Anbetung der Könige

Perugino, Pietro

um 1470 bis 1473

Italien; Perugia; Gallerie Nazionale dell‘Umbria

Objekt

Bildrechte
Titel in Originalsprache:Adorazione dei Magi
Titel in Englisch:Adoration of the Kings
Datierung: um 1470 bis 1473
Anmerkungen zur Datierung:alternative Datierung 1476 (?)
Ursprungsregion:italienischer Raum
Lokalisierung:Italien; Perugia; Gallerie Nazionale dell‘Umbria
Lokalisierung (Detail):Inventarnummer: 180
Medium:Tafelbild; Altarbild
Material:Tempera
Bildträger:Holz
Maße: Höhe: 242 cm; Breite: 180 cm
Ikonografische Bezeichnung:Drei Könige (Anbetung und Zyklus der Magier)
Iconclass:73B57 – adoration of the kings: the Wise Men present their gifts to the Christ-child (gold, frankincense and myrrh)
Signatur Wortlaut:ohne
Datierung Wortlaut:ohne
Auftraggeber/Stifter:Orden der Serviten von Santa Maria in Colle Landone, Perugia; vermutlicher Stifter: Braccio Baglioni (Condottiere)
Provenienz:Santa Maria dei Servi, Colle Landone; ab 1543 in Santa Maria Nuova porta Sole, Perugia; 1812 von den napoleonischen Truppen beschlagnahmt und 1813 ins Museo del Campidoglio, Rom, überführt; 1817 retourniert und 1820 nach Santa Maria Nuova, Perugia, zurückgebracht; ab 1863 in den Gallerie Nazionale dell’Umbria, Perugia
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Zum Auftraggeber1 und zur Provenienz.2

Verweise

  1. Garibaldi 2004, 35f.↩︎

  2. Mercurelli Salari 2004, 194.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:erste Figur am linken Bildrand
Ausführung Körper:Ganzfigur stehend
Ausführung Kopf:Dreiviertelporträt
Ikonografischer Kontext:Assistenzfigur im Bildfeld der Anbetung der Könige
Blick/Mimik:direkter Blick aus dem Bild
Gesten:Hände nicht sichtbar
Körperhaltung:aufrecht; Kopf Richtung BetrachterIn gedreht; Fuß am linken Bildrand schräg Richtung BetrachterIn ausgerichtet
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:Position am äußerst linken Bildrand, von diesem und dem davorstehenden König stark überschnitten (Gesicht der Figur zur Gänze sichtbar, der Reif der Krone des jüngsten Königs ist marginal davon abgesetzt); über die Stellung des Fußes, die Kopfdrehung und den Blick in Richtung BetrachterInnenraum orientiert; Teil einer isokephalen Reihe, welcher auch zwei weitere junge Männer angehören, die der Figur über rote Kopfbedeckungen und einem direkten Blick aus dem Bild (vierte Figur von links) zuordenbar sind; diese Männer und das vermutliche Selbstbildnis sind in der Reihe der Häupter nahezu im selben Abstand zueinander positioniert, es befinden sich jeweils zwei Köpfe zwischen ihnen; die Silhouette des Kopfes (Haare) der Selbstporträtfigur ist von einer undefinierbaren weißen Fläche betont
Kleidung:rote Kappe; weißer Kragen; schwarze Überbekleidung mit roter Bordüre
Zugeordnete Bildprotagonisten:Figuren aus dem Zug der Könige, insbesondere die vierte Figur von links mit Blick aus dem Bild sowie die äußerst rechte Figur des Zugs neben dem Esel, von Teza vorgeschlagen als Guido und Rodolfo, Söhne von Braccio Baglione; die Könige, die als Porträts der Familie Baglione vorgeschlagen sind: der Stammvater Malatesta di Pandolfo als Caspar, der Auftraggeber Braccio als Balthasar, dessen Sohn Grifone als Melchior (Indizien zur Identifikation sind u. a. die für die Kleidung der Könige verwendeten Farben der Uniform der Baglioni (Grün, Weiß, Rot)), ausgeführt bei Garibaldi

Zu den Vorschlägen zur Identifizierung weiterer Figuren vgl.: zum möglichen Bildnis von Raffael,1 zur äußerst rechten Figur als Söhne von Braccio Baglione vor,2 zu den Königen als Porträts der Familie Baglione (Malatesta di Pandolfo als Caspar, Braccio als Balthasar, Grifone als Melchior) und deren Identifizierung durch die Farben der Kleidung.3

Verweise

  1. Vgl. Forschungsstand sowie Castellaneta/Camesasca 1969, 89. Da Raffael erst 1483 geboren ist (deutlich nach Entstehung der Anbetung von Perugino), ist die Porträtzuweisung ad absurdum geführt.↩︎

  2. Teza 1997, 95.↩︎

  3. Garibaldi 2004, 37.↩︎

Forschungsergebnis: Perugino, Pietro

Künstler des Bildnisses:Perugino, Pietro
Status:kontrovers diskutiert
Status Anmerkungen:Die Identifikation des Bildnisses als Selbstdarstellung wurde nur in wenigen Publikationen zu Beginn bzw. in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts in Frage gestellt. Der Großteil der ForscherInnen geht mit Rumohrs Erstidentifizierung d’accord.
Andere Identifikationsvorschläge:Porträt Peruginos aus der Hand Fiorenzo di Lorenzo
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Rumohr 1827 Rumohr 1827 – Italienische Forschungen 339f -
Bejahend Mezzanotte 1836 Mezzanotte 1836 – Della Vita e delle opere 16 -
Bejahend Vermiglioli 1837 Vermiglioli 1837 – Memorie 213 -
Bejahend Lange 1885 Lange 1885 – Zu Perugino's Jugendentwicklung 90f -
Bejahend Schmarsow 1886 Schmarsow 1886 – Melozzo da Forli 215 (Anm. 1) -
Skeptisch/verneinend Steinmann 1901 Steinmann 1901 – Die Sixtinische Kapelle 303, 348 -
Skeptisch/verneinend Cavalcaselle/Crowe 1902 Cavalcaselle, Crowe 1902 – Storia della Pittura in Italia 156 -
Bejahend Graham 1903 Graham 1903 – The Problem of Fiorenzo di 79–86, bes. 86 -
Skeptisch/verneinend Benkard 1927 Benkard 1927 – Das Selbstbildnis vom 15 11 -
Bejahend Gamba 1949 Gamba 1949 – Pittura umbra del Rinascimento 30 -
Bejahend Castellaneta/Camesasca 1969 Castellaneta, Camesasca 1969 – L'opera completa del Perugino 89 -
Bejahend Meller 1974 Meller 1974 – Two Drawings of the Quattrocento 269f -
Bejahend Ferino Pagden 1989 Ferino Pagden 1989 – Perugino al servizio dei Della 66 -
Skeptisch/verneinend Damiani 1992 Damiani 1992 – Perugino 120 -
Bejahend Garibaldi 1996 Garibaldi (Hg.) 1996 – Un pittore e la sua 21 -
Bejahend Teza 1997 Teza 1997 – Sul tema dell'Adorazione dei Magi 90f, bes. 95 -
Bejahend Woods-Marsden 1998 Woods-Marsden 1998 – Renaissance Self-Portraiture 105 -
Bejahend Garibaldi 1999 Garibaldi 1999 – Perugino 99 -
Bejahend Garibaldi 2004 Garibaldi 2004 – Perugino 37, 190 -
Bejahend Scarpellini 2004 Scarpellini 2004 – Osservazioni sul Perugino umbro 308f -
Bejahend Scarpellini 2004 Scarpellini 2004 – Riflessioni sugli esordi di Perugino 49 -
Bejahend Garibaldi 2008 Garibaldi 2008 – Perugino 228 -
Bejahend Gigante 2010 Gigante 2010 – Autoportraits en marge 102f -
Bejahend Rossi 2020 Rossi 2020 – Perugino, Antoniazzo e Filippo Lippi o. S. -

Rumohr (1827) erkennt im Bildnis zur Linken im Gefolge der Könige ein das Gemälde beglaubigendes Selbstporträt, das er zur Datierung des Bildes heranzieht: Er schätzt die Figur auf ca. dreißig Jahre und leitet darauf aufbauend eine Entstehungszeit von ca. 1475 ab (Rumohr geht Vasaris Angaben folgend davon aus, dass Pietro Perugino 1445 geboren ist).1 Der Autor führt weiter aus, dass die Figur für die Entstehungszeit weder zu jugendlich in ihrer Ausstrahlung noch so wohlbeleibt sei, wie das Selbstporträt im Collegio del Cambio.2 Letzteres zeige Perugino als 50-Jährigen.3

Mezzanotte (1836) bestätigt das Selbstporträt Peruginos über einen physiognomischen Vergleich mit dem Selbstbildnis im Cambio.4

Auch Vermiglioli (1837) erkennt das Bildnis Peruginos als Frühwerk an und verweist auf das Selbstporträt im Cambio, das den Maler als alten Mann zeige.5

Lange (1885) beschäftigt sich mit der Zuweisung des Gemäldes als ein Frühwerk Peruginos, bestätigt diesen als ausführenden Maler und führt als Beleg hierfür das Selbstporträt an.6 Dieses entspreche den üblichen Konventionen für Selbstdarstellungen und zeige im direkten Vergleich mit Peruginos Bildnis im Cambio unverkennbar den Künstler: „[W]er sich in die Züge des Cambio Porträts eingelebt hat, wird keinen Augenblick zweifeln, dass diese scharfen den Betrachter lebendig anblickenden Augen […] diese Nase und der energisch geschlossene Mund […] in der That demselben Mann angehören.“ Weiterführend bestätigt Lange Rumohrs altersmäßige Einordnung der Figur und die darauf aufbauende Datierung des Gemäldes.7

Schmarsow (1886) bestätigt das Selbstporträt durch den Abgleich mit Peruginos Selbstdarstellung in der Reise des Moses nach Ägypten.8

Steinmann (1901) zitiert Langes Vorschlag zum Selbstbildnis in der Anbetung. Abweichend zu Lange betont er die große Ähnlichkeit des Bildnisses mit dem diskutierten Selbstbildnis in der Reise des Moses nach Ägypten, das er als ein mögliches Bildnis Andrea del Verrocchios aus der Hand Peruginos ansieht.9

Cavalcaselle/Crowe (1902), die die Anbetung aus stilistischen Gründen Fiorenzo di Lorenzo zuschreiben, weisen auf die Identifizierung des Selbstporträts hin und meinen weiterführend, dass ein allgemeiner Wunsch bestehe, Porträts in Bildnissen zu finden, um daraus Rückschlüsse zu ziehen. Im vorliegenden Fall liege zwar eine gewisse Ähnlichkeit des Bildnisses mit Perugino vor, dies sei aber kein Grund, die Urheberschaft di Lorenzos auszuschließen. Vielmehr bestehe die Möglichkeit, dass es sich um ein Porträt des Perugino aus der Hand Fiorenzo di Lorenzos handle.10

Graham (1903) widmet der Anbetung in ihrer Monografie über Fiorenzo di Lorenzo ein ganzes Kapitel. Ausführlich diskutiert sie Datierungs- und Zuschreibungsprobleme und berücksichtigt dabei die Rolle der Selbstporträtfigur und deren Dokumentation (etwa im städtischen Inventar). Schließlich resultieren die Ausführungen in folgender These: Perugino begann das Werk in seiner Jugend, malte einige der Köpfe (insbesondere sein eigenes Porträt) und war auch für den Entwurf der Komposition verantwortlich. Anschließend überließ er das Werk unvollendet der Werkstatt von Fiorenzo, der es zusammen mit seinen Assistenten vollendete.11

Benkard (1927) bezieht sich auf Langes Erstidentifizierung des Selbstbildnisses Peruginos in der Schlüsselübergabe in der Sixtinischen Kapelle und meint, Lange habe in seinem „Entdeckungseifer geglaubt“ auch in der Anbetung der Könige ein Selbstbildnis zu finden. Bei Benkard ist die Anbetung in Perugia als ein Werk Ghirlandaios geführt.12

Gamba (1949) beurteilt das Gemälde nach stilistischen Kriterien. Es sei das Werk eines noch unreifen Künstlers, der teilweise Malern aus Perugia folgt (Fiorenzo di Lorenzo, Bartolomeo Caporali13), obwohl er bereits von florentinischen Künstlern beeinflusst ist. Das Selbstporträt auf der linken Seite zeige einen Mann Mitte zwanzig, was eine Datierung des Werks kurz nach 1470 zulasse.14

Castellaneta/Camesasca (1969) stimmen der Identifizierung des Selbstporträts zaghaft zu („forse a ragione“), schließen aber aus, dass im vierten Mann von links Raffael zu erkennen ist.15

Meller (1974) begreift Peruginos Selbst- und Porträtdarstellungen als Formulierungen wiederkehrender Formen und Verwendung von Stereotypen. Für ihn ist das Selbstbildnis in der Anbetung der Könige mit den Porträts in der Reise des Moses nach Ägypten und im Collegio del Cambio vereinbar.16

Ferino Pagden (1989) argumentiert erneut mit Ähnlichkeiten und schließt sich der Forschungsmeinung an, das Selbstbildnis in der Anbetung der Könige sei mit dem in der Reise des Moses nach Ägypten kompatibel.17

Damiani (1992) weist darauf hin, dass das angebliche Selbstporträt als Beleg der Urheberschaft Peruginos herangezogen wurde, obwohl es für das Selbstporträt keinen Beweis gibt.18

Garibaldi (1996) merkt an, dass Perugino eine überlieferte Darstellungsweise für Selbstdarstellungen aufgegriffen habe. Als Vergleichsbeispiel gibt sie ein mögliches Selbstporträt Benedetto Bonfiglis an, das dieser ebenfalls in einer Anbetung der Könige integriert habe.19 1999 fokussiert die Autorin auf den Erfolg Peruginos, der sich in dem prestigeträchtigen Auftrag des Ordens der Serviten zeigt, den der Maler vermutlich durch die Fürsprache der Serviten der Santissima Annunziata (Florenz) in Perugia erhalten hatte. Garibaldi interpretiert das mögliche Künstlerselbstbildnis als Zeichen der Erlangung eines neuen Status’: „Il raggiungimento di uno status diverso sembra avvalorato dall'inserimento nel corteo dei Magi di un giovane con il berretto rosso in capo, in cui si è soliti riconoscere l'autoritratto dell'artista.“20 An anderer Stelle beschäftigt sich Garibaldi (2004) erneut detailliert mit dem Bildnis. Das Tragen des roten Malerhutes interpretiert die Autorin als Geste eines jungen Mannes, der noch nicht den Stellenwert des Meisters habe, den er im Verlauf seines weiteren Lebens erreichen sollte. Weiterführend widmet sich Garibaldi dem Selbstporträt Peruginos im Dekorsystem im Collegio del Cambio. Dieses sei der Abschluss einer Kunst- und Lebensphase, die mit dem jugendlichen Selbstporträt in der Anbetung ihren Anfang gefunden habe.21 2008 nimmt die Autorin das Thema wieder auf. Nach einer Analyse der Auftragssituation bezeichnet sie das Selbstbildnis noch einmal als Zeichen einer gesellschaftlichen Aufwertung Peruginos. Zudem thematisiert sie die Ähnlichkeit der Physiognomie der Figur mit den Selbstdarstellungen des Malers in der Schlüsselübergabe in der Sixtinischen Kapelle und im Collegio del Cambio in Perugia.22

Teza (1997) verortet das Gemälde innerhalb florentinischer Darstellungskonventionen und fokussiert u. a. überzeugend auf Bezugnahmen zu Botticellis Del-Lama-Anbetung. Nicht nur Peruginos Selbstporträt am Bildrand, das in Abstimmung mit dem im Cambio verifiziert ist, verbinde das Gemälde mit Botticelli, neben stilistischen Übereinstimmungen sei v. a. ein vergleichbarer sozialpolitischer Hintergrund gegeben.23 Nach einer intensiven Analyse der Auftragssituation resümiert die Autorin, dass Perugino nach dem Vorbild Botticellis Mitglieder der Stifterfamilie in diversen Porträts (u. a. als Personifikationen als Heilige Könige) malte. Dargestellt seien etwa Guido und Rodolfo, die Söhne Braccio Baglionis, um im Sinne des Stifters eine Anerkennung der Familie in Perugia zu erwirken (wie es die Familie Medici in Florenz praktizierte).24

Woods-Marsden (1998) stellt das Selbstbildnis in der Anbetung an den Beginn einer langen Entwicklung des Malers, die in der Selbstdarstellung im Collegio del Cambio endet. Das Bildnis Peruginos im Collegio, das wie ein gerahmtes Tafelbild in die malerische Ausstattung eingefügt ist, definiert Woods-Marsden als eine Vorform autonomer Selbstporträts.25

Im Tagungsband zu Perugino (Perugia, 25.–28.10.2000) bestätigt Scarpellini (2004) Rumohrs Identifizierung des Selbstporträts. Weiterführend weist der Autor zwar auf die Problematik von Ähnlichkeit hin, relativiert diese Aussage aber umgehend, da im vorliegenden Fall ein präziser Vergleich mit Peruginos Selbstbildnis im Cambio möglich sei. Die Abweichungen spiegeln nur den Altersunterschied des Malers von 25 Jahren. Zudem sei die charakteristische Augenstellung offensichtlich, die ein Selbstporträt nach dem Spiegel auszeichne.26 In einem anderen Beitrag in derselben Publikation betrachtet Scarpellini (2004) das Selbstbildnis vor dem Hintergrund von Peruginos Stellung in der Kunstlandschaft. Der Maler war seit 1472 Mitglied in der Lukasgilde, er arbeitete im Umfeld von Verrocchio und Botticelli und war zum Zeitpunkt des Auftrags bereits selbständig – dennoch stellte der Auftrag in Perugia einen bedeutenden Schritt innerhalb des Florentinischen Wettbewerbs dar. Die unsichere und fragende Miene von Peruginos Selbstporträt dokumentiere die neue und wohl herausfordernde Situation.27

Gigante (2010) konzentriert sich in ihrer Diplomarbeit auf kontextbezogene Selbstporträts und legt dabei u. a. einen Fokus auf Peruginos Selbstinszenierung im Cambio in Perugia. Sie streift das Selbstbildnis in der Anbetung der Könige nur kurz und nimmt es als gegeben an. Es zeichne sich durch den direkten Blick auf die BetrachterIn und die zeitgenössische Kleidung aus. Letztere (rote Mütze, weißes Hemd, schwarze Überbekleidung) verbinde es mit dem Selbstporträt im Cambio, mit dem auch die Gesichtszüge übereinstimmen.28

Rossi (2020) zieht das hier diskutierte Bildnis zu Vergleichszwecken mit dem vorgeschlagenen Selbstbildnis Peruginos in der Reise des Moses nach Ägypten heran, das er als einziges Selbstporträt Peruginos in der Sixtinischen Kapelle akzeptiert.29

Verweise

  1. Vasari (hg. von Hiller von Gaertringen 2011), 105 (Anm. 152).↩︎

  2. Peruginos Selbstbildnis im Collegio del Cambio ist im Einleitungstext zu Perugino behandelt. Der Vergleich zu dieser Selbstdarstellung wird in der Argumentation für die Identifizierung des hier vorliegenden Mannes als Selbstporträt häufig herangezogen.↩︎

  3. Rumohr 1827, 339f.↩︎

  4. Mezzanotte 1836, 16.↩︎

  5. Vermiglioli 1837, 213.↩︎

  6. Das Gemälde gilt seit seiner Erwähnung in Vasaris Vite als Frühwerk Peruginos. Vgl. Vasari/Hiller von Gaertringen/Lorini 2011, 37. Teils wird der Zuschreibung nicht stattgegeben, vgl. u. a. Benkard 1927, 11; Cavalcaselle/Crowe 1902, 156; Graham 1903, 79–86. Beweiskräftige Argumente zur Eigenhändigkeit Peruginos bringt u. a. Garibaldi vor, vgl. Garibaldi 1999, 99; Garibaldi 2004, 37. Zu Zuschreibungen, Auftragssituation und Provenienz vgl. u. a. Garibaldi 2008, 228.↩︎

  7. Lange 1885, 90f.↩︎

  8. Schmarsow 1886, 215 (Anm. 1).↩︎

  9. Steinmann 1901, 303, 348.↩︎

  10. Cavalcaselle/Crowe 1902, 156.↩︎

  11. Graham 1903, 79–86, bes. 86.↩︎

  12. Benkard 1927, 11.↩︎

  13. Bartolomeo Caporali, Maler, 1420–1505.↩︎

  14. Gamba 1949, 30.↩︎

  15. Castellaneta/Camesasca 1969, 89.↩︎

  16. Meller 1974, 269f.↩︎

  17. Ferino Pagden 1989, 66.↩︎

  18. Damiani 1992, 120.↩︎

  19. Garibaldi 1996, 21.↩︎

  20. Garibaldi 1999, 99.↩︎

  21. Garibaldi 2004, 190.↩︎

  22. Garibaldi 2008, 228.↩︎

  23. Teza 1997, 90f.↩︎

  24. Ebd., bes. 95.↩︎

  25. Woods-Marsden 1998, 105.↩︎

  26. Scarpellini 2004a, 308f.↩︎

  27. Scarpellini 2004b, 49.↩︎

  28. Gigante 2010, 102f.↩︎

  29. Rossi 2020, o. S.↩︎

Der Anfang

Die Anbetung der Könige steht als wesentlicher Auftrag am Anfang der glänzenden Karriere des Malers, in der er seine Selbstinszenierung perfektionierte, sodass er schließlich mit der Selbstdarstellung im Collegio del Cambio ein Ausnahmebildnis in der Kunst des 15. Jahrhunderts schuf.1 Seit der Erstidentifizierung des Selbstbildnisses in der Anbetung der Könige durch Rumohr (1827) dient das Porträt im Collegio zu Vergleichszwecken;2 zudem verifizieren diverse AutorInnen das Porträt in der Anbetung über Parallelen mit der möglichen Selbstbildnisfigur in der Sixtinischen Kapelle im Fresko der Reise des Moses nach Ägypten.3

Die wahrscheinliche Selbstdarstellung ist am linken Rand der Figurengruppe des Gefolges der Könige in einer vertikal angelegten Porträtreihe positioniert. Obwohl die Tiefenstaffelung verschiedener Kopfbedeckungen eine große Menge an Begleitern impliziert, ist nur eine Ebene von Bildnissen hinter den Königen sichtbar, in der drei Männer von großer formaler Auffälligkeit zu finden sind. Es handelt sich dabei um das vermutliche Selbstporträt, um eine Figur in der Mitte der Reihe, die ihren Blick wie Perugino in Richtung BetrachterInnenraum führt, und um einen dritten jungen Mann, der in betender Haltung die Abfolge gegengleich zum Maler auf der rechten Seite beschließt. Diese drei Figuren, die sich in regelmäßigem Abstand zueinander befinden und von jugendlicher Ausstrahlung sind, bilden eine Einheit, obwohl die Möglichkeit besteht, dass sie entsprechend Tezas Ausführungen aus unterschiedlichen sozialen Ebenen stammen. Teza berücksichtigt die Hintergründe des Auftrags, verankert Peruginos Anbetung in der Kunst der Zeit und stellt insbesondere Bezüge zu Botticelli fest. Nach der Autorin handelt es sich bei den beiden genannten Männern neben dem Maler eventuell um Guido und Rodolfo, Söhne von Braccio Baglione.4 Als Reaktion auf Botticellis Del-Lama-Anbetung, die sich unter anderem durch zahlreiche Porträts der Medici Familie auszeichnet, impliziert dies eine sozialpolitische Bezugnahme zu den Florentiner Bankiers und folglich eine Aufwertung der Stifterfamilie Baglione. Der junge und in Perugia bis dahin weitgehend unbekannte Maler schuf sich eine Basis innerhalb der Malereliten der Zeit, die seinen Sozialstatus deutlich hob.5 Der prestigeträchtige Auftrag dürfte Perugino nicht nur dazu motiviert haben, sein Porträt wie eine beglaubigende Signatur einzubringen, vielmehr dürfte er sich selbst als Schöpfer des Bildnisses, als Identifikationsfigur für die BetrachterIn und als gläubigen Menschen dargestellt haben. Diese implizite Mehrfachbelegung der Figur ist durch die Abfolge der drei Männer (unabhängig von möglichen Identifikationen) mitsamt ihrer Blicke und Gesten ausgedrückt. Schafft die Selbstporträtfigur durch ihren Blick (von für Selbstdarstellungen bevorzugter Position am Bildrand aus) eine Verbindung mit der BetrachterIn, so wiederholt die mittlere Figur diese Kontaktaufnahme, vergewissert sich weiterer Aufmerksamkeit und leitet die Gläubigen weiter in Richtung Bildinneres. Den Abschluss bildet die letzte Figur rechts, die mit zum Gebet gefalteten Händen auf das Jesuskind fokussiert – auf den sakralen Inhalt der Tafel und die Möglichkeit der Malerei, diesen darzustellen. Als einzige Figur aus dem Gefolge, deren Hände sichtbar sind, gibt sie den Gläubigen deutliche Anleitung zur Funktion des Bildes. Perugino kann mit diesem System der BetrachterInnenansprache in die Reihe vieler italienischer Meister aufgenommen werden, die mit den Mitteln der Malerei Ansprache und Anleitung der RezipientInnen ausloteten und zudem ihre religiöse Integrität und ihren Status als ausführende Maler durch ein Selbstbildnis innerhalb sakraler Historienbilder betonten.6

Verweise

  1. Vgl. Einleitungstext zu Perugino.↩︎

  2. Vgl. Rumohr 1827, 339f sowie weiterführend den vorliegenden Forschungsstand. Peruginos Selbstbildnis im Collegio del Cambio ist im Einleitungstext zu Perugino behandelt. Neben physiognomischen Vergleichen und Überlegungen zu den dargestellten Altersstufen wird auch das Gewand der Figur in den Fokus gerückt. Dies thematisiert etwa Gigante, die die Kleidung (rote Mütze, weißes Hemd, schwarze Überbekleidung) in der Anbetung als Verbindungsmotiv zum Selbstbildnis im Cambio angibt. Dabei erwähnt sie die Abweichung nicht: In der Anbetung ist das schwarze Kleidungsstück mit einer roten Bordüre versehen, die im Cambio fehlt. Vgl. Gigante 2010, 103.↩︎

  3. Vgl. u. a. Schmarsow 1886, 215 (Anm. 1) sowie weiterführend den vorliegenden Forschungsstand. Die Ähnlichkeit zur mutmaßlichen Selbstdarstellung in der Reise des Moses nach Ägypten wurde zuletzt von Gstir in der vorliegenden Datenbank bestätigt. Das Bildnis in der Reise präferiert Gstir vorsichtig als die beste Option für ein Selbstbildnis Peruginos in der Sixtinischen Kapelle. Laut der Auorin ist es eine spiegelverkehrte Ausführung des Bildnisses in der Anbetung der Könige. Zudem stellt Gstir (vorbehaltlich möglicher Abweichungen, die sich durch die Qualität der Reproduktionen ergeben können) im Katalogbeitrag zur Schlüsselübergabe ein auffälliges Detail fest: Sowohl das Selbstporträt im Cambio als auch die diskutierten Figuren in der Reise und in der Anbetung der Könige haben dunkle bzw. braune Augen.↩︎

  4. Teza 1997, 95.↩︎

  5. Zur Bedeutung und zur möglichen Auftraggeberschaft der Familie Baglione aus Perugia sowie zu Verbindungen mit dem Florentiner Kloster Santissima Annunziata, das evtl. vermittelnd für den Auftrag in Perugia tätig war, vgl. u. a. Garibaldi 1999, 99; Garibaldi 2004, 35–37; Scarpellini 2004b, 49; Teza 1997.↩︎

  6. Vgl. u. a. Domenico Ghirlandaio, Anbetung der Hirten, Luca Signorelli, Die Taten des Antichrist, Fra Filippo Lippi, Marientod usw.↩︎

Literatur

Benkard, Ernst: Das Selbstbildnis vom 15. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, Berlin 1927.
Castellaneta, Carlo/Camesasca, Ettore: L'opera completa del Perugino (Classici dell'arte, 30), Mailand 1969.
Cavalcaselle, Giovanni Battista/Crowe, Joseph Archer: Storia della Pittura in Italia. Dal secolo II al secolo XVI. 9. Domenico di Bartolo e la scuola senese del secolo XV. Ottaviano Nelli. Gentile da Fabriano, alunno ed altri pittori della scuola umbra. Benedetto Bonfigli e Fiorenzo di Lorenzo. – Pietro Perugino, Florenz 1902.
Damiani, Giovanna: Perugino. Adorazione dei Magi, in: Berti, Luciano (Hg.): Nel raggio di Piero. La pittura nell'Italia Centrale nell'età di Piero della Francesca (Ausstellungskatalog, Sansepolcro, 11.7.–11.10.1992) 1992, 120–121.
Ferino Pagden, Sylvia: Perugino al servizio dei Della Rovere. Sisto IV e il Cardinale Giuliano (Appunti per l'attività die Perugino a Roma), in: Bottaro, Silvia/Dagnino, Anna/Rotondi Terminiello, Giovanna (Hg.): Sisto IV e Giulio II. Mecenati e promotori di cultura (Tagungsband, Savona, 1985), Savona 1989, 53–72.
Gamba, Carlo: Pittura umbra del Rinascimento. Raffaello (Storia della pittura italiana), Novara 1949.
Garibaldi, Vittoria (Hg.): Un pittore e la sua città. Benedetto Bonfigli e Perugia (Ausstellungskatalog Palazzo dei Priori, Galleria Nazionale dell'Umbria, Perugia, 8.12.1996–4.3.1997), Mailand 1996.
Garibaldi, Vittoria: Perugino, Cinisello Balsamo, Mailand 2004.
Garibaldi, Vittoria: Perugino, Mailand 2004.
Garibaldi, Vittoria: Perugino. 32. Adorazione dei Magi, in: Garibaldi, Vittoria/Mancini, Francesco Federico (Hg.): Pintoricchio (Ausstellungskatalog, Perugia, 02.02.–29.06.2008), Cinisello Balsamo, Mailand 2008, 228–229.
Garibaldi, Vittoria: Perugino. Catalogo completo (Biblioteca d'arte), Firenze 1999.
Gigante, Elisabetta: Autoportraits en marge. Images de l'auteur dans la peinture de la Renaissance (Thèse de Doctorat, École des Hautes Études en Sciences Sociales), Paris 2010.
Graham, Jean Carlyle: The Problem of Fiorenzo di Lorenzo of Perugia. A Critical and Historical Study, Perugia u. a. 1903.
Lange, Konrad: Zu Perugino's Jugendentwicklung, in: o. Hg. (Hg.): Gesammelte Studien zur Kunstgeschichte. Eine Festgabe zum 4. Mai 1885 für Anton Springer, Leipzig 1885, 85–102.
Meller, Peter: Two Drawings of the Quattrocento in the Uffizi: A Study in Stylistic Change, in: Master Drawings, 12. Jg. 1974, H. 3, 261–328.
Mercurelli Salari, Paola: Pietro Vannucci detto Perugino. I.12 Adorazione dei magi, in: Garibaldi, Vittoria/Mancini, Francesco Federico (Hg.): Perugino. Il divin pittore (Ausstellungskatalog, Perugia, 28.02.2004–18.07.2004), Florenz 2004, 194–197.
Mezzanotte, Pietro: Della Vita e delle opere di Pietro Vannucci da Castello della Pieve. Cognominato Il Perugino. Commentario istorico, Perugia 1836.
Rossi, Sergio: Perugino, Antoniazzo e Filippo Lippi riconosciuti. Scoperte e nuove aggiunte alla ritrattistica dei Maestri del Rinascimento, in: About Art Online 2020.
Rumohr, Carl Friedrich von: Italienische Forschungen. Zwehter Theil, Berlin u. a. 1827.
Scarpellini, Pietro: Osservazioni sul Perugino umbro, in: Teza, Laura (Hg.): Pietro Vannucci il Perugino (Tagungsband, Perugia; Città della Pieve, 25.–28.10.2000), Perugia 2004, 307–313.
Scarpellini, Pietro: Riflessioni sugli esordi di Perugino, in: Garibaldi, Vittoria/Mancini, Francesco Federico (Hg.): Perugino. Il divin pittore (Ausstellungskatalog, Perugia, 28.02.2004–18.07.2004), Florenz 2004, 47–53.
Schmarsow, August: Melozzo da Forli. Ein Beitrag zur Kunst- und Kulturgeschichte Italiens im XV. Jahrhundert, Berlin u. a. 1886.
Steinmann, Ernst: Die Sixtinische Kapelle. 1: Bau und Schmuck der Kapelle unter Sixtus IV., München 1901.
Teza, Laura: Sul tema dell'Adorazione dei Magi: Perugino, Signorelli e altri, in: Gramiccia, Anna (Hg.): Scritti in onore di Alessandro Marabottini, Rom 1997, 89–102.
Vasari, Giorgio (1568): Das Leben des Perugino und des Pinturicchio (Edition Giorgio Vasari, 32), hg. von Rudolf Hiller von Gaertringen, Berlin 2011.
Vasari, Giorgio/Hiller von Gaertringen, Rudolf/Lorini, Victoria (1568): Giorgio Vasari. Das Leben des Malers Pietro Perugino. Vita di Pietro Perugino. Pittore (1568), in: Hiller von Gaertringen, Rudolf (Hg.): Das Leben des Perugino und des Pinturicchio (Edition Giorgio Vasari, 32), Berlin 2011, 23–50.
Vermiglioli, Giovanni Battista: Memorie. Di Bernardino Pinturicchio. Pittore perugino de' secoli XV. XVI., Perugia 1837.
Woods-Marsden, Joanna: Renaissance Self-Portraiture. The Visual Construction of Identity and the Social Status of the Artist, New Haven u. a. 1998.

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