Inhaltsverzeichnis
Objekt
Bildrechte
| Detailtitel: | Disputation der hl. Katharina (Teil von: Appartamento Borgia, Sala dei Santi) |
| Alternativtitel Deutsch: | Disputation der hl. Katharina von Alexandrien; Disputation Katharinas mit den Philosophen |
| Titel in Originalsprache: | Disputa di Santa Caterina |
| Titel in Englisch: | Disputation of St. Catherine |
| Datierung: | 1492 bis 1494 |
| Ursprungsregion: | italienischer Raum |
| Lokalisierung: | Vatikan; Vatikanstadt; Palazzi Pontifici |
| Lokalisierung (Detail): | Apparamento Borgia; Sala dei Santi; Teil der malerischen Gesamtausstattung der privaten Gemächer von Papst Alexander VI. Darin befinden sich die Bildfelder: Madonna mit Kind (Tondo über der Tür), Disput der hl. Katharina von Alexandria, Zusammentreffen zwischen dem hl. Antonius und dem Eremiten Paulus, Heimsuchung, Martyrium des hl. Sebastian, Hl. Susanna und die Alten, Flucht der Hl. Barbara, Disput der hl. Katharina (Lünetten); Zyklus zum griechisch-ägyptischen Mythos von Isis und Osiris in fünf Achtecken (Decke); zudem ist der Saal mit gemalten Grotesken und Stuckaturen ausgestattet. |
| Medium: | Wandbild |
| Material: | Fresko; Stuck; Gold; Mischtechnik |
| Bildträger: | Wand |
| Ikonografische Bezeichnung: | Katharina von Alexandrien: Disputation Katharinas mit den Philosophen |
| Iconclass: | 11HH(CATHERINE)41 – the dispute of St. Catherine of Alexandria with fifty philosophers; sometimes emperor Maxentius present |
| Signatur Wortlaut: | ohne |
| Datierung Wortlaut: | ohne |
| Inschriften: | PACIS / CVLTO / RI; im querrechteckigen Feld über dem mittleren Bogen der bildzentralen Triumphbogenarchitektur |
| Auftraggeber/Stifter: | Papst Alexander VI. |
| Provenienz: | in situ |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | teilöffentlich |
Bildnis 1
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | dritte Figur von links in der vordersten Figurenreihe hinter dem Thron des Kaisers Maxentius |
| Ausführung Körper: | Schulterstück |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Assistenzporträt unter den Zeugen des Disputs der hl. Katharina mit den Gelehrten vor dem Kaiser; Freundschaftsbild; evtl. Werkstattbild |
| Blick/Mimik: | direkter Blick aus dem Bild |
| Gesten: | Hände nicht sichtbar |
| Körperhaltung: | Körper nicht sichtbar, vermutlich aufrecht; evtl. Füße (ein Fuß) der Figur ausgeführt (?); leicht schräg zur Bildebene nach hinten links ausgerichtet |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | Die Figur befindet sich in einer Gruppe von Männern (Künstlern?) hinter dem Thron des Kaisers im linken äußeren Bildbereich; der Blick der Figur mit der roten Kappe rechts führt evtl. in Richtung des thematisierten Künstlerselbstporträts; Teil einer isokephalen Reihe, die sich leicht von rechts vorne nach links hinten staffelt; stark vom Architekten und dem möglichen Porträt von Andrea Paläologus von Morea vor ihm überschnitten; im Gegensatz zum Architekten ohne Berufsattribute; trotz des Horror vacui an Figuren wird eine Paarbildung mit dem Architekten deutlich; beide wirken verinnerlicht und am Geschehen unbeteiligt. |
| Kleidung: | rote Kappe; rote Überbekleidung mit diversen Zierelementen; helles Unterkleid |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | Figur links des möglichen Selbstbildnisses: Architekt mit dem Attribut eines Winkelmaßes, vorgeschlagen als unbekannter Architekt von Steinmann, als Architekt Antonio da Sangallo von Acidini Luchinat und Silvestrelli; als Architekt Baccio Pontelli, von La Malfa. Figuren hinter dem möglichen Selbstbildnis: der junge Mann mit der roten Kappe und der ältere, der direkt aus dem Bild blickt, werden bei Silvestrelli als mögliches Gefolge der Künstler thematisiert; Protagonisten um das Figurenpaar Architekt/Maler werden ohne weitere Angabe zu eventuellen Identitäten von Nesselrath als Künstler aufgefasst. Junger Mann hinter dem möglichen Selbstbildnis, der seinen Kopf/Blick ekstatisch Richtung Himmel gerichtet hat. Prinzipiell alle Figuren, die der Szene der Disputation angehören, mögliche Porträts: Cesare Borgia (Sohn von Alexander VI.) in der Gestalt von Kaiser Maxentius und Lucrezia Borgia (Tochter von Alexander VI.) in der Gestalt der hl. Katharina; stehender Mann links vom Thron als Porträt von Andrea Paläologus von Morea (letzter byzantinischer Kaiser, Enkel und Erbe von Kaiser Konstantin Paläologus), u. a. angegeben bei Ehrle/Steenson. |
Je nach Überlieferung variiert der Name des Kaisers.1
Zu Thesen zur Identifizierung weiterer Protagonisten: zur Figur links des möglichen Selbstbildnisses als unbekannter Architekt,2 als Architekt Antonio da Sangallo3 oder als Architekt Baccio Pontelli,4 zu den Männern hinter dem möglichen Selbstbildnis als Gefolge der Künstler5 bzw. als Künstler.6
Weitere mögliche Porträts in der Szene der Disputation: Cesare Borgia in der Gestalt von Kaiser Maxentius und Lucrezia Borgia in der Gestalt der hl. Katharina;7 stehender Mann links vom Thron als Porträt von Andrea Paläologus von Morea.8
Verweise
Vgl. u. a. Poeschel Poeschel 1989, 151 (Anm. 47), die darauf hinweist, dass die Christenverfolgung in Ägypten unter Kaiser Maximinus stattfand. Im Lexikon christlicher Ikonografie ist der Disput der Heiligen vor Kaiser Maxentius angegeben. Vgl. Assion 2015, 294.↩︎
Steinmann 1898, 70.↩︎
Acidini Luchinat 1999, 37; Silvestrelli 2004, 120.↩︎
La Malfa 2009.↩︎
Silvestrelli 2004, 120.↩︎
Nesselrath 2012, 30.↩︎
Vgl. u. a. Poeschel 1989, 151. Die Autorin liefert überzeugende Argumente, diese Identifizierungen abzulehnen. Cesare war zum Zeitpunkt der Entstehung des Freskos erst achtzehn Jahre alt, die Interpretation des Kaisers als bärtiger älterer Mann ist damit nicht zu vereinbaren. Die Figur der Heiligen entspricht eher einer Idealfigur als einem Porträt und findet Entsprechung in anderen Heiligenfiguren des Raums. Vgl. u. a. die Figur der hl. Susanna in der Szene mit den Alten.↩︎
Ehrle/Stevenson 1897, 66. Auch diese Identifikation ist nicht gesichert. Zu Identifizierungen dieser und weiterer Porträts im Fresko (u. a. zum möglichen Porträt des türkischen Prinzen Djem (Bruder von Sultan Bajazet) im Reiter am äußerst rechten Bildrand) vgl. u. a. Poeschel 1989, 151–153. Eine Annahme, nach der es sich bei dem als Türken verkleideten Ritter rechts vom Kaiserthron um Giovanni Borgia (Sohn von Alexander VI.) handelt, wurde bereits von Ehrle/Stevenson 1897, 67 zurückgewiesen.↩︎
Forschungsergebnis: Pintoricchio
| Künstler des Bildnisses: | Pintoricchio |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Höfling |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Steinmann | 1898 | Steinmann 1898 – Pinturicchio | 3f, 5f, 70 | - |
| Bejahend | Phillips | 1901 | Phillips 1901 – Pintoricchio | 16f | - |
| Bejahend | Cristofani | 1925/26 | Cristofani 1925/26 – Un ignorato autoritratto del Pintoricchio | - | - |
| Skeptisch/verneinend | Benkard | 1927 | Benkard 1927 – Das Selbstbildnis vom 15 | 13 | - |
| Bejahend | Masciotta | 1949 | Masciotta 1949 – Autoritratti del Quattrocento e del | o. S. (Abb. 22) | - |
| Skeptisch/verneinend | Paal | 1981 | Paal 1981 – Studien zum Appartemento Borgia | 72 | - |
| Bejahend | Poeschel | 1989 | Poeschel 1989 – Age itaque Alexander | 152 | - |
| Bejahend | Poeschel | 1999 | Poeschel 1999 – Alexander Maximus | 149f | - |
| Bejahend | Silvestrelli | 2004 | Silvestrelli 2004 – Genealogia di Bernardino di Betto | 23 | - |
| Bejahend | Silvestrelli | 2004 | Silvestrelli 2004 – Pintoricchio tra Roma e Perugia | 120 | - |
| Bejahend | Rejaie | 2006 | Rejaie 2006 – Defining Artistic Identity | 189, 189 (Anm. 11) | - |
| Bejahend | La Malfa | 2009 | La Malfa 2009 – Pintoricchio | - | - |
| Bejahend | Gigante | 2010 | Gigante 2010 – Autoportraits en marge | 113 | - |
| Bejahend | Nesselrath | 2012 | Nesselrath (Hg.) 2012 – Raphaël et Pinturicchio | 39 | - |
| Bejahend | La Malfa | 2017 | La Malfa 2017 – La nuova Domus Aurea | 76 | - |
Steinmann erstellte bereits 1898 eine Zusammenschau der Selbstdarstellungen Pintoricchios, die neben dem hier thematisierten Bildnis im Disput der hl. Katharina auch die bekannte Selbstinszenierung in der Cappella Baglioni in Spello sowie zwei weitere integrierte Selbstporträts aus dem 16. Jahrhundert (Heiligsprechung der Katharina von Siena durch Papst Pius II., Mariä Himmelfahrt) einschließt.1 Nach Steinmann bestätigen die Bildnisse die von Vasari vorgenommene Charakterisierung des Malers als Sonderling.2 Die Figur im Disput überrasche insbesondere durch ihren ernsten Ausdruck und jugendliche Züge.3 Dies veranlasst Steinmann weiterführend, die allgemein vorgenommene Datierung von Pintoricchios Geburtsjahr (der Autor gibt 1545 an) auf „einige Jahre später“ zu korrigieren,4 damit das Selbstbildnis, das durch die Ähnlichkeit seiner physiognomischen Merkmale mit dem in Spello verifizierten Porträt besteche, nicht „durch allzugroße Jugendlichkeit befremde“.5 Im Rahmen einer umfassenden ikonografischen Analyse6 führt der Autor an anderer Stelle aus, dass das Freskenfeld wegen der großteils eigenhändigen Ausführung, den Farben und den dargestellten Persönlichkeiten eine Sonderstellung im Appartamento Borgia einnehme, was dem Maler bereits im Vorfeld bewusst gewesen sein dürfte. „Wie hätte er [Pintoricchio] da nicht darauf bedacht sein sollen, sich hier nach der herrschenden Künstlersitte selber ein Denkmal zu setzen und unter so vielen anderen auch sein eigenes Bildnis in diesem Fresko anzubringen?“7 Die nach dem Spiegel gemalte Selbstporträtfigur stehe bescheiden und in einfacher Kleidung hinter dem unbekannten Architekten der Papsträume, dessen Bedeutung durch sein prunkvolles Gewand und die Ehrenkette ausgedrückt, und dessen Profession durch das als Attribut beigefügte Winkelmaß erkennbar ist.8
Phillips (1901) thematisiert ebenfalls mehrere Selbstdarstellungen Pintoricchios.9 Wie bereits Steinmann weist auch er auf die jugendliche Ausstrahlung des Porträts in den Borgia-Räumen hin und vergleicht weiterführend mit Bildnissen in Spello und Siena. Auch er transformiert optische Merkmale in charakterliche Züge: In der Zusammenschau würden die Selbstinszenierungen einen kränklichen, unnahbaren, masochistischen Mann beschreiben, der gerade aus diesem Makeln einen ausgeprägten Sinn für Schönheit entwickelte. Im Selbstporträt in Rom, das am Anfang der Entwicklungen steht, zeige sich der Maler interessant, sensibel, melancholisch und mit sprechenden Augen. Weiterführend relativiert der Autor seine Einschätzung indirekt, indem er Pintoricchio als liebenswerten Menschen einstuft.10
1925/26 betrachtet Cristofani Pintoricchios Selbstbildnis in Abgleich mit dem Peruginos in der Schlüsselübergabe in der Sixtinischen Kapelle. Mit seinem Selbstporträt, das er wie Perugino neben das Bildnis eines Architekten (vermutlich Antonia da Sangallo) setzte, erinnere er sich vermutlich an seine frühen Jahre in Rom. Er habe das Selbstporträt, das über das in Spello zweifelsfrei verifiziert sei, im repräsentativsten Gemälde im Appartamento eingefügt: „Preferendo mostrarsi nella folla di questa Disputa della Santa Alessandrina, piuttosto che in qualunque altro dipinto delle magnifiche sale, egli senti di aver creata su quella parete l'opera sua più rappresentativa“.11
1927 lehnt Benkard das Selbstporträt ab: Zum einen stimme die Physiognomie nicht mit der der beglaubigten Selbstinszenierung in Spello überein, zum anderen sei das Bildnis für die Entstehungszeit der Fresken zu jugendlich ausgeführt.12
Masciotta (1949) bestätigt eine Selbstdarstellung Pintoricchios im Disput der hl. Katharina über die Abbildung eines Details des Freskos in seiner Sammlung von Selbstbildnissen des 15. und 16. Jahrhunderts. Allerdings zeigt der gewählte Bildausschnitt den Architekten und die links hinter diesem stehende Figur eines jungen Knaben.13
In ihrer 1981 publizierten Dissertation zum Appartamento Borgia (1979) äußert sich Paal vorsichtig zu einer möglichen Selbstinszenierung, indem sie ausführt, Pintoricchio habe sich „vielleicht“ selbst porträtiert.14
Poeschel (1989), die die Halle der Heiligen hinsichtlich ihrer politischen Ikonografie untersucht, bezeichnet die Figur als ein Selbstporträt in der Rolle eines Höflings hinter dem kaiserlichen Thron.15 An anderer Stelle betont die Autorin (1999), dass es aufgrund der Ähnlichkeit mit dem Selbstbildnis in Spello keinen Zweifel an der Identifikation gebe, zumal das Alter der beiden Vergleichsfiguren dem jeweiligen Entstehungszeitpunkt der Fresken angepasst sei.16
Im Rahmen der Rekonstruktion von Pintoricchios Genealogie stellt Silvestrelli (2004) Pintoricchios Geburtsdatum von 1454 in Frage. Zur Untermauerung ihrer Überlegungen zitiert die Autorin die bereits von Steinmann vorgebrachte These und bezieht – wie dieser – die Selbstbildnisse in ihre Argumentation ein. So zeige das Bildnis in der Disputation der hl. Katharina einen jungen Mann, der die Charakteristika seines Gesichtes unmittelbar festgehalten hatte. Im Bildnis von Spello präsentiere er sich hingegen als reifer Mann von jugendlichem Elan und unruhiger Ausstrahlung. Als Geburtszeitspanne schlägt die Autorin die Jahre 1456 bis 1460 vor.17 In einem weiteren Beitrag im selben Sammelband zur Ikonografie im Appartamento verweist sie auf die das Selbstbildnis umgebenden Porträts: auf das Bildnis des Architekten (möglicherweise Antonio da Sangallo) sowie auf zwei weitere Figuren, die sie als Gefolge der beiden Künstler annimmt. Hierbei handelt es sich um den Mann mit der roten Kappe und den älteren, dessen Blick intensiv auf die BetrachterIn gerichtet ist.18
Rejaie (2006) gibt an, Pintoricchio habe zumindest ein integriertes Selbstporträt vor seiner Selbstdarstellung in Spello ausgeführt.19 Weiterführend thematisiert die Autorin ausschließlich das hier diskutierte Bildnis. Obwohl sich die Figur gut mit dem späteren Selbstbildnis in Spello abgleichen lasse, fügt die Autorin relativierend an, dass die ähnliche Position der Köpfe möglicherweise mehr Vergleichbarkeit suggeriere, als die Physiognomien tatsächlich aufweisen.20
La Malfa (2009) verweist auf die zahlreich in der Disputation aufgeführten Porträts: auf das nicht näher bestimmte Selbstporträt des Malers, auf den danebenstehenden Architekten Baccio Pontelli sowie auf Mitglieder der Familie Borgia.21 An anderer Stelle (2017) gibt die Autorin ohne weitere Differenzierungen an, dass sich das Selbstporträt unter Philosophen hinter dem Kaiserthron befinde.22
Gigante (2010) führt Pintoricchios Selbstbildnis im Disput der hl. Katharina im Rahmen einer umfassenden Auflistung integrierter Selbstbildnisse an. Wertneutral bezeichnet sie das Bildnis als „spectateur“ und beruft sich auf bereits thematisierte Argumente von physiognomischen Ähnlichkeiten.23
Nesselrath (2012) bestätigt das Selbstbildnis, das durch Pintoricchios eigenhändige Ausführung des Freskos verifiziert sei.24
Verweise
Vgl. den Einführungstext zu Pintoricchio. Pintoricchios Selbstbildnis in Spello ist im Einleitungstext zum Maler behandelt. Der Vergleich zu dieser Selbstdarstellung wird in der Argumentation für die Identifizierung des hier vorliegenden Mannes als Selbstporträt häufig herangezogen. Eine Verlinkung zum Einführungstext wird in der Zusammenschau des Forschungsstandes nur hier vorgenommen.↩︎
Vgl. Vasari/Hiller von Gaertringen/Lorini 2011, 69.↩︎
Steinmann 1898, 3f.↩︎
Ebd., 5.↩︎
Ebd., 5f, bes. 6.↩︎
Vgl. ebd., 59–70.↩︎
Ebd., 70.↩︎
Ebd.↩︎
Nach Phillips befinden sich weitere Selbstdarstellungen in Rom, Spello, Siena und Neapel. Zum Überblick zu möglichen Selbstbildnissen Pintoricchios vgl. den Einleitungstext.↩︎
Phillips 1901, 16f.↩︎
Cristofani 1925/26, bes. 83.↩︎
Benkard 1927, 13.↩︎
Masciotta 1949, o. S. (Abb. 22). Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass der Autor fälschlicherweise das Porträt des Architekten als Selbstporträt Pintoricchios ansah.↩︎
Paal 1981, 72.↩︎
Poeschel 1989, 152.↩︎
Poeschel 1999, 149f.↩︎
Silvestrelli 2004a, 23.↩︎
Silvestrelli 2004b, 120.↩︎
Dies impliziert einen Hinweis auf noch weitere Selbstdarstellungen abseits des Bildnisses im Fresko zum Disput der hl. Katharina.↩︎
Rejaie 2006, 189, 189 (Anm. 11).↩︎
La Malfa 2009a.↩︎
La Malfa 2017, 76.↩︎
Gigante 2010, 113.↩︎
Nesselrath 2012, 39.↩︎
Ein System personifizierter Selbstreferenz
Der Fokus der bisherigen Forschung zum Appartamento Borgia liegt auf der Erfassung der Ikonografie der Räume und deren Stellenwert hinsichtlich der Verherrlichung Papst Alexanders VI.1 Die Bedeutung des Bildprogramms zeigt sich in der Glorifizierung des Borgia-Papstes als geistlichen Führer, der das Volk im Sinne Christi leite.2 Im Fresko des Disputs der hl. Katharina schwingt – über die Thematisierung des mythologisch überlieferten Siegs der Christen über die Heiden, über orientalisch anmutende Figuren sowie das auffällige, bildzentral platzierte Motiv des Konstantinsbogens3 – eine kirchenpolitische Aussage mit: Unter Alexander VI., dessen Wappentier (Stier4) und Motto (PACIS / CVLTO / RI) den Bogen schmücken, soll das Christentum unter Berücksichtigung antiken und neuzeitlichen Wissens vor Bedrohungen durch Nichtgläube (insbesondere der Türken) geschützt und die Vormachtstellung der römischen Kirche ausgebaut werden.5
Überlegungen zum Selbstbildnis im linken Bildbereich hinter dem Kaiserthron beschränken sich meist auf physiognomische Vergleiche bzw. auf die Betonung der Paarbildung mit dem Architekten.6 Beiden Aspekten kann zugestimmt werden.7 Das Porträt befindet sich in einer Gruppe von Männern in der vielfigurigen Szene, die sich aus dem Architekten sowie weiteren Personen zusammensetzt, die als Gefolgschaft der Künstler gedeutet wurden.8 Der Schluss liegt daher nahe, dass es sich hierbei um Darstellungen von Werkstattmitgliedern Pintoricchios handelt, zumal verschiedene kompositorische Details gerade dieser Männer auf eine Hervorhebung des Porträts des Malers abzielen.9 Die Köpfe der Männer sind als isokephale Reihe aufgefasst, die sich vom Architekten ausgehend leicht nach links hinten staffelt. Pintoricchio ist mit keinerlei Berufsattributen ausgestattet und scheint dem Architekten gegenüber nachrangig dargestellt zu sein, denn die Figur des Baumeisters ist offensichtlich weniger stark überschnitten, durch ein Winkelmaß eindeutig als solcher erkenntlich gemacht und durch eine prachtvolle Goldkette aufgewertet. Hinweise auf die Profession liefern neben diesem Freundschaftsbild möglicherweise die Figuren rechts neben dem Maler. Bei der Drehung des ersten Mannes in Richtung Pintoricchio (Kopf und Oberkörper weisen nach links) könnte es sich um eine Betonung des Meisters durch einen Mitarbeiter handeln.10 Die auffällige Präsenz des rechts anschließenden Bildnisses (intensive Blick aus dem Bild; helles, sich von den anderen Figuren in dem Bereich absetzendes, Inkarnat) weist neben dem des ebenfalls aus dem Bild schauenden Meisters selbst darauf hin, dass in diesem Bildabschnitt der Fokus auf die Kontaktaufnahme mit der BetrachterIn gelegt wurde. Die Orientierung nach vorne unterscheidet diese drei Männer vom Architekten, der seinen Blick nach rechts wirft. Handelt es sich tatsächlich um ein Werkstattbild, so bedient Pintoricchio ein bekanntes System italienischer Selbstdarstellungen, das u. a. in den Fresken der Sixtinischen Kapelle praktiziert wurde, an denen Pintoricchio mitarbeitete.11
Wie Poeschel in ihren Ausführungen zum politischen Inhalt des Bildprogramms im Appartamento Borgia ausführt, setzte Pintoricchio erklärende Motive neben porträtierten Personen zur Betonung der Dargestellten ein, um damit ihre Auffälligkeit zu erhöhen.12 Dieser Interpretationsansatz soll auch zur Analyse des möglichen Selbstbildnisses herangezogen werden. Trotz aller emotionaler Distanziertheit ist Pintoricchios Porträt in die Gruppe der Höflinge hinter dem Thron des heidnischen Kaisers eingebettet. Durch den Blick aus dem Bild sowie die zeitgenössische Aufmachung ist es symbolisch dem BetrachterInnenraum anteilig; durch die Position in der Menge Teil der im Bild wirksamen Assistenzfiguren. Diese Ambivalenz könnte durch den auffälligen jungen Mann hinter dem Selbstbildnis, dessen Blick ekstatisch in den Himmel gerichtet ist, aufgelöst werden. In der Kombination von Blicken und Körperhaltungen der beiden ist einerseits eine bildimmanente Anleitung der BetrachterIn gegeben, die Augen auf das gemalte Bild und den Geist auf die sakrale Botschaft des Christentums zu lenken, andererseits zeigt sich der Maler nach Poeschels These als devotionaler Mensch.13
Insgesamt hinterließ Pintoricchio in den Haupträumen im Appartamento Borgia eine Reihe personalisierter selbstreferenzieller Zeichen: Ein mutmaßliches Selbstporträt im Fresko der Disputation in der Sala dei Santi und eine Spiegelung in der Szene der Auferstehung Christi in der Sala dei Misteri,14 die als mögliches Selbstbildnis eines Werkstattmitglieds thematisiert ist, und in jedem Fall einem Hinweis auf Virtuosität gleichkommt, sowie eine Signatur im Sockel der Personifikation der Rhetorik in der Sala delle Arti Liberali.15 Während die ersten beiden Bildfelder zentrale Positionen in ihren jeweiligen Räumen einnehmen und ganz im Zeichen der Erhöhung Papst Alexanders VI. stehen,16 handelt es sich bei der Rhetorik um ein Sujet, das eine weitere Bezugsebene eröffnet: Indem sich der Maler über seine Signatur (ein Schriftzeichen) mit der Kunst der Rhetorik verbindet, gibt er einen Hinweis auf die Paragonediskussion um Malerei und Dichtung und impliziert zugleich humanistische Bildung. In der Zusammenschau präfiguriert Pintoricchio damit ein System, das er später in der Cappella Baglione in Spello wiederholen sollte.17 Die Räume dienen der Huldigung des Borgia-Papstes – die wiederkehrende Anwesenheit des Malers und seiner Werkstatt, insbesondere seine auffällige Präsenz darin, verdeutlichen zum einen den Respekt gegenüber dem Papst, zum anderen das Wohlwollen Alexanders VI.,18 der diese Form der Selbstinszenierung erst ermöglichte.
Verweise
Zum Forschungsstand vgl. Appartamento Borgia (LINK zum Einführungsaufsatz).↩︎
Vgl. u. a. La Malfa 2017, 74–80.↩︎
Die Auffälligkeit und damit Bedeutung des Architekturelements ist durch seine Ausführung verstärkt. Es handelt sich um ein plastisch ausgeführtes, vergoldetes und farblich gefasstes Relief. Vgl. Vasari/Hiller von Gaertringen/Lorini 2011, 163 (Anm. 81).↩︎
Zum Stier als heraldisches Zeichen der Borgia im Zusammenhang des Appartamento vgl. u. a. La Malfa 2009b, 125f; Poeschel 1989, 157–159.↩︎
Vgl. u. a. Parks 1979; Poeschel 1989, bes. 140–153. Seit dem Fall Konstantinopels waren Konflikte mit den Türken und Bemühungen um Frieden Teil der päpstlichen Politik. Auch zu Zeiten Alexanders VI. war die Türkengefahr gegeben. Vgl. Poeschel 1989, 153.↩︎
Vgl. den Forschungsstand zum Selbstbildnis.↩︎
Die Ähnlichkeit mit dem verifizierten Selbstbildnis in Spello wird v. a. durch Kopfhaltung, Gesichtsform und Details im Kinnbereich deutlich.↩︎
Vgl. u. a. Silvestrelli 2004b, 120.↩︎
Bislang konnten die Maler Antonio da Viterbo, genannt Pastura aus der Werkstatt Peruginos, und Bartolomeo di Giovanni, ein Schüler Ghirlandaios, als Pintoricchios Werkstattmitglieder identifiziert werden. Vgl. Poeschel 1992, 35.↩︎
Aufgrund der Qualität des verfügbaren Fotos des Freskos kann nicht einwandfrei festgestellt werden, wohin der Blick des Mannes mit der roten Kappe führt. Aus der Kopf- und Körperhaltung ist jedoch eine Ausrichtung zum Porträt Pintoricchios abzulesen.↩︎
Vgl. Sixtinische Kapelle. Zu den wesentlichsten und zudem weitgehend verifizierten italienischen Werkstattbildern zählt u. a. Ghirlandaios Gruppenporträt in der Vertreibung von Joachim aus dem Tempel.↩︎
Im Bildfeld der Auferstehung Christi mit Porträt Alexanders VI. in der Sala dei Misteri sticht etwa das rote Gewand des Orientalen, der sich auf einer Anhöhe hinter dem Papstbild neben dem Sarkophag Christi befindet, heraus und erzielt den Effekt, dass die beiden Figuren im Miteinander zu sehen sind. Auf einer inhaltlichen Ebene verweise die Figurenkombination darauf, dass der Papst sowohl auf Christus und das Heilige Grab als auch auf den Orient, wo sich das Grab in der Hand von Ungläubigen befindet, fokussiere. Vgl. Poeschel 1989, 136.↩︎
Dem ersten Anschein nach ist die Position hinter dem Thron des heidnischen Kaisers nicht zur Identifikation für einen Anhänger des christlichen Glaubens geeignet. Allerdings dürften die Figuren nicht Maxentius, sondern der Figur des Andrea Paläologus von Morea am vorderen Bildrand zuzuordnen sein. Dieser war als Thronfolger im oströmischen Morea vor den Türken geflohen und befand sich seit 1465 am päpstlichen Hof. Vgl. Poeschel 1999, 150.↩︎
Die Spiegelung lässt keinen Vergleich mit einem der möglichen Werkstattmitglieder im Disput der hl. Katharina zu.↩︎
Vgl. Appartamento Borgia. In der Sala delle Arti Liberali sind die freien Künste (Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Geometrie, Arithmetik, Musik, Astrologie) in sieben Lünetten als weibliche Personifikationen gezeigt. Vgl. u. a. La Malfa 2009b, 125. Zur Rhetorik als „qualitätsvollste[s] und rätselhafteste[s] Fresko des Raumes“ vgl. Poeschel 1999, 188–193.↩︎
Zur politischen Ikonografie des Bildfeldes Auferstehung Christi vgl. u. a. La Malfa 2017, bes. 68f; Poeschel 1989, bes. 127–139.↩︎
Vgl. Pintoricchio.↩︎
Vgl. Appartamento.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Krabichler, Elisabeth: Disput der hl. Katharina (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/pintoricchio-disput-der-hl-katharina-1492-bis-1494-vatikanstadt-palazzi-pontifici/ (05.12.2025).