Bellini, Giovanni
Bildrechte
| Weitere Namen: | Giambellino; Gan Bellin |
| Geburt: | um 1430 in Venedig |
| Tod: | 1516 in Venedig |
| Schaffenszeit: | Angaben zum Geburtsjahr variieren, teils wird 1428, 1434 oder 1437 angegeben |
| Lexika: | AKL | GND |
| Anmerkungen: | Die Beiträge zu möglichen Selbstdarstellungen von Giovanni Bellini befinden sich noch in der Entwicklung. Derzeit bietet der übergeordnete Text zum Maler einen allgemeinen Überblick über die zu behandelnden Porträts ohne detaillierte Einblicke in die jeweiligen Fallbeispiele. Die Katalogbeiträge samt umfassendem Forschungsstand werden zu einem späteren Zeitpunkt in die Datenbank integriert. |
Giovanni Bellini, Sohn von Jacopo Bellini, Bruder von Gentile Bellini und Schwager von Andrea Mantegna, gehörte der einflussreichen venezianischen Künstlerfamilie an, die ab der Mitte des 15. Jahrhunderts und insbesondere um die Wende zum 16. Jahrhundert die Malerei der Stadt maßgeblich prägte.1 Giovanni Bellini nahm innerhalb dieser Dynastie eine Sonderstellung ein: Seine Fähigkeiten führten dazu, dass er bereits 1483 von allen Verpflichtungen der Zunft entbunden wurde und fortan im Dienst der Signoria stand, um sich den Aufträgen der Stadtregierung zu widmen.2
Im Vergleich zu seinem Bruder Gentile sind nur wenige Porträts von Giovanni Bellini bekannt und kaum Selbstdarstellungen vorgeschlagen.3
Einen Überblick über die Porträts Bellinis bietet Suzuki.4 Sie führt zunächst die Porträtmedaille von Vittore Camelio an,5 die Bellini als autonomes Brustbild mit der verifizierenden Inschrift JOANNES BELLINVS. VENET.PICTOR.OP darstellt und ins letzte Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts datiert wird. Dieses dient teilweise als Referenz für die Identifizierung weiterer Bildnisse, darunter auch Selbstdarstellungen.6 Darüber hinaus erwähnt Suzuki eine vermutlich von Vittore Belliniano geschaffene Porträtzeichnung, die ebenfalls ein autonomes Brustbild Bellinis zeigt und ins frühe 16. Jahrhundert datiert wird.7 Ein weiteres Bildnis aus der selben Zeit – der sogenannte Mann mit einem Stechzirkel – das vermutlich Gentile Bellini zugeschrieben werden kann, befindet sich im Bestand der National Gallery London. Allerdings wird es dort nicht als Darstellung von Giovanni Bellini geführt.8
Als integriertes Porträt führt Suzuki ein Bildnis in Gentiles Prozession am Markusplatz an. In diesem Historiengemälde soll Giovanni Bellini als dritter der drei rot gekleideten Männer vorne links dargestellt sein, während sein Bruder Gentile sich an erster Stelle in Form eines Selbstporträts verewigt habe.9 Im selben Zusammenhang thematisiert Suzuki auch die Möglichkeit, dass Giovanni ebenfalls als Selbstporträt in der Figur dieses Zuschauers integriert sein könnte, was jedoch durch keine Quellen belegt ist.10
Darüber hinaus wird Giovanni Bellini unter den knienden Figuren im Vordergrund rechts in Gentiles Gemälde Wunder der Kreuzesreliquie auf der Brücke von San Lorenzo identifiziert. Er soll als fünfte Figur von links am Ende einer Reihe von Familienmitgliedern dargestellt sein.11
Das bedeutendste mögliche integrierte Selbstporträt Giovannis findet sich in der Darbringung Christi,12 einem Gemälde, das – folgt man Belting – die Bilderzählung mit der Porträtikone verbindet.13 Die Handlung des Werks, das thematisch an Mantegnas gleichnamiges Gemälde anknüpft, entfaltet sich hinter einer Brüstung, wo eine Reihe monumental wirkender Halbfiguren angeordnet ist. Im Zentrum des Bildes steht die sakrale Szene der Darbringung. Während Mantegna in seine Version ein Porträt seiner Gattin Nicolosia (Giovannis Schwester) links und ein Selbstporträt rechts integrierte, erweiterte Giovanni die Komposition um mehrere Porträtfiguren am Rand der Darstellung. Links sind vermutlich Nicolosia und die gemeinsame Mutter gezeigt, während sich rechts ein mögliches Selbstporträt Giovannis sowie ein Bildnis seines Bruders Gentiles befinden.14 Vorausgesetzt die Identifizierungen lassen sich bestätigen, sind in beiden Fällen Familienbilder ausgeführt worden.
In der kunsthistorischen Forschung werden zudem zwei Bildnisse als mögliche Selbstdarstellungen Giovanni Bellinis diskutiert, die jedoch im engeren Sinn keine integrierten Selbstdarstellungen darstellen: eine Maske und eine Spiegelung.
Die Maske befindet sich auf einem Schild, das im Vordergrund der Berliner Auferstehung Christi15 hinter einem nahezu nackten Mann am Felsen lehnt. Diese Darstellung lässt sich erneut mit dem Werk Mantegnas in Verbindung bringen, insbesondere mit dessen Selbstdarstellung als Blattmaske in der Camera degli Sposi.16 Bellinis Maske zeigt eine markante Physiognomie mit einer auffallend langen Nase, was einen Vergleich mit den Zügen des Malers auf der Porträtmedaille des Camelio nahelege.17
Die Reflexion befindet sich im Spiegel der Allegorie der Klugheit.18 Dieses Gemälde war ursprünglich Teil eines Restello, eines venezianischen Renaissancespiegels, der mit Vorrichtungen zum Aufstellen und Aufhängen von Toilettenutensilien für Damen ausgestattet war und von einer Reihe von Bildern umrahmt wurde.19 Die Darstellung der Prudenzia, die den Rundspiegel als malerisches Motiv aufnimmt, zeigt u. a. die Spiegelung eines rotgewandeten Mannes. Diese Erscheinung – eine unheimliche Larve, die an einen Dämon oder auch an eine Gorgone erinnere – wird als Vanitas-Motiv interpretiert, das die Themen Vergänglichkeit und Eitelkeit moralisch reflektiert.20 Der Spiegel ist somit in Diskurse über Wahrheit und Selbsterkenntnis eingebettet und fungiert als Projektionsfläche, die aufgrund ihrer Unschärfe universell auf das Publikum wirkt.21 Nach Land könnte die Spiegelung jedoch auch den Maler selbst repräsentieren, der in seine eigene Imagination blickt, sich selbst erkennt und in diesem Moment für die Ewigkeit fixiert wird.22
Weit wesentlicher als mögliche Selbstporträts zur Selbstprepräsentation ist im Fall von Giovanni Bellini das in Venedig verbreitete System der cartellini – illusionistisch gemalte Zettel mit Signaturen und Inschriften, die die Autorenschaft des Künstlers bestätigen und seine frühere Anwesenheit bezeugen.23 Dieses charakteristische Element findet sich in zahlreichen Werken Bellinis.
Ein herausragendes Beispiel hierfür ist die Mailänder Pietà,24 die die Inschrift trägt: HAEC FERE QVVM GEMITVS TVRGENTIA LVMINA PROMANT / BELLINI POTERAT FLERE IONNIS OPVS. Die Übersetzung – „Da die geschwollenen Augen der Figur nahezu Seuzfer hervorbringen, könnte das Werk Bellinis weinen.“ – deutet darauf hin, dass das Gemälde als lebendig wahrgenommen wurde, als ob es durch Bellinis Kunst zum Leben erweckt worden sei.
Verweise
Zur Biografie der Familie Bellini vgl. u. a. Meyer zur Capellen 1985, 9–13.↩︎
Huse/Wolters 1986, 209.↩︎
Gibbons 1963, 57: „Portraits of Giovanni Bellini are much rarer than those of his brother.“↩︎
Suzuki 1996, 262f.↩︎
Vittor Camelio, Giovanni Bellini, um 1490/1500, London, The National Gallery of Art.↩︎
Vgl. u. a. Brown 2000, 60; Gigante 2010, 113.↩︎
Vittore Belliniano (?), Giovanni Bellini, 1505, Chantilly, Musée Conde.↩︎
Gentile Bellini (?), Ein Mann mit einem Stechzirkel (?), um 1500, London, The National Gallery of Art.↩︎
Zum möglichen Porträt Giovanni Bellinis in der Prozession am Markusplatz vgl. u. a. Brown 2000, 60; Gibbons 1963, 57; Gigante 2010, 113.↩︎
Suzuki 1996, 47, 263.↩︎
Zu den möglicherweise Dargestellten vgl. u. a. Collins 1982, 202; Gibbons 1963, 56f; Huse/Wolters 1986, 235; Suzuki 1996, 48f und weiterführend den Katalogeintrag zum Wunder der Kreuzesreliquie auf der Brücke von San Lorenzo.↩︎
Giovanni Bellini, Darbringung Christi, um 1469, Venedig, Fondazione Querini Stampalia.↩︎
Belting 1985.↩︎
Zu den Porträts in der Darbringung Bellinis vgl. u. a. Lightbown 1986, 405. Die These zur Selbstdarstellung ist umstritten, diese befürwortend äußern sich Bätschmann 2008, 86; Brucher 2010, 58f; Ghiotto/Pignatti 1969, 35; Roesler-Friedenthal 1996, 166; diese anzweifelnd äußern sich etwa Gigante 2010, 115; Prinz 1962, 54; Rowley 2018, 145–147.↩︎
Giovanni Bellini, Auferstehung Christi, 1475–1479, Berlin, Gemäldegalerie der Staatlichen Museen.↩︎
Vgl. weiterführend den Einleitungstext zu (Andrea Mantegna).↩︎
Zum möglichen Selbstporträt als Maske vgl. u. a. Gigante 2010, 114.↩︎
Giovanni Bellini, Allegorie der Klugheit, um 1490, Venedig, Gallerie dell’Accademia. Zum Gemälde vgl. u. a. Hartlaub 1942; Land 1999; Rutherglen 2023; zum Restello vgl. u. a.↩︎
Zur Rekonstruktion des Restello vgl. Hartlaub 1942, 241 (Abbildung nach Gustav Ludwig).↩︎
Hartlaub 1951, 47–51, 156, 164.↩︎
Gigante 2010, 115.↩︎
Land 1999, 18.↩︎
Zu venezianischen Signaturen bzw. cartellini vgl. u. a. Horký 2003, 190–192; Matthew 1998; zu den Signaturen rund um Giovanni Bellini vgl. u. a. Pincus 2013; zum cartellino als Zeichen der vormaligen Anwesenheit des Malers vgl. Land 1998, 19. Zum Signaturverhalten Bellinis vgl. u. a. Burg 2007, bes. 283, der feststellt, dass von 194 Werken des Malers 82 signiert sind.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Krabichler, Elisabeth: Bellini, Giovanni (Künstler), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/kuenstler/bellini-giovanni/ (05.12.2025).