Christus und die Ehebrecherin

Pacher, Michael

um 1475 bis 1481

Österreich; St. Wolfgang im Salzkammergut; Pfarrkirche

Objekt

Bildrechte
Detailtitel:Christus und die Ehebrecherin (rechter Außenflügel, unteres Register, Teil von: St. Wolfganger Altar)
Alternativtitel Deutsch:St. Wolfganger Altar; Pacher-Altar
Titel in Originalsprache:Christus und die Ehebrecherin (Pacher-Altar)
Titel in Englisch:Christ and the Adulteress (St. Wolfgang Altarpiece)
Datierung: um 1475 bis 1481
Ursprungsregion:deutschsprachiger Raum
Lokalisierung:Österreich; St. Wolfgang im Salzkammergut; Pfarrkirche
Lokalisierung (Detail):Chor
Medium:Altarflügel; Tafelbild
Bildträger:Holz (Fichte)
Maße: Höhe: 177 cm; Breite: 141 cm
Maße Anmerkungen:Teil der Schreinflügel des Altars: Gesamt 16 Bilder auf zwei Flügelpaaren, je 386 x 164 cm (mit Rahmen), Einzeltafeln: Innenflügel je 177 x 146,5 cm, Außenflügel je 177 x 141 cm. Das Bildfeld Christus und die Ehebrecherin befindet sich auf der Außenseite des rechten Innenflügels im unteren Register, ist im halb geöffneten Zustand des Altars sichtbar und ist Teil von acht Szenen aus dem Leben Christi mit Ausschluss der Passion: Taufe Christi, Die drei Versuchungen Christi, Hochzeit zu Kana, Wunderbare Brotvermehrung, Versuchte Steinigung Christi, Austreibung der Wechsler aus dem Tempel, Christus und die Ehebrecherin, Auferweckung des Lazarus
Ikonografische Bezeichnung:Christus und die Ehebrecherin
Iconclass:42DD391 – adulterer - DD - adulteress
Signatur Wortlaut:ohne
Datierung Wortlaut:ohne
Inschriften/Signatur/Datierung weitere Ausführungen:

Zur Rahmeninschrift und den Datierungen des Pacher-Altars vgl. den Einleitungstext zu Michael Pacher.

Auftraggeber/Stifter:Benedikt Eck (Abt von Mondsee)
Provenienz:in situ
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Zu den technischen Daten des Gesamtaltars1 und zum Stifter (Quellen und Inschrift).2

Verweise

  1. Vgl. u. a. Kahsnitz 2005, 86; Madersbacher 2015, 210.↩︎

  2. Zu Geschichte und Quellen vgl. Kahsnitz 2005, 76–78. Vgl. zudem Vollendungsinschrift auf dem Altar: „Benedictus abbas in mansee hoc opus fieri fecit ac complevit per magistrum / Michaelem pacher de prawneck Anno dm. Mcccclxxxi”. Erstmals publiziert von Primisser 1822.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:erste Figur am rechten Bildrand
Ausführung Körper:Kopfbild
Ausführung Kopf:Frontalansicht
Ikonografischer Kontext:Assistenzfigur am Rand der Szene von Christus mit der Ehebrecherin
Blick/Mimik:Blick aus dem Bild; Blick nach links gerichtet; Sprachgestus
Gesten:Hände nicht sichtbar
Körperhaltung:Körper nicht sichtbar; Kopf aufrecht
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:am äußerst rechten Bildrand hinter der gemalten architektonischen Einfassung, die als Übergangszone zwischen Bild- und BetrachterInnenraum wirkt, vom vorgelagerten Mann und dem seitlichen Architekturelement zu großen Teilen überschnitten; einzige aus dem Bild blickende Figur; durch die intensiv rote Kopfbedeckung betont; gegenteilig zu den restlichen Figuren im hinteren Bildbereich durch die Größe indirekt der Vordergrundhandlung anteilig
Kleidung:rote Kappe
Zugeordnete Bildprotagonisten:Figuren am linken Bildrand

Forschungsergebnis: Pacher, Michael

Künstler des Bildnisses:Pacher, Michael
Status:Einzelmeinung
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Madersbacher 2015 Madersbacher 2015 – Michael Pacher 16f -
Bejahend Krabichler 2024 Krabichler 2024 – Vor aller Augen 226–231, bes. 228–230 -

2015 stellt Madersbacher physiognomische und konzeptionelle Übereinstimmungen der möglichen Selbstporträtfigur mit dem als Selbstbildnis thematisierten Mann in der Verteilung des Kirchenschatzes im Altar von St. Laurenzen fest. Die Wiederholung der Figur, die den Pacher bekannten Kriterien italienischer Selbstbildnisse in Assistenz entspricht, rechtfertige die mögliche Zuschreibung als Selbstbildnis – und vice versa. Zudem verweist Madersbacher auf Pachers Lehrmeister Mantegna als einen „Pionier in dieser Art auktorialer Selbstpräsentation“ und impliziert dessen Vorbildwirksamkeit.1

