Herlin, Friedrich
| Weitere Namen: | Friedrich Herlein; Friedrich Hörlein; Friedrich Hörlen |
| Geburt: | um 1435 in Rothenburg ob der Tauber |
| Tod: | 1500 in Nördlingen |
| Lexika: | AKL | GND |
Friedrich Herlins bekannteste Selbstdarstellung befindet sich im sogenannten Familienaltar von 1488, einem Marienaltar, auf dessen Mitteltafel zentral im Bild die Gottesmutter mit dem Kind thront.1 Herlin, der den Altar für die Georgskirche seiner Heimatgemeinde Nördlingen stiftete, formulierte ein Familienbild, in dem er seine erste Gattin Margarethe mit fünf Töchtern rechts, sich selbst mit vier Söhnen links der Hauptgruppe anführt. Während seine Frau der Heiligen von ihrer Namenspatronin anempfohlen wird, stellt sich Herlin selbst an die Seite des Malerpatrons Lukas. Als weitere Identifikationshinweise bringt der Maler ein Käuzchen als Künstlerzeichen im Mittelgrund links,2 sein Familienwappen (ein seitlich schreitender Löwe) im linken unteren Bildeck und das seiner Gattin (ein schwarzer Bär mit einem roten Stamm) in der rechten Ecke ein. Zu Füßen des Malers ist zudem das Wappen der Malergilde (drei Schilde) angeführt. Das datierte und signierte Werk3 verdeutlicht in der Kombination von Stifter-, Familien- und Malerbild den Wunsch Herlins nach religiöser memoria. Das Gemälde stellt in seinem funktionalen Zusammenhang eine beeindruckende Ausnahme innerhalb der Selbstporträtentwicklungen des 15. Jahrhunderts dar. Es ist als Ausdruck von beruflichem Erfolg, einer hervorragenden sozialen Stellung und entsprechendem Selbstbewusstsein des Malers zu werten.4 Als Stifterbild entspricht das Porträt nicht den Kriterien eines integrierten Selbstporträts, vielmehr ist es als eigene Kategorie in einem semi-autonomen Bereich angesiedelt, weshalb es keinen separaten Eingang in die Datenbank findet. Obwohl das Porträt stark idealisiert dargestellt ist, bietet es wertvolle Einblicke in die Physiognomie des Meisters und ist folglich bedingt geeignet, Thesen zu weiteren Selbstdarstellungen über Vergleiche zu verfestigen bzw. zu hinterfragen. Dabei bleibt zu bedenken, dass der Maler in seinen Figuren einen gewissen Formenkanon bedient (u. a. findet sich im Oeuvre wiederholt der Typus mit schlankem Gesicht, langer Nase, großen Augen) und daher Identifikationen, die rein auf Argumenten von Ähnlichkeit aufgebaut sind, mit äußerster Vorsicht zu behandeln sind.5 In den für Herlin vorgeschlagenen Selbstbildnissen (s. u.) findet sich eine Vielzahl physiognomischer Übereinstimmungen, ebenso existieren viele Abweichungen. Gerade die Formulierung der Haare reicht von lockig-lang bis glatt-kurz, von helmartigen Frisuren in verschiedenen Längen mit Stirnfransen bis zu solchen mit Mittelscheitel. Ebenso unterschiedlich ist die Auffassung der Gesichtsbehaarung: Von glatt rasierten Gesichtern über Andeutungen von Bartschatten bis zu mehr oder weniger üppig ausgearbeiteten Vollbärten ist alles vertreten. Auch weichen die Bildnisse im Grad der Stilisierung und der dargestellten Alterungszeichen voneinander ab. Folglich sind die prinzipiellen Umstände der Bildwerke bzw. die Verankerung der besprochenen Bildnisse in den Kompositionen von vorrangiger Aussagekraft für weiterführende Überlegungen.
Erste integrierte Selbstdarstellungen Herlins sind bereits für das Frühwerk thematisiert. Eine besonders herausfordernde These hierzu bietet Schaller, die Künstlerselbstporträts in mehrfacher Ausführung in nordischen Altarbildern thematisiert und solch ein Phänomen auch bei Friedrich Herlin feststellt. Dieser habe sich in seinem frühesten nachgewiesenen Werk, einem fragmentarisch erhaltenen Altar von 1459, in zwei Szenen mit insgesamt drei Selbstdarstellungen in unterschiedlichen Lebensaltern sowie in Kombination mit einem Porträt der Gattin Margarethe verewigt. Es handelt sich hierbei um eine Tafel mit der Szene der Anbetung der Könige (zwei vorgeschlagene Selbstporträts als Rollenporträts in Gestalt von Königen), die sich im Nördlinger Stadtmuseum befindet, sowie um eine weitere mit dem Sujet der Beschneidung Christi (ein vorgeschlagenes Selbstporträt mit Bildnis von Margarethe), die im Bayerischen Nationalmuseum in München verwahrt wird.6
Ein weiteres Rollenporträt des Malers als heiliger König ist für die Anbetung der Könige, einem Flügelbild des Nördlinger Altars von 1462 vorgeschlagen, das ebenfalls im Nördlinger Stadtmuseum ausgestellt ist.7 Auf dem Schreinkasten dieses Altars, der separat davon in der Georgskirche der Stadt verblieben ist, habe sich zudem auf der linken bemalten Wange eine Selbstdarstellung Herlins in der Gestalt des Propheten Jesaja8 als Pendant zur Abbildung von Johannes dem Täufer auf der gegenüberliegenden Seite erhalten. Eingebettet in gemalte Architekturelemente sind beide Heilige durch zugehörige Texte kenntlich gemacht, beim frontal auf die BetrachterIn ausgerichteten Propheten Jesaia handelt es sich um Zeilen aus Jesaia 1,4 und 40,3.9 Auf beiden Seiten gleichlautend sind ergänzend Signaturen und Datierungen angegeben: „Dis werck hat gemacht friderich herlein von rotenburck 1462“.10 Die kontrovers diskutierte mögliche Selbstdarstellung erfährt als autonomes Porträt keine tiefergehende Analyse.11
Für den Rothenburger Hochaltar von 1466, einem der am besten erhaltenen großformatigen Schreinaltäre des 15. Jahrhunderts,12 sind weitere drei Selbstdarstellungen in verschiedenen Ebenen thematisiert. Ein mögliches Rollenporträt Herlins als hl. Philippus auf der Predella bleibt erneut unbearbeitet.13 Gegenteilig verhält es sich bei den thematisierten integrierten Selbstbildnissen in den Bildfeldern Marientod der Festtagsseite (ebenfalls ein Bildnis als hl. Philippus) sowie der Einholung der Pilger auf der Werktagsseite – letztgenanntes Bildfeld steht in unmittelbarer Verbindung mit der Inschrift: „Dis werck hat gemacht Fridrich Herlein Moler. M.CCCC.LXVI. […]”14
Verweise
Friedrich Herlin, Familienaltar, 1488, Nördlinger Stadtmuseum. Zu Detailabbildungen zum Gesamtaltar vgl. Krüger 2004, 247–249.↩︎
Buchner 1923, 43f. Vergleichsweise setzt Hieronymus Bosch Eulen im Sinne von Signaturen ein. Vgl. Koerner 2014, 159.↩︎
Im Zuge einer Erneuerung des Rahmens im 19. Jahrhundert wurde die auf dem Original angebrachte Datierung „Anno domini MCCCCLXXXVIII“ überarbeitet und in den neuen Rahmen eingesetzt