Inhaltsverzeichnis
Objekt
Bildrechte
| Alternativtitel Deutsch: | Die sieben Freuden Mariä; Panorama mit der Ankunft und dem Triumph Christi; Advent und Triumph Christi; Leben Christi und Mariens |
| Titel in Originalsprache: | Zeven geneugten van Maria |
| Titel in Englisch: | The Seven Joys of Mary |
| Datierung: | 1480 |
| Ursprungsregion: | altniederländischer Raum |
| Lokalisierung: | Deutschland; München; Alte Pinakothek |
| Lokalisierung (Detail): | Inventarnummer: WAF 668 |
| Medium: | Altarbild; Tafelbild |
| Material: | Öl |
| Bildträger: | Holz (Eiche) |
| Maße: | Höhe: 81 cm; Breite: 189 cm |
| Ikonografische Bezeichnung: | Geburt Christi; Drei Könige (Anbetung und Zyklus der Magier) |
| Ikonografie Anmerkungen: | Anbetung der Könige als Teilbereich der Sieben Freudens Mariens |
| Iconclass: | 73B57 – adoration of the kings: the Wise Men present their gifts to the Christ-child (gold, frankincense and myrrh) |
| Signatur Wortlaut: | ohne |
| Datierung Wortlaut: | 1480 |
| Signatur/Datierung Position: | datiert: auf verschollenem Rahmen |
| Inschriften: | in het jaer 1480 soo was dit werck gegeven den ambachte van de huydevetters van d’heer Pieter Bultinc fs. Joos, huydevetter en Coopman, ende Jonckvrauwe Katalijne sijn wijf Godevaerts van Ryebeke dochter dies moet den priester vanden ambachte, achter elcke messe, lesen een Miserere, en Profundis voor alle zielen; auf einem verschollenen Rahmen |
| Auftraggeber/Stifter: | Pieter Bultinc (Bultynck) mit Gattin Katelyne van Ryebeke (Katelijne van Rijebeke) (1468–73 Inspektor der Gerber-Gilde, 1477–81 Schöffe der Stadt Brügge) |
| Provenienz: | 1480 Schenkung als Altarbild für die Kapelle der Gewerbezunft in der Liebfrauenkirche, Brügge (östliche Kapelle hinter dem Hochaltar); ab 1764/65 im Depot des Gerbers Jan Karel Holvoet; nachfolgend vermutlich Aufstellung im Versammlungssaal der Zunft; Aufbewahrung zwischen 1780 und 1804 ungewiss (auf der Liste der beschlagnahmten Gemälde der Liebfrauenkirche vermerkt); mögliche Wechsel der Besitzer; 1804 Verkauf an die Kaiserin Joséphine de Beauharnais; aus dem Besitz des kaiserlichen Erbes von Eugène de Beauharnais von C. J. Nieuwenhuys erworben; 1813 Verkauf an die Gebrüder Boisserée; deren Sammlung ging 1827 in den Bestand von König Ludwig I. über; heute Alte Pinakothek, München |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | teilöffentlich |
Bildnis 1
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | in der Szene der Anbetung der Könige, nahezu zentral in der vordersten Bildebene; Figur hinter der Stallarchitektur, die durch das rechte Fenster blickt |
| Ausführung Körper: | Kopfbild |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | als Beobachter im Hintergrund |
| Blick/Mimik: | Blick Richtung Bildzentrum |
| Gesten: | rechte Hand auf Brüstung des Fensters aufgelegt |
| Körperhaltung: | Körper nicht sichtbar |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | an der Schnittstelle zwischen Hintergrund und zentraler Vordergrundhandlung, zwischen außerhalb und innerhalb der sakralen Handlung; im Fensterdurchblick der Stallarchitektur, Kopf vor monochromem Landschaftshintergrund; Figur stark überschnitten, Hand auf die Brüstung gelegt; als Einzelfigur isoliert; Bild-im-Bild |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | Knabe mit roten Stiefeln, rechts an die Außenmauer des Stalles gelehnt, die Hand auf der Mauer aufliegend |
Forschungsergebnis: Memling, Hans
| Künstler des Bildnisses: | Memling, Hans |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Status Anmerkungen: | Es handelt sich um nur zwei Forschungsmeinungen. |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Mc Farlane | 1971 | McFarlane 1971 – Hans Memling | 11f | - |
| Skeptisch/verneinend | Lobelle-Caluwé | 1997 | Lobelle-Caluwé 1997 – Hans Memling | 46 | - |
Ableitend von den Diskussionen um ein mögliches Selbstporträt im Donne-Altar benennt McFarlane 1971 weitere, ähnlich geartete „interlopers“, Eindringlinge bzw. Beobachter: Hirten in der Anbetung der Könige im Prado, in der Szene der Anbetung der Könige im Gemälde der Sieben Freuden Mariä und in der Anbetung der Könige im Altar des Jan Floreins und überlegt, wie diese behandelt werden sollten.1 McFarlane resümiert: „My answer would be that at least one shepherd looking on was as necessary for an Adoration as an ox and an ass and that none of these is a self-portrait.“2
Lobelle-Caluwé 1997 erscheint dieser Rückschluss „very ad hoc.“3
Inside – Out: Spekulationen über ein eventuell verkanntes Motiv III
Das Panoramabild der Sieben Freuden Mariens ist nach De Vos eine der „wohlüberlegtesten […] erzählenden Kompositionen in der Malerei des 15. Jahrhunderts.“1 Vom Raumprinzip an Memlings Passionspanorama2 anknüpfend, behandelt das Gemälde in 253 simultanen Bildern die vier großen Kirchenfeste: Weihnachten, das Fest der Heiligen drei Könige, Ostern und Pfingsten; die Epiphanie stellt hierbei die Hauptszene dar.4 Stevens,5 der spätmittelalterliche Kunst und Dramen nach Intertextualität untersucht und Zusammenhänge zwischen den Medien thematisiert, fokussiert auf Memlings Passionspanorama, nicht ohne dabei auf Zusammenhänge auch zum Panorama der Sieben Freuden Mariens zu verweisen.6 Der Autor macht Kunst als Vision des Malers greifbar,7 als Neuinterpretation,8 die gerade in bühnenartigen Darstellungen – wie im vorliegenden Fall – zur Gänze auf die RezipientIn ausgerichtet ist. Die BetrachterIn wird mit in dramatischer Gleichzeitigkeit dargestellten Einzelszenen konfrontiert.9
Das als mögliches Selbstporträt diskutierte Bildnis ist in der Hauptszene mit der Anbetung der Könige eingebracht. Als isolierte Einzelfigur befindet es sich an einer ästhetischen Schwelle zwischen Bildthema und Hintergrund, hinter der Stallarchitektur großteils verdeckt, durch ein Fenster auf die Anbetungsszene blickend. Die Hand der Figur kommt auf der Brüstung des Fensters zu liegen, was eine symbolische Überschreitung der Schwelle impliziert. Ebenso verhält es sich bei dem Knaben, der rechts an der Außenmauer des Stalles lehnt. Auch in teils detaillierten Beschreibungen der einzelnen Szenen findet die als Selbstporträt diskutierte Figur im Stallfenster kaum Beachtung. Trotz im Gesamtpanorama perspektivisch angepasster Miniaturhaftigkeit und diese Kleinheit verstärkende, stark partielle Darstellung bleibt sie nicht unsichtbar; nahezu auf der Mittelachse des Bildes und vor einem monochromen Landschaftshintergrund formuliert, wirkt sie fast wie ein gerahmtes, an auffälliger Stelle platziertes Porträt. Im Gegensatz zu den mit der Anbetung in Verbindung stehenden Gemälden in Madrid und Brügge wirkt die Stallarchitektur in München in ihrer verdichteten Darstellung kompakt und der Stall selbst wenig durchlichtet, was einen stärkeren Bild-im-Bild Charakter für das Fenster samt Figur evoziert. Das von De Vos analysierte perspektivische System der Anbetungsszenen,10 das über Verschiebungen von Blickachsen auf Gebäude definiert ist, kommt auch im Münchner Bild, allerdings in stark abgeschwächter und veränderter Form, zum Tragen.11 Wie von Stevens für das Passionspanorama herausgearbeitet, gibt es auch im Marienbild innerhalb der einzelnen Szenen kaum bildinternes Personal; die beobachtende Rolle bleibt bei Memlings Simultanpanoramen großteils den externen BetrachterInnen vorbehalten.12 Die Bildfiguren agieren entsprechend ihrer historischen Aufgaben und sind meist ikonografisch hinterlegt. Dies gilt auch für den „Fenstergucker“, der als Beobachtender gelesen werden kann. Seine kompositorische Verankerung, sein im bildlichen Sinn „von außen hinein“ Blicken, bringt ihn in direkte Verbindung mit dem BetrachterInnenraum: Das Porträt verhält sich sinnbildlich wie ein bildexterner Rezipient. Unabhängig von der Identifizierung ist der Mann eine Verbindungsfigur, in der sich die Räume überschneiden. Handelte es sich um den Maler selbst, so würde er als hinweisender Autor, blickleitender Moderator und als verantwortlicher Visionär auftreten. Ähnlich „außerhalb“ sind links im Bild die knienden Stifterfiguren aufgeführt, die ebenfalls hinter einem Fenster der heiligen Handlung verinnerlicht betend beiwohnen: Pieter Bultinc mit Sohn Adriaan.13 Im Vergleich mit dem potentiellen Selbstporträt ist der Abstand der Stifter zum Geschehen größer, sie überschreiten die Raumgrenze zur Sakralhandlung (Geburt Christi) nicht, das Fenster selbst ist zudem durch ein Gitter versperrt. Dies ist vermutlich der devotionalen Funktion der Stifterbildnisse geschuldet; für Bultinc hat das Gemälde vorrangig die Funktion eines Andachtsbildes. Der Maler mag mit seiner Nähe zum Geschehen und seinem Blick auch auf das Bild als Objekt, als Kunstwerk, fokussieren und folglich auf seine Rolle als Ausführender.
In der Anbetungsszene in der Tafel der Sieben Freuden Mariens hat Memling ein System weitergeführt, das er im Triptychon mit der Anbetung der Könige entwickelt und im Floreins-Altar ebenfalls zur Anwendung gebracht hat. Wie in den Vorgängerbildern bleibt auch für das Gemälde in München zu resümieren, dass es unwahrscheinlich scheint, dass der Maler die symbolisch weitreichend wirksame Figur aus rein dekorativen Überlegungen integriert haben könnte. Das Porträt ist ein wesentliches Moment in einem System sinnstiftender, blickleitender BetrachterInnenansprache und kann dennoch weder als Selbstbildnis festgeschrieben werden noch kann diese Möglichkeit gänzlich ausgeschlossen werden.
Verweise
De Vos 1994, 173.↩︎
Hans Memling, Szenen der Passion Christi, um 1470/71, Turin, Galleria Sabauda.↩︎
Je nach Lesart auch 26 Szenen, vgl. Schawe 2006, 330.↩︎
De Vos 1994, 173–179.↩︎
Stevens 1991.↩︎
Ebd., 328.↩︎
Ebd., 322.↩︎
Ebd., 334.↩︎
Ebd., 329.↩︎
Vgl. Triptychon mit der Anbetung der Könige, Floreins-Altar.↩︎
De Vos 1994, 173.↩︎
Stevens 1991.↩︎
Lane 2009, 156. Zum Stifter und zu seiner ungewöhnlichen Ausrichtung (vom Gemäldezentrum abgewandt) und Position, besonders im Zusammenspiel mit der Stifterin, die sich am rechten Gemälderand befindet, vgl. Heller 1976, 108–111.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Krabichler, Elisabeth: Die Sieben Freuden Mariens (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/memling-hans-die-sieben-freuden-mariens-1480-munchen-alte-pinakothek/ (05.12.2025).