Tempelgang Mariens

Uccello, Paolo

1435 bis 1436

Italien; Prato; Duomo

Objekt

Bildrechte
Detailtitel:Tempelgang Mariens (Teil von: Marienzyklus)
Alternativtitel Deutsch:Mariä Tempelgang; Darbringung der Jungfrau im Tempel; Darstellung der Jungfrau im Tempel
Titel in Originalsprache:Andata della Vergine al Tempio; Presentazione della Vergine al Tempio
Titel in Englisch:The Representation of the Virgin in the Temple
Datierung: 1435 bis 1436
Ursprungsregion:italienischer Raum
Lokalisierung:Italien; Prato; Duomo
Lokalisierung (Detail):Cappella dell’Assunta; rechte Seitenwand; mittleres Feld
Medium:Wandbild
Material:Fresko
Bildträger:Wand; Masonit; Leinwand
Ikonografische Bezeichnung:Tempelgang Mariens (Teil von: Marienleben)
Iconclass:73A34 – dedication (or presentation) of Mary in the temple: she ascends the steps and is received by the high priest
Signatur Wortlaut:ohne
Datierung Wortlaut:ohne
Auftraggeber/Stifter:Michele di Giovannino Marcovaldi (Wollfabrikant)
Provenienz:in situ
Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt:öffentlich

Das Fresko wurde auf Masonit bzw. Leinwand übertragen und wieder an seinem ursprünglichen Standort angebracht.1 Der Auftraggeber ist nicht dokumentiert,2 wird aber als Michele di Giovannino Marcovaldi angenommen.3

Verweise

  1. Borsi/Borsi 1993, 298.↩︎

  2. Ebd.↩︎

  3. Minardi 2017, 80; Padoa Rizzo 1997, 35.↩︎

Bildnis 1

Bildrechte
Lokalisierung im Objekt:erste Figur von rechts
Ausführung Körper:Ganzfigur
Ausführung Kopf:Dreiviertelporträt
Ikonografischer Kontext:Assistenzfigur der Szene des Tempelgangs
Blick/Mimik:Blick aus dem Bildraum
Gesten:Hände nicht sichtbar
Körperhaltung:stehend nach links gewandt, Kopf nach außen gedreht, sodass er fast frontal zum Betrachter ausgerichtet ist
Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal:Figur befindet sich im hinteren Bereich der Bildbühne am äußersten rechten Bildrand, von dem sie überschnitten wird; sie wird stark von der vor ihr stehenden Figur überschnitten, sodass nur ihr Kopf und ein Fuß gut erkennbar sind; sie ist die einzige Figur, deren Blick nicht auf das Heilsgeschehen gerichtet ist
Kleidung:zeitgenössische Kleidung, eine lange dunkle Robe und eine rote Kopfbedeckung
Zugeordnete Bildprotagonisten:bildet mit der vor ihr stehenden Figur und der davor knienden Figur links eine Dreiergruppe; die stehende Figur wird von Padoa Rizzi vorgeschlagen als Pietro, Sohn des Michele di Giovannino, die kniende Figur als einer seiner Enkel; kompositorisch bildet findet diese Gruppe ihr Gegenstück in der Dreiergruppe am linken Bildrand bestehend aus der hl. Anna, dem hl. Joachim und einer weiblichen Figur; diese ist wie die herausblickende Figur am rechten Bildrand stark beschnitten und annähernd in Frontalansicht dargestellt

Zur Identifizierung der zugeordneten Protagonisten aus der Familie Michele di Giovannino.1

Verweise

  1. Padoa Rizzo 1997, 44.↩︎

Forschungsergebnis: Uccello, Paolo

Künstler des Bildnisses:Uccello, Paolo
Status:weitgehend anerkannt
Andere Identifikationsvorschläge:Michele di Giovannino
Typ Autor/in Jahr Referenz Seite Anmerkungen
Erstzuschreibung Marchini 1969 Marchini (Hg.) 1969 – Due secoli di pittura murale 104 -
Bejahend Borsi 1993 Borsi, Borsi 1993 – Paolo Uccello Florenz 301 -
Skeptisch/verneinend Padoa Rizzi 1997 Padoa Rizzo 1997 – La Cappella dell'Assunta nel Duomo 144 -
Bejahend Hudson 2008 Hudson 2008 – Paolo Uccello 86 -
Bejahend Rossi 2012 Rossi 2012 – I pittori fiorentini del Quattrocento 179 -
Bejahend Certelli 2014 Cerretelli 2014 – Tra Paolo Uccello e Alndrea 303 -
Bejahend Minardi 2017 Minardi 2017 – Paolo Uccello 110 -

1969 wird die Figur des aus dem Bild blickenden Mannes am rechten Bildrand zum ersten Mal von Marchini als Selbstbildnis des Künstlers identifiziert. Einen Hinweis dazu liefert ihm die Tatsache, dass nur die minutiöse Ausführung des Gesichtes allein das ganze letzte Tagwerk der Malerei in Anspruch genommen hat: „il cui volto (=la figura all’estremità destra) accuratamente descritto costituisce da solo l’ultima ‚giornata‘ della scena“.1

Borsi erkennt 1993 in der Figur am Rand ebenfalls eine Selbstdarstellung des Künstlers. Er weist ihm die Rolle des festaiuolo, des Zeremonienmeisters zu, der unsere Aufmerksamkeit auf die Handlung lenkt. Dieses Motiv entspricht einer Forderung Albertis, der auf Bildern gerne eine Person sieht, die das Geschehen deutet.2

1997 identifiziert Padoa Rizzi die Figurengruppe am rechten Bildrand als Stifterfamilie. In der Figur des herausblickenden Mannes erkennt sie den Stifter selbst, Michele di Giovannino: „Ritengo infatti che nella parte di affreschi eseguiti da Paolo Uccello sia identificabile un primo ritratto del committente […] nel personaggio in lunga veste scura, cappellone e calzari rossi che si volge con espressione patetica verso lo spettatore nella storia della Presentazione di Maria al Tempio.“3 Die stehende Figur daneben identifiziert sie mit seinem Sohn Piero, die kniende Gestalt davor mit einem seiner Enkel.4

2008 erwähnt Hudson die Identifizierung als Selbstporträt des Künstlers von Marchini mit Vorbehalt. Er erkennt in der Art der Darstellung eine gewisse Selbstironie, „a self-deprecating representation if the identification is correct“. Zudem erwähnt er auch irrtümlich die Identifizierung der Figur durch Padoa Rizzi als den Sohn des Stifters, sie meint aber den Stifter selbst, Michele di Giovannino. Der Autor legt sich schließlich auf keine der beiden Zuweisungen fest.5

2012 identifiziert Rossi die Figur mit dem roten Berretto als sicheres Selbstporträt des Künstlers: „[N]ella Presentazione della Vergine al tempio c’è invece da segnalare un sicuro autoritratto di Paolo finora mai rilevato dalla critica“.6 Er geht irrtümlich von einer Erstidentifizierung aus, ohne diese argumentativ zu untermauern. Zwar erwähnt er den Blick der Figur aus dem Bild, führt ihn allerdings nicht als Indiz für ein Selbstporträt an.

2014 erwähnt Cerretelli die Identifizierung Marchinis als Selbstporträt. Er übernimmt dessen Argumentation, die vor allem auf der akkuraten Ausführung des Porträts beruht. Des Weiteren analysiert er den Blick der Figur, der auf einen fiktiven Betrachter im Chorraum vor der Kapelle gerichtet ist, und ihm ein weiteres Indiz für ein Selbstporträt liefert.7

Minardi vermutet 2017 ebenfalls in der Figur, die aus dem Bild blickt, ein Selbstbildnis des ungefähr 37 Jahre alten Künstlers: „un probabile autoritratto di Paolo, all'epoca più o meno trentasettenne“.8

Verweise

  1. Marchini 1969, 104.↩︎

  2. Borsi/Borsi 1993, 301.↩︎

  3. Padoa Rizzo 1997, 44.↩︎

  4. Ebd.↩︎

  5. Hudson 2008.↩︎

  6. Rossi 2012, 179.↩︎

  7. Cerretelli 2014, 303.↩︎

  8. Minardi 2017, 110.↩︎

Der Künstler als Eyecatcher

Die Kapelle der Assunta in Prado wurde in den Jahren 1434–1436 von den Künstlern Andrea di Giusti und Paolo Uccello freskiert, wobei die Entstehungsgeschichte und Zuschreibungen Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen waren, die immer noch nicht abgeschlossen sind. Die linke Seitenwand umfasst Szenen aus dem Leben des hl. Stephanus, die rechte zeigt einen Marienzyklus mit der Geburt der Jungfrau in der Lünette, dem Tempelgang Mariens im mittleren Feld und die Vermählung Mariens im unteren Bildfeld. Aus der Hand Paolo Uccellos stammen die Lünettenbilder (Der Disput des hl. Stephanus und Die Geburt der Jungfrau), die Szenen der mittleren Zone (Die Steinigung des hl. Stephanus und Der Tempelgang Mariens), sowie Heiligendarstellungen. Die anderen Malereien werden Andrea di Giusti zugeschrieben.1

Von den Assistenzfiguren beim Tempelgang Mariens fällt die Dreiergruppe rechts vorne besonders ins Auge. Diese drei Personen sind im Gegensatz zu den anderen der Szene nach zeitgenössischer Mode gekleidet. Durch die Geländer der Treppe und des Sockels sind sie vom Geschehen auf der Treppe und somit vom Heilsgeschehen abgetrennt, welches sich vor ihnen wie auf einer erhöhten Bühne abspielt. Dass es sich bei diesen Figuren um konkrete Zeitgenossen handelt, wurde schon früh vermutet. Es ist plausibel, dass es sich um Mitglieder der Stifterfamilie handeln könnte.2

Der stehenden Figur am rechten Bildrand fällt dabei im Bildkontext eine besondere Rolle zu, was zu Spekulationen über ihre Identität geführt hat. Durch ihre Position am äußersten Rand schließt sie das Geschehen nach rechts ab. Ihr Gesicht befindet sich in einer Linie mit dem Geländer der Tempelbalustrade, welche die obere von der unteren Bildhälfte teilt, und erhält somit eine Vermittlerposition. Sie schließt die Dreiergruppe, die sich auf der vorderen rechten Bildbühne befindet, auch nach hinten ab. Von der stark überschnittenen Figur ist fast nur das ausdrucksstarke Gesicht sichtbar, welches durch die leuchtend rote Kopfbedeckung und das schwarze Obergewand hervorgehoben wird. Diese Position am Rande des Geschehens weist der Figur die Rolle des festaiolos zu, des Zeremonienmeisters einer Festlichkeit.

Während alle Personen des Gemäldes ihre Aufmerksamkeit ausnahmslos auf die Gestalt der Jungfrau Maria auf der Treppe richten, wendet sich die Figur nach außen in Richtung BetrachterInnenraum. Ihr Blick ist auf einen fiktiven Punkt im Chor der Kapelle gerichtet. Der Blick aus dem Gemälde kann an sich schon als Indiz für ein Selbstbildnis dienen. Durch die Drehbewegung und den forschenden Blick kommt noch ein dynamisierendes Element hinzu, welches den Eindruck erweckt, die Person suche nach jemandem im Kirchenraum, vielleicht um deren Blick zu erhaschen. Eine beabsichtigte Interaktion mit einer BetrachterIn kann darin vermutet werden.

Die Ausführung des Gesichtes nahm ein ganzes Tagwerk in Anspruch, woraus man auf die besondere Bedeutung der dargestellten Person schließen kann. Dass es sich um den Stifter handelt, ist nicht sehr plausibel. Die übliche Ikonografie zeigt einen Stifter zumeist in kniender Position. Somit handelt es sich bei der gut sichtbaren knienden Figur links davor viel eher um den Auftraggeber der Malereien als bei der stehenden, verdeckten Figur am Rand. Auch die auffallende Pracht des pelzverbrämten Unterkleides aus Brokat und des in üppigen Falten fallenden dunklen Übermantels sowie nicht zuletzt die Tatsache, dass der kniende Mann sich auf direkter Augenhöhe mit der die Treppe hinaufschreitenden Jungfrau Maria befindet, deuten auf eine Stifterfigur hin. Es liegt daher für den Herausblickenden eine Identifizierung mit dem Künstler sehr nahe, zumal er häufig in der Nähe des Stifters auf den Gemälden der Zeit in Erscheinung tritt, wie etwa Gentile da Fabriano auf seiner Anbetung der Könige. Der Blick aus dem Gemälde, die Position am Rande des Geschehens, die Nähe zur Stifterfigur, nicht zuletzt auch die rote Kopfbedeckung der Figur liefern eine Reihe an plausiblen Argumenten, in dieser Figur Paolo Uccello zu sehen. Die Dynamisierung des Blickes nach außen verleiht der Darstellung noch einen besonderen Reiz und macht aus der auffallenden Figur nicht nur einen Blickfang, sondern einen regelrechten Blick-Fänger.

Verweise

  1. Borsi/Borsi 1993, 298f.↩︎

  2. Padoa Rizzo 1997, 44.↩︎

Literatur

Borsi, Franco/Borsi, Stefano: Paolo Uccello Florenz. Florenz zwischen Gotik und Renaissance, Stuttgart u. a. 1993.
Cerretelli, Claudio: Tra Paolo Uccello e Alndrea di Giusto: sinopie e architetture dipinte per la cappella dell'Assunta, in: Benassai, Paolo/Ciatti, Marco/Marchi, Andrea de/Gnoni Mavarelli, Cristina/Lapi Ballerini, Isabella (Hg.): Officina pratese. Tecnica, stile, storia (Tagungsband, Prato, 06.–07.12.2013), Florenz 2014, 275–308.
Hudson, Hugh: Paolo Uccello. Artist of the Florentine Renaissance Republic, Saarbrücken 2008.
Marchini, Giuseppe (Hg.): Due secoli di pittura murale a Prato. Mostra di affreschi, sinopie e graffiti dei secoli XIV e XV (Ausstellungskatalog Palazzo Pretorio, Prato, 1.9.–30.11.1969), Prato 1969.
Minardi, Mauro: Paolo Uccello, Mailand 2017.
Padoa Rizzo, Anna: La Cappella dell'Assunta nel Duomo di Prato, Prato 1997.
Rossi, Sergio: I pittori fiorentini del Quattrocento e le loro botteghe. Da Lorenzo Monaco a Paolo Uccello, Todi 2012.

Zitiervorschlag:

Rupfle, Harald: Tempelgang Mariens (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/uccello-paolo-tempelgang-mariens-1435-bis-1436-prato-duomo/ (05.12.2025).