Die Sintflut und der Rückgang der Wasser
Uccello, Paolo
Italien; Florenz; Santa Maria Novella
Inhaltsverzeichnis
Objekt
Bildrechte
| Detailtitel: | Die Sintflut und der Rückgang der Wasser (Teil von: Szenen aus dem Leben Noahs) |
| Alternativtitel Deutsch: | Szenen aus dem Leben Noahs; Die Flut und das Absinken der Wasser |
| Titel in Originalsprache: | Storie di Noè; Il Diluvio e la recessione delle acque |
| Titel in Englisch: | Scenes from the Life of Noah; Deluge, Waters Subsiding and Noah Stories; Flood and Retreat of Waters; Flood and Waters Subsiding |
| Datierung: | um 1447 |
| Ursprungsregion: | italienischer Raum |
| Lokalisierung: | Italien; Florenz; Santa Maria Novella |
| Lokalisierung (Detail): | Chiostro Verde; Lünette der vierten Arkade der Westwand |
| Medium: | Wandbild |
| Material: | Fresko |
| Bildträger: | Wand; Holz |
| Ikonografische Bezeichnung: | Aussendung und Rückkehr bzw. Ausbleiben von Rabe und Taube(n) |
| Iconclass: | 71B33221 – the dove returns with an olive-branch ~ story of Noah |
| Signatur Wortlaut: | ohne |
| Datierung Wortlaut: | ohne |
| Auftraggeber/Stifter: | unbekannt |
| Provenienz: | in situ |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | öffentlich |
Bildnis 1
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | Figur am rechten oberen Bogenfeld; aus der Arche blickend |
| Ausführung Körper: | Halbfigur |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | Figur in der Gestalt des Noah |
| Blick/Mimik: | Blick in Richtung der herbeifliegenden Taube bzw. Bildmitte |
| Gesten: | rechte Hand der Taube entgegengestreckt, die linke aufgestützt |
| Körperhaltung: | leicht nach vorn gebeugt |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | Figur schafft eine Verbindung vom Innenraum der Arche nach außen; sie schließt eine kompositorische Diagonale ab, die von links unten durch zwei parallel angeordnete Armpaare angelegt wird und über die rechte Figurengruppe nach rechts oben führt |
| Attribute: | herbeifliegende Taube mit Ölzweig |
| Kleidung: | ohne Auffälligkeiten; Kopfbedeckung und mantelartiges Obergewand |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | eine schwer erkennbare Figur dahinter von Meller vorgeschlagen als Frau des Künstlers vorgeschlagen; stehende Figur links unter ihr von Ames-Lewis und Eisler vorgeschlagen als Leon Battista Alberti; als Papst Eugen IV. vorgeschlagen von Wakayama und Marino; als Cosimo de’ Medici vorgeschlagen von Gebhardt |
Forschungsergebnis: Uccello, Paolo
| Künstler des Bildnisses: | Uccello, Paolo |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Patriarch Josef II. |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Meller | 1961 | Wakayama 1982 – Per la datazione delle storie | o. S. | - |
| Bejahend | Prinz | 1972 | Prinz 1966 – Vasaris Sammlung von Künstlerbildnissen | 72 | - |
| Bejahend | Joost-Gaugier | 1974 | Joost-Gaugier 1974 – Uccello's Uccello | 233f | - |
| Skeptisch/verneinend | Wakayama | 1982 | Wakayama 1982 – Per la datazione delle storie | 99 | - |
| Skeptisch/verneinend | Marino | 1992 | Marino 1992 – Il Diluvio di Paolo Uccello | 45f | - |
| Bejahend | Birnfeld | 2008 | Birnfeld 2009 – Der Künstler und seine Frau | 57 (Anm. 166) | - |
1961 vermutet Meller in der Figur des aus der Arche blickenden bärtigen Mannes ein Selbstporträt des Künstlers. Er argumentiert mit Ähnlichkeiten zum vermuteten Porträt Uccellos auf der Louvre-Tafel.1
1972 übernimmt Prinz die Identifizierung Mellers und sieht in der Figur des Noah ein Selbstporträt. Er schließt von der Vermutung Mellers ausgehend auf die Authentizität des Bildnisses im Louvre und von diesem ausgehend wiederum auf jene des Vitenbildnisses in der Vasari-Ausgabe.2
1974 geht Joost-Gaugier wie Meller von einer Ähnlichkeit des Bärtigen auf der Louvre-Tafel und der Figur des Noah aus der Sintflut aus. Sie analysiert die Ähnlichkeiten beginnend beim weißen Haar über die gegabelte Form des Bartes bis hin zur rechteckigen Kopfform, den dunklen, ausdrucksstarken Augen und dem schmallippigen Mund.3 Ein weiteres Argument liefert der Autorin die Taube, die sich auf die ausgestreckte Hand Noahs niederlassen will. Sie entspringe der Neigung des Künstlers zu Vögeln und sei als Hinweis auf Uccellos Identifikation mit Vögeln zu verstehen, die sich auch in der Wahl seines Nachnamens zeige: „Finally, Uccello’s identification with birds is clearly expressed in the documented fact that the artist appears to have changed his name from Paolo Doni to Uccello, or ‚bird‘“.4
Wakayama widerspricht 1982 einer Identifizierung als Selbstbildnis anhand mehrerer Gegenargumente: Sie entkräftet das Ähnlichkeitsargument mit der unterschiedlichen Bartform der Figuren, deren Gabelbärte spitz beziehungsweise stumpf auslaufen. Auch entspreche das Alter des Dargestellten nicht dem des Künstlers. Die Authentizität des Porträts auf der Louvre-Tafel sei an sich schon zweifelhaft. Schließlich erlaube die soziale Stellung eines Künstlers keine Selbstdarstellung in Gestalt eines biblischen Protagonisten: „Pur essendo elevata la posizione sociale dei pittori, essi non potevano dipingere con le proprie sembianze i protagonisti delle storie bibliche.“5
Marino (1992) interpretiert die Figur als den Patriarchen Josef II.6
Birnfeld übernimmt 2009 die Zuweisungen von Prinz bzw. Meller. Sie vermutet weitere Selbstbildnisse des Künstlers mit seiner Frau auf Wandmalereien Uccellos, betont dabei aber den spekulativen Charakter solcher Identifikationen.7
Ein Vogel macht noch keinen Uccello
Die künstlerische Ausstattung der Kirche Santa Maria Novella und des anschließenden Kreuzganges gehört zu den bedeutendsten Projekten der Florentiner Renaissance-Malerei. Nach dem Willen des Stifters, vielleicht eines gelehrten Klerikers, wurde der Kreuzgang mit Szenen aus dem Alten Testament ausgeschmückt.1 Die Ausführung erfolgte in Terra-Verde-Malerei, was zur Bezeichnung „Chiostro Verde“ führen sollte. Uccello malte in zwei Phasen am Kreuzgang mit: 1424 bis 1425 schuf der die Szenen aus der Genesis und von 1447 die Szenen aus dem Leben Noahs.2 Unter diesen fand besonders die Darstellung der Sintflut und der Rückgang der Wasser große Anerkennung, vor allem bei Vasari, der in seinen Viten die Dramatik der Szene nahezu hymnisch lobt.3 Das Bildfeld der Lünette umfasst zwei Szenen, folglich ist die Arche auch zweimal jeweils in kühner perspektivischer Verkürzung dargestellt. Aus der rechten Arche blickt der bärtige Noah aus dem Fenster, um die zurückkehrende Taube mit dem Ölzweig zu empfangen. Er wurde mit dem Künstler selbst identifiziert.
Das Porträt Uccellos auf der Louvre-Tafel zeigt ihn ebenso als älteren Mann mit langem, auffallend gegabelten Vollbart wie auch das Viten-Bildnis bei Vasari – hier hat der Bart jedoch keine auffällige Gabelung. Trotz der nicht gesicherten Authentizität des Bildnisses auf der Louvre-Tafel veranlasste der markante Bart zunächst Meller, dann auch andere AutorInnen wie Joost-Gaugier, in der Figur des Noah ein Selbstporträt des Künstlers zu erkennen. Joost-Gaugier unterstützt ihre These noch mit dem Bezug der Taube zum Namen Uccello in seiner Bedeutung von „Vogel“ und nimmt dies wiederum als Beweis für die Authentizität des Porträts auf der Louvre-Tafel: „At the same time the Noah hypothesis lends a reasonable degree of certainty to the identification of this portrait [i. e. auf der Louvre-Tafel] as Uccello’s own.“4 Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass sich Uccello aus einem Hang zu Vögeln oder wegen eines Wortwitzes als biblischer Patriarch dargestellt hat. Ein Vogel in Anspielung auf den Namen des Künstlers als Indiz für ein Porträt Uccellos kann indes auch zu ganz anderen Ergebnissen führen und ist für sich allein kein Argument. Der Falkenträger der Assunta-Kapelle in Prato, der ebenfalls Uccello darstellen soll, zeigt einen Mann mittleren Alters mit kurzem dunklem Vollbart.
Zudem sind die Ähnlichkeiten zwischen Noah und dem Louvre-Bildnis nicht so frappant, wie es zunächst den Anschein hat.5 Somit wäre das Porträt auf der Louvre-Tafel auch kein Argument für ein Selbstporträt, selbst wenn es authentisch wäre. Überdies wird Noah als Patriarch biblischen Alters dargestellt, was sich nur sehr bedingt auf den ungefähr fünfzig Jahre alten Uccello übertragen lässt. Schließlich finden sich auch kaum Vergleichsbeispiele in dieser Zeit, bei welchen sich Künstler in der Rolle von alttestamentarischen Figuren porträtieren. Eine Identifizierung aus dem ikonografischen Kontext ist folglich äußerst schwierig. Es stellt sich die Frage, warum Uccello gerade in die Rolle des Noah schlüpfen sollte. Ein Konnex zwischen der schöpferischen Tätigkeit des Erbauers der Arche mit der des Malers kann nur mit größter Mühe hergestellt werden und bleibt mangels Quellen und Vergleichsbeispielen reine Spekulation. Wenn man der Figur des Noah unbedingt Porträtcharakter attestieren will, ist eventuell eine Interpretation vor dem historischen Hintergrund des Konzils von Florenz zielführender. In diesem Zusammenhang könnte man die beiden auffallenden Figuren des Noah und der vor ihm stehenden Figur als Protagonisten des Konzils deuten, als Patriarch Josef II. von Konstantinopel und Papst Eugen IV.6
Verweise
Borsi/Borsi 1993, 182. Franco und Stefano Borsi vermuten den Kamaldulenser Traversari als Auftraggeber, der in Patristik besonders bewandert war.↩︎
Ebd., 106–108.↩︎
Vasari/Lorini/Gründler 2012, 27.↩︎
Joost-Gaugier 1974, 236.↩︎
Auf die Unterschiede macht Wakayama in ihrer detaillierten Analyse aufmerksam, Wakayama 1982, 99.↩︎
Ebd., 99, 103f. Der Zusammenhang mit den Ereignissen um das Konzil von Florenz wird noch detailliert ausgearbeitet von Marino 1992, 36–87.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Rupfle, Harald: Die Sintflut und der Rückgang der Wasser (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/uccello-paolo-die-sintflut-und-der-ruckgang-der-wasser-um-1447-florenz-santa-maria-novella/ (05.12.2025).