Dürer, Albrecht

Bildrechte
Weitere Namen:Albert Dürer; Albert Albrecht Dürer; Alberto Dürer; Albrecht Duerer; Albreht Direr; Albrehts Dīrers; Alberto Dürero; Albrecht Djurer; Al’brecht Djurer; A. Djurer; Albert Dürrer; Alb. Dürrer; Albert Durer; Alberto Durer; Albertus Durer; Albrecht Durer; Alberto Durero; Albertus Durerus; Dyûrâ
Geburt: 1471 in Nürnberg
Tod: 1528 in Nürnberg
Lexika: AKL | GND

„Dan ein guter Maler ist jnwendig voller Figur“ (Albrecht Dürer)

Der Schwerpunkt der Forschung zu Selbstdarstellungen bei Albrecht Dürer1 liegt trotz der Fülle der wissenschaftlichen Arbeiten rund um seine Person auf den autonomen Porträts, die meist in Überblickswerken2 ausführlich beschrieben sind bzw. in Ausstellungskatalogen zu Renaissanceporträts allgemein Beachtung finden.3 Einen wesentlichen Beitrag leistete Joseph Leo Koerner mit seinen wegweisenden Überlegungen aus dem Jahr 1993 zum Selbstporträt in der deutschen Kunst der Renaissance, der Dürers Selbstbildnisse am Beginn einer Ära modernen Selbstausdrucks verortete.4

Die große Anzahl von Dürers Selbstbildnissen ist eine Ausnahmeerscheinung in der Zeit um 1500.5 Er gilt als der erste Künstler, der unabhängig von Auftraggebern eine Reihe von Selbstporträts privaten Charakters und unterschiedlicher Funktionen schuf.6 Diese lassen sich in mehrere, formal unterschiedliche und zeitlich abgegrenzte Gruppen einteilen. Die Entwicklungen begannen mit grafischen Arbeiten mit Werkstattcharakter, die Einblicke in Dürers persönliches Wesen bieten. Dazu zählen die Silberstiftzeichnung Selbstporträt als 13-Jähriger (1484),7 die als das erste autonome Selbstporträt in Deutschland geführt wird,8 das Selbstbildnis mit Binde auf der Rückseite einer Hl. Familie (um 1491),9 das Selbstbildnis mit Kissen (1493),10 das Selbstporträt als Akt (um 1509)11 und die Darstellung als Kranker (1509/10).12 Eine zweite Gruppe besteht aus inhaltlich komplexen autonomen Porträts. Diese Werkgruppe beinhaltet das Selbstbildnis mit Eryngium (1493),13 das laut Koerner das erste gemalte autonome Selbstporträt des Nordens darstellt,14 das daran anschließend ausgeführte Selbstbildnis mit Landschaft (1498)15 sowie das ins „magische Jahr 1500“ datierte Münchner Selbstbildnis im Pelzrock,16 das den Höhepunkt der Reihe markiert. In letzterem gleicht sich der Maler im Typus des Salvator mundi dem Abbild Christi an. Vor dem ideologischen Hintergrund der 1499/1500 von Conrad Celtis verfassten Epigramme, in denen Dürer als neuer Apelles – als Neubegründer der Malkunst in der Nachfolge der Antike genannt ist,17 wird dieses Bildnis zu einem künstlerischen Programmbild.

Gleichzeitig ist festzustellen, dass sich die Forschung nur in wenigen Fällen eingehend mit Dürers zwischen 1504(06) und 1511 entstandenen, in größeren Bildzusammenhängen eingebrachten Selbstbildnissen beschäftigte, die erstmals 1934 von Hugo Kehrer grundlegend erfasst wurden.18 Diese Selbstdarstellungen sind als Bildwerke des 16. Jahrhunderts in der Datenbank nicht berücksichtigt. Im vorliegenden Forschungsprojekt erfuhren sie dennoch große Aufmerksamkeit und sind in verschiedenen Beiträgen im Sammelband An der Schwelle des Bildes, der die Ergebnisse der gleichnamigen Tagung festhält, behandelt.19 Dabei wurde offensichtlich, dass Dürers integrierte Selbstdarstellungen die autonomen in mehrfacher Hinsicht übertreffen – sowohl in ihrem Innovationsgehalt als auch in der Komplexität der Aussage und der Öffentlichkeitswirksamkeit gegenüber dem zeitgenössischen Publikum.20 Anhand seines Oeuvres lässt sich die Bedeutungssteigerung des integrierten Selbstporträts in seltener Klarheit belegen. Schritt um Schritt forcierte er in seinen Altarbildern sowohl die kompositorische Isolation als auch die Intensität der Bezugnahme auf die BetrachterIn – von einer noch verschleierten Form in der Rolle eines Trommlers im Jabach-Altar (1503–05)21 hin zu einer konsequenten Separation des Selbstbildnisses im Landauer-Altar (1511).22 Ebenso komparativ gestaltete er die seinen Bildnissen beigefügten Signaturen: von cartellini im Rosenkranzfest (1506)23 und in der Marter der zehntausend Christen (1508)24 hin zu Signaturtafeln im Heller-Altar (1507–09), der als Kopie von Jobst Harrich erhalten ist,25 und im Landauer-Altar, der auch in dieser Hinsicht den finalen Höhepunkt markiert.

Daneben existieren weitere Gemälde, die als Träger von Selbstdarstellungen vorgeschlagen wurden. So zeige sich Dürer etwa als Magier in der Florentiner Anbetung der Könige (1504),26 eine These, die in der Forschung wenig Zustimmung erfuhr.27 Auch in der Druckgrafik, in der sich Dürer insbesondere durch den marketingstrategischen Einsatz seines bereits 1497 entwickelten Monogramms auszeichnet,28 sind einige Bildnisse als Selbstdarstellungen vorgeschlagen. Dies betrifft unter anderem den links hinten positionierten Fackelträger im Blatt zur Gefangennahme Christi (um 1509)29 in Dürers Holzschnittfolge zur Kleinen Passion, der von Kristina Herrmann Fiore als Präfiguration von Caravaggios Selbstporträt mit Laterne im Dubliner Gemälde zur Gefangennahme (1602)30 vorgeschlagen wurde.31

Im Zuge der Recherchen zu den integrierten Selbstdarstellungen im 15. Jahrhundert fiel ein Bildnis in einer Dreierkonstellation am linken Bildrand des Greverade-Altars von Hans Memling, das von Hans Gerhard Evers als Selbstdarstellung Dürers eingeschätzt wurde,32 besonders auf und ist dementsprechend in einem Katalogeintrag aufgearbeitet.

Verweise

  1. Zu „Dan ein guter Maler ist jnwendig voller Figur“ siehe Aus Dürers Lehrbuch der Malerei: Dürer (hg. von Rupprich 1966), 112.↩︎

  2. Vgl. u. a. Anzelewsky 1991; Grebe 2006; Hess/Eser 2012; Imhof 2012; Wolf 2010a; Wolf 2010b.↩︎

  3. Vgl. u. a. Haag u. a. 2011, bes. die Beiträge von Pokorny/Michel 2011; Schütz 2011.↩︎

  4. Koerner 1988; Koerner 1993.↩︎

  5. Söll-Tauchert 2010, 275.↩︎

  6. Vgl. u. a. Demele 2012, 159.↩︎

  7. Albrecht Dürer, Selbstporträt als 13-Jähriger, 1484, Wien, Albertina, Graphische Sammlung.↩︎

  8. Koerner 1993, 35.↩︎

  9. Albrecht Dürer, Selbstbildnis mit Binde, um 1491, Erlangen, Universitätsbibliothek, Graphische Sammlung.↩︎

  10. Albrecht Dürer, Selbstbildnis mit Kissen, 1493, New York, Metropolitan Museum of Art, Lehman Collection. Vgl. u. a. Porras 2012, 250.↩︎

  11. Albrecht Dürer, Selbstporträt als Akt, um 1509, Weimar, Schloss Weimar. Vgl. u. a. Demele 2012.↩︎

  12. Albrecht Dürer, Selbstporträt als Kranker, 1509/10, Bremen, Kunsthalle. Vgl. u. a. ebd., 150.↩︎

  13. Albrecht Dürer, Selbstbildnis mit Eryngium, 1493, Paris, Musée du Louvre.↩︎

  14. Koerner 1993, 37.↩︎

  15. Albrecht Dürer, Selbstbildnis mit Landschaft, 1498, Madrid, Museo del Prado.↩︎

  16. Albrecht Dürer, Selbstbildnis im Pelzrock, 1500, München, Alte Pinakothek.↩︎

  17. Conrad Celtis, Kasseler Epigramm-Kodex (5. Buch), 1499/1500. Vgl. weiterführend u. a. Pfisterer 2010; Wuttke 1967, bes. 322.↩︎

  18. Kehrer 1934, 46–61.↩︎

  19. Zur internationalen Fachtagung An der Schwelle des Bildes, die im Oktober 2024 in Innsbruck abgehalten wurde, vgl. die Informationen auf der Startseite.↩︎

  20. Krabichler/Madersbacher (voraussichtlich 2026).↩︎

  21. Albrecht Dürer, Jabach-Altar (Pfeifer und Trommler), 1504, Köln, Wallraf-Richartz Museum.↩︎

  22. Albrecht Dürer, Landauer-Altar, 1511, Wien, Kunsthistorisches Museum.↩︎

  23. Albrecht Dürer, Rosenkranzfest, 1506, Prag, Národní Galerie.↩︎

  24. Albrecht Dürer, Marter der zehntausend Christen, 1508, Wien, Kunsthistorisches Museum.↩︎

  25. Jobst Harrich, Kopie nach Albrecht Dürer, Heller-Altar, 1507–09, Frankfurt a. M., Historisches Museum Frankfurt.↩︎

  26. Albrecht Dürer, Anbetung der Könige, 1504, Florenz, Gallerie degli Uffizi.↩︎

  27. Vgl. u. a. Chastel 1973, 40; Kehrer 1934, 61; Söll-Tauchert 2010, 141.↩︎

  28. Zu Dürer als Monogrammist vgl. u. a. Grebe 2006, 36; Metzger 2013, 196.↩︎

  29. Albrecht Dürer, Gefangennahme Christi (Kleine Passion, Blatt 11), um 1509, London, British Museum.↩︎

  30. Caravaggio, Gefangennahme Christi, 1602, Dublin, National Gallery of Ireland.↩︎

  31. Herrmann Fiore 1995. Zur Aufarbeitung dieser These, die in einer umfassenden Zusammenschau und in Vergleichen von Selbstdarstellungen bei Dürer und Caravaggio resultierte, vgl. die unpublizierte Masterarbeit Krabichler 2017.↩︎

  32. Evers 1972.↩︎

Literatur

Anzelewsky, Fedja: Albrecht Dürer. Das malerische Werk, Berlin (2. Aufl.) 1991.
Chastel, André: Zu vier Selbstbildnissen Albrecht Dürers aus den Jahren 1506 bis 1511, in: Ullmann, Ernst (Hg.): Albrecht Dürer. Kunst im Aufbruch (Tagungsband, Leipzig, 31.05.1971–03.06.1971), Leipzig (2. Aufl.) 1973, 37–46.
Demele, Christine: Dürers Nacktheit. Das Weimarer Selbstbildnis, Münster 2012.
Dürer, Albrecht: Schriftlicher Nachlaß. Zweiter Band, hg. von Hans Rupprich, Berlin 1966.
Evers, Hans Gerhard: Dürer bei Memling, München 1972.
Grebe, Anja: Albrecht Dürer. Künstler, Werk und Zeit, Darmstadt 2006.
Haag, Sabine/Lange, Christiane/Metzger, Christof/Schütz, Karl (Hg.): Dürer – Cranach – Holbein. Die Entdeckung des Menschen: Das deutsche Porträt um 1500 (Ausstellungskatalog Kunsthistorisches Museum Wien, Wien, 31.05.2001–04.09.2011), München 2011.
Herrmann Fiore, Kristine: Caravaggio's „Taking of Christ“ and Dürer's Woodcut of 1509, in: The Burlington Magazine, 137. Jg. 1995, H. 1102, 24–27.
Hess, Daniel/Eser, Thomas (Hg.): Der frühe Dürer (Ausstellungskatalog Germanisches Nationalmuseum, 24.5.–2.9.2012), Nürnberg 2012.
Imhof, Michael: Dürer. Meisterwerke im Großformat, Petersberg 2012.
Kehrer, Hugo: Dürers Selbstbildnisse und die Dürer-Bildnisse, Berlin 1934.
Koerner, Joseph Leo: Self Portraiture and the Crisis of Interpretation in German Renaissance Art. Albrecht Dürer, Hans Baldung Grien, and Lucas Cranach the Elder (Dissertation, University of California), Berkeley 1988.
Koerner, Joseph Leo: The Moment of Self-Portraiture in German Renaissance Art, Chicago 1993.
Krabichler, Elisabeth/Madersbacher, Lukas (Hg.): An der Schwelle des Bildes. Funktionen des Selbstporträts in der Bilderzählung der Frühen Neuzeit. Universität Innsbruck, Institut für Kunstgeschichte (voraussichtlich 2026).
Krabichler, Elisabeth: Der Künstler als Lichtbringer. Selbstinszenierung bei Dürer und Caravaggio (Masterarbeit, Universität Innsbruck), Innsbruck 2017.
Metzger, Christof: „Von den beruembten guten meystern“. Aus Albrecht Dürers Werkstatt, in: Sander, Jochen (Hg.): Dürer. Kunst – Künstler – Kontext (Ausstellungskatalog, Frankfurt am Main, 23.10.2013–2.2.20214), München u. a. 2013, 194–201.
Pfisterer, Ulrich: Apelles im Norden. Ausnahmekünstler, Selbstbildnisse und die Gunst der Mächtigen um 1500, in: Müller, Matthias (Hg.): Apelles am Fürstenhof. Facetten der Hofkunst um 1500 im Alten Reich (Ausstellungskatalog, 22.08.2010–07.11.2010), Berlin 2010, 8–21.
Pokorny, Erwin/Michel, Eva: „Conterfet auff papir“. Bildniszeichnungen der Dürerzeit, in: Haag, Sabine/Lange, Christiane/Metzger, Christof/Schütz, Karl (Hg.): Dürer – Cranach – Holbein. Die Entdeckung des Menschen: Das deutsche Porträt um 1500 (Ausstellungskatalog, Wien, 31.05.2001–04.09.2011), München 2011, 163–186.
Porras, Stephanie: „ein freie hant“: Autonomie, Zeichnen und der junge Dürer, in: Hess, Daniel/Eser, Thomas (Hg.): Der frühe Dürer (Ausstellungskatalog, 24.5.–2.9.2012), Nürnberg 2012, 245–259.
Schütz, Karl: Gestalt und Geist. Albrecht Dürer als Porträtist, in: Haag, Sabine/Lange, Christiane/Metzger, Christof/Schütz, Karl (Hg.): Dürer – Cranach – Holbein. Die Entdeckung des Menschen: Das deutsche Porträt um 1500 (Ausstellungskatalog, Wien, 31.05.2001–04.09.2011), München 2011, 79–112.
Söll-Tauchert, Sabine: Hans Baldung Grien (1484/85–1545). Selbstbildnis und Selbstinszenierung (Atlas, 8), Köln 2010.
Wolf, Norbert: Albrecht Dürer. 1471–1528. Das Genie der deutschen Renaissance, Köln u. a. 2010.
Wolf, Norbert: Dürer, München u. a. 2010.
Wuttke, Dieter: Unbekannte Celtis-Epigramme zum Lobe Dürers, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 30. Jg. 1967, 321–325.

Zitiervorschlag:

Krabichler, Elisabeth: Dürer, Albrecht (Künstler), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/kuenstler/durer-albrecht/ (05.12.2025).