Anbetung der Könige (Columba-Altar)
Weyden, Rogier van der
Deutschland; München; Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek
Inhaltsverzeichnis
Objekt
Bildrechte
| Detailtitel: | Anbetung der Könige (Mitteltafel von: Columba-Altar) |
| Alternativtitel Deutsch: | Dreikönigsaltar |
| Titel in Originalsprache: | Aanbidding van de koningen |
| Titel in Englisch: | Adoration of the Kings; Columba-Altarpiece |
| Datierung: | um 1450 bis 1456 |
| Ursprungsregion: | altniederländischer Raum |
| Lokalisierung: | Deutschland; München; Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek |
| Lokalisierung (Detail): | Inventarnummer: WAF 1189–1191; Obergeschoß; Saal I; Triptychon mit einer Verkündigung (linke Tafel) und einer Darbringung im Tempel (rechte Tafel) |
| Medium: | Altarbild; Tafelbild |
| Material: | Öl |
| Bildträger: | Holz (Eiche) |
| Maße: | Höhe: 139,5 cm; Breite: 152,9 cm |
| Maße Anmerkungen: | Mitteltafel: 139,5 x 152,9 cm; rechter Flügel: 139,4 x 72,9 cm; linker Flügel: 139,2 x 72,5 cm |
| Ikonografische Bezeichnung: | Geburt Christi; Drei Könige (Anbetung und Zyklus der Magier) |
| Iconclass: | 73B57 – adoration of the kings: the Wise Men present their gifts to the Christ-child (gold, frankincense and myrrh) |
| Signatur Wortlaut: | ohne |
| Datierung Wortlaut: | ohne |
| Inschriften/Signatur/Datierung weitere Ausführungen: | unleserliche Zeichen in lateinischen und griechischen Buchstaben auf dem Mantelsaum des zweiten Königs |
| Auftraggeber/Stifter: | ein Kölner Patrizier, vermutlich Johann Dasse (Ratsherr, Köln), vorgeschlagen von Kulenkampff |
| Provenienz: | evtl. ursprünglich für die Marienkapelle (den Marienaltar) von St. Columba in Köln bestimmt (Kapelle erbaut von der Familie Rinck, Altar gestiftet von der Witwe des Kölner Ratsherrn Johan Dasse); 1801 im Inventar der Kirche (in der Taufkapelle, Wasservass-Kapelle) angeführt; vor 1808 von Sulpiz und Melchior Boisserée erworben und als Werk Jan van Eycks eingestuft; 1827 von Ludwig I. von Bayern gekauft; seit 1836 im Bestand der Alten Pinakothek, München; 1841 von Passavant van der Weyden zugeschrieben |
| Zugänglichkeit zum Entstehungszeitpunkt: | unbekannt |
Bis zur Publikation von Markham-Schulz, der den Altar in die Zeit von 1450 bis 1455 datiert, war er als Spätwerk des Malers angesehen worden. Die Unsicherheit der Datierung resultiert vorrangig aus Unklarheiten der Bestimmung. Geht man von Goddert van dem Wasservass als Stifter aus, so steht der Altar in Bezug zu seiner Kapelle, die erst nach 1456 errichtet worden sein kann.1 Die Angaben zum Stifter (vermutlich Johann Dasse2) variieren.3
Zu den unleserlichen Zeichen Buchstaben auf dem Mantelsaum des zweiten Königs und weitere, in Gold gefasste Schriftzüge auf beiden Seitenflügeln: In der Verkündigung vor dem Kopf des Engels Gabriel: AVE GRACIA PLENA DOMINVS TECVM; in der Darbringung neben dem Kopf Jesu: NVNC DIMITTIS / SERVVM TVVM / DOMINE SECVNDVM / VERBVM TVVM / IN PACE.4
Verweise
Vgl. De Vos 1999, 281; Markham-Schulz 1971. Die Ergebnisse einer dendrochronologischen Untersuchung bestätigen den von Markham-Schulz erörterten Entstehungszeitraum, vgl. De Vos 1999, 281.↩︎
Kulenkampff 1990, bes. 43f. Das zunächst nicht konzipierte Stifterbild wurde später hinzugefügt, vgl. weiterführend De Vos 1999, 282; De Vos 2002, 87; Ridderbos 2005, 38f. Die Angaben zum Stifter variieren. Abweichend zur weitgehend anerkannten Identifizierung des Auftraggebers mit Johann Dasse wurden auch die Herren Johann Rinck (Kaufmann und Bürger, Köln) und Goddert van dem Wasservass (Bürgermeister, Köln) als mögliche Stifter des Altars thematisiert, vgl. u. a. Schaller 2021, 52f.↩︎
Das zunächst nicht konzipierte Stifterbild wurde später hinzugefügt, vgl. weiterführend De Vos 1999, 282; De Vos 2002, 87; Ridderbos 2005, 38f. Die Angaben zum Stifter variieren. Abweichend zur weitgehend anerkannten Identifizierung des Auftraggebers mit Johann Dasse wurden auch die Herren Johann Rinck (Kaufmann und Bürger, Köln) und Goddert van dem Wasservass (Bürgermeister, Köln) als mögliche Stifter des Altars thematisiert, vgl. u. a. Schaller 2021, 52f. Vgl. weiterführend zur Provenienz De Vos 1999, 277, 280.↩︎
De Vos 1999, 277.↩︎
Bildnis 1
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | linke Figur im rundbogigen Stalldurchblick im rechten Mittelgrund |
| Ausführung Körper: | Schulterstück |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | im Gefolge der Hl. Drei Könige |
| Blick/Mimik: | direkter Blick aus dem Bild |
| Gesten: | hinweisende Geste der einen Hand Richtung links; zweite Hand auf dem Oberarm der vorgelagerten Figur aufliegend |
| Körperhaltung: | Körper nicht sichtbar; Kopf leicht nach rechts gedreht |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | am linken Rand einer gedrängt wirkenden Figurengruppe im Durchgang des Stalls, zwischen der sakralen Handlung im Vordergrund und dem Zug der Könige im Hintergrund (an der Spitze des Zuges); vom Mann mit Turban und dem zweiten König weitgehend überschnitten, sichtbar sind die rechte Schulter, ein Teil des rechten Arms, die Finger beider Hände und der Kopf, der trotz seiner Annäherung an den Turbanträger nahezu zur Gänze zu sehen ist; Teil einer isokephalen Reihe aus drei Köpfen; der Mann scheint am Gewände des Bogens zu lehnen, sein Haupt ist unter ein vorkragendes Fries eingepasst; die Farbe der Kleidung findet keine Entsprechung im Gewand einer der anderen Figuren, monochrom rauchblau steht sie komplementär zum gedeckten Gelb der Bekleidung des Mannes vor ihm |
| Kleidung: | mit Ausnahme der Farbe (s. o.) ohne Besonderheiten |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | alle Figuren im Stalldurchgang, darunter ein jüdisch gekleideter Orientale und der Mann ganz rechts, der als weiteres Selbstbildnis vorgeschlagen ist |
Forschungsergebnis: Weyden, Rogier van der
| Künstler des Bildnisses: | Weyden, Rogier van der |
| Status: | kontrovers diskutiert |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Prophet Jesaja |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Skeptisch/verneinend | Acres | 1998 | Acres 1998 – The Columba Altarpiece | 443–445 | - |
| Erstzuschreibung | Franke | 2012 | Franke 2012 – Raum und Realismus | 266–269 | - |
1998 stellt Acres die These auf, dass es sich bei dem Mann mit weißem Bart um einen Propheten (möglicherweise um Jesaja) handelt. Der Autor stellt einen besonderen Stellenwert der Figur fest, die sich durch ihren direkten Blick, ihre Position am Rand sowie die Betonung (nahezu Rahmung) durch den dunklen Pfeiler der Architektur von der Gruppe der sechs Männer, die sich durch den Torbogen drängen, differenziert. Die Gebärde des Mannes mit der linken Hand deutet der Autor als Hinweis auf die künftige Passion und den Tod Christi, die durch das Kreuz oberhalb der Anbetungsszene angezeigt sind. Die auf dem Oberarm des Juden mit Turban liegende rechte Hand des alten Mannes betone einerseits den Weisegestus der linken, leite andererseits inhaltlich zum Missionsauftrag der Christen – zur Bekehrung von Ungläubigen – über. Der Prophet stelle eine Verbindung zwischen dem Blick der BetrachterIn und den verschiedenen Sichtwinkeln der einzelnen Figuren der Gruppe her. In verschiedenen Varianten sind die Möglichkeiten des Sehens der sakralen Handlung dargestellt. Sie reichen von verstellter Sicht (Hintergrundfigur, von der nur der Hut zu erkennen ist), über starkes Bemühen um freie Sicht (zwei sich stark nach vorne streckende Figuren), über Erkennen (die Figur rechts, die sich an der Stallwand abstützt) bis hin zu symbolischer Blindheit (der andersgläubige Jude). Die Einbindung eines Propheten zur BetrachterInnenanleitung vergleicht Acres mit Bildlösungen bei Hugo van der Goes, Anbetung der Hirten und Robert Campin, Merode-Altar.1 Unabhängig von der Deutung als Prophet, so der Autor, suche die Figur den Blick der BetrachterIn und fordere dazu auf, die Prophezeiung zu erkennen.2
2012 erklärt Franke, dass es sich beim Mann mit dem weißen Bart im Gefolge der Könige um eine Selbstdarstellung Rogier van der Weydens handle, die die Autorin über eine weitreichende Argumentation untermauert. Nach der Identifikation der Figur über einen physiognomischen Abgleich mit der von der Autorin akzeptierten Kopie einer Selbstdarstellung Rogiers im Trajan und Herkinbaldteppich3 zieht Franke Vergleiche mit der Selbstdarstellung von Hugo van der Goes im Monforte-Altar, der als kompositorisches Vorbild für den Columba-Altar gilt. Wie das mögliche Selbstbildnis von Hugo van der Goes mit blauer Kappe, befinde sich auch das Selbstbildnis van der Weydens in einer isolierten Position abseits der sakralen Handlung am rechten Rand der Königsanbetung. Die Sonderstellung der van der Weydenschen Selbstdarstellung sei über den in den BetrachterInnenraum gerichteten Blick sowie über die damit einhergehende Abwendung vom Geschehen betont, auf das der Bärtige mit dem gestreckten Finger der einen Hand weist. Wesentlich für die Interpretation des Selbstverständnisses von Rogier van der Weyden, so Franke, sei die dialogische Beziehung des Selbstporträts mit der davorstehenden Figur eines über seine Kleidung als Jude gekennzeichneten Mannes, auf dessen Oberarm die andere Hand Rogiers zu liegen kommt. Unter Hinweis auf van der Weydens Prägung durch italienische Werke sei diese Figurenkonstellation als Rezeption Orcagnas zu werten. Schon der Florentinische Bildhauer hat sich selbst Ende der 1350er Jahre in seinem Marientod4in Kommunikation mit einer jüdischen Figur dargestellt und mit dieser, bereits in frühen Quellen (Ghiberti, Vasari) gerühmten Selbstdarstellung, beeinflusst. Geste und Zusammenspiel der Figuren wirken symbolisch für die „bildliche Beseelung der prophetischen Rede“:5 „In der Königsanbetung des Columba-Retabels, die die Menschwerdung Christi thematisiert“, so Franke, „präsentierte sich auch er [Rogier van der Weyden] dann als derjenige, der die eingetretene prophetische Rede vermittelnd darstellen, wenn nicht sogar durch den Akt des Malens beseelen konnte.“6 Van der Weyden zeige sich und sein Können und legitimiere dies durch den jüdischen Mann. Dieser sei als Prophet deutbar und impliziere die Präsenz der heiligen Schrift. Eine Weiterführung der Orcagna-Rezeption hinsichtlich einer konsequenteren formalen Abtrennung der Selbstdarstellung befinde sich in der Mitteltafel der Perle von Brabant.7
Verweise
Vgl. weiterführend den Einleitungstext zu Robert Campin.↩︎
Acres 1998, 443–445.↩︎
Zum Porträt im Trajan- und Herkinbaldteppich vgl. den Einleitungstext zu Rogier van der Weyden.↩︎
Franke 2012, 268.↩︎
Ebd.↩︎
Ebd., 266–269.↩︎
Bildnis 2
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | rechte Figur im rundbogigen Stalldurchblick im rechten Mittelgrund |
| Ausführung Körper: | Kopfbild |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | im Gefolge der Hl. Drei Könige |
| Blick/Mimik: | verinnerlichter Blick in Richtung links; Sprachgestus |
| Gesten: | Finger auf der Stallwand aufgestützt |
| Körperhaltung: | Körper nicht sichtbar |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | an der rechten Kante des Torbogens und am rechten Rand einer gedrängt wirkenden Figurengruppe im Durchgang, zwischen der sakralen Handlung im Vordergrund und dem Zug der Könige im Hintergrund des Stalles; großteils überschnitten, nur Teile des Gesichts, der Haare und des Halses sowie der Finger der rechten Hand sind sichtbar; Teil einer isokephalen Reihe aus drei Köpfen; entfernte physiognomische Ähnlichkeiten (Frisur, Gesichtsform, Nase etc.) mit dem dritten König |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | alle Figuren im Stalldurchgang, darunter ein jüdisch gekleideter Orientale und der Mann ganz links, der als weiteres Selbstbildnis vorgeschlagen ist |
Forschungsergebnis: Weyden, Rogier van der
| Künstler des Bildnisses: | Weyden, Rogier van der |
| Status: | Einzelmeinung |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Schaller | 2021 | Schaller 12/2021 – Hans Fries | 64–66 | - |
Schaller (Skript 2021) analysiert den Columba-Altar im Zuge ihrer Ausführungen zu mehrfachen Selbstdarstellungen bzw. Bildnissen von Malern in Kombination mit ihren Gattinnen etwa bei Friedrich Herlin, Stefan Lochner und Hans Fries. Für die Tafel der Anbetung der Könige schlägt die Autorin zwei Selbstdarstellungen van der Weydens vor: Neben dem Selbstbildnis als dritter König in vorderster Bildebene, der eine Ehrerbietung an die als Porträts eingebrachten Maler Jan van Eyck und Stefan Lochner ausdrücke, handelt es sich dabei um ein Bildnis, das im Mittelgrund im rundbogigen Durchgang des Stalles auf der rechten Seite zu sehen ist. Die Figur, die ihre Hand auf die Mauer aufstützt und den Kopf nach vorne streckt, entspreche der in der Zeit üblichen Darstellungsweise von Selbstporträts im Humilitasgestus. Als Vergleich hierzu führt Schaller Memlings Selbstinszenierung im Seitenflügel des Donne-Altars an. Der Mann im bogenförmigen Durchgang des Columba-Altars sei zudem deutlich als eine etwas ältere Entsprechung des dritten Königs zu erkennen.1 Resümierend kommt die Autorin zum Schluss, dass van der Weyden, der sich als Erzähler und Protagonist, als Subjekt und Objekt der Narration dargestellt habe, mit den beiden Selbstporträts auf zwei wesentliche Stationen seines Lebens anspiele: auf den Zeitpunkt der Entstehung des Altars (im Alter von etwa 50 bis 55 Jahren; dargestellt in der hinteren Figur) sowie auf seine Ernennung zum Stadtmaler von Brüssel und damit auf seine Aufnahme in den Reigen der großen Meister (im Alter von 30 Jahren; dargestellt in der vorderen Figur).2
Bildnis 3
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | erste Figur von rechts |
| Ausführung Körper: | Ganzfigur stehend |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | der Dritte der Hl. Könige |
| Blick/Mimik: | Blick nach rechts |
| Gesten: | linke Hand in Richtung Mitte geführt; rechte Hand hält Krone nach oben |
| Körperhaltung: | dynamisch gedrehte Rückenfigur in Schrittstellung; aufrecht; Körper leicht nach links vorne, Kopf stark nach links gedreht |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | der dritte König befindet sich im linken vorderen Eck der Mitteltafel, Blickrichtung und Geste führen Richtung Anbetungsszene; zahlreiche Bezugnahmen zur grün gekleideten Dienerin in der Tafel der Darbringung (das flatternde Band der Kopfbedeckung; Gewanddetails wie der rückwärtige V-Ausschnitt des Obergewandes; die Formulierung als figura serpentinata; der sich annähernd im Profil befindliche Kopf; die Nähe zu einem Hund; die Position am Rand; etc.) (rechter Seitenflügel des Altars); die architektonische Grenze zwischen Stall und Rundbau, der aus der rechten Tafel weitergeführt scheint und sich genau über dem Haupt des Königs befindet, verstärkt den Eindruck einer Verschmelzung mit dem rechten Seitenflügel, für die der König wie ein „Scharnier“ wirkt; mit Ausnahme marginaler Überschneidungen im Bereich der Füße ist der König zur Gänze sichtbar |
| Attribute: | Krone; Säbel |
| Kleidung: | Kleidung eines Magiers |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | alle Hauptfiguren der Anbetungsszene (König, Maria, Kind, Joseph); wegen der Ähnlichkeitsbeziehung evtl. die rechte Figur im Stallbogen mögliches Selbstbildnis; Figur der Dienerin in grünem Kleid auf der rechten Tafel (Darbringung), die die Bewegung des Königs aufzunehmen scheint |
Forschungsergebnis: Weyden, Rogier van der
| Künstler des Bildnisses: | Weyden, Rogier van der |
| Status: | Einzelmeinung |
| Andere Identifikationsvorschläge: | Karl der Kühne; Lionello d’Este |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Schaller | 2021 | Schaller 12/2021 – Hans Fries | 54–66 | - |
Die Figur wird etwa als Porträt von Karl d Kühnen1 bzw. auch als Darstellung von Lionello d’Este, Markgraf von Ferrara, interpretiert.2
Schaller (Skript 2021) analysiert den Columba-Altar im Zuge ihrer Thesen zu mehrfachen Selbstdarstellungen bzw. Selbstdarstellung Bildnissen von Malern in Kombination mit ihren Gattinnen bei etwa Friedrich Herlin, Stefan Lochner und Hans Fries. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf den Heiligen Drei Königen, für die Schaller eine neue Möglichkeit der Interpretation vorstellt. Auf Überlegungen zu Inspirationen und Vorbildwirksamkeit für den Altar aufbauend3 schlägt die Autorin vor, dass es sich bei den Weisen um Porträts von Jan van Eyck (der älteste König) und Stefan Lochner (der mittlere König) sowie um ein Selbstporträt Rogier van der Weydens in der Rolle des jüngsten Königs handle. So habe van der Weyden eine Hommage an van Eyck, als Begründer des niederländischen Realismus, und an Stefan Locher, der mit seinem Altar der Stadtpatrone4 als erster Maler zum Thema der Anbetung der Könige ein großformatiges Retabel malte, geschaffen. Diese These versucht die Autorin über zahlreiche Bildvergleiche und eine weitangelegte Indizienkette zu untermauern.5 In der Rolle des Königs hebe van der Weyden in einer Geste des Grußes seine Kopfbedeckung und bestätige damit seinen dritten Rang in der Reihe der Meister. Der zu seinen Füßen liegende Windhund stelle eine symbolische Signatur dar.6 Über die Gebärde seiner linken Hand weise Rogier auf den zweiten König (auf Lochner), was auch die Assimilation einer lochnerschen Figur im Selbstporträt verdeutliche. Hierbei handelt es sich um den Fahnenträger in Lochners Altar der Stadtpatrone, der dem Selbstporträt van der Weydens in Position, Pose und Details ähnle und bei dem es sich ebenfalls um eine rhetorisch aufgeladene Figur handle. Zudem stützt sich Schaller in ihrer Argumentation auf einen Vergleich mit der Berliner Porträtzeichnung Rogiers.7 Neben der Rolle als Vermittler zeige sich der Maler auch als Gatte. Als Pendant zur Figur des dritten Königs sei Rogiers Ehefrau Lysbeth in der auf die BetrachterIn ausgerichteten Dienerin auf der rechten Seitentafel der Darbringung in Anlehnung an van Eycks Arnolfini-Bildnis, als ein grün gekleidetes, ganzfiguriges Porträt mit Pinscher in das Bildwerk aufgenommen. Die Verbindung von Mann und Frau sei über die im Hintergrund fortlaufende Architektur der beiden Tafeln sowie durch weiße Stoffelemente an den Kopfbedeckungen gegeben, die das Band zwischen den beiden symbolisieren sollen. Bei geschlossenem rechtem Flügel, so die Autorin, überlagern sich die Körper und der Kopf der Frau komme auf der Schulter des Mannes zu liegen.8
Eine weitere Deutungsdimension eröffnet Schaller, indem sie ein zweites Selbstporträt Rogier van der Weydens in der Anbetung der Könige identifiziert. Dabei handelt es sich um den Mann, der hinter den Königen im rundbogigen Durchgang des Stalles auf der rechten Seite als Porträt ausgeführt ist, seine Hand auf die Mauer stützt und seinen Kopf nach vorne streckt. Dieser sei als ältere Entsprechung des dritten Königs eindeutig zu erkennen.9 Resümierend kommt die Autorin zum Schluss, dass van der Weyden, der sich als Erzähler und Protagonist, als Subjekt und Objekt der Narration abgebildet habe10 mit den beiden Selbstporträts auf zwei wesentliche Stationen seines Lebens anspiele: auf den Zeitpunkt der Entstehung des Altars (im Alter von ca. 50 bis 55 Jahren; hintere Figur) und auf seine Ernennung zum Stadtmaler von Brüssel und damit auf seine Aufnahme in den Reigen der großen Meister (im Alter von 30 Jahren; die vordere Figur).11
Verweise
Die Erstidentifizierung vom ersten König als Philipp der Gute und vom dritten als Karl der Kühne befindet sich nach den Anmerkungen von Markham-Schulz in einem Brief von Sulpiz Boisserée an Goethe (1815), vgl. Markham-Schulz 1971, 107 (Anm. 16).↩︎
Stein 1926, 29.↩︎
Schaller 2021, 54f.↩︎
Stefan Lochner, Altar der Stadtpatrone, um 1442, Köln, Hohe Domkirche St. Petrus.↩︎
Vgl. Schaller 2021, bes. 57, 63f. Zur Untermauerung der These zum Porträt van Eycks stellt die Autorin Vergleiche an, die sowohl die Figur des hl. Lukas in der Lukas-Madonna als auch einen hl. Josef von Rogier van der Weyden beinhalten; zu zwei Figuren, die von Schaller jeweils als Bildnisse von Jan van Eyck gedeutet werden. Vom hl. Lukas ausgehend, der dem Fragment einer in grün gekleideten und lesenden Maria Magdalena zugehörig ist, leitet die Autorin weiter zum Arnolfini-Bildnis. Auch das mögliche Porträt Stefan Lochners will Schaller über einen Vergleich hinterlegen, indem sie starke Ähnlichkeiten zum jüngsten König in Lochners Altar der Stadtpatrone feststellt, vgl. Schaller 2021, 58–62.↩︎
Schaller 2021, 60.↩︎
Schaller 2021, 63f. Zur Zeichnung vgl. weiterführend den Einleitungstext zu Rogier van der Weyden.↩︎
Ebd., 66.↩︎
Ebd., 64.↩︎
Ebd., 66.↩︎
Ebd., 65. Zu weiteren Identifikationen der Hl. Drei Könige vgl. den Katalogtext zum Columba-Altar.↩︎
Bildnis 4
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | zweite Figur von rechts |
| Ausführung Körper: | Ganzfigur stehend |
| Ausführung Kopf: | Dreiviertelporträt |
| Ikonografischer Kontext: | hl. Joseph in der Szene der Anbetung |
| Blick/Mimik: | Blick in Richtung Anbetungsszene |
| Gesten: | hält Stab und Kopfbedeckung in den Händen |
| Körperhaltung: | Kontrapost; Oberkörper leicht gebückt; Kopf nach vorne geschoben |
| Interaktion/Raum-, Bildraumbeziehung/ Alleinstellungsmerkmal: | auf der zweiten Stufe einer Treppe, die in den Untergrund führt; von der heiligen Handlung differenziert; zur Gänze sichtbar |
| Attribute: | Stab; Gürtel mit Tasche |
| Zugeordnete Bildprotagonisten: | alle Hauptfiguren der Anbetung (Maria, Kind, Könige) |
Forschungsergebnis: Weyden, Rogier van der
| Künstler des Bildnisses: | Weyden, Rogier van der |
| Status: | Einzelmeinung |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Erstzuschreibung | Lanckorońska | 1969 | Lanckorońska 1969 – Die Medici-Madonna des Rogier van | 37 | - |
Lanckorońska (1969), die eine Selbstdarstellung Rogier van der Weydens in der Medici-Madonna in der Rolle des hl. Cosmas identifizieren will, listet im Zuge ihrer Argumentation neben autonomen Porträts eine Vielzahl von integrierten Selbstbildnissen des Malers auf. Die Autorin erkennt van der Weydens Züge in der Tapisseriekopie des Trajan- und Herkinbaldteppichs,1 in der Figur des Nikodemus in der Florentiner Beweinung sowie in der Rolle des hl. Josephs im Bladelin-Altar und im Columba-Altar. Die Josephsdarstellungen identifiziert Lanckorońska auf Basis von Ähnlichkeitsbeziehungen. Darüberhinausgehend liefert die Autorin, abgesehen von der allgemeinen Feststellung, dass Künstlerselbstbilder als Resultate eines gesteigerten Daseinsbewusstseins der Maler besonders im 15. Jahrhundert innerhalb religiöser Vorgänge möglich werden, keinerlei Argumente. Auch der hl. Lukas der Lukas-Madonna sei eine Verkörperung Rogier van der Weydens.2
Verweise
Zum Porträt im Trajan- und Herkinbaldteppich vgl. den Einleitungstext zu Rogier van der Weyden.↩︎
Lanckorońska 1969.↩︎
Bildnis 5
Bildrechte
| Lokalisierung im Objekt: | erste Figur rechts |
Forschungsergebnis: Weyden, Rogier van der
| Künstler des Bildnisses: | Weyden, Rogier van der |
| Status: | widerlegt |
| Status Anmerkungen: | Es handelt sich um den Stifter, die Figur findet keine weitere Bearbeitung. |
| Typ | Autor/in | Jahr | Referenz | Seite | Anmerkungen |
|---|---|---|---|---|---|
| Bejahend | Hall | 1963 | Hall 1963 – Portretten van Nederlandse beeldende kunstenaars | 370 | - |
In seiner Auflistung niederländischer Selbstporträts führt Hall (1963) u. a. eine stehende und nach rechts ausgerichtete Figur mit gefalteten Händen in der Mitteltafel des Columba-Altars an.1 Die Beschreibung passt zum am Bildrand angeführten Stifter, der als spätere Hinzufügung festgestellt werden konnte.2 Die These einer Selbstdarstellung wird folglich zurückgewiesen, der weitere Forschungsstand hierzu wird nicht erhoben.
Prophet, König, Heiliger, Patrizier oder Mann aus dem Volk – Ambivalenzen der Interpretation
Nach Lochners Altar der Stadtpatrone1 zählt der ebenfalls für Köln bestimmte Columba-Altar2 Rogier van der Weydens zu den ersten Altar-Triptychen mit einer Epiphanie als Hauptszene. Gerade in der Domstadt, in der die Weisen aus dem Morgenland als Stadtpatrone verehrt werden, stellen die Ausführungen dieser Bildwerke bedeutende Unterfangen dar. Lochners Themenfindung wird als inspirierend angesehen.3
In der umfangreichen Literatur zu van der Weydens Altar finden sich zahlreiche Widersprüchlichkeiten. Neben offenen Fragen zu Basisdaten wie Auftraggeberschaft, Datierung, Provenienz und Werkstattbeteiligung4 beinhalten diese auch Überlegungen zur Identifizierung der Dargestellten. Die Heiligen Drei Könige, die traditionell als Vertreter dreier Lebensalter aufzufassen sind, werden insbesondere in der älteren Literatur in politische Zusammenhänge gestellt, was in entsprechenden, nicht verifizierbaren Deutungen resultiert: Philipp der Gute von Burgund, Ludwig XI. von Frankreich, Karl der Kühne von Burgund und Lionello d’Este von Ferrara stehen zur Auswahl.5 Ebenso verwirrend verhält es sich in Bezug auf Forschungsmeinungen zu mutmaßlichen Selbstdarstellungen des Malers. Fünf gänzlich voneinander abweichende Figuren auf unterschiedlichen Raumebenen sind als Selbstporträts vorgeschlagen: Der Mann mit weißem Bart im rundbogigen Stalldurchgang im rechten Mittelgrund; der im selben Kompartiment weiter rechts stehende Mann ohne Bart und ohne Kopfbedeckung, der sein Haupt durch den Durchblick reckt; der dritte König in der rechten vorderen Bildecke; der hl. Joseph im linken Vordergrund sowie der Stifter am äußerst linken Rand. Die Thesen zu diesen Figuren – allesamt Einzelmeinungen, die keinen Widerhall in der Forschung erfuhren – sind teils auf weitreichenden (auch ausufernden) Argumentationsketten aufgebaut. Schlagkräftige, verifizierende Momente sind nicht auszumachen. Physiognomische Rechtfertigungen, die, wie im Einleitungstext zu Rogier van der Weyden zur Genüge erörtert, nicht beweiskräftig sind, bleiben aus der nachfolgenden Argumentation ausgeschlossen. Ins Feld zu führen sind hingegen auf einer IRR-Analyse basierende gemäldetechnologische Erkenntnisse. Während festgestellt werden konnte, dass der Bereich der Figuren im Stalldurchgang intensive Bearbeitung erfuhr,6 wirft die zu differenzierende Qualität der Ausführung der Tafel Fragen auf. Nach De Vos resultiert diese aus einer großflächigen Beteiligung der Werkstatt. Lediglich die zentralen Hauptfiguren (Maria, Kind, ältester König) seien als malerische Anteile Rogiers zu werten; alle Figuren, die als Selbstdarstellungen diskutiert werden, fallen in den Verdacht, nicht autograf zu sein.7 De Vos‘ Einschätzung der Händescheidung und der gemäldetechnologische Befund wirken sich auf die Glaubwürdigkeit der Selbstporträtzuschreibungen aus: Pentimenti im Umkreis der Figuren im Stalldurchgang implizieren die Wertigkeit dieses Bereichs und die Zuwendung des Meisters, während anzunehmende Werkstattbilder wie der jüngste König, der hl. Josef und die später hinzugefügte Stifterfigur nur wenig glaubhaft als Selbstporträts festgeschrieben werden könnten. Thesen zu den zwei letztgenannten Figuren, die jeder Basis entbehren, werden nicht weiterverfolgt.
Nach Schaller handle sich beim jüngsten König, der in selbstbewusster Pose die rechte untere Bildecke dominiert, um eine Selbstdarstellung, die in ein dichtes System künstlerischer Bezüge eingebettet ist – Rogier stelle sich in Form einer Hommage an die Maler Jan van Eyck und Stefan Lochner, die ebenfalls als Porträts in den Rollen der weiteren Könige gemalt seien, an das Ende einer hierarchischen Kette.8 Allerdings sind die ikonografische Belegung als König und die Dominanz der Figur als Argumente gegen die Selbstporträtthese ins Feld zu führen. Zwar wurden ähnlich extrovertiert gestaltete, wahrscheinliche und auch belegte Selbstinszenierungen in Italien im späteren Verlauf des 15. Jahrhunderts ausgeführt (vgl. u. a. Botticellis Del-Lama-Anbetung, Ghirlandaios Vertreibung Joachims aus dem Tempel oder Signorellis Taten des Antichrist), königliche oder sonstige hochstehende Rollen wurden dabei aber selbst im Süden nicht belegt. In der Generation Rogier van der Weydens im Norden, in der sich Selbstdarstellungen durch mehr Zurückhaltung auszeichnen, sind keine derartigen Beispiele auszumachen. Auch vergleichbare Vorschläge zu Rollenporträts in Gestalt heiliger Könige, wie etwa im Fall von Herlins Königsanbetungen von 1459 und 1462, mussten mangels Beweisen zurückgewiesen werden. Zudem spricht die annähernde Profildarstellung des Königs gegen eine Selbstdarstellung Rogier van der Weydens. Handelte es sich um ein Selbstbildnis, würde diese Porträtform eine komplizierte Konstruktion mit Hilfe mehrerer Spiegel voraussetzen; ein Procedere das prinzipiell möglich, im Werk von Rogier van der Weyden aber in keinem der thematisierten Künstlerbildnisse zu erkennen ist.
Der einzige aus dem Bild blickende Mann der Mitteltafel wurde zu Recht als ein für die inhaltliche Erschließung der Tafel bedeutender Protagonist gewertet – er steht in direktem Kontakt mit der BetrachterIn und leitet die Aufmerksamkeit über die Geste seiner linken Hand auf die sakrale Handlung.9 In der Detailbetrachtung zeigt sich neben der dialogischen Aufladung der Figur, dass der Maler eine Vielzahl formaler Kunstgriffe anwandte, um dem Mann trotz seiner Verankerung im Hintergrund große Sichtbarkeit zu verleihen. Diese wirkt besonders im Zusammenspiel mit der beigestellten Figur des Juden, auf dessen Arm die Hand des Alten zu liegen kommt. Die komplementäre Farbgebung der Kleidung der beiden (gelb-blau), die gegensätzliche Tönung der Haare (hell, dunkel) sowie der intensiv weiße Turban im Vergleich mit dem dunklen Bereich hinter dem Kopf des Mannes betonen die Präsenz des Paares. Die rauchblaue Kleidung des Alten, die ein farblicher Solitär in der Tafel ist, unterstreicht die Wirkung. Eine Verbindung der beiden Figuren weist auf die inhärent im Bild wirksame Glaubensbotschaft: Jesus ist geboren, und sein zukünftiger Weg bis hin zur Passion ist angetreten. Dies zu erkennen ist Aufgabe der Protagonisten im Bild und auch der BetrachterIn.
Das Zusammenspiel zwischen Jude und Christ/Prophet/Mann, das unabhängig von der Einschätzung des Alten funktioniert, ist evident. Die Identifizierung des Mannes als Selbstdarstellung kann nicht mit Absolutheit ausgeschlossen werden. Besonders der von Franke eingebrachte Vergleich mit einer Selbstinszenierung Orcagnas löst starke Assoziationen aus,10 auch haben BetrachterInnenansprache und -anweisung durchaus Relevanz als Mechanismen von Selbstdarstellungen. Die intensive gestische und inhaltliche Aufladung der Figur spricht jedoch gegen die These, für die keine verifizierenden Belege auszumachen sind. Vielmehr scheint die Deutung des Mannes mit weißem Bart als Prophet entsprechend Acres Ausführungen folgerichtig. An der Spitze des Zuges und durch die ihn auszeichnenden Alleinstellungsmerkmale scheint er prädestiniert, die Glaubensbotschaft zu vermitteln. Zeitliche und inhaltliche Bezugnahmen zur Frühgeschichte des Christentums sind auch in der Verbindung christlicher und jüdischer (alttestamentarischer) Elemente in der Architektur des Stalles ausgedrückt. Die fantastische Bauweise der von romanischen (bzw. byzantinischen) Rundbögen durchbrochenen Ruine, die von einem gotischen Aufsatz bekrönt ist, thematisiert – ebenso wie der Prophet und der Jude – den Gegensatz bzw. die Verschmelzung verschiedener Ebenen. Wie etwa De Vos erörtert, handelt es sich dabei um eine gängige Symbolisierung von Ecclesia und Synagoge; um die Verbildlichung des christlichen Glaubens, der sich durch Empfängnis und Geburt Christi aus dem Judentum heraus entwickelt.11
Der Mann aus dem Volk – der Maler?
An der Kante des Torbogens, am äußerst rechten Rand der Figurengruppe im Durchgang, wirkt die Situation – insbesondere durch den sich nach vorne drängenden Mann, von dem der Kopf und die auf der Stallwand aufliegenden Finger zu sehen sind – äußerst komprimiert. Die Figur, deren Sprachgeste eine Kontaktaufnahme mit der BetrachterIn impliziert, nimmt gegenteilig zu allen anderen Protagonisten eine klar definierte Sonderposition zwischen der sakralen und der irdischen Welt ein. Während die Finger eine inhaltliche Schwelle überschreiten und sich innerhalb des heiligen Areals befinden, bleiben Teile des Kopfes und der nicht zu sehende Körper außerhalb. Die Figur verbindet die ontologischen Ebenen. Aus einem zeitgenössischen, der RezipientIn zuordenbaren Areal heraus betont sie das Illusionistische der Szene. Der Blick, der deutlich intensiver Richtung Kreuz ausgerichtet ist als der Zeigegestus des Propheten links, weist auf die das Bild inhaltlich mitbestimmende Prophezeiung; symbolisch zeigt er die Fähigkeit des Malers an, diese mit subtilen Mitteln darstellen zu können. In Blick, Redegestus und Haltung sind devotionales Verhalten ebenso wie BetrachterInnenanleitung eingeschrieben. Im Gegensatz zum Propheten (und auch zum König) spricht auch die ansonsten nicht vorhandene inhaltliche Belegung der Figur, von der lediglich Haupt und Hand – Sitz der geistigen und handwerklichen Fähigkeiten – abgebildet sind, für eine Selbstdarstellung. Die partielle Sichtbarkeit des Mannes verweist auf den bei niederländischen Bildnissen häufig anzutreffenden Humilitasgedanken.12
Die kleine Geste der Hand zeigt große Wirkung. Vergleichbare, in architektonischen Zwischenbereichen angesiedelte Figuren finden sich zuhauf in der niederländischen Malerei. Bei Hans Memling, einem Schüler van der Weydens, werden solche Männer fallweise als Selbstdarstellungen diskutiert.13 Unabhängig von einer Zuschreibung als Selbstbildnis – die trotz aller Überlegungen nicht seriös vorgenommen werden kann, an dieser Stelle aber auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden soll – ist das Bildnis ein wesentliches Moment in einem System von sinnstiftender und blickleitender BetrachterInnenansprache. Die Möglichkeit, dass es sich dabei um ein Selbstbildnis Rogier van der Weydens handelt, ist gegeben.
Verweise
Stefan Lochner, Altar der Stadtpatrone, um 1442, Köln, Hohe Domkirche St. Petrus.↩︎
Zum Columba-Altar umfassend vgl. u. a. Acres 1998; De Vos 1999, 276–284; De Vos 2002a, 83–90; De Vos 2002b, 83–90; Jacobs 2022, 165–208; Kruse 1994, 190–192; Pächt (hg. von Rosenauer 1994), 53–66; Ridderbos 2005, 36–42.↩︎
De Vos 1999, 176; De Vos 2002a, 84. Bezugnahmen zu Stefan Lochner sind Basis vieler Überlegungen zum Columba-Altar. Motivische Übernahmen, wie die grün gekleidete Magd auf dem rechten Flügel der Darbringung, die sich in Lochners Altar in vergleichbarer Form am linken Flügel zu sehen ist, erhärten die These. Zur Vorbildhaftigkeit Lochners für Rogier vgl. u. a. De Vos 1999, 276, 281; zu weiteren Inspirationen für den Altar vgl. u. a. De Vos 1999, 276; zum Echo des Columba-Altars, etwa in der Konzeption des Monforte-Altars von Hugo van der Goes vgl. u. a. De Vos 1999, 283; Franke 2012, 24f; Sander 1999, 240.↩︎
Die wenig homogene Ausführung veranlasst De Vos eine intensive Beteiligung der Werkstatt bei der Ausführung der Tafel anzunehmen, vgl. De Vos 1999, 279–283.↩︎
Die Erstidentifizierung vom ersten König als Philipp der Gute und vom dritten als Karl der Kühne befindet sich nach den Anmerkungen von Markham-Schulz in einem Brief von Sulpiz Boisserée an Goethe (1815), vgl. Markham-Schulz 1971, 107 (Anm. 16). Zu späteren Überlegungen zu königlich/fürstlichen Identifizierungen vgl. u. a. Dixon 1987, bes. 182f (Philipp der Gute, Ludwig XI, Karl der Kühne); Kruse 1994, 191 (Karl der Kühne als dritter König); Panofsky 1971, 286 (Karl der Kühne); Sleptzoff 1978, 69 (Anm. 90) (Karl der Kühne); Snyder/Silver 2005, 129 (Karl der Kühne); Stein 1926, 29 (Philipp der Gute, Karl der Kühne, Lionello d'Este). Zur Relativierung der Identifizierungen vgl. u. a. De Vos 1999, 280, 284 (Anm. 9); De Vos 2002a, 87; Markham-Schulz 1971, 64f. Eine weitere unbestätigte These vertritt Schaller, die im ältesten König eine Hommage an Jan van Eyck erkennen will. Wie auch im hl. Lukas in der Lukas-Madonna habe Rogier van der Weyden sein Vorbild Jan van Eyck in der Rolle des Königs porträtiert. Vgl. Schaller 2021, 60f, sowie weiterführend Ausführungen im Forschungsstand.↩︎
Zur technischen Analyse des Altars vgl. De Vos 1999, 276.↩︎
Vgl. ebd., 282f. Ebenso verhält es sich mit dem Windhund, dem eine Werkstattschablone zugrunde liegt. Das von De Vos als anekdotisches Detail angesehene Tier wird von Schaller in den Status einer symbolischen Signatur erhoben. Vgl. De Vos 1999, 279–282; Schaller 2021, 60.↩︎
Schaller 2021, 54–66.↩︎
Vgl. Acres 1998, 443–445; Franke 2012, 266–269.↩︎
Franke 2012, 268.↩︎
De Vos 1999, 279; De Vos 2002a, 85.↩︎
Müller Hofstede 1998.↩︎
Vgl. Memlings Floreins-Altar, Die sieben Freuden Mariens oder die Madrider Anbetung der Könige.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Krabichler, Elisabeth: Anbetung der Könige (Columba-Altar) (Katalogeintrag), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/katalogeintrag/weyden-rogier-van-der-anbetung-der-konige-columba-altar-um-1450-bis-1456-munchen-bayerische-staatsgemaldesammlung-alte-pinakothek/ (05.12.2025).