in den königlichen Sammlungen in Spanien; Oratorium Karls V. im Schloss von Aceca, Villaseca de la Sagra, Toledo; seit 1847 im Bestand des Prado
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:unbekannt

Zur Auftraggeberschaft und zur Provenienz.1

Verweise

  1. Vgl. De Vos 1994, 114.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:Figur hinter der Stallarchitektur im rechten Bildbereich, durch ein Fenster blickend
Ausführung Körper:Kopfbild
Ausführung Kopf:Dreiviertelporträt
Ikonografischer Kontext:Beobachter im Hintergrund, von der sakralen Handlung abgetrennt
Blick/Mimik:Blick Richtung Bildzentrum
Gesten:rechte Hand auf Brüstung des Fensters aufgelegt
Körperhaltung:Körper nicht sichtbar
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:an der Schnittstelle zwischen Hintergrund und zentraler Vordergrundhandlung, zwischen außerhalb und innerhalb des Ortes der sakralen Handlung, der Stallarchitektur; im Fensterdurchblick, Kopf überschnitten, Hand auf die Brüstung gelegt; als Einzelfigur isoliert; Verbindungsebenen zu diversen Figuren: zum Porträt eines frontal nach vorne blickenden jungen Mannes zu seiner Linken in derselben Hintergrundebene, zum porträtähnlich aufgefassten Mann links des Stalles (3. Figur von links) mit ähnlich auf die Mauer aufgestützter Hand, im Gesamtaltarzusammenhang evtl. Verbindung zur ersten Figur rechts am rechten Seitenflügel, der in selber Ausrichtung und ebenfalls stark überschnitten auf die sakrale Handlung blickt; im Miteinander der Figuren ergeben sich jeweils unterschiedliche, aussagekräftige Kombinationen von Blickachsen
Zugeordnete Bildprotagonisten:ein zweiter junger Mann rechts daneben hinter dem Mauerdurchlass, in derselben Hintergrundebene; evtl. dritter Mann von links, von Schaller vorgeschlagen als Rogier van der Weyden; evtl. erster Mann von rechts am rechten Seitenflügel zur Darbringung im Tempel möglicherweise Willem de Winter, vorgeschlagen von Campbell; Hans Memling, vorgeschlagen von Schaller

Zu Identifizierungsvorschlägen zu weiteren Figuren: zu einem möglichen Porträt von Rogier van der Weyden im Mauerdurchlass1 und zum erster Mann von rechts am rechten Seitenflügel der als Willem de Winter2 bzw. als Hans Memling selbst vorgeschlagen wurde.3

Verweise

  1. Schaller 2021, 68f.↩︎

  2. Campbell 2005, 52.↩︎

  3. Schaller 2021, 70, 133.↩︎

Forschungsergebnis: Memling, Hans

Künstler des Bildnisses:Memling, Hans
Status:kontrovers diskutiert
Status Anmerkungen:Es handelt sich lediglich um zwei Forschungsmeinungen.
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung McFarlane 1971 McFarlane 1971 – Hans Memling 11f -
Skeptisch/verneinend Lobelle-Caluwé 1997 Lobelle-Caluwé 1997 – Hans Memling 46 -

Ausgehend von den Diskussionen um ein mögliches Selbstporträt im Donne-Altar benennt McFarlane 1971 weitere, ähnlich geartete „interlopers“, Eindringlinge bzw. Beobachter (Hirten in der vorliegenden Anbetung der Könige im Prado, in der Anbetung der Könige im Altar des Jan Floreins und in der Szene der Anbetung der Könige im Gemälde der Sieben Freuden Mariä) und stellt die Frage, wie diese behandelt werden sollten.1 Der Autor resümiert: „My answer would be that at least one shepherd looking on was as necessary for an Adoration as an ox and an ass and that none of these is a self-portrait.“2

Lobelle-Caluwé 1997 erscheint dieser Rückschluss „very ad hoc.“3

Verweise

  1. McFarlane (hg. von Wind 1971), 11f.↩︎

  2. Ebd., 12.↩︎

  3. Lobelle-Caluwé 1997, 46.↩︎

Inside – Out: Spekulationen über ein eventuell verkanntes Motiv I

Memlings prinzipielle Orientierung an Rogier van der Weyden ist in seinem Gesamtwerk ablesbar. Konkret in Bezug auf das Triptychon mit der Anbetung der Könige im Prado, das als Variante von Rogiers Columba-Altar gedeutet wird, thematisieren dies u. a. De Vos1 oder Lane.2 Blickt man weiter zurück, steht die zentrale Anbetungsszene in Zusammenhang mit Stefan Lochners Altar der Stadtpatrone3 – für beide Altäre werden mögliche Selbstbildnisse diskutiert.4

„Memlings Originalität kommt vor allem in der räumlichen Ausarbeitung der Komposition zum Ausdruck,“5 so De Vos, der erstmals auf die Besonderheit eines komplexen perspektivischen Systems Memlings verwies, das sich im Kunstgriff einer Spiegelung des architektonischen Rahmens der Anbetung in die Geburtsszene am linken Flügel zeigt. Der „imaginäre Raum“ besteht laut De Vos aus einem offenen Vorbau und einem halbrunden, rückgelagerten, von Arkaden begrenzten Stall: Der vordere Bereich ist Schauplatz der Anbetung auf der Mitteltafel, der hintere der Geburt Christi, die auf dem linken Flügel dargestellt ist. Allerdings hat sich die Schaubühne gedreht. Während der Stall auf der Mitteltafel frontal einsichtig ist, ist er auf dem Seitenflügel von einem seitlichen Standpunkt aus erschlossen, nämlich von der ersten Bogenöffnung aus, die man auf der Mitteltafel rechts hinter dem hl. Josef sieht.6 Schlie, die das Triptychon hinsichtlich seiner ikonografischen Bezüge zum Ritual von Sakramentsverehrung erörtert und ebenfalls auf den Bedeutungsgehalt der Architektur verweist, fokussiert zudem auf den Apsis-Charakter der dem Stall rückgelagerten Nische der Mitteltafel und die Abgeschlossenheit des folglich als Kirchengebäude zu lesenden Raums des linken Seitenflügels. Während die Anbetungsszene nach Schlie eine offene Aufforderung zur Partizipation darstellt, ist den Gläubigen auf die Geburtsszene nur ein „heimlicher“ Blick gewährt.7 In Weiterführung von De Vos‘ Beobachtungen mit Fokus auf die mögliche Selbstporträtfigur stellt sich die Frage, ob auch der durch das Fenster blickende junge Mann (zunächst unabhängig von einer möglichen Identifizierung) in dieses System integriert sein könnte? Auch ihm ist ein perspektivisch verschobenes Pendant, der in den BetrachterInnenraum blickende Mann zu seiner Linken, beigestellt. Dieser befindet sich auf selber Höhe, ist derselben Hintergrundebene anteilig und hat mit Ausnahme seiner Funktion als Zeuge (eventuell handelt es sich um einen Hirten) keinen ikonografischen Hintergrund. In der Kombination der Blickachsen der beiden Figuren wird der Blick der BetrachterIn zunächst frontal ins Bild zur Figur rechts und weiter über den Blick der viel auffälligeren Figur links durch die Fensteröffnung in die Bildhandlung geführt – „direkt“ in die zentrale Anbetung, „symbolisch“ auch in die Geburtsszene (bezugnehmend auf Schlie in den für die RezipientIn nicht zugänglichen heiligen Raum der Inkarnation Christi). Ähnlich der Architektur sind auch diese beiden Figuren in ein Spiel mit Bildebenen, Bild- und BetrachterInnenräumen eingebunden. Wie die Gläubigen der Seitentafel, so blickt auch die fragliche Selbstporträtfigur durch ein mit einem Rundbogen ausgestattetes Architekturdetail – ein offenes Fenster, das als einmaliges Element im gesamten Ensemble einen Hinweis auf eine Sonderstellung der Figur bergen könnte. Handelte es sich um ein Selbstbildnis, so könnte Memling, gekoppelt mit seiner Person, die Inszenierung eines erweiterten/mehrfach verdoppelten Blicks auf sein Werk intendiert haben: Es könnte als raffiniert gestalterisches Konstrukt auf seine kompositorischen Fähigkeiten weisen. Ähnliche Ableitungen funktionieren in abgeschwächter Form auch für das Triptychon des Jan Floreins.

