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Objekt
Bildrechte
| Detailtitel: | Darbringung im Tempel (rechter Flügel von: Triptychon zur Anbetung der Könige) |
| Alternativtitel Deutsch: | Triptychon von Karl V.; Darbringung Jesu im Tempel; Darstellung im Tempel |
| Titel in Originalsprache: | Triptiek met aanbidding van de koningen; Presentatie in the tempel; Presentatie van Jezus in the tempel |
| Titel in Englisch: | Triptychon with the Adoration of the Kings; Presentation in the Temple; Presentation of Jesus in the Temple |
| Datierung: | um 1470 bis 1472 |
| Ursprungsregion: | altniederländischer Raum |
| Lokalisierung: | Spanien; Madrid; Museo del Prado |
| Lokalisierung (Detail): | Inventarnummer: P001557 |
| Medium: | Tafelbild; Triptychon; Altarflügel |
| Material: | Öl |
| Bildträger: | Holz (Eiche) |
| Maße: | Höhe: 98 cm; Breite: 63,6 cm |
| Maße Anmerkungen: | Triptychon gesamt: Mitteltafel: 96,4 x 147,4 cm; linker Seitenflügel 98,2 x 63,3 cm; rechter Seitenflügel 98 x 63,6 cm |
| Ikonografische Bezeichnung: | Darbringung Jesu im Tempel |
| Iconclass: | 73B4 – presentation of the Christ-child in the temple, usually Simeon (and Anna) present (Luke 2:22-39) |
| Signatur Wortlaut: | ohne |
| Datierung Wortlaut: | ohne |
| Auftraggeber/Stifter: | unbekannt |
| Provenienz: | eine mögliche Verbindung zur Dünenabtei, Koksijde; evtl. um 1500 in den königlichen Sammlungen in Spanien; Oratorium Karls V. im Schloss von Aceca, Villaseca de la Sagra, Toledo; seit 1847 im Bestand des Prado |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | unbekannt |
Bildnis 1
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | erste Figur von rechts |
| Ausführung Körper: | Halbfigur stehend |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Zeuge der Darbringung Jesu im Tempel |
| Blick/Mimik: | Blick nach links unten Richtung Darbringungsszene |
| Gesten: | Hände nicht sichtbar |
| Körperhaltung: | aufrecht |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | am äußerst rechten Bildrand und somit am äußerst rechten Rand des Altarensembles; stark überschnitten von einer Säule, dem Altar und dem Propheten Simeon; in Kopfhaltung und Ausrichtung in auffälliger Übereinstimmung mit der Prophetin Hanna; über den starken Hell-Dunkel-Kontrast zwischen Inkarnat und dunkler Kleidung und die annähernd schwarze und monochrome Gewandung überhaupt von den anderen Figuren differenziert |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | diverse Figuren auf der Mitteltafel desselben Altars: dritte Figur von links an der Stallmauer; Figur im rechten Bildbereich, von hinten durch ein Stallfenster blickend. Zu den Identifizierungen dieser Figuren siehe den Katalogeintrag zur Anbetung der Könige |
Forschungsergebnis: Memling, Hans
| Künstler des Bildnisses: | Memling, Hans |
| Status: | Einzelmeinung |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Willem de Winter |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Skeptisch/verneinend | Campbell | 2005 | Campbell 2005 – Memling und die Tradition | 52 |
Detailsandere Identifizierung
|
| Erstzuschreibung | Schaller | 2021 | Schaller 12/2021 – Hans Fries | 67–72, 133, 138f | - |
Campbell (2005) schlägt vor, dass es sich beim Dargestellten um Willem de Winter handelt, der sich in Begleitung von Anne Willemszoon in der Gestalt der hl. Anna befindet. De Winter war Neffe, Anne Willemszoon Mutter von Jan Crabbe, der Memling ebenfalls mit einem Triptychon beauftragte.1
Schaller (2021), die Bezugnahmen von Memlings Triptychon der Anbetung der Könige zu Stefan Lochner und insbesondere Rogier van der Weyden analysiert, ist der Meinung, Memling habe sich in der Figur rechts außen selbst dargestellt, um seine ikonografische Herkunft bzw. die Vorbildwirksamkeit von van der Weyden zu signalisieren. Diese Erkenntnis untermaure ihre These eines „doppelten Selbstporträts van der Weydens“ im Columba-Altar2 (s. u.). In einer Kategorisierung möglicher Selbstporträt-Rubriken ordnet Schaller Memlings Bildnis als „maskierten Autor“ ein3 – diesen Begriff gebraucht sie gleichbedeutend mit der Bezeichnung Kryptoporträt.4 Zudem stellt die Autorin eine Übereinstimmung der Gesichtszüge des Mannes mit Memlings Selbstdarstellung im Donne-Altar fest.5
Die Ausführungen Schallers kreisen rund um die Analyse möglicher Selbstporträts im Oeuvre von Hans Fries, die sich in mehrfachen Ausführungen in der Tafel der Predigt des hl. Antonius von Padua befinden könnten.6 Weiterführend ortet Schaller diverse Altäre mit teils mehreren mutmaßlichen Selbstporträts, u. a. den Columba-Altar von Rogier van der Weyden, der neben Stefan Lochners Altar der Stadtpatrone bekanntermaßen als Vorbild für Memlings Anbetungstriptychon gilt.7 Zum Verständnis von Schallers Überlegungen zu Memling sei vorausgeschickt, dass die Autorin im Columba-Altar zwei Selbstbildnisse Rogiers in unterschiedlichen Rollen vorschlägt: ein Porträt als junger König, ein anderes als einfacher Betrachter im Hintergrund.8 Nach Analysen der Bildfiguren bei van der Weyden und Memling stellt die Autorin fest, dass sich jeweils in unmittelbarer Nähe eines Turbanträgers ein Mann mittleren Alters befindet, der das Geschehen interessiert, aber bescheiden beobachtet. Beide Figuren lehnen an der Stallarchitektur, auf die sie sich mit den Fingern ihrer jeweils rechten Hand aufstützen. Im Colombo-Altar ist dieser Zuschauer rechts der Anbetungsszene zu finden und wird von Schaller als Selbstporträt Rogier van der Weydens eingestuft, im Anbetungstriptychon Memlings steht der Mann links der sakralen Handlung und wird von der Autorin als Porträt Rogier van der Weydens vorgeschlagen. Das weitere von ihr identifizierte mutmaßliche Selbstbildnis van der Weydens in Gestalt des jungen Königs befindet sich am äußerst rechten Bildrand. Dieses Bildnis an sich und die Positionierung der Figur, so die These, mögen Memling motiviert haben, im Anbetungstriptychon seine eigene Selbstdarstellung an den äußersten rechten Rand im Seitenflügel zu setzen. Aus diesen Beobachtungen schließt Schaller, Memling habe sich bewusst in die Nachfolge Rogiers gestellt, indem er einerseits die Position eines seiner Selbstporträts übernahm und andererseits dessen zweites Selbstporträt als Porträt spiegelte.9 Zudem habe Memling das Bildnis dieses beobachtenden Zeugen in der Figur im Fensterdurchblick – diese wird als Selbstporträt im Katalogeintrag zur Mitteltafel des Altars diskutiert – erneut aufgenommen und somit dupliziert, was ihre These zu einem „doppelten Selbstporträts van der Weydens“ stütze: „Diese doppelte Darstellung des neugierigen Zuschauers ist gewiss kein Zufall. […] Mit dieser zweifachen Abbildung spielt Memling zweifellos auf das doppelte Selbstporträt van der Weydens in der Anbetung des St. Kolumba-Altars […] an.“10 Diese Erkenntnis knüpft Schaller zudem an die von De Vos argumentierten Prinzipien von Memlings Raumkonstruktion.11 Die Absicht Memlings, eine „Hommage“ an seine Vorbilder zu erarbeiten, spiegle sich laut Schaller noch in weiteren Details: Jan van Eyck und Stefan Lochner fließen als Porträts der Könige in die Mitteltafel ein; auch Rogier van der Weydens Porträt bekomme eine zweite Bühne: Der Meister sei sowohl im oben erwähnten Zuschauer als auch im König Balthasar dargestellt.12
Verweise
Vgl. ebd. Zum Triptychon: Hans Memling, Triptychon von Hans Crabbe, 1467–470, Vicenza, Palazzo Chiericati.↩︎
Schaller 2021, 67–72, 138f.↩︎
Der Begriff des „maskierten Selbstbildnisses“ wurde von Victor I. Stoichiță in die Forschungsdiskussion eingebracht. Wie das „Selbstbildnis als Besucher“ bzw. die „auktoriale Einfügung“ ist auch das „maskierte Selbstbildnis“ als Variante „kontextueller Selbstprojektionen“ zu verstehen. Vgl. Stoichiţă 1998, 219–226.↩︎
Schaller 2021, 133.↩︎
Ebd., 70 (Anm. 231), FN 231.↩︎
Schaller 2021.↩︎
Zur Orientierung Memlings an Rogier van der Weyden und Stefan Lochner vgl. Katalogeintrag zur Mitteltafel des hier behandelten Triptychons im Prado.↩︎
Schaller 2021, 138f.↩︎
Ebd., 67–72.↩︎
Ebd., 70.↩︎
De Vos 1994, 112. Von den von de Vos erörterten Konstruktionsprinzipien lassen sich auch Thesen zu einer weiteren Figur, wie im Katalogeintrag zur Mitteltafel ausgeführt, ableiten.↩︎
Schaller 2021, 71, 138f. Ohne es weiter auszuführen ergänzt Schaller, dass sich diese Ehrerbietung an Rogier van der Weyden auch in Memlings Gemälde Die sieben Freuden Mariens finde.↩︎
Eine Hommage an Rogier van der Weyden?
Schaller spinnt mit ihren Überlegungen zu möglichen Selbstporträts deutscher und niederländischer Maler ein weitreichendes Netz von Bezügen – im Fall Memlings insbesondere zu Rogier van der Weyden. Konzentriert man sich rein auf die Angaben Schallers, die diese beiden Maler betreffen, so ist festzustellen, dass die ins Feld geführten Beobachtungen zu physiognomischen Übereinstimmungen/Ähnlichkeiten diverser Figuren durchaus ihre Berechtigung haben. Ebenso verhält es sich mit sonstigen Merkmalen (etwa Gestik). Da allerdings nach momentanem Wissensstand weder von Memling noch von Rogier van der Weyden tatsächlich eindeutig belegbare Selbstporträts überliefert sind – selbst van der Weydens von Cusanus zum Thema gemachtes Porträt im Gerechtigkeitsbild von Trajan und Herkinbald ist nur als Tapisseriekopie überliefert – entbehren die Vergleiche bereits in ihrer Basis stichhaltiger Grundlagen.1 Ließen sich Schallers Thesen verifizieren, so wäre eine neue Tradition im Norden herausgearbeitet worden: die Anbringung multipler Selbstdarstellungen innerhalb von Bildverbänden. Die Übernahme von Selbstbildnissen nach Position bzw. Verankerung im Bild von Vorgängern könnte in Verbindung mit Sanders Erkenntnissen zur Tradition von nordischen Selbstporträts in Anbetungsszenen nach dem Monforte-Altar von Hugo van der Goes gesetzt werden. Beides sind äußerst reizvolle Vorstellungen und rechtfertigten eine genauere Untersuchung des Phänomens.
Verweise
Zum Gerechtigkeitsbild von Rogier van der Weyden vgl. den Einleitungstext zu van der Weyden.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Krabichler, Elisabeth: Darbringung im Tempel (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/memling-hans-darbringung-im-tempel-um-1470-bis-1472-madrid-museo-del-prado/ (05.12.2025).