Beschneidung

Signorelli, Luca

um 1490 bis 1491

Vereinigtes Königreich; London; The National Gallery; ehemals Volterra

Objekt

Bildrechte
Alternativtitel Deutsch:Beschneidung Christi
Titel in Originalsprache:Circoncisione
Titel in Englisch:The Circumcision
Datierung: um 1490 bis 1491
Ursprungsregion:italienischer Raum
Lokalisierung:Vereinigtes Königreich; London; The National Gallery; ehemals Volterra
Lokalisierung (Detail):Inventarnummer: NG1128; Main Collection
Medium:Tafelbild
Material:Öl
Bildträger:Holz (Pappel)
Maße: Höhe: 258,5 cm; Breite: 180 cm
Ikonografische Bezeichnung:Beschneidung Christi
Iconclass:73B3 – circumcision of the Christ-child by the priest in the temple (Luke 2:21)
Signatur Wortlaut:LVCAS CORTONENSIS PINXIT
Datierung Wortlaut:ohne
Signatur/Datierung Position:signiert in der Mitte des unteren Bildrands auf einem gemalten Absatz
Auftraggeber/Stifter:Compagnia del Santissimo Nome di Gesù (Bruderschaft zum hl. Namen Jesu), Volterra
Provenienz:zwischen 1558 und 1782 am Hochaltar des Oratoriums der Compagnia del Santissimo Nome di Gesù, Volterra; erworben von Capitano Morandi zwischen 1783 und 1806, gelangte so in die Sammlung Lansdowne, veräußert 1806; befand sich 1854 in der Sammlung von Alexander Douglas Hamilton, 10th Duke of Hamilton, daraus 1882 an die National Gallery London verkauft
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:unbekannt

Das Gemälde wurde auf eine neue, zusammengesetzte Platte übertragen. Das Jesuskind wurde von Sodoma teilweise übermalt.1 Zur Provenienz.2

Verweise

  1. Henry 2002, 175; Vasari/Lorini/Wenderholm 2012, 81.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:dritte Figur von rechts
Ausführung Körper:Ganzfigur kniend
Ausführung Kopf:annähernd im Profil
Ikonografischer Kontext:Rollenporträt als Mohel
Blick/Mimik:konzentrierter Blick nach schräg unten auf das Jesuskind
Gesten:rechte Hand hält das Messer vor dem Bein des Jesuskindes; linke Hand in sprechender Geste
Körperhaltung:kniend, vorgebeugt zum Jesuskind
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:überschneidet leicht das Jesuskind sowie die Madonna; seine rechte Hand befindet sich unmittelbar vor der linken Hand der Madonna; überschnitten von der weiblichen rechten Randfigur (Rückenfigur); rechts hinter ihm befindet sich ein Mann, dessen Geste wahrscheinlich argumentatives Aufzählen darstellen soll; vor seinem linken Knie am Boden befinden sich mehrere Gegenstände, darunter ein geöffnetes Buch
Attribute:Beschneidungsmesser
Kleidung:auffällig sind der weiße Kragen und der geschlitzte Ärmel
Zugeordnete Bildprotagonisten:Jesuskind, das vom Mohel gleich beschnitten wird

Forschungsergebnis: Signorelli, Luca

Künstler des Bildnisses:Signorelli, Luca
Status:Einzelmeinung
Status Anmerkungen:Der Vorschlag von Wallis wurde in der Forschung kaum aufgenommen.
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Wallis 1883 Wallis 1883 – The National Gallery 178 -
Skeptisch/verneinend Henry 2012 Henry 2012 – The Life and Art 379 (Anm. 192) -

Wallis (1883) attestiert dem Beschneidenden („operator“) eine auffallende Ähnlichkeit mit Signorellis Selbstbildnis in den Taten des Antichrist in Orvieto. Aus diesem Grund sei es wahrscheinlich, dass diese Figur den Maler darstelle.1

Henry erwähnt Wallis’ Identifizierung in einer Fußnote, in der er gesammelt auf weitere Vorschläge für Selbstbildnisse Signorellis verweist. Der Autor gibt in diesem Fall zwar keine Wertung ab, dürfte dem Vorschlag aber ablehnend gegenüberstehen, da er ihn auch in seiner Auseinandersetzung mit der Figur des Mohels nicht weiter diskutiert (siehe auch Analyse).2

Verweise

  1. Wallis 1883, 178.↩︎

  2. Henry 2012, 379 (Anm. 192).↩︎

Bildnis 2

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:dritte Figur von links
Ausführung Körper:Ganzfigur stehend
Ausführung Kopf:annähernd im Profil
Ikonografischer Kontext:Rollenporträt als Josef
Blick/Mimik:gesenkter Blick in Richtung Jesuskind
Gesten:rechte Hand umfasst einen Stock, linke Hand stützt sich ebenfalls auf den Stock und öffnet sich halb zum Betrachter hin
Körperhaltung:stehend; leicht gebückt (bildet eine Art Klammer um Maria und das Jesuskind) und auf einen Stab gestützt; nach rechts in Richtung Bildmitte gewendet; Füße im Kontrapost, rechter Fuß als Spielbein Richtung Betrachter gedreht
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:Figur befindet sich in einer Bildebene vor der eigentlichen Beschneidung, aber etwas weiter hinten als die rechte Randfigur; Mantel am linken Bildrand leicht beschnitten
Attribute:Stock
Zugeordnete Bildprotagonisten:Teil der Heiligen Familie; überschneidet Personen hinter sich, überschneidet u. a. seitlich leicht Maria

Forschungsergebnis: Signorelli, Luca

Künstler des Bildnisses:Signorelli, Luca
Status:Einzelmeinung
Status Anmerkungen:Der Vorschlag von Burckhardt wurde in der Forschung nicht aufgenommen.
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Burckhardt 1898 Burckhardt 1898 – Beiträge zur Kunstgeschichte von Italien 223 -

Burckhardt (1898) schreibt, Signorelli vertraue „hie und da dem Beschauer seine eigene[n] Züge an“, u. a. in zwei neu von der Londoner National Gallery erworbenen Gemälden. Signorelli sei in der hier diskutierten Beschneidung sowie in der Anbetung der Hirten jeweils in der Figur des Josef zu erkennen.1

Verweise

  1. Burckhardt 1898, 223.↩︎

Ein Beschneidungsmesser als Künstlerwerkzeug?

Beide Identifizierungsvorschläge für die Beschneidung1 wurden Ende des 19. Jahrhunderts vorgebracht, ohne dass die Autoren sich mit ausführlicheren Begründungen aufhielten: Burckhardt präsentierte die Identifizierung Signorellis mit der Figur Josefs als Fakt, Wallis argumentierte lediglich mit der Ähnlichkeit des Mohels zum Selbstbildnis des Malers im Antichrist. Diese Ähnlichkeit des Beschneiders mit dem Orvietaner Selbstbildnis ist auch vorhanden, allerdings mehr in dem Sinne, dass die beiden Physiognomien nicht gänzlich unvereinbar miteinander scheinen. Hinzu kommt, dass dies auch für Josef gilt – alle drei Männerköpfe gehören demselben Typus an, der bei Signorelli immer wieder auftaucht (siehe dazu etwa auch Josef in der Anbetung der Hirten). Es handelt sich also um eine für Signorellis Malerei charakteristische Gesichtsform, die nicht notwendigerweise etwas mit dem Aussehen des Malers selbst zu tun haben muss.

Henry, der, wie im Forschungsstand angemerkt, Wallis’ Vorschlag lediglich der Vollständigkeit halber anzuführen scheint, macht in Bezug auf den Mohel eine interessante Beobachtung. Aus der Art, wie Signorelli Schraffuren setzt, schließt er, dass der Maler Rechtshänder gewesen sei. Auch der Mohel hält das Beschneidungswerkzeug in der rechten Hand und zwar so, dass Henry sich an ein Stück Kreide in der Hand eines Künstlers erinnert fühlt. Studien der Künstlerhand seien auch eine verbreitete Werkstattübung gewesen.2 Außerdem fällt Henry auf, dass die Hand des Mohels so über jener der Madonna zu liegen kommt, dass der Betrachter im ersten Moment den Eindruck hat, der Mohel habe mehr als fünf Finger.3

Signorelli signierte sein Werk mit „LVCAS / CORTONENSIS / PINXIT“, formatiert im Mittelachsensatz, angebracht in der Art eines Trompe-l’oeil auf einer gemalten Stufe ganz unten bzw. vorne im Bild. Die gemalte symmetrische Architektur ist im Vordergrund durch buntfarbige Fließen gekennzeichnet, deren mittlere Fuge wiederum entspricht der Breite der Signatur. Auf dieser zentralen Bildachse kommt auch das (annähernd senkrecht gehaltene) Beschneidungsmesser zu liegen – vielleicht ein Indiz dafür, dass die von Henry ins Spiel gebrachte Analogie zur Künstlerhand nicht gänzlich aus der Luft gegriffen ist.

In Summe spricht also mehr für ein Selbstbildnis Signorellis in der Figur des Mohels als in jener des Josef – oder vorsichtiger formuliert lässt sich an erstere die eine oder andere interessante These knüpfen. Dennoch muss mangels Beweisen – und wohl auch aufgrund der völlig anderen Haartracht im Vergleich zum Orvietaner Selbstbildnis – davon ausgegangen werden, dass sich Signorelli nicht unter das Personal der Beschneidungsszene mischte.

Verweise

  1. Auf der Internetseite der National Gallery findet sich eine hochauflösende Abbildung des Werks.↩︎

  2. Henry 2012, xii.↩︎

  3. Ebd., 352 (FN 16).↩︎

Literatur

Burckhardt, Jacob: Beiträge zur Kunstgeschichte von Italien. Das Altarbild – Das Portrait in der Malerei – Die Sammler, Basel 1898.
Henry, Tom: Katalog, in: Kanter, Laurence B./Henry, Tom (Hg.): Luca Signorelli, München 2002, 159–261.
Henry, Tom: The Life and Art of Luca Signorelli, New Haven, Connecticut u. a. 2012.
Vasari, Giorgio/Lorini, Victoria/Wenderholm, Iris: Giorgio Vasari. Das Leben des Malers Luca Signorelli aus Cortona. Vita di Luca Signorelli da Cortona. Pittore (1568), in: Gründler, Hana/Wenderholm, Iris (Hg.): Das Leben des Paolo Uccello, Piero della Francesca, Antonello da Messina und Luca Signorelli. Neu übersetzt und kommentiert, Berlin 2012, 77–98, 173–195.
Wallis, Henry: The National Gallery: Recent Acquisitions, in: The Art Journal. New Series, 45. Jg. 1883, June, 177f.