Weitere Überlegungen zu möglichen unterschwellig wirkenden Bezügen lassen sich im Zusammenhang mit zwei anderen Figuren anstellen. Die unidentifizierte dritte Figur von links, die den Fenstergucker spiegelt, überschreitet etwa die Grenze zum Sakralraum: Sie blickt von links hinein und legt ihre Hand ebenfalls auf eine Architekturkante. Große Nähe besteht auch zur ersten Figur rechts am rechten Flügel (möglicherweise Willem de Winter8), deren zeitgenössische Ausstrahlung nicht zu übersehen ist. Eine ergänzende Theorie hält Schaller bereit, die eine Selbstdarstellung Memlings in eben dieser Figur im Seitenflügel, im Bildfeld der Darbringung im Tempel vorschlägt.9 Zudem gibt Schaller an, in der dritten Figur von links – der Mann direkt an der Stallmauer, der sich Richtung Bildgeschehen reckt – Rogier van der Weyden zu erkennen. Träfe dies und auch die Theorie des Selbstporträts zu (unabhängig davon, ob es sich dabei um das hier diskutierte oder das von Schaller vorgeschlagene handelte) stünde auch die Theorie eines Freundschafts- oder Werkstattbildes im Raum. Nach Schaller könnte es sich auch um eine Hommage an Rogier van der Weyden handeln.10

Memlings Umgang mit Bildpersonal (mit Gestik, Mimik, Auftreten) ist sparsam. Es scheint äußerst unwahrscheinlich, dass der Maler das symbolisch wirksame Porträt aus rein dekorativen Überlegungen integriert haben könnte. Unabhängig von einer Zuschreibung als Selbstbildnis – die trotz aller Überlegungen nicht seriös vorgenommen werden kann, an dieser Stelle aber auch nicht ausgeschlossen werden soll – ist das Bildnis ein wesentliches Moment in einem System sinnstiftender und blickleitender BetrachterInnenansprache.

Verweise

  1. De Vos 1994, 112.↩︎

  2. Lane 2009, 24f.↩︎

  3. De Vos 1994, 112. Zur Verbindung Memling/Lochner vgl. u. a. Lane 2009, 45–51.↩︎

  4. Die kompositorischen Bezugnahmen sind gleichermaßen im Floreins-Altar ablesbar.↩︎

  5. De Vos 1994, 112.↩︎

  6. Ebd. Ein ähnliches Konstruktionsprinzip wendet Memling auch im Triptychon von Jan Floreins an. Vgl. De Vos 1994, 158.↩︎

  7. Schlie 2002, 121–125, bes. 123.↩︎

  8. Campbell 2005, 52.↩︎

  9. Schaller 2021.↩︎

  10. Ebd., 67–72, 138f. Vgl. weiterführende Überlegungen im Katalogeintrag zur Darbringung im Triptychon der Anbetung der Könige.↩︎

Literatur

Campbell, L.: Memling und die Tradition der altniederländischen Portraitmalerei, in: Borchert, T.-H. (Hg.): Hans Memling. Portraits (Ausstellungskatalog, Madrid; Brügge; New York, 15.2.–15.5.2005; 7.6.–4.9.2005; 6.10.–31.12.2005), Stuttgart 2005, 48–67.
Campbell, Lorne: Memling und die Tradition der altniederländischen Portraitmalerei, in: Borchert, Till-Holger (Hg.): Hans Memling. Portraits (Ausstellungskatalog, Madrid; Brügge; New York, 15.2.–15.5.2005; 7.6.–4.9.2005; 6.10.–31.12.2005), Stuttgart 2005, 48–67.
De Vos, Dirk: Hans Memling. Das Gesamtwerk, Zürich u. a. 1994.
Lane, Barbara G.: Hans Memling. Master Painter in Fifteenth-Century Bruges, London u. a. 2009.
Lobelle-Caluwé, Hilde: Hans Memling: A Self-Portrait? in: Verougstraete, Hélène/Schoute, Roger van/Smeyers, Maurits (Hg.): Memling Studies. Proceedings of the International Colloquium (Tagungsband, Brügge, 10.–12.11.1994), Leuven 1997, 43–52.
McFarlane, Kenneth B.: Hans Memling, hg. von Edgar Wind, Oxford 1971.
Schaller, Catherine 2021: Hans Fries. Identität und Augsburger Quellen. (Manuskript) 12/2021.
Schlie, Heike: Bilder des Corpus Christi. Sakramentaler Realismus von Jan van Eyck bis Hieronymus Bosch, Berlin 2002.

Zitiervorschlag: