Beisetzung des hl. Lukas

Rode, Hermen

1484

Deutschland; Lübeck; St. Annen-Museum

Objekt

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Bildrechte
Detailtitel:Beisetzung des hl. Lukas (Bildfeld an der Außenseite des linken Innenflügels von: Retabel der Lukasbruderschaft, doppelflügelig mit Predella, Schnitzwerk auf der Feiertagsseite sowie zwei Flügeln mit acht Bildtafeln, die Lukaslegende darstellend, bestehend aus: Lukas schreibt sein Evangelium, Begegnung in Emmaus, die Jünger berichten von ihrer Begegnung in Emmaus, Christus erscheint den Jüngern, Tod des heiligen Lukas, Beisetzung des heiligen Lukas, Überführung der Gebeine des heiligen Lukas, Aufstellung des Reliquienschreins)
Alternativtitel Deutsch:Einsargung des hl. Lukas; Begräbnis des hl. Lukas; Aufstellung der Gebeine des heiligen Lukas; Exequien des hl. Lukas; Grablegung des hl. Lukas
Titel in Originalsprache:Beisetzung des hl. Lukas
Titel in Englisch:Obsequies of St Luke
Datierung: 1484
Ursprungsregion:deutschsprachiger Raum
Lokalisierung:Deutschland; Lübeck; St. Annen-Museum
Lokalisierung (Detail):Inventarnummer: 1892/193
Medium:Tafelbild
Material:Tempera; Öl
Bildträger:Holz (Eiche)
Maße: Höhe: 75 cm; Breite: 47 cm
Maße Anmerkungen:Die angegebenen Maße beschränken sich auf das Bildfeld; die Maße des gesamten Innenflügels: 160 x 47 cm.
Ikonografische Bezeichnung:Lukas, Evangelist
Iconclass:11H(LUKE)68 – Luke the evangelist; possible attributes: book, (winged) ox, portrait of the Virgin, surgical instruments, painter's utensils, scroll - death, deathbed of male saint; 43A49 public funeral
Signatur Wortlaut:HERMEN RODE
Datierung Wortlaut:Anno domini MCCCCLXXXIIII in pace amen
Signatur/Datierung Position:signiert auf dem Kragen des rot gekleideten Apostels im Vordergrund; datiert auf dem Grabstein im rechten unteren Eck
Auftraggeber/Stifter:Lukasbruderschaft/Maleramt (?)
Provenienz:Lübeck, Franziskanerkirche St. Katharinen; 1892 in die Sammlung des St. Annen-Museums aufgenommen
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:rot gekleidete Figur im linken Bereich im Vordergrund; vor dem Sarg des hl. Lukas
Ausführung Körper:Ganzfigur
Ausführung Kopf:im Profil
Ikonografischer Kontext:Das Porträt ist einer unbekannten Figur (vielleicht ein Sargträger) in der Gestalt eines Apostels eingeschrieben.
Blick/Mimik:konzentrierter Blick nach rechts
Gesten:mit beiden Händen ein Brokattuch vom Sarg des Heiligen ziehend
Körperhaltung:Körper nach rechts ausgerichtet; undefinierbare Körperhaltung zwischen Knien und Stehen, ein Bein nach hinten abgewinkelt, das andere gestreckt; Oberkörper aufrecht
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:prominent im Vordergrund platziert; befindet sich auf vorderster Ebene zwischen Bild- und BetrachterInnenraum; aktiv am Bildgeschehen beteiligt, jedoch formal von den übrigen Figuren isoliert, da sie sich als einzige Figur im Vordergrund befindet; interagiert und korrespondiert mit dem zweiten Apostel, der den Sarg des Heiligen zu heben scheint; Leerfläche im gesamten Vordergrundbereich rechts der Figur, wodurch sie betont wird; auch farblich ist die Figur durch ihr rotes Gewand hervorgehoben, an dessen Halsborte der Name des Malers angebracht ist; hinterer Fuß (nicht erkennbar, ob rechter oder linker Fuß) leicht vom Bildrand überschnitten; der Körper wirkt ein wenig gedrängt und verkürzt, sodass der Eindruck einer Draufsicht entsteht, was sich aber auf diese Figur beschränkt; die Figur taucht auf den anderen Bildfeldern nicht auf.
Formale Besonderheiten:integrierter Schriftzug mit der Signatur des Malers an der Halsborte der Figur
Kleidung:rotes Gewand mit goldener Halssaum
Zugeordnete Bildprotagonisten:der Sargträger gegenüber der thematisierten Figur, zu dem sie Blickkontakt hält

Zu den Kompositionen des Malers stellt Goldschmidt fest: „Die Figuren sind neben- und hintereinander gereiht, aber ohne künstlerische Gruppenbildung“ und es handele sich um eine „wirre alles füllende Anordnung der Figuren“1

Verweise

  1. Goldschmidt 1901, 32, 39.↩︎

Forschungsergebnis: Rode, Hermen

Künstler des Bildnisses:Rode, Hermen
Status:weitgehend anerkannt
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Goldschmidt 1901 Goldschmidt 1901 – Rode und Notke 33 -
Bejahend o. A. 1916 o. A. 1916 – Hermen Rode in Sweden Reviewed 123 -
Bejahend Busch 1943 Busch 1943 – Meister des Nordens 38 -
Bejahend Stange 1954 Stange 1954 – Nordwestdeutschland in der Zeit 95 -
Bejahend Hasse 1964 Hasse 1964 – Die sakralen Werke des Mittelalters 29 -
Bejahend Hasse 1981 Wittstock, Schadendorf et al. 1981 – Kirchliche Kunst des Mittelalters 29 -
Bejahend Heise/Vogeler 1993 Heise, Vogeler 1993 – Die Altäre des St.-Annen-Museums 77
Details
die Autorinnen äußern sich nicht konkret zum Selbstporträt
Bejahend Schweikhart 1993 Schweikhart 1993 – Das Selbstbildnis im 15 17 -
Bejahend Rasche 2001 Rasche 2001 – Werke des Lübecker Malers Hermen 130 -
Bejahend Vogeler/Freytag 2002 Vogeler, Freytag 2002 – Schlüssel zur Ewigkeit 19 -
Bejahend Burg 2007 Burg 2007 – Die Signatur 501 -
Bejahend Legner 2009 Legner 2009 – Der Artifex 484 -
Bejahend Salomon 2009 Salomon 2009 – Geertgen tot Sint Jans 55 -
Skeptisch/verneinend Gigante 2010 Gigante 2010 – Autoportraits en marge 97f -
Bejahend Rasche 2013 Rasche 2013 – Studien zu Hermen Rode 20, 224, 232 -
Bejahend Schaller 2021 Schaller 12/2021 – Hans Fries 19 -

Münzenberger (1885) erwähnt Hermen Rode in seiner Zusammenschau von mittelalterlichen Altarretabeln in Deutschland, Belgien, Österreich und der Schweiz erstmals als Maler.1 Zwar thematisiert Münzenberger die Signatur am Kragen des Apostels in der Tafel der Beisetzung des hl. Lukas (die von ihm aber fälschlicherweise als Grablegung Mariens gedeutet wurde) im Lukasretabel, jedoch erwähnt er kein Selbstporträt.2 Dasselbe gilt für Goldschmidts Dissertation von 1889, in deren Rahmen er ebenfalls nur den Schriftzug am Kragen anspricht und ihn als Signatur des Malers deutet.3 Die erste Erwähnung des Selbstporträts in der Forschungsliteratur scheint daher auf Goldschmidts zwölf Jahre später veröffentlichten Aufsatz zurückzugehen:
Goldschmidt (1901) geht in seinem Aufsatz Rode und Notke, zwei Lübecker Maler des 16. Jahrhunderts auf das Lukasretabel in Lübeck ein. Aller Wahrscheinlichkeit nach handele es sich bei der Figur mit dem Schriftzug am Halssaum in der Beisetzung des Heiligen um den Maler4. Dass Hermen Rode der Figur zudem ein Selbstporträt eingeschrieben hat, zieht er ebenso in Erwägung. Ohne dies näher zu erläutern, stellt Goldschmidt fest, dass Bart und Haare der Figur rötlich-braun gefärbt seien.5 Wohl hat der Autor den Nachnamen des Malers mit der Farbe in Verbindung gebracht und so eine Interpretation für die rötlichen Haare der Figur angedeutet. Dieselbe Figur, diesmal mit weißem Haar und gealtert, scheine mit Gebetbuch in der Hand im linken Vordergrund im Tod Mariens auf dem Greveraden-Diptychon6 in Lübeck aufzutauchen.7

Der Aufsatz eines unbekannten Autors, der 1916 im Burlington Magazine erschien, fasst die vorab zu Hermen Rode publizierte Forschung sowie sein bis dahin bekanntes Werk zusammen. Erwähnt wird darin auch die thematisierte Figur auf dem Bildfeld mit der Beisetzung des hl. Lukas im Lukasretabel in Lübeck. Der Autor nennt die Inschrift am Halssaum der Figur und die Datierung im rechten unteren Eck. Zudem verweist er auf eine Figur im dritten Bildfeld (Die Jünger berichten von ihrer Begegnung in Emmaus8), auf deren Gewand ebenfalls an Halssaum und unterem Saum Inschriften zu sehen sind. Er zieht in Erwägung, dass es sich hier um Mitglieder der Lukasgilde handle, die das Retabel stifteten, oder um den Maler.9

Busch (1943) beschreibt das Thema Bildnis als eine wichtige, sich gleichsam neu herausbildende Strömung in der altniederdeutschen Malerei der Generation Hermen Rodes. Darin käme das „Verlangen nach individualisierendem Naturalismus“10 zum Ausdruck. Die Figuren in Rodes Altären, besonders im Lukasretabel, seien nicht mehr typisiert, vielmehr tragen sie die Gesichtszüge von Mitbürgern.11 In dem Zusammenhang wirft Busch die Frage auf, ob der Liesborner Meister Johann von Soest einem Kriegsknecht im Kalvarienberg in Soest12 sein Selbstporträt eingeschrieben habe. Darauf würden etwa die Buchstabenzeichen am Kittel hindeuten.13 An anderer Stelle geht der Autor sowohl auf das Lukasretabel als auch auf den Greveradenretabel ein, der das letzte Werk des Meisters sei. Hier wie dort habe sich der Maler möglicherweise selbst dargestellt: Im Lukasretabel in einem glatzköpfigen Mann im verlorenen Profil, auf dessen Rock der Schriftzug „Hermen Rode“ stehe. Die Klassifizierung als verlorenes Profil erschwert es, nachzuvollziehen, welche Figur der Autor meint, zumal er auf eine Angabe, um welches Bildfeld es sich handelt, verzichtet.14 Dieselbe Figur knie als Rückenfigur im Marientod im Greveraden-Diptychon.15

Stange (1954) verweist auf die in der Forschung betonte Gegensätzlichkeit der Maler Bernt Notke und Hermen Rode16, die sowohl in ihrem Werk als auch in ihrem Charakter zum Ausdruck komme. Doch räumt er die Möglichkeit ein, dass sich hinter Rodes friedlicher Malerei ein Charakter verbirgt, der jenem Notkes nicht unähnlich gewesen sein mag. Einen Hinweis auf die Eigenwilligkeit Hermen Rodes gäbe sein „erstes Selbstbildnis“, das Stange in der Figur auf dem Lukasretabel sieht. Die Signatur bestätige dieses.17 In dem Zusammenhang nennt er – ohne auf Goldschmidt zu verweisen – ein zweites Selbstbildnis in einem Apostel mit aufgeschlagenem Gebetbuch in der Szene des Marientods am linken Rand des Greveradenaltars. Hier habe sich der Künstler zwar gealtert und mit weißem Haar dargestellt, doch bemerkt auch Stange die starke Ähnlichkeit der beiden Köpfe. Das spätere Selbstporträt zeuge von einer tieferen psychologischen Auseinandersetzung und einer künstlerischen Entwicklung Rodes. Es sei das „letzte Wort“ des Malers.18

Hasse beschäftigt sich 1964 in seinem Museumsführer des St. Annen-Museums unter anderem mit Hermen Rode. Er thematisiert den Wiedererkennungswert der Figuren zwischen den verschiedenen Tafeln im Lukasretabel und ihre Porträthaftigkeit. Dies betreffe auch den rothaarigen Mann mit Namenszug am Kragen. Es handle sich dabei offenbar um Hermen Rode – „der Rote“.19 Der Text entspricht dem Kapitel über Lübecks Kunst im Mittelalter im 1981 veröffentlichten Bestandskatalog des St. Annen-Museums.20

Heise und Vogeler (1993) äußern sich in ihrer Zusammenschau der Altäre des St. Annen-Museums nicht konkret zum Selbstporträt Hermen Rodes. Sie erwähnen lediglich den Schriftzug am Kragen der thematisierten Figur im Vordergrund und stellen fest, dass Hermen Rode damit als Zeuge des Geschehens auftrete.21 Dieses Thema der Zeugenschaft ziehe sich als Leitmotiv durch die gesamte Bildfolge des Retabels.22

Schweikhart (1993) nennt in seinem grundlegenden Aufsatz zum Selbstbildnis im 15. Jahrhundert Hermen Rodes Selbstporträt im Lukasretabel als Beispiel für ein Identifikationsporträt. Dass es sich um ein Selbstbildnis handelt, habe der Maler durch die Signatur am Kragen der Figur belegt.23

Rasche (2001) thematisiert die Figur des rot gekleideten Apostels mit Schriftzug am Kragen in der Beisetzung des hl. Lukas. Es handle sich dabei um das einzige signierte Werk Hermen Rodes. Die Signatur mache eine eindeutige Zuschreibung möglich und ließe die These eines Selbstporträts naheliegend erscheinen. Daraus könne man schließen, dass Hermen Rode im Kreise der Lübecker Lukasgilde hohes Ansehen genoss und zu den gefragtesten Malern der Stadt zählte.24

2013 beschäftigt sich Rasche in ihrer Dissertation Studien zu Hermen Rode monographisch mit dem Künstler und seinem Werk. In der Erhebung des Forschungsstandes nennt sie zunächst die von Goldschmidt erwähnte Möglichkeit eines Selbstporträts für die Figur im Lukasretabel.25 In den Schlussteil der Arbeit integriert sie ihren Aufsatz von 2001 im Wortlaut.26 Diese Ausführungen ergänzt die Autorin im Rahmen einer zusammenfassenden Beobachtung, worin sie konstatiert, dass es sich bei Rodes Selbstbildnis am Lukasretabel „weniger um ein selbstbewusst sich dem Betrachter zuwendendes Künstlerportrait, sondern vielmehr um ein Memorialbild“27 handelt. Auch den Namenszug habe der Künstler aus dem Wunsch nach Memoria heraus gesetzt. Mit der innovativen Kombination von Signatur und Selbstporträt strebe Rode Andenken und Seelenheil an. Das Bildnis sei „Ausdruck der religiösen Praxis des Malers“.28

Rasche bespricht das 1942 zerstörte Greveraden-Diptychon ebenfalls im Kontext der Selbstdarstellung Hermen Rodes. In der Szene des Marientods sei in der Fensternische im Hintergrund eine Figurengruppe sichtbar gewesen, deren Gesichter differenziert modelliert waren. Dies lege nahe, dass es sich um Porträts von Zeitgenossen oder Stiftern handelte. Die Forschung habe zudem ein Selbstporträt des Malers in der Gruppe vermutet. Rasche nennt jedoch keine Autoren und führt die Hinweise nicht näher aus.29

Vogeler und Freytag (2002) setzen sich mit mittelalterlichen Stifterbildern im Kontext der Werkgerechtigkeit auseinander. Im Zuge dessen nennen sie das Lukasretabel der Lübecker Malerbruderschaft und die Inschrift „Hermen Rode“, die sich in der Beisetzung des Heiligen auf dem Kragen von einem der Lukasbrüder befindet.30 Die Autoren deuten diesen Namenszug weniger als Künstlersignatur, vielmehr bezeuge Hermen Rode damit seine Präsenz im Geschehen – er „stellt sich in den Kreis seiner Mitbrüder, die ihren Heiligen bestatten“31.

Burg (2007) verweist auf Schweikharts These, in der Figur in der Beisetzung des hl. Lukas ein Selbstporträt des Malers zu sehen. Er hält dies für unsicher, aber plausibel, da Hermen Rode der Lukasbruderschaft angehörte und die Darstellung so auch aus biographischen Gesichtspunkten passend erscheine. Die Figur nehme eine herausragende Rolle im Bildgeschehen ein. Habe der Maler ihr tatsächlich sein Kryptoporträt eingeschrieben, spreche dies für seine gehobene Stellung innerhalb der Zunft – oder zumindest für ein ausgeprägtes Selbstverständnis.32 Burg merkt an, dass Jan Gossart in der Anbetung der Könige33 von 1510–1512 in der National Gallery eine ganz ähnliche Signatur am Kragensaum einer dunkelhäutigen Figur gesetzt hat, dies in der Forschung aber bislang nicht im Kontext einer Selbstdarstellung thematisiert worden sei.34

Legner (2009) bewertet die Figur als Identifikationsporträt Hermen Rodes. Entgegen vielen anderen Porträts der Zeit handle es sich hierbei nicht nur um eine mutmaßliche Selbstdarstellung, sondern um ein klar identifizierbares Porträt des Malers. Dies beweise die Signatur am Halskragen.35

Salomon (2009) nennt Hermen Rodes Selbstporträt in der Beisetzung des hl. Lukas im Kontext von Geertgen tot Sint Jans Selbstporträt im Schicksal der Überreste Johannes des Täufers. Hier wie dort habe sich der Künstler nicht versteckt in einer christlichen Rolle dargestellt, sondern er „represented himself straightforwardly as himself“36. Im Widerspruch dazu fügt die Autorin hinzu, dass sich Rode in einem der Sargträger porträtiert habe, sich aber durch den Namenszug am Kragen zu erkennen gebe.37

Gigante (2010) erwähnt die Möglichkeit eines Selbstporträts, hält diese aber aufgrund mangelnder Belege für ungewiss.38

Schaller (2021) führt Stanges These an, es sei eine gängige Praxis von Künstlern im 15. Jahrhundert gewesen, Selbstporträt und Signatur auf einem Bild zu kombinieren.39 Ausführlicher zitiert sie darauffolgend Burgs Gegenthese, die besagt, dass sich das Phänomen lediglich auf wenige Beispiele beschränke.40 Im Sinne Burgs nennt sie das Selbstporträt Hermen Rodes. Die Autorin äußert sich nicht explizit wertend zum Selbstbildnis, aus ihrer ebenfalls nach Burg zitierten Ergänzung, dass der Maler Teil der Lukasgilde gewesen sei und sich in dieser Rolle in einem Kryptoporträt verewigt habe, spricht jedoch eine zustimmende Auffassung.41

Verweise

  1. Einen ausführlichen Überblick über das gesamte Retabel gibt etwa auch Rasche 2013, 50–96.↩︎

  2. Münzenberger/Beissel 1885–1890, 126; zur Bedeutung von Münzenbergers Überblickswerk vgl. auch Rasche 2013, 19.↩︎

  3. Goldschmidt 1889, 14, 36.↩︎

  4. Allerdings merkt Goldschmidt an, dass über den Maler bis auf ein Testament keine urkundlichen Quellen überliefert sind – Hermen Rode war zu dieser Zeit also eine unbekannte Künstlerperson, die man sich nur über stilkritische Annäherungsversuche erschließen konnte, wie der Autor feststellt. Vgl. Goldschmidt 1901, 33.↩︎

  5. Ebd.↩︎

  6. Hermen Rode, Greveraden-Diptychon aus der Marienkirche in Lübeck, 1494, (1942 bei einem Luftangriff auf Lübeck verbrannt). Für Abbildungen siehe Rasche 2013, 181 (Abb. 159), 184 (Abb. 161).↩︎

  7. Goldschmidt 1901, 35.↩︎

  8. Für eine Abbildung siehe u. a. Rasche 2013, 63 (Abb. 22).↩︎

  9. O. A. 1916, 123.↩︎

  10. Busch 1943, 37.↩︎

  11. Ebd.↩︎

  12. Johann von Soest (Meister von Liesborn), Kalvarienberg, um 1470, Soest, St. Maria zur Höhe↩︎

  13. Busch 1943, 37.↩︎

  14. Da Busch aber explizit die Signatur erwähnt, ist davon auszugehen, dass er die hier besprochene Figur meint. Dieser Namenszug erst habe die Identifizierung des Meisters in den Urkunden ermöglicht. Vgl. ebd., 38.↩︎

  15. Ebd.↩︎

  16. Zu den beiden Malern vgl. Stange 1954, 95–117.↩︎

  17. Ebd., 95, 100.↩︎

  18. Ebd., 100f. Die These eines Selbstporträts im Marientod scheint von der weiteren Forschung nicht aufgegriffen worden zu sein. Stange nennt die beiden Selbstbildnisse wie selbstverständlich und äußert sich nicht näher zu dem Bildnis im Greveraden-Diptychon.↩︎

  19. Hasse 1964, 29.↩︎

  20. Wittstock/Schadendorf/Hasse 1981, 29.↩︎

  21. Heise/Vogeler 1993, 77.↩︎

  22. Ebd., 78.↩︎

  23. Schweikhart 1993, 17.↩︎

  24. Rasche 2001, 130.↩︎

  25. Rasche zitiert hier Goldschmidt 1901, vgl. Rasche 2013, 20.↩︎

  26. Rasche 2013, 224.↩︎

  27. Ebd., 232, 232 (Anm. 995). Rasche nennt als vergleichendes Beispiel das Lukasretabel von Derick Baegert, in dem derselbe Signatur-Typus, allerdings ohne Selbstbildnis, auftrete. Vgl. dazu auch den Einleitungstext zum Künstler.↩︎

  28. Ebd., 232.↩︎

  29. Ebd., 186.↩︎

  30. Vogeler/Freytag 2002, 18.↩︎

  31. Ebd., 19.↩︎

  32. Burg 2007, 501.↩︎

  33. Jan Gossart, Anbetung der Könige, 1510–1512, London, The National Gallery.↩︎

  34. Burg 2007, 417 (Anm. 103), 501 (Anm. 231), zu Signaturen von Jan Gossart allgemein 416–418.↩︎

  35. Legner 2009, 484.↩︎

  36. Salomon 2009, 55.↩︎

  37. Ebd.↩︎

  38. Gigante 2010, 97f.↩︎

  39. Vgl. Stange 1967; Stange (hg. von Lieb 1970); Stange (hg. von Lieb 1978).↩︎

  40. Vgl. Burg 2007, 501–503.↩︎

  41. Schaller 2021, 19.↩︎

Hermen Rode – Signatur und Selbstbildnis im Lukasretabel

Hermen Rodes Lukasretabel entstand 1484 im Auftrag der Lukasbruderschaft bzw. des Maleramts für die Katharinenkirche in Lübeck und wird heute im St. Annen-Museum aufbewahrt. Das Retabel ist eines der wenigen Beispiele altdeutscher Werke vor Dürer, in denen der Künstler eine Signatur mit einem Selbstporträt kombiniert.1 Der Maler stellte sich auf der Bildtafel der Beisetzung des hl. Lukas in einem Apostel im linken Vordergrund dar, der damit beschäftigt ist, ein Brokattuch vom Sarg des Heiligen zu ziehen. Auf die Halsborte der Figur schrieb er seinen Namenszug „Hermen Rode“ und setzte damit die einzige Signatur innerhalb seines Oeuvres.2 In diesen autoreferenziellen Kontext fügt sich auch die Tafel Lukas schreibt sein Evangelium – ein autonomes Bild des Malerpatrons, das als erste Szene der Lukaslegende ebenfalls Teil des besprochenen Retabels ist.

Zwar ist das Selbstporträt in der Beisetzung des heiligen Lukas nicht gänzlich als solches verifizierbar, doch deuten die prominente Platzierung, die Signatur am Kragen, letztlich auch die Farbe des Gewandes und der Haare auf ein Porträt des Künstlers hin. Auch in der bisherigen Forschung wird die Figur seit der Erstthematisierung durch Goldschmidt 1901 weitestgehend als Selbstdarstellung Hermen Rodes behandelt.3 Die Frage, was dem Künstler als Motivation dafür gedient haben könnte, wird unterschiedlich beantwortet. Dass Hermen Rode das Porträt als eine Art erweiterte Signatur dachte, erscheint ebenso plausibel, wie darin den Wunsch nach persönlicher Memoria4 und Seelenheil zu vermuten. Die prominente Darstellung am Grab des heiligen Lukas legt nahe, dass er ein angesehenes Mitglied der Lukasbruderschaft war. Dies ließe auch auf Rodes Bedeutung als Maler in Lübeck rückschließen.5

Hermen Rode gilt gemeinsam mit Bernt Notke als Protagonist der Kunstlandschaft entlang der Hanse im späten 15. Jahrhundert. Dennoch wurde Rode in der Forschung weitaus weniger Aufmerksamkeit zuteil als seinem Konkurrenten Notke. Die erste monographische Publikation entstand im Jahr 2013 mit Anja Rasches Dissertation Studien zu Hermen Rode.6 Die Monographie, in der auch ausführlich das Lukasretabel behandelt wird, trägt einen wichtigen Teil zur Erschließung des Künstlers und seines Werks bei. Rasche berücksichtigt den gesamten, bisherigen Forschungsstand zum Künstler, der ausschließlich aus Aufsätzen und Artikeln besteht. Besonders in früheren Publikationen wird Rodes Malerei bisweilen ein verträumter, wenn auch ungeschickter, gar marionettenhafter Stil attestiert.7 Dennoch wurde in der Forschung schon früh die Individualität und Porträthaftigkeit seiner Figuren beobachtet.8 In diesem Kontext hat man nicht nur für das bereits genannte Lukasretabel, sondern auch für den 1494 entstandenen Greveradenaltar aus der Lübecker Marienkirche mögliche Selbstporträts vorgeschlagen.

Doch während Rodes Selbstporträt im Lukasretabel durchaus überzeugend erscheint, entbehren die hier der Vollständigkeit halber aufgelisteten Selbstporträt-Thesen für Rodes seit dem 2. Weltkrieg verlorenes Greveraden-Diptychon in Lübeck fassbarer Grundlagen. Für das Bildfeld des Marientods an der Innenseite des linken Flügels wurden verschiedene Figuren als Selbstporträts thematisiert.9 Die Vorschläge lassen sich allerdings durch ihre teils unkonkrete Formulierung und durch den Verlust des Werkes nicht nachvollziehen. Die einzige wiederholt geäußerte These wird zuerst von Goldschmidt formuliert: Ebenso wie später Stange identifiziert er im Marientod ein Selbstbildnis des Malers in einem Apostel mit aufgeschlagenem Gebetbuch am linken Rand. Den Autoren zufolge sei die Figur Ausdruck der Entwicklung des Malers, die sich hier in seinem Spätwerk bekundet.10 Dies betrifft eine Steigerung an erzählerischen Details, Prachtentfaltung, Bewegtheit und Ausdrucksstärke, die sich im Greveradenaltar feststellen lässt.11 Goldschmidt und Stange zufolge handele es sich bei dem Selbstporträt im Marientod um die gealterte Version des Selbstporträts in der Beisetzung des heiligen Lukas im Lukasretabel. 12

Abschließend sei erwähnt, dass in Rodes Lukasretabel im Hinblick auf den Schriftzug am Kragen des Apostels in der Beisetzung des heiligen Lukas bisweilen Parallelen zu Werken anderer Künstler gesehen werden, die ähnliche Signaturen aufweisen: Busch verweist auf Buchstabenzeichen, die der Liesborner Meister Johann von Soest auf den Kittel eines Kriegsknechts im Kalvarienberg in Soest13 gesetzt hat. Die Figur trage zudem die Züge des Künstlers und ließe auf eine doppelte Selbstbekundung schließen.14 Burg thematisiert eine ähnliche Signatur in Jan Gossarts Anbetung der Könige15 von 1510–1512 in der National Gallery. Sie befinde sich am Kragensaum einer dunkelhäutigen Figur, die in der Forschung aber bislang nicht im Kontext einer Selbstdarstellung thematisiert worden sei.16 Schließlich betont Salomon die Parallele zwischen Hermen Rodes Selbstporträt in der Beisetzung des hl. Lukas und Geertgen tot Sint Jans Selbstporträt im Schicksal der Überreste Johannes des Täufers. In beiden Werken habe sich der Maler nicht in einem Rollenporträt dargestellt, sondern trete als er selbst auf.17

Verweise

  1. Burg 2007, 502f.↩︎

  2. Rasche 2001, 130.↩︎

  3. Hier muss einschränkend erwähnt werden, dass sich einige Autoren zum Selbstporträt nicht äußern und nur die Signatur thematisieren. So etwa Münzenberger/Beissel 1885–1890, 126; Köllermann 2007, 179 (Anm. 158); Bauch 1930, 524–526.↩︎

  4. Zur Memoria im Mittelalter vgl. grundlegend Althoff/Ohm 2006, 236–240.↩︎

  5. Rasche 2001, 130; Burg 2007, 501. Auch die Datierung auf der Grabplatte kann in diesem Sinn gedeutet werden: Diese Grabplatte entspricht einer ursprünglich wohl im Chor der Katharinenkirche befindlichen Grabplatte. Sie zeigt das Maleramtswappen in Gestalt der drei Schilde, wobei das Maleramt nicht mit der Lukasbruderschaft identisch war. Vgl. dazu ausführlicher Rasche 2013, 78–80; zum Wappen der Künstlerzunft vgl. Suckale 2009, 396. Während bislang von der Lukasbruderschaft als Auftraggeber ausgegangen wurde, erläutert Rasche, dass das Maleramt für die Stiftung verantwortlich gewesen sein muss. Sie hält auch eine gemeinsame Stiftung für denkbar. Vgl. dazu weiterführend Rasche 2013, 80, 80 (Anm. 454), 83, 83 (Anm. 496).↩︎

  6. Rasche 2013.↩︎

  7. Heise/Vogeler 1993, 78; zum Stil Hermen Rodes vgl. Wittstock/Schadendorf/Hasse 1981, 28; Busch 1943, 35–38; Stange 1954, 95–99.↩︎

  8. Etwa Wittstock/Schadendorf/Hasse 1981, 28f.↩︎

  9. Busch nennt unkonkret eine Rückenfigur im Marientod im Greveradenaltar, die auch in der Beisetzung des hl. Lukas im Lukasretabel auftauche. Vgl. Busch 1943, 38; Rasche erwähnt nicht näher bestimmte Forschungsmeinungen, die in der Figurengruppe in der Fensteröffnung im linken Hintergrund ein Porträt des Malers erkannt haben wollen. Vgl. Rasche 2013, 186.↩︎

  10. Goldschmidt 1901, 35; Stange 1954, 100f.↩︎

  11. Rasche 2013, 228–230.↩︎

  12. Goldschmidt 1901, 35; Stange 1954, 100f.↩︎

  13. Johann von Soest (Meister von Liesborn), Kalvarienberg, um 1470, Soest, St. Maria zur Höhe.↩︎

  14. Busch 1943, 37.↩︎

  15. Jan Gossart, Anbetung der Könige, 1510–1512, London, The National Gallery.↩︎

  16. Burg 2007, 417 (Anm. 103), 501 (Anm. 231), zu Signaturen von Jan Gossart allgemein 416–418.↩︎

  17. Salomon 2009, 55.↩︎

Literatur

Althoff, Christiane/Ohm, Matthias (Hg.): Ferne Welten – Freie Stadt. Dortmund im Mittelalter (Dortmunder Mittelalter-Forschungen, 7; Ausstellungskatalog Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund, 2.4.–16.7.2006), Bielefeld 2006.
Bauch, Kurt: Porträt von Hermen Rode, in: Pantheon, 4. Jg. 1930, 524–526.
Burg, Tobias: Die Signatur. Formen und Funktionen vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert (Kunstgeschichte, 80), Berlin 2007.
Busch, Harald: Meister des Nordens. Die Altniederdeutsch Malerei 1450–1550, Hamburg (2. Aufl.) 1943.
Gigante, Elisabetta: Autoportraits en marge. Images de l'auteur dans la peinture de la Renaissance (Thèse de Doctorat, École des Hautes Études en Sciences Sociales), Paris 2010.
Goldschmidt, Adolph: Lübecker Malerei und Plastik bis 1530 (Dissertation, Universität Leipzig), Leipzig 1889.
Goldschmidt, Adolph: Rode und Notke. Zwei Lübecker Maler des 15. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für bildende Kunst, 12. Jg. 1901, 31–39, 55–60.
Hasse, Max: Die sakralen Werke des Mittelalters. Lübeck, Sankt-Annen-Museum (Lübecker Museumsführer, 1), Lübeck 1964.
Heise, B./Vogeler, H.: Die Altäre des St.-Annen-Museums. Erläuterung der Bildprogramme, Lübeck 1993.
Köllermann, Antje-Fee: Conrad Laib. Ein spätgotischer Maler aus Schwaben in Salzburg (Neue Forschungen zur deutschen Kunst, 8), Berlin 2007.
Legner, Anton: Der Artifex. Künstler im Mittelalter und ihre Selbstdarstellung, Köln 2009.
Münzenberger, Ernst F. A./Beissel, Stefan: Zur Kenntnis und Würdigung der mittelalterlichen Altäre Deutschlands. Ein Beitrag zur Geschichte der vaterländischen Kunst (Band 1), Frankfurt am Main 1885–1890.
Rasche, Anja: Studien zu Hermen Rode, Petersberg 2013.
Rasche, Anja: Werke des Lübecker Malers Hermen Rode im Ostseeraum, in: Nogossek, Hanna/Popp, Dietmar (Hg.): Beiträge zur Kunstgeschichte Ostmitteleuropas (Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung, 13), Marburg 2001, 126–136.
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Zitiervorschlag:

Fankhauser, Kari: Beisetzung des hl. Lukas (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/rode-hermen-beisetzung-des-hl-lukas-1484-lubeck-st-annen-museum/ (05.12.2025).