Anbetung der Hirten

Signorelli, Luca

um 1496

Vereinigtes Königreich; London; The National Gallery; ehemals Città di Castello

Objekt

Bildrechte
Titel in Originalsprache:Adorazione dei pastori; Natività di Nostro Signore
Titel in Englisch:(The) Adoration of the Shepherds; Nativity
Datierung: um 1496
Ursprungsregion:italienischer Raum
Lokalisierung:Vereinigtes Königreich; London; The National Gallery; ehemals Città di Castello
Lokalisierung (Detail):Inventarnummer: NG1133; Main Collection
Medium:Tafelbild
Material:Öl
Bildträger:Holz
Maße: Höhe: 215 cm; Breite: 170,2 cm
Ikonografische Bezeichnung:Geburt Christi: Anbetung der Hirten und Engel
Ikonografie Anmerkungen:links im Mittelgrund: Verkündigung an die Hirten; im Tempel links im Mittelgrund: Volkszählung
Iconclass:73B25(+31) – adoration of the Christ-child by the shepherds; Mary and Joseph present (+ angel(s) floating in the air)
Signatur Wortlaut:. LVCE . DE CORTONA . P[ICTORIS] . O[PUS]
Signatur/Datierung Position:signiert im Gebälk des Portikus links im Mittelgrund; monogrammiert im Tympanon desselben Tempels
Auftraggeber/Stifter:unbekannt
Provenienz:zwischen 1550 und 1775 in San Francesco in Città di Castello; 1810 möglicherweise im dortigen Refektorium; vor 1826 verkauft an Don Paolo Mafucci und später an Giulio Mancini; 1876 verkauft an Stefano Bardini; 1882 verkauft an die National Gallery, London
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:unbekannt

Zur Auftraggeberschaft1 und zur Provenienz.2

Verweise

  1. Henry 2012, 129–133.↩︎

  2. Henry 2002, 194.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:erste Figur von rechts
Ausführung Körper:Ganzfigur sitzend
Ausführung Kopf:annähernd im Profil
Ikonografischer Kontext:Rollenporträt als Josef
Blick/Mimik:gesenkter Blick nach links unten zum Jesuskind
Gesten:abgewinkelte Arme auf die Knie aufgestützt, Hände betend aneinandergelegt, Daumen verschränkt wie zu einem Kreuz
Körperhaltung:sitzend mit angezogenen Knien; nach links gewendet, leicht zum Betrachter gedreht
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:am rechten Bildrand; Mantel leicht von Bildrand beschnitten; Figur überschneidet Esel; betet das vor ihr liegende Jesuskind wie Maria, die Hirten und die Engel an
Zugeordnete Bildprotagonisten:Teil der hl. Familie; befindet sich unmittelbar vor/unter Ochs und Esel

Zur ungewöhnlichen Geste der Figur.1

Verweise

  1. Henry 2012, 132 macht auf diese ungewöhnliche Fingerstellung aufmerksam und verweist für eine Diskussion auf Gordon 2003, 374.↩︎

Forschungsergebnis: Signorelli, Luca

Künstler des Bildnisses:Signorelli, Luca
Status:Einzelmeinung
Status Anmerkungen:Der Vorschlag von Burckhardt wurde in der Forschung nicht aufgenommen.
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Burckhardt 1898 Burckhardt 1898 – Beiträge zur Kunstgeschichte von Italien 223 -

Burckhardt (1898) schreibt, Signorelli vertraue „hie und da dem Beschauer seine eigene[n] Züge an“, u. a. in zwei neu von der Londoner National Gallery erworbenen Gemälden. Signorelli sei in der hier diskutierten Anbetung sowie in der Beschneidung jeweils in der Figur des Josef zu erkennen.1

Verweise

  1. Burckhardt 1898, 223.↩︎

Der hl. Josef als Typ, der Hirte als Individuum

In der eingesehenen Literatur wurde Burckhardts These, Signorelli habe sich im Josef in der Londoner Anbetung der Hirten porträtiert, nicht aufgegriffen. Der Autor schlägt im gleichen Satz vor, auch im Josef der Beschneidung ein Selbstbildnis des Malers zu sehen.1 Die beiden Figuren sehen sich tatsächlich ähnlich, allerdings gilt dies auch für andere Josefsdarstellungen aus der Hand Signorellis, etwa in der Geburt Christi (Pala Feriani) im Museo di Capodimonte in Neapel (um 1493–96) oder auch in der Anbetung der Könige im Pariser Louvre (1493–94). Nachdem die Ähnlichkeit der Josefsfiguren zum anerkanntesten Selbstbildnis Signorellis in Predigt und Taten des Antichrist in Orvieto nicht sehr ausgeprägt ist, dürfte es sich um einen Männertyp handeln, den der Maler für Josefsdarstellungen verwendete – und eben nicht durchwegs um Selbstbildnisse.

Henry macht darauf aufmerksam, dass Signorelli in der Londoner Anbetung Anregungen aus dem Portinari-Altar des Hugo van der Goes aufnahm.2 Auch in diesem Altarbild wird ein Selbstbildnis vermutet, allerdings unter den Hirten.

Signorellis Londoner Anbetung weist einige ikonografische Besonderheiten auf, so etwa die Szene im Portikus im Mittelgrund (auf dem der Maler im Übrigen auch seine Signatur anbrachte), die wahrscheinlich die Volkszählung darstellt. Ein weiteres auffälliges Detail ist der Dudelsack spielende Hirte mit Blattkranz im Haar, der rechts hinten auf einer Anhöhe sitzt. Henry könnte mit seiner Vermutung Recht haben, dass der Jüngling trotz einiger Unterschiede (Sandalen, Haare) im Bild nochmals als Randfigur links im Vordergrund dargestellt ist,3 zumal die übrigen drei Hirten ebenfalls einmal im Mittelgrund – klein am linken Rand die Verkündigung durch den Engel vernehmend – und einmal in der zentralen Anbetungsszene gezeigt werden. Im Kontext integrierter Selbstbildnisse ist die Figur des Hirten mit Blattkranz insofern interessant, als in Ghirlandaios Berufung der Apostel in der Sixtinischen Kapelle (an deren Freskierung auch Signorelli beteiligt war) ebenfalls ein etwas rätselhafter junger blonder Mann mit Blumenkranz auftaucht, der dort als Verweis auf den Maler in Betracht gezogen wird.

Insgesamt handelt es sich bei all diesen Überlegungen aber um höchst spekulative Gedankenspielereien – am Boden der Tatsachen ist kein Platz für ein Selbstbildnis Signorellis in der Anbetung der Hirten.

Verweise

  1. Henry 2012, 55, 132.↩︎

  2. Henry 2012, 132 Henry bespricht hier auch eine Studie zum Bild, in der links im Vordergrund nur drei Hirten zu sehen sind, jener mit dem Hut fehlt.↩︎

Literatur

Burckhardt, Jacob: Beiträge zur Kunstgeschichte von Italien. Das Altarbild – Das Portrait in der Malerei – Die Sammler, Basel 1898.
Gordon, Dillian: The Fifteenth Century Italian Paintings. Volume 1 (National Gallery Catalogues), London 2003.
Henry, Tom: Katalog, in: Kanter, Laurence B./Henry, Tom (Hg.): Luca Signorelli, München 2002, 159–261.
Henry, Tom: The Life and Art of Luca Signorelli, New Haven, Connecticut u. a. 2012.