Castagno, Andrea dal

Bildrechte
Weitere Namen:Andrea dal Castagno; Andrea Del Castagno; Andrea di Bartolo; Andrea di Bartolo di Simone; Andreino di Bartolo; Andrea di Bartolo di Bargilla; Andrea dal Castagno di Mugello; André del Castagno; Andrea di Bartolommeo; Andrea DelCastagno, Andrea del Castagana; Andrea Delcastagno; Andrea degl’Impiccati
Geburt: um 1419 in Castagno
Tod: 1457 in Florenz
Lexika: AKL | GND

Andrea del Castagno werden von der Forschung einige Selbstporträts zugewiesen, vielleicht sogar mehr als anderen Künstlern seiner Zeit: „Few other Quattrocento painters can have had so many self-portraits claimed for them“.1 Es handelt sich dabei vor allem um autonome Darstellungen, denen keine Katalogbeiträge gewidmet sind. Am bekanntesten ist die Zuweisung, die Vasari in seinen Viten unternimmt. Dieser behauptet, del Castagno habe sich in einem Tondo der nicht mehr erhaltenen Malereien in S. Egidio in Florenz als Judas dargestellt.2 Der Autor stilisiert Castagno als eifersüchtigen und jähzornigen Maler, der seinen Konkurrenten Domenico Veneziano umgebracht haben soll. Somit habe sein Charakter dem des Judas entsprochen, „dem er sowohl vom Aussehen als auch von den Taten her glich“.3 Auch der Holzschnitt in den Viten zeigt Castagno mit dunklen Zügen und einem arglistigen Blick und wurde wahrscheinlich nach dem verschollenen Judasbildnis in S. Egidio geschaffen.4 Die Mordlegende ist inzwischen widerlegt – Domenico verstarb vier Jahre nach Castagnos Tod –, dennoch wurde Castagnos Charakterbild von der negativen Darstellung Vasaris überschattet. Nach Horster soll es dazu geführt haben, dass ein vermutetes Selbstporträt in Gestalt des heiligen Elternmörders Julianus in der Kirche der SS. Annunziata in Florenz zeitweise übertüncht war.5 Auch Fortuna erkennt in dieser Darstellung des Julianus ein Selbstporträt.6 Einem hingegen dreht die Argumentationskette um und sieht in eben dem vermuteten Selbstporträt Castagnos in Gestalt des heiligen Elternmörders den Ursprung der Mörderlegende, die dann von Vasari aufgegriffen worden sei.7 Nachdem diese Heiligengestalt nicht mit Christus interagiert und somit nicht in ein erzählerisches Geschehen eingebettet ist, wird auch dieses Selbstbildnis als autonom erachtet und daher nicht im Katalog behandelt.

Richter vermutet ein sehr frühes Selbstporträt auf einer Wandmalerei in Castiglione Olona in Gestalt eines jungen Mannes, der aus einem Arkadenfenster blickt.8 Diese Zuweisung als autonomes Selbstbildnis wird in der Castagno-Forschung nicht weiter aufgegriffen. Salmi vermutete in dieser Figur ein Künstlerselbstbildnis, das er Paolo Schiavo zuschrieb, inzwischen ist es als Selbstporträt des Lorenzo di Pietro, genannt „Il Vecchietta“, anerkannt.9 Von mehreren Autoren wird jedoch die Möglichkeit diskutiert, dass sich Castagno in der autonomen Gestalt des hl. Lukas in den Fresken der Cappella S. Tarasio in S. Zaccaria in Venedig verewigt haben könnte, eine Form des Selbstbildnisses, die in dieser Datenbank nicht behandelt wird.10 Neben dem Porträtcharakter im allgemeinen und der Funktion des Heiligen als Patron der Maler dient Berti die Ähnlichkeit zum Vasari-Holzschnitt als Argument dafür.11 Nach Hartt war der Blick der Figur ursprünglich auf die BetrachterInnen gerichtet, was ein weiteres Indiz für ein Selbstporträt darstellt.12 Eine Interpretation der auffallenden Gesichtszüge des Heiligen als Porträt Donatellos ist ebenfalls vermutet worden.13 Schließlich glaubte Fortuna in der Gestalt des Apostels Andreas in der Abendmahlsdarstellung des Klosters S. Apollonia in Florenz ein Porträt des Künstlers von eigener Hand zu erkennen. Als integriertes Selbstporträt ist ihm ein Katalogbeitrag gewidmet.

Verweise

  1. Dunlop 2015, 28 (Anm. 13).↩︎

  2. Etwa Roettgen 1996, 256.↩︎

  3. Vasari 2011, 65.↩︎

  4. Zitiert bei Einem 1962, 439 (Anm. 37). Der hl. Julianus und der Erlöser, um 1453, SS. Annunziata, Florenz.↩︎

  5. Fortuna 1957, 69 (Anm. 70). Er erwähnt auch die Zuweisung von Mario Salmi.↩︎

  6. Einem 1962, 439.↩︎

  7. Richter 1943, o. S. (Tafel 3 B).↩︎

  8. Horký 2003, 46. Siehe dazu auch die Vorbemerkung zu Masolino.↩︎

  9. Berti 1966, 19; 31; Hartt 1959, 174f; Prinz 1966, 66.↩︎

  10. Berti 1966, 9.↩︎

  11. Hartt 1959, 175.↩︎

  12. Meller 1960, 9.↩︎

Zugehörige Objekte

Literatur

Berti, Luciano: Andrea Del Castagno (I diamanti dell'arte, 5), Florenz 1966.
Dunlop, Anne: Andrea del Castagno and the Limits of Painting (Renovatio artium. Studies in the Arts of Renaissance), London u. a. 2015.
Einem, Herbert von: Castagno ein Mörder? in: Bandmann, Günter (Hg.): Der Mensch und die Künste. Festschrift für Heinrich Lützeler zum 60. Geburtstag, Düsseldorf 1962, 433–442.
Fortuna, Alberto Maria: Andrea dal Castagno (Pocket Library of Studies in Art, 9), Florenz 1957.
Hartt, Frederick: The Earliest Works of Andrea Del Castagno: Part One, in: The Art Bulletin, 41. Jg. 1959, H. 2, 159–181.
Horký, Mila: Der Künstler ist im Bild. Selbstdarstellungen in der italienischen Malerei des 14. und 15. Jahrhunderts, Berlin 2003.
Meller, Peter: Ritratti „bucolici“ di artisti del Quattrocento, in: Emporium, 66. Jg. 1960, H. 132, 3–9.
Prinz, Wolfram: Vasaris Sammlung von Künstlerbildnissen. Mit einem kritischen Verzeichnis der 144 Vitenbildnisse in der zweiten Ausgabe der Lebensbeschreibungen von 1568, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 12. Jg. 1966, Beiheft, 1, 3–158.
Richter, Georg Martin: Andrea dal Castagno, Chicago 1943.
Roettgen, Steffi: Wandmalerei der Frührenaissance in Italien. Band 1. Anfänge und Entfaltung 1400–1470, München 1996.
Vasari, Giorgio (1568): Das Leben der Maler Andrea aus Castagno in Mugello und Domenico Veneziano, in: Graul, Jana/Damm, Heiko (Hg.): Das Leben des Filippo Lippi, des Pesello und Pesellino, des Andrea del Castagno und Domenico Veneziano und des Fra Angelico (Edition Giorgio Vasari), Berlin 2011, 52–69, 157–191.

Zitiervorschlag:

Rupfle, Harald: Castagno, Andrea dal (Künstler), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/kuenstler/castagno-andrea-dal/ (05.12.2025).