Krabichler (2024) erörtert eine Zusammenschau selektierter, für Pacher thematisierter Selbstinszenierungen, indem sie sich auf zwei verschiedene Darstellungsmodi und -systeme fokussiert: zum einen auf Bildnisse, die den üblichen Darstellungskonventionen für integrierte Selbstdarstellungen entsprechen – en face ausgerichtet und in vom Hauptgeschehen abgesetzten Randbereichen positioniert sind (in: Verteilung des Kirchenschatzes; Christus und die Ehebrecherin), zum anderen auf Porträts, die als aktive Motive innerhalb dichter Netze von Interaktion, Verflechtungen und Bezügen wirken (in: Marientod; Hochzeit von Kana). Der Fokus liegt hierbei auf der Analyse bildreflexiver und auktorialer Tendenzen unter der Berücksichtigung der künstlerischen und intellektuellen Basis Pachers. Krabichler unterstützt Madersbachers These, nach der sich die Selbstbildnisse in der Verteilung des Kirchenschatzes und Christus und die Ehebrecherin gegenseitig rechtfertigen. Über einen Vergleich von Frontalität und Augenstellung bringt die Autorin das Bildnis im Pacher-Altar in Verbindung mit Andrea Mantega und dessen übereinstimmend konzipiertem Selbstbildnis im Dekorsystem der Camera degli Sposi.2 Allgemeinere Überlegungen zum Blick aus dem Bild führen zu Cusanus, der als Erzbischof von Brixen in der Nähe zu Pachers Werkstatt wirkte und weiterführend zum verlorenen Selbstbildnis Rogier van der Weydens, das der Theologe in seiner Schrift De visione dei thematisiert.3

Verweise

  1. Madersbacher 2015, 16f.↩︎

  2. Vgl. ein Einleitungstext zu Andrea Mantegna.↩︎

  3. Krabichler 2024, 226–231, bes. 228–230.↩︎

Der Kandidat erhält 99 Punkte

Madersbachers Erstthematisierung der Figur am rechten Bildrand als mögliches Selbstporträt, worin er die Figur innerhalb eines erprobten Darstellungssystems verortet, wurde von der Forschung nicht weiterverfolgt.1 Argumentiert man mit einer möglichen Vorbildwirksamkeit von Andrea Mantegna,2 so ist auf dessen Selbstbildnis als Blattmaske im Dekorsystem in der Camera degli Sposi im Palazzo Ducale in Mantua zu verweisen.3 Geschaffen 1465–74 weist es durchwegs vergleichbare Eigenheiten auf: Wie Pachers Figur ist Mantegnas Selbstdarstellung auffällig frontal ausgerichtet, wie bei Mantegna blickt auch der Mann bei Pacher leicht linksgerichtet nach vorne. Ähnliches ist zu der bei Cusanus angeführten Figur von Rogier van der Weyden zu vermerken, die als frühes Selbstbildnis gilt und sich ebenfalls durch den Blick aus dem Bild auszeichnet.4 Zudem verdient die Verortung des Bildnisses am rechten Bildrand besondere Erwähnung. Der Kopf des Mannes ist durch die symbolische Bildschwelle, die in Form eines umlaufenden Architekturelements gegeben ist, überschnitten; durch einen Rahmen, der das Bildgeschehen als Bild-im-Bild absetzt und einen Zwischenbereich als Übergang zwischen Bild- und BetrachterInnenraum schafft.5 Das Motiv, das auf Inspirationen durch dieselben Vorläufer (Mantegna,6 van der Weyden7) bezogen werden kann, wirkt als vermittelnde Form zwischen Bildinnen und -außen8– die Anbindung des Malerporträts (?) scheint ebenso folgerichtig wie eine entsprechende Reflexion Pachers. Das Porträt befindet sich in einer für den Maler und die BetrachterIn potenziell erreichbaren Position.

Wie prinzipiell bei den für Pacher besprochenen Selbstdarstellungen kann auch im Fall der hier analysierten Figur kein überzeugendes Argument für eine zweifelsfreie Identifizierung vorgebracht werden, dennoch: Angesichts der Indizienlage ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein Selbstporträt handelt, gegeben. Das Bildnis ist wohl jenes in Pachers Werk, das am deutlichsten die Systematik integrierter Selbstbildnisse widerspiegelt.

Verweise

  1. Madersbacher 2015, 16f.↩︎

  2. Vgl. den Einleitungstext zu Andrea Mantegna.↩︎

  3. Andrea Mantegna, Camera degli Sposi, 1465–1474, Mantua, Palazzo Ducale.↩︎

  4. Die körperhafte Formulierung der unteren Abschlüsse des Steinrahmens in den Sockeln impliziert die Weiterführung des Rahmens von den Seiten auch auf der unteren Bildkante. Vgl. weiterführen Katalogeintrag zu Pachers Gemälde Marientod, indem ein vergleichbares System angewandt wird.↩︎

  5. Vgl. etwa Andrea Mantegna, Vita des hl. Jakobus (Urteil des hl. Jacobus im zweiten Register rechts), 1448–57, Padua, Chiesa degli Eremitani, Cappella Ovetari.↩︎

  6. Vgl. Rogier van der Weyden, Johannesaltar, Berlin, Gemäldegalerie, um 1455.↩︎

  7. Vgl. weiterführend Krügers Überlegungen zu Steineinfassungen bei Mantegna, Krüger 2001, 60–79.↩︎

Literatur

Kahsnitz, Rainer: Die großen Schnitzaltäre. Spätgotik in Süddeutschland, Österreich, Südtirol, München 2005.
Krabichler, Elisabeth: Vor aller Augen. Das integrierte Selbstporträt als Metabild in der Frühen Neuzeit (Dissertation, Universität Innsbruck), Innsbruck 2024.
Krüger, Klaus: Das Bild als Schleier des Unsichtbaren. Ästhetische Illusion in der Kunst der frühen Neuzeit in Italien, München 2001.
Madersbacher, Lukas: Michael Pacher. Zwischen Zeiten und Räumen, Bozen u. a. 2015.
Primisser, Alois: Reise-Nachrichten über Denkmahle der Kunst und des Alterthums in den österreichischen Abteyen und in einigen andern Kirchen Österreichs und Kärnthens, in: Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst, 13. Jg. 1822, 476–477.

Zitiervorschlag: