Anbetung der Könige (Prag)

Sint Jans, Geertgen tot

um 1485

Tschechien; Prag; Národní galerie Praha

Objekt

Bildrechte
Detailtitel:Anbetung der Könige (Mitteltafel von: Triptychon zur Anbetung der Hl. Drei Könige)
Titel in Originalsprache:Klanění tří králů
Titel in Englisch:Adoration of the Kings
Datierung: um 1485
Ursprungsregion:altniederländischer Raum
Lokalisierung:Tschechien; Prag; Národní galerie Praha
Lokalisierung (Detail):Inventarnummer: DO 31, HS 263
Medium:Altarbild; Tafelbild
Bildträger:Holz (Eiche)
Maße: Höhe: 111,2 cm; Breite: 69,5 cm
Maße Anmerkungen:Mitteltafel beidseitig beschnitten; Seitenflügel in der Höhe beschnitten; aktuelle Maße 71 x 38,7 cm (linker Flügel), 70,8 x 38,8 cm (rechter Flügel)
Ikonografische Bezeichnung:Geburt Christi; Drei Könige (Anbetung und Zyklus der Magier)
Ikonografie Anmerkungen:Seitenflügel mit Stifterbildern und Heiligen (Adrian, Bavo); Grisailledarstellung der Verkündigung auf den Außenflügeln; zudem ein Fragment der linken Tafel mit dem hl. Joseph
Iconclass:73B57 – adoration of the kings: the Wise Men present their gifts to the Christ-child (gold, frankincense and myrrh)
Signatur Wortlaut:ohne
Datierung Wortlaut:ohne
Auftraggeber/Stifter:Adrian van Bakenesse mit Margriet Peter Roepersdochter (?)
Provenienz:seit 1797 in der Gemäldegalerie in Prag dokumentiert (Teil eines Konvoluts von Leihgaben auf unbestimmte Zeit einer kaiserlich-königlichen Hoheit); zunächst als Gemälde eines unbekannten Malers, seit Beginn des 20. Jahrhunderts Geertgen tot Sint Jans zugeschrieben
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:unbekannt

Zu den Maßen des Altars und zu Thesen zu seiner Fragmentierung1 sowie zur Provenienz.2

Verweise

  1. Van der Kuijl 2019, 251.↩︎

  2. Šip 1963, 7, 12, 14.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:zweite Figur von rechts
Ausführung Körper:Schulterstück
Ausführung Kopf:Frontalansicht
Ikonografischer Kontext:Assistenzfigur
Blick/Mimik:direkter Blick aus dem Bild
Gesten:Hände nicht sichtbar
Körperhaltung:Körper nicht sichtbar, vermutlich aufrecht; leicht nach links ausgerichtet
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:Figur im Mittelgrund des Bildes, zwischen Hintergrundhandlung und vorderer Bildbühne, dabei außerhalb der Stallarchitektur; Kopf vom dahinterliegenden Triumphbogen betont; zwischen dunkelhäutigem König und jüdisch anmutender Profilfigur nach vorne orientiert; von diesen beiden Männern großteils überschnitten; durch den Farbakzent der roten Kleidung hervorgehoben
Kleidung:auffällig rotes Gewand
Zugeordnete Bildprotagonisten:Männer im Gefolge der Könige, insbesondere die Profilfiguren mit Bart davor und dahinter

Forschungsergebnis: Sint Jans, Geertgen tot

Künstler des Bildnisses:Sint Jans, Geertgen tot
Status:kontrovers diskutiert
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Skeptisch/verneinend Šip 1963 Šip 1963 – Geertgen tot Sint Jans 36 -
Erstzuschreibung Kotková 1999 Kotková 1999 – Netherlandish Painting 1480–1600 70 -
Skeptisch/verneinend Kemperdick/Sander 2007 Kemperdick, Sander 2007 – Die Winterthurer Anbetung der Heiligen 41, 58 (Anm. 52)
Details
wertneutrale Thematisierung
Bejahend Leeflang/Faries 2008 Leeflang, Faries 2008 – Geertgen tot Sint Jans 106, 109 (Anm. 6) -
Bejahend van der Kuijl 2019 van der Kuijl 2019 – Geertgen tot Sint Jans 253f -

Kotková (1999) vermerkt, dass die Züge der beobachtenden Figur hinter Balthasar mit denen des Malers vergleichbar sind.1

Šip (1963) hebt in seiner Monografie zum Gemälde die Porträthaftigkeit des etwa dreißigjährigen, leicht lächelnden Mannes hervor, dem offensichtlich einige Vorderzähne fehlen. Er spricht sich jedoch ausdrücklich gegen eine Identifizierung der Figur aus: „Wir wagen nicht, über die Identität dieses ausdrucksvollen Gesichts auch nur die geringste Vermutung zu äußern, aber seine künstlerische Funktion ist uns klar: dadurch, daß der Mann aus dem Bild direkt auf den Betrachter schaut, fesselt er dessen Aufmerksamkeit.“2

Kemperdick und Sander (2007) vergleichen die Prager Anbetung der Heiligen Drei Könige von Geertgen tot Sint Jans mit dem Monforte-Altar von Hugo van der Goes an. In beiden Werken finden sich am rechten Bildrand, hinter den farbigen Königen, Porträts, die in den BetrachterInnenraum ausgerichtet sind. Die Autoren weisen neutral darauf hin, dass diese Figuren in den Tafeln von Geertgen tot Sint Jans und Hugo van der Goes verschiedentlich als Selbstporträts gedeutet wurden. Sie betonen jedoch, dass sich im Falle des Monforte-Altars eine Tradition etabliert zu haben scheint, den bärtigen Mann im Mittelfeld als Selbstbildnis zu sehen.3

Leeflang und Faries (2008) verweisen auf ein mögliche Selbstporträt Geertgens in der Figur des aus dem Bild blickenden Mannes im rechten Bildbereich.4 Im Anmerkungsapparat ergänzen sie, dass eine ähnliche Figur mit Bart in der Erweckung des Lazarus (rechts) darauf hindeuten könnte, dass es sich um ein zeitgenössisches Porträt – möglicherweise sogar um ein Künstlerporträt – handle. Sie betonen zudem die Verbreitung solcher Bildnisse, insbesondere zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Unter Bezugnahme auf den Forschungsstand verweisen sie weiterführend auf die Selbstporträtthesen zu zwei Figuren in der Wiener Tafel zum Schicksal der Gebeine des hl. Johannes.5

Van der Kuijl (2019), der auf Thesen zur mutmaßlichen Selbstdarstellungen des Malers sowohl im Gruppenbildnis in der Wiener Tafel zu den Irdischen Überresten des hl. Johannes als auch in der Figur des Hl. Johannes in der Wildnis hinweist und diese relativiert,6 äußert sich hingegen vorsichtig positiv zur Möglichkeit eines Selbstbildnisses in der vorliegenden Anbetung der Könige: Der auffällige, aus dem Bild lächelnde Mann im Gefolge der Könige sei eindeutig ein Porträt, möglicherweise ein Selbstporträt.7

Verweise

  1. Kotková 1999, 70.↩︎

  2. Šip 1963, 36.↩︎

  3. Kemperdick/Sander 2007, 41, 58 (Anm. 52). Dabei spielen die Autoren auf eine These an, die in Sander 1999 dargelegt ist.↩︎

  4. Leeflang/Faries 2008, 106.↩︎

  5. Ebd., 109 (Anm. 6).↩︎

  6. Van der Kuijl 2019, bes. 217. Zum Gemälde des Hl. Johannes vgl. den Einleitungstext zum Maler.↩︎

  7. Ebd., 253f.↩︎

Bildnis 2

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:zentral im Bildvordergrund
Ausführung Körper:Ganzfigur kniend
Ausführung Kopf:annähernd im Profil
Ikonografischer Kontext:zweiter Magier in der Anbetung der Könige
Blick/Mimik:Blick nach links zum Kind
Gesten:zum Herz erhobene rechte Hand; linke Hand hält einen Gabenpokal
Körperhaltung:mit aufrechtem Oberkörper und erhobenem Kopf kniend
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:Figur im Zentrum im Vordergrund; nicht überschnitten
Attribute:Gabenpokal
Zugeordnete Bildprotagonisten:Maria mit Kind; die beiden anderen Könige

Forschungsergebnis: Sint Jans, Geertgen tot

Künstler des Bildnisses:Sint Jans, Geertgen tot
Status:Einzelmeinung
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Salomon 2009 Salomon 2009 – Geertgen tot Sint Jans 55–61 -

Salomon (2009) entwickelt eine These zur häufig im Oeuvre von Geertgen tot Sint Jans auftretenden bärtigen Figur, die sie als eine wiederkehrende Selbstdarstellung interpretiert und in einen biografischen Zusammenhang mit dem Maler stellt. Sie deutet diese Figur als Symbol persönlicher Demut und Unterwerfung.1 Entsprechend charakterstarke Selbstbildnisse identifiziert Salomon auch in den Königsanbetungen von Geertgen in Amsterdam, Cleveland und Prag – Rollenporträts des Malers in der Gestalt von Magiern. Als Inspiration hierfür nennt Salomon den bärtige König im Monforte-Altar von Hugo van der Goes. Dieser und die Weisen bei Geertgen rufen starke Assoziationen hervor: Wie Salomon darlegt, symbolisieren die Bärte sowohl das biblischen Judentum als auch den christlichen Osten. Unter Einbeziehung theologischer Quellen führt die Autorin weiter aus, dass die Darstellungen der Könige bei tot Sint Jans, anders als in vergleichbaren Beispielen, nicht auf die Zurschaustellung von Luxus oder Macht fokussieren. Stattdessen beziehe sich der Maler mit seinen Selbstbildnissen auf die selbstauferlegte Unterordnung, die die Weisen durch ihr Bittgebet an Christus zum Ausdruck brachten. Diese Haltung sei mit Geertgens Lebensstil in Armut und Gehorsam im Konvent sowie mit den Lehren der Devotio moderna vereinbar. Nach Salomon spiegeln Geertgen tot Sint Jans‘ Selbstbildnisse die spirituellen Vorgaben seiner Zeit wider: Novizen sollten sich nicht erhöhen, sondern sich selbst erniedrigen.2

Verweise

  1. Salomon 2009, 55–61, zu einer Zusammenschau dieser Gemälde und den bärtigen Figuren darin, sowie zu den interpretatorischen Grundzügen von Salomon vgl. den Einleitungstext zum Maler.↩︎

  2. Ebd., 58–60.↩︎

Einer im Gefolge der Könige – der Maler?

Für die Prager Epiphanie1 von Geertgen tot Sint Jans wurden zwei Bildnisse als mögliche Selbstdarstellungen diskutiert, darunter der zweite der Könige, den Salomon als Teil einer Reihe von bärtigen Charakterfiguren im Oeuvre des Malers interpretiert – eine These, die in den Beiträgen zu Geertgen wiederholt erörtert wird.2 Obwohl Salomons Überlegungen, die auf biografischen Argumenten basieren, überzeugende Ansätze bieten, kann keines der von ihr vorgeschlagenes Bildnisse, einschließlich des hier thematisierten Magiers, als Selbstporträt bestätigt werden.

Ähnlich verhält es sich mit der Figur am rechten Bildrand, für die ebenfalls überzeugende Argumente vorliegen. In diesem Fall erscheint es jedoch verlockender, die Assistenzfigur als mögliche Selbstdarstellung zu betrachten, da diese – im Gegensatz zum König – nicht ikonografisch aufgeladen ist und zudem viele typische Merkmale eines integrierten Selbstbildnisses aufweist: Der Blick aus dem Bild, die zurückgenommene Position im Hintergrund, die nur partielle Sichtbarkeit sowie die Randposition. Besonders im Vergleich mit Hugo van der Goes werden diese Merkmale stichhaltig,3 da sich im Monforte-Altar eine mögliche Selbstdarstellung an vergleichbarer Stelle befindet.

Ein ähnliches Phänomen wurde bereits im Zusammenhang mit Geertgens Schicksal der irdischen Überreste Johannes des Täufers diskutiert. Auch in dieser Tafel befindet sich ein als mögliches Selbstporträt vorgeschlagenes Bildnis, das Parallelen zu jenem bei van der Goes aufweist. Sowohl dort als auch hier ist zudem eine Figur mit jüdischer Prägung in unmittelbarer Nähe des Bildnisses zu erkennen, die möglicherweise auf den schöpferischen Akt des Malens verweist.4 Anders als in der Wiener Tafel befindet sich der jüdische Mann hier in unmittelbarer körperlicher Nähe zum Bildnis – er überschneidet die Figur und steht somit in direkterem Kontakt. Dieses Motiv wurde bereits im Zusammenhang mit anderen Bildnissen beobachtet, die als mögliche Selbstbildnisse diskutiert werden, etwa im Gemälde Perle von Brabant, einer Epiphanie ungewisser Zuschreibung, die dem Kreis von Dieric Bouts zugeordnet wird, oder im Columba-Altar von Rogier van der Weyden. In beiden Fällen handelt es sich um Anbetungsszenen, bei denen die Indizienlage zumindest eine entfernte Möglichkeit nahelegt, dass die thematisierten Figuren Selbstbildnisse darstellen. Eine Bestätigung hierfür fehlt jedoch – ebenso wie im Fall von Geertgen tot Sint Jans.

Dennoch erweist sich die These zur Figur in der Prager Anbetung ebenso reizvoll wie jene zur Wiener Tafel mit den irdischen Überresten des hl. Johannes. Allerdings verhindern fehlende physiognomische Übereinstimmungen eine gegenseitige Verifizierung, womit die Bildnisse letztlich unbestimmt bleiben.

Verweise

  1. Aus der Literatur zur Prager Anbetung der Könige vgl. u. a. Châtelet 1980, 218f; Kesner 1965, 49f; Kotková 1999, 70f; Leeflang/Faries 2008, 106–109; Šip 1963; van der Kuijl 2019, 251–255. Zu Epiphanien von Geertgen tot Sint Jans und in seinem Umkreis übergreifend vgl. Reinhard-Felice 2007.↩︎

  2. Salomon 2009, 55–61. Vgl. weiterführend den Einführungstext zum Maler sowie besonders die Katalogeinträge zum ehemaligen Johanniteraltar.↩︎

  3. Vgl. die Ausführungen von Kemperdick/Sander 2007, 41, 58 (Anm. 52) im Forschungsstand zur Figur. Zur These, van der Goes habe an anderer Stelle im Monforte-Altar, nämlich im zentralen Mittelgrund des Retabels ein Selbstbildnis geschaffen, das eine Vielzahl von Malern motiviert haben soll, ihr eigenes Bildnis an gleicher Stelle einzubringen, vgl. Sander 1999. Zu Gemälden, die Sander in diesen Zusammenhang stellt, vgl. u. a. di e Einträge in der vorliegenden Datenbank zur Epiphanie in Antwerpen und in Wien des Meisters von Frankfurt oder auch einer Anbetung der Könige aus dem Umkreis von Geertgen tot Sint Jans. Zur Vorbildhaftigkeit des Monforte-Altars für Königsanbetungen am Ende des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts allgemein vgl. u. a. Dhanens 1998, 215; Goldschmidt 1915, bes. 227f, 230.↩︎

  4. Vgl. weiterführend die Ausführungen zum jüdischen Mann im Beitrag zum Schicksal der irdischen Überreste Johannes des Täufers.↩︎

Literatur

Châtelet, Albert: Early Dutch Painting. Painting in the Northern Netherlands in the Fifteenth Century, Freiburg 1980.
Dhanens, Elisabeth: Hugo van der Goes, Antwerpen 1998.
Goldschmidt, Adolph: Der Monforte-Altar des Hugo van der Goes, in: Zeitschrift für bildende Kunst. Kunstchronik, 50. Jg. 1915, 221–230.
Kemperdick, Stephan/Sander, Jochen: Die Winterthurer Anbetung der Heiligen Drei Könige und Geertgen tot Sint Jans, in: Reinhard-Felice, Mariantonia (Hg.): Venite, adoremus. Geertgen tot Sint Jans und die Anbetung der Könige (Ausstellungskatalog, Winterthur, 22.9.2007–27.1.2008), München 2007, 23–60.
Kesner, Ladislav: The National Gallery in Prague, Prag 1965.
Kotková, Olga: Netherlandish Painting 1480–1600. The National Gallery in Prague (Illustrated Summary Catalogue, 1), Prag 1999.
Leeflang, Micha/Faries, Molly: Geertgen tot Sint Jans. De aanbidding van de koningen. De verkondiging, in: Lammertse, Friso/Giltaij, Jeroen (Hg.): Vroege Hollanders. Schilderkunst van de late Middeleeuwen (Ausstellungskatalog, Rotterdam, 16.2.–25.5.2008), Rotterdam 2008, 106–109.
Reinhard-Felice, Mariantonia (Hg.): Venite, adoremus. Geertgen tot Sint Jans und die Anbetung der Könige (Ausstellungskatalog Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“, Winterthur, 22.9.2007–27.1.2008), München 2007.
Salomon, Nanette: Geertgen tot Sint Jans and the Paradigmatic Personal; or the Moment Before the Moment of Self-Portraiture, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek, 59. Jg. 2009, 44–69.
Sander, Jochen: An Hugos Statt – Das Künstlerselbstbildnis in den Kopien und Varianten nach dem Monforte-Altar des Hugo van der Goes als Ausdruck künstlerischen Selbstbewußtseins, in: Kruse, Christiane/Thürlemann, Felix (Hg.): Porträt – Landschaft – Interieur. Jan van Eycks Rolin-Madonna im ästhetischen Kontext (Literatur und Anthropologie, 4; Tagungsband, Konstanz, 1998), Tübingen 1999, 237–254.
van der Kuijl, Aart: Geertgen tot Sint Jans. Het mirakel van Haarlem, Haarlem 2019.
Šip, Jaromir: Geertgen tot Sint Jans. Die Anbetung der Heiligen Drei Könige, Prag 1963.

Zitiervorschlag: