Bouts d. Ä., Dieric

Bildrechte
Weitere Namen:Dierick Bouts; Dirck Bouts; Dirk Bouts; Thierry Bouts; Thiéry Bouts; Theodorus Harlemius; Dirk van Haarlem; Theodoricus Bouts; Dierick, Stuerbout; Theodoro Harlemio; Meister der Perle von Brabant (?)
Geburt: um 1415 bis 1420 in Haarlem
Tod: 1475 in Löwen
Lexika: AKL | GND

Dieric Bouts d. Ä., Vater der Maler Dieric Bouts d. J. und Albrecht, zählt zu den führenden Künstlerpersönlichkeiten in der ersten Generation nach Jan van Eyck und Rogier van der Weyden. Über die frühe Entwicklung des Malers, der sich von van Eyck und van der Weyden sehr beeinflusst zeigte, ist wenig bekannt. In den 1450er Jahren ließ er sich in Löwen nieder und entwickelte sich dort zum wichtigsten Meister der Stadt. Neben der direkten Vorbildwirksamkeit für seine Söhne ist diese auch im Werk zahlreicher anderer Künstler der Folgegeneration ablesbar.1 Darunter finden sich etwa Hugo van der Goes, Hans Memling oder Gerard David – allesamt Meister, in deren Oeuvre vermutlich Möglichkeiten der Selbstinszenierung ausgereizt wurden. Dessen Stil ist u. a. geprägt von starrer Figurenauffassung, verhaltener Emotionalität, konzentrierter Detailschilderung und perspektivischer Konstruktion als Ausdruck von sakraler Feierlichkeit, verhaltenem Pathos und kontemplativer Nachdenklichkeit2. Er knüpft, wie u. a. Franke herausstreicht, an performative Entwicklungen im spirituellen Alltagsleben an, oder auch an liturgische Laienspiele (Mysterienspiele), die die Voraussetzung für eine Nähe zum Volk im Kult und in der Kunst bewirken.3 Die Vorbildhaftigkeit dieser Aufführungen ist gerade in seinem Hauptwerk, dem Abendmahl-Altar erlebbar. Dieser wurde zu einem ausgiebig und zahlreich kommentierten Fallbeispiel in der Selbstporträtforschung – und einem Paradefall zur Dokumentation von Identifikationsschwierigkeiten. Das Abendmahl-Triptychon wurde wie der Erasmusaltar von der in Löwen ansässigen Bruderschaft vom Heiligen Sakrament geordert. Eine Folge von Gerechtigkeitsbildern – darunter das Gemälde mit der Feuerprobe) – die mit Zyklen gleicher Thematik von Rogier van der Weyden4 und Gerard David in Zusammenhang stehen, wurde hingegen von der Löwener Stadtverwaltung in Auftrag gegeben. Überlegungen zu möglichen Assistenz- bzw. Rollenporträts in diesen Werken sind in der Datenbank aufgearbeitet. Übergreifende Verbindungsebenen führen zu Sujets wie dem Autorenbild (Dedikationsbild) oder dem holländischen Gruppenporträt, während oeuvreinterne Zitate innere Bezugnahmen verdeutlichen. Gerade im Falle der Bildnisse im Abendmahl-Altar und in den Gerechtigkeitstafeln führen werkbasierte Beobachtungen zu gegengleich verifizierenden Argumenten (Übereinstimmungen in u. a. Figurengestaltung, kompositioneller Verankerung, Kleidung, Visionscharakter, Zusammenspiel mit weiteren Personen, darunter theologische Berater, Pentimenti).

Eine weitere These zu einem integrierten Selbstbildnis betrifft die Tafel Anbetung der Könige (die sogenannte Perle von Brabant) im Triptychon zur Anbetung der Könige. Wie Buijsen auf den Punkt bringt, sind exakte Differenzierungen im Oeuvre der Bouts-Gruppe teils nicht zu bewerkstelligen, was sich insbesondere bei der Zuschreibung der Perle von Brabant zeigt.5 Trotz einer lang andauernden Diskussion zum Meister des Triptychons, der teils als Dieric Bouts d. Ä., teils als sein Sohn Dieric d. J. erkannt wird, bleiben Unsicherheiten.6 In der vorliegenden Datenbank ist die thematisierte Selbstdarstellung bei Dieric Bouts d. Ä. gelistet.

Ein zwischenzeitlich in den Überblickswerken zum Oeuvre von Dieric Bouts nicht mehr geführtes Gemälde (ein mögliches Werkstattbild) zum Thema Der hl. Lukas zeichnet die Madonna,7 wird teils zu physiognomischen Abgleichen und zur Verifizierung der Thesen zu den integrierten Selbstbildnissen von Bouts herangezogen. Die Personifizierung des Heiligen als Patron der Maler wird dabei als Selbstdarstellung verstanden und ist als Abart eines autonomen Porträts zu werten. Ebenso verhält es sich mit einem druckgrafischen Porträt des Malers, das 1572 von Dominicus Lampsonius über das Verlagshaus Hieronymus Cock publiziert wurde.8 Auch zwei autonome Porträts werden fallweise in die Nähe der Bouts‘schen Selbstdarstellungen gerückt: Das Porträt eines Mannes in London, das vormals schon als eine Selbstdarstellung von Hans Memling angesehen wurde bzw. im Zusammenhang mit Rogier van der Weyden diskutiert wird,9 sowie das Porträt eines Mannes in New York.10 Keines dieser Bildnisse findet Eingang in die Datenbank.11

Zudem ist von Schöne ein Familienbild thematisiert. Der Autor analysierte die Aufzeichnungen der Historiker Molanus (1575) und Miraeus (1608), die jeweils von einem Bildnis des Meisters mit seinen Söhnen berichten. Schöne resümiert, dass in beiden Fällen dasselbe Bild gemeint sei, das „vielleicht die Grabtafel des in der Franziskanerkirche begrabenen Meisters war.“ Ob es sich dabei um ein Selbstporträt von Dieric d. Ä. oder ein von Dieric d. J. geschaffenes Porträt des Vaters handelte, bleibt offen.12

Signaturen finden sich im Werk von Dieric Bouts nicht.13

Verweise

  1. Buijsen 2021. Zu Dieric Bouts vgl. u. a. Kruse 1994; Périer-D'Ieteren 2006b; Smeyers 1998a.↩︎

  2. De Vos 2002, 126.↩︎

  3. Vgl. Franke 2012, bes. 261–265. Auch Schlie erörtert das Gemälde insbesondere vor dem Hintergrund der Mysterienspiele, vgl. Schlie 2002, 76–84.↩︎

  4. Zu den Gerechtigkeitsbildern von Rogier van der Weyden vgl. weiterführend den Vortext zum Maler.↩︎

  5. Buijsen 2021.↩︎

  6. Ebenso verhält es sich mit der Datierung der Arbeit. Zum Forschungsstand zur Eingrenzung und Identifikation des Meisters der Perle von Brabant vgl. u. a. Périer-D'Ieteren 2006a, 314, vgl. weiterführend 319–321.↩︎

  7. Dieric Bouts (Werkstatt ?), Der hl. Lukas zeichnet die Madonna, um 1490, Barnard Castle, The Bowes Museum. Das Gemälde ist u. a. in den Werkverzeichnissen der nachfolgenden Publikationen nicht gelistet: Buijsen 2021; Périer-D'Ieteren 2006b; Smeyers 1998a. Zum Gemälde als mögliche Selbstdarstellung von Bouts bzw. als Identifikationsparameter für integrierte Selbstinszenierungen des Malers vgl. in jüngerer Zeit etwa van Calster 2003, 468.↩︎

  8. Jan Wierix (zugeschrieben), Porträt von Dierick Bouts (Theodoro Harlemio, Pictori), 1572, in: Lampsonius 1572, o. S. [15].↩︎

  9. Dieric Bouts, Porträt eines Mannes, 1462, London, National Gallery. Zur Geschichte der Zuschreibungen des Porträts und zu Diskussionen um den vermuteten Selbstbildnischarakter vgl. u. a. Cavalcaselle/Crowe 1875, 280; De Vos 1994, 353f; Kruse 1994, 215f; Passavant 1833, 94. Zum verlorenen Selbstbildnis vgl. zudem den Vortext zu Memling.↩︎

  10. Dieric Bouts, Porträt eines Mannes, um 1470, New York, Metropolitan Museum of Art. Zu Thesen zum Porträt als mögliche Selbstdarstellung vgl. u. a. Hulin de Loo 1902, 11; Martens 2006, 124f; Ring 1913, 103; Smeyers 1998b, 451; van Calster 2003, 468. Es handelt sich bei den Porträts in London und New York zudem um die einzigen anerkannten autonomen Porträts von Dieric Bouts; zu den Porträts bei Bouts vgl. u. a. Martens 2006, 114–119.↩︎

  11. Zu physiognomischen Vergleichen möglicher integrierter Selbstdarstellungen mit den diversen Porträts vgl. weiterführend die Forschungsstände in den Katalogeinträgen zum Martyrium des hl. Erasmus, zum Abendmahl-Altar und zur Feuerprobe.↩︎

  12. Vgl. u. a. Schöne 1938, 157, zu den abgedruckten Quelltexten vgl. 249 (Dok. 92), 249f (Dok. 93); Smeyers/van Buyten 1975.↩︎

  13. Burg 2007, 398.↩︎

Zugehörige Objekte

Literatur

Buijsen, Edwin: Bouts, Dierick (1415), in: Allgemeines Künstlerlexikon Online, 2021, https://www.degruyter.com/database/AKL/entry/_10138064/html (03.04.2023).
Burg, Tobias: Die Signatur. Formen und Funktionen vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert (Kunstgeschichte, 80), Berlin 2007.
Calster, Paul van: Of Beardless Painters and Red Chaperons. A Fifteenth-Century Whodunit, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 66. Jg. 2003, H. 4, 465–492.
Cavalcaselle, Giovanni Battista/Crowe, Joseph Archer: Geschichte der altniederländischen Malerei, Leipzig 1875.
De Vos, Dirk: Hans Memling. Das Gesamtwerk, Zürich u. a. 1994.
De Vos, Dirk: The Flemish Primitives. The Masterpieces; Robert Campin (Master of Flémalle), Jan van Eyck, Rogier van der Weyden, Petrus Christus, Dieric Bouts, Hugo van der Goes, Hans Memling, Gerard David, Princeton 2002.
Franke, Susanne: Raum und Realismus. Hugo van der Goes’ Bildproduktion als Erkenntnisprozess, Frankfurt am Main u. a. 2012.
Hulin de Loo, Georges (Hg.): Exposition de Tableaux Flamands des XIVe, XVe et XVIe Siècles. Catalogue critique. Précédé d'une introduction sur l'identité de certains Maitres Anonymes (Ausstellungskatalog, Brügge, 1902), Gent 1902.
Kruse, Christiane: Dokumentation. Dieric Bouts, in: Belting, Hans/Kruse, Christiane (Hg.): Die Erfindung des Gemäldes. Das erste Jahrhundert der niederländischen Malerei, München 1994, 204–220.
Lampsonius, Dominicus: Pictorum aliquot insignium Germaniae inferioris effigies, 1572, https://play.google.com/books/reader?id=hGxOAAAAcAAJ&hl=de&pg=GBS.PP1 (03.04.2021).
Martens, Didier: The portraits, in: Périer-D'Ieteren, Catheline (Hg.): Dieric Bouts. The Complete Works, Brüssel 2006, 112–125.
Passavant, Johann David: Kunstreise durch England und Belgien. Nebst einem Bericht über den Bau des Domthurms zu Frankfurt a. M. Mit 10 Abbildungen, Frankfurt am Main 1833.
Périer-D'Ieteren, Catheline (Hg.): Dieric Bouts. The Complete Works, Brüssel 2006.
Périer-D'Ieteren, Catheline: Catalogue, in: Périer-D'Ieteren, Catheline (Hg.): Dieric Bouts. The Complete Works, Brüssel 2006, 230–369.
Ring, Grete: Beiträge zur Geschichte der niederländischen Bildnismalerei im 15. und 16. Jahrhundert (Beiträge zur Kunstgeschichte, N. F. 40), Leipzig 1913.
Schlie, Heike: Bilder des Corpus Christi. Sakramentaler Realismus von Jan van Eyck bis Hieronymus Bosch, Berlin 2002.
Schöne, Wolfgang: Dieric Bouts und seine Schule, Berlin 1938.
Smeyers, M. (Hg.): Dirk Bouts. Een Vlaams primitief te Leuven (Ausstellungskatalog Sint-Pieterskerk en Predikherenkerk, Löwen, 19.09.1998–06.12.1998), Löwen 1998.
Smeyers, M.: Portret van een Man. Dirk Bouts, ca. 1470, in: Smeyers, M. (Hg.): Dirk Bouts. Een Vlaams primitief te Leuven (Ausstellungskatalog, Löwen, 19.09.1998–06.12.1998), Löwen 1998, 451–452.
Smeyers, Maurits/Buyten, Léon van: Portret van Dieric Bouts de Oudere, in: Dirk Bouts en zijn tijd (Ausstellungskatalog, Löwen, 12.9.–3.11.1975) 1975, 185–187.

Zitiervorschlag:

Krabichler, Elisabeth: Bouts d. Ä., Dieric (Künstler), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/kuenstler/bouts-d-a-dieric/ (05.12.2025).