David, Gerard
Bildrechte
| Weitere Namen: | Gerard van Brügge; Gheeraert David; Gerard Davit; Gérard David; Janszoon David; Gerard Davidt |
| Geburt: | um 1460 in Oudewater |
| Tod: | 1523 in Brügge |
| Lexika: | AKL | GND |
„Wenn man das Oeuvre von Gerard David betrachtet [1475 bis 1515–1520], dann scheint es, als vollziehe man die stilistische Entwicklung der gesamten altniederländischen Malerei des fünfzehnten Jahrhunderts nach“,1 so De Vos. Auch hinsichtlich der Porträterfassung und Selbstinszenierungen des Malers ist Synthesefähigkeit festzustellen.
Die Diskussionen um Selbstdarstellungen von Gerard David betreffen verschiedene Sujets: ein Stifterbild, ein autonomes Porträt, integrierte Selbstbildnisse, Bildnisse in Rollen und kryptomorphe Inszenierungen. Weitere selbstbezeichnende Verweise, wie etwa Signaturen, sind im Oeuvre des Meisters nicht vorhanden.2
Als Selbstporträts in Assistenz des 15. Jahrhunderts sind Hirtenfiguren in den Szenen zur Geburt Christi in Budapest und Cleveland, Assistenzfiguren in der Kreuzigung in Madrid, der Anbetung der Könige in Brüssel und im Urteil des Kambyses thematisiert.3 Die teils umfangreichen Stellungnahmen zu den möglichen Selbstdarstellungen in den drei letztgenannten Gemälden sind in entsprechenden Katalogeinträgen aufgearbeitet, während die Identifikationen in den beiden Tafeln zur Geburt Christi kaum Nachhall in der Forschung fanden und auch im Rahmen dieser Datenbank nur in Form von Minimaleinträgen bedacht sind.
Gerard David’s bekannteste und weitgehend akzeptierte Selbstdarstellung findet sich im Marienbild Virgo inter Virgines,4 dem einzigen zur Gänze dokumentierten (datierten und authentifizierten) Gemälde des Malers.5 Die zentral im Bild thronende Gottesmutter mit Kind (Hodegetria) ist von zahlreichen weiblichen Heiligen und zwei musizierenden Engeln umgeben. Das von Weale 1895 festgeschriebene Selbstporträt positionierte David in der hinteren Ebene der Tafel, die er 1509 dem Karmeliterorden in Brügge (der Bruderschaft vom Berg Zion) stiftete. Parallel dazu malte er im rechten Bereich das Porträt seiner Gattin Cornelia Cnoop.6 Bereits 1863 hatte Weale eine vergleichbare Zeichnung aus dem späten 16. Jahrhundert thematisiert – ein Porträt versehen mit der Inschrift „Maistre David, peintre excellent“, das als Kopie des Selbstbildnisses nach der Tafel in Rouen gilt und in der Bibliothèque municipale in Arras verwahrt ist.7 Die malerische Konzeption, die detailreiche Verarbeitung im Gemälde und die konzeptionelle Verankerung lassen die Intention des Künstlers erkennen, ein repräsentatives, intensives und wahrnehmbares Selbstporträt zu schaffen.8 Das mehrfach funktionale Stifterbild (Devotio,9 Urheberschaft, metapikturale Selbstreferenz10) gibt Einblicke in die Physiognomie von Gerard David und dient folglich als Grundlage für weitere Zuschreibungen von Selbstdarstellungen (wenngleich auf Ähnlichkeiten basierende Argumente kritisch zu hinterfragen sind).11 Trotz dieser Bedeutung des Malerporträts für die Selbstporträtforschung und auch der Relevanz des Gemäldes als Hauptwerk im Oeuvre Davids erhält es wegen der Datierung außerhalb des Betrachtungszeitraums des Projekts keinen gesonderten Eintrag in die Datenbank.
Ebenso verhält es sich mit einem als Selbstporträt thematisierten Bildnis in Davids Baum Jesse,12 das die Kriterien eines integrierten Selbstbildnisses nicht erfüllt, sondern vielmehr als eine Variante eines autonomen Porträts zu werten ist. Die fragliche Figur eines jungen Mannes in der Rolle des hl. Simon (mit dem Attribut einer Säge und in Arbeitskleidung), links des Throns der Heiligen, blickt – mit Ausnahme des Jesuskindes – als einzige der Dargestellten auf die BetrachterIn. Nach Bodenhauser muss diese Figur ein Selbstbildnis sein, wenngleich die jugendliche Ausstrahlung des Porträts zu Vermutungen führte, es könne sich ebenso um die Selbstinszenierung eines Lehrlings von David handeln.13 Weiters erfahren auch mögliche Selbstbildnisse in Assistenz des 16. Jahrhunderts in der Berliner Kreuzigung Christi14 und im Altar des Jean de Trompes15 keine weitere Behandlung. Eine andere, nicht bearbeitete Rubrik umfasst Gemälde undefinierter Zuschreibung aus dem 16. Jahrhundert zu den Sujets Hochzeit zu Kana,16 Beweinung Christi17 und Himmelfahrt Mariens.18 Genauso wenig wird ein Hinweis auf ein mutmaßliches Selbstbildnis in einem nicht konkretisierten Abendmahlaltar verfolgt.19
Ein weiteres Gemälde Gerard Davids, eine Anbetung der Könige nach Hugo van der Goes, wird darüber hinaus indirekt in der Datenbank behandelt:20 Als Kopie eines verlorenen Prototyps von van der Goes dient es lediglich als Referenz.
Verweise
De Vos 2002, 189.↩︎
Burg 2007, 397.↩︎
Zu Selbstdarstellungen in Gerechtigkeitsbildern vgl. die Ausführungen bei Rogier van der Weyden, dessen Gerechtigkeitsbild nicht erhalten ist, und den Beitrag zum Gemälde Die Gerechtigkeit des Kaisers Otto III. von Dieric Bouts.↩︎
Gerard David, Virgo inter Virgines, 1509, Rouen, Musée des Beaux-Arts.↩︎
Zum Gemälde vgl. u. a. Bakhuÿs 2011; Birnfeld 2009, 209–211; van Miegroet 1989, 297f. Zu Gerard David allgemein vgl. bes. Ainsworth 1998b; van Miegroet 1989.↩︎
Zur Erstidentifizierung des Stifterpaars vgl. Weale 1895, 28–31. Die Deutung der schwarz gekleideten Dame mit weißer Haube als Ehefrau Gerard Davids findet weitgehende Zustimmung; zum Forschungsstand zum Porträt von Cornelia vgl. u. a. Ainsworth, die zudem eine Zeichnung aus dem Städelschen Kunstinstitut als mögliches weiteres Bildnis von Cornelia thematisiert. Ainsworth 1998b, 12 (Abb. 7), 17, 89 (Anm. 55). Eine Abweichung hierzu liefert Bodenhausen, der diese Dame als Porträt von Fr. van Lambyn (Stifterin) vorschlägt, vgl. Bodenhausen 1905, 163. Zu Überlegungen zum Selbstporträt vgl. u. a. Ainsworth 1998b, 81–85; Bodenhausen 1905, 2, 161; Boon o. J., 5; Destrée 1913, 156f; Destrée 1914, 20; Friedländer 1965, 63, 65; Gigante 2010, 130; Heller 1976, 51; Kapfer 2008, 65f, 73; King 1991, 240, 251, 255; Ring 1913, 104; Sander 1999, 244; Snyder/Silver 2005, 206–209, bes. 209; van Miegroet 1989, 164, 222, 297; vgl. weiterführend die Forschungsstände in den Katalogeinträgen zu Gemälden Gerard Davids in der vorliegenden Datenbank.↩︎
1863 hatte Weale den Zusammenhang der Zeichnung mit einem weiteren Selbstporträt Gerard Davids im Urteil des Kambyses hergestellt, vgl. Weale 1863, 228. Die These, dass es sich auch bei der Grafik um ein Selbstporträt des Künstlers handeln könnte, die Birnfeld unter Bezugnahme auf Graybowski Scillia 1984 erläutert, kann weder verifiziert werden noch wird sie weiter verfolgt. Trotz intensiver Bemühungen war es nicht möglich, in die Dissertation von Diane Graybowski Scillia Einsicht zu bekommen. Vgl. Birnfeld 2009, 66 (Anm. 209), zum Stifterpaar umfassend 66–72. Zu einer frühen emotional geprägten Charakterisierung der Zeichnung, die auf einen fromm-traurigen Charakter des Malers verweisen soll vgl. Michiels 1866, 137. Eine Abbildung des anonymen Porträts des Gerard David, spätes 16. Jahrhundert, Arras Bibliothèque municipale, Codex, MS 266, fol. 277 findet sich u. a. bei van Miegroet 1988, 20 (Abb. 2).↩︎
Wie Ainsworth anhand der Auswertungen von IRR-Aufnahmen feststellen konnte, inszenierte David ein selbstbewusstes Statement, indem er seine Präsenz durch detailgenaue Ausführungen des Porträts und durch Lichteffekte verstärkte. Um die Wirkung zu erhöhen, setzte der Maler etwa einen tiefen Schatten hinter das ursprünglich in einem helleren Hintergrund verankerte Selbstporträt. Nach der Autorin spiegelt die Herangehensweise die Intention Davids, einen subtilen „spotlighted effect“ zu erzielen. Vgl. Ainsworth 1998a, 80f, bes. 81; Ainsworth 1998b, 83–85, bes. 85.↩︎
Obwohl die Gedenkfunktion des Gemäldes unbekannt ist, darf im Falle der Selbstdarstellung innerhalb des sakralen Gemäldes und der Verankerung nahe der Gottesmutter mit Kind von devotionalen Aspekten ausgegangen werden. Zu Davids ebenfalls unklaren Beziehungen zum Konvent vgl. u. a. Ainsworth 1998b, 79.↩︎
Zum Selbstbildnis als Zeichen des Herstellungsprozesses vgl. ebd., 81–83. Bezugnehmend auf den hl. Lukas, den Schutzpatron der Maler, spricht sich die Autorin für eine selbstbewusste Selbstthematisierung von David als Maler aus, der sich in einer sowohl inhaltlich als auch formal privilegierten Position als Stifter, Beobachter und Produzent einbringt. Analogien zum Porträtmaler der Gottesmutter seien evident.↩︎
Wesentlich scheint hierbei insbesondere Destrées frühe Charakterisierung der Physiognomie des Stifterbildes, die häufig als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen verwendet wurde. Destrée beschreibt den Maler als einen Mann mit ausgeprägten Augenhöhlen, einer langen Nase, in die Stirn fallenden Haaren, mandelförmigen Augen und einem schmalen Mund. Vgl. Destrée 1913, 156f. Ein ähnliches Procedere ist im Zusammenhang mit Herlins Selbstporträt als Stifter im Familienaltar (1488) festzustellen. Vgl. weiterführend den Einführungstext zu Friedrich Herlin.↩︎
Gerard David, Baum Jesse, um 1500, Lyon, Musées des Beaux-Arts.↩︎
Bodenhausen 1905, 104–106, 186. Vgl. weiterführend u. a. Boon o. J., 25–27; Destrée 1913, 157; Ring 1913, 104f; van Miegroet 1989, 310.↩︎
Gerard David, Kreuzigung Christi, 1502/03, Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie. Nach Destrée hat der Maler seine bildliche Signatur in der Kreuzigung in Berlin eingebracht, vgl. Destrée 1913, 157. Van Miegroet tritt für eine frühere Datierung des Gemäldes ein – diese Einschätzung könnte nicht zuletzt die Plausibilität des vermeintlichen Selbstporträts im rechten Mittelgrund erhöhen, vgl. van Miegroet 1989, 285f.↩︎
Gerard David, Taufe Christi (Altar des Jean de Trompes), 1502–08, Brügge, Groeningemuseum. Nach Destrée hat der Maler seine bildliche Signatur ein weiteres Mal in einer Seitentafel der Taufe Christi integriert. Trotz der sehr vagen Aussage klingt an, dass der Autor den Maler in der Rolle des hl. Johannes am linken Seitenflügel erkennen will. (Es handelt sich hierbei um die einzige nicht identifizierte männliche Figur des Altars, die sich gemeinsam mit dem Stifter Jean de Trompes und dessen Sohn im Bild befindet.) Zum Selbstbildnis vgl. Destrée 1913, 157; zum Stifterbild vgl. u. a. van Miegroet 1989, 292f.↩︎
Gerard David (?), Hochzeit zu Kana, nach 1501, Paris, Musée du Louvre. Michiels will 1866 im Stifterpaar in der Hochzeit zu Kana dieselben Figuren dargestellt wissen wie in Davids Stifterbild in Rouen, eine These, die etwa von Bodenhausen bereits abgelehnt wurde. Vgl. Bodenhausen 1905, 139 (Anm. 3); Michiels 1866, 145. Zum Status des Gemäldes als Werkstattbild vgl. u. a. Ainsworth 1998b, 3, 320; van Miegroet 1989, 307f.↩︎
Gerard David (?), Beweinung Christi, vor 1510, Privatsammlung. Das Gemälde ist bei van Miegroet in der Rubrik „Followers and Imitators“ gelistet; in Ainsworths Werkverzeichnis fand es keinen Eingang. Vgl. Ainsworth 1998b, 319f; van Miegroet 1989, 319. 1947 glaubt Dubiez aufgrund physiognomischer Vergleiche mit bekannten Selbstdarstellungen Davids (etwa in Rouen) eine Selbstdarstellung in der Figur des hl. Johannes zu erkennen. Als weitere Argumente für seine These führt der Autor mangelnde emotionale Teilhabe an der Handlung, die Gestaltung der Körperhaltung, die Ausführung der Augen (als Hinweis auf die Fertigung vor einem Spiegel) und die Inszenierung des linken Arms (als Verweis auf die tätige Hand des Malers) an. Dubiez hegt keinerlei Zweifel an seiner These und nimmt das Porträt weiterführend zum Anlass, die Beweinung Christi im Frühwerk Davids zu verankern und abweichend von der allgemein anerkannten Datierung auf 1485/86 zu datieren. Vgl. Dubiez 1947, 209f.↩︎
Der Vollständigkeit halber sei eine Debatte zu einem Gemälde aus der Werkstatt von Adriaen Isenbrant angeführt, dessen Zuschreibung ebenfalls ungewiss ist. Diese Diskussion soll in dieser Datenbank aber nicht weiterverfolgt werden: 1895 meint Weale in der Figur des hl. Johannes in der Mitteltafel eines Triptychons zur Himmelfahrt Mariens (um 1520, Paris, Musée de Cluny, Musée national du Moyen Âge) ein mögliches Selbstbildnis Gerard Davids zu sehen. Bodenhausen reagiert auf diesen Vorschlag, indem er erwidert, es könne sich um ein Porträt Gerard Davids aus der Hand von Adriaen Isenbrant handeln. Vgl. Bodenhausen 1905, 213; Weale 1895, 32. Zum Gemälde weiterführend vgl. u. a. Lorentz 2004.↩︎
1958 erwähnt Hartlaub in seinen Überlegungen zum „Selbstbildnerische[n] in der Kunst“ Selbstdarstellungen in Assistenz von Dieric Bouts und Gerard David in Abendmahlsaltären. Vgl. Hartlaub 1958, 96. Im Falle von David konnte kein Gemälde dieser Aussage zugeordnet werden.↩︎
Gerard David, Anbetung der Könige (Kopie nach Hugo van der Goes), 1495–1505, München, Alte Pinakothek.↩︎
Zugehörige Objekte
Anbetung der Könige
David, Gerard
vor 1498
Belgien; Brüssel; Koninklijke Musea voor Schone Kunsten van België
Geburt Christi (Cleveland)
David, Gerard
1485 bis 1490
USA; Cleveland; Museum of Art
Geburt Christi (Budapest)
David, Gerard
1483 bis 1485
Ungarn; Budapest; Szépmüvészeti Múzeum
Kreuzigung Christi
David, Gerard
ca. 1475
Spanien; Madrid; Museo Thyssen-Bornemisza
Urteil des Kambyses
David, Gerard
1498
Belgien; Brüssel; Groeningemuseum
Literatur
Zitiervorschlag:
Krabichler, Elisabeth: David, Gerard (Künstler), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/kuenstler/david-gerard/ (05.12.2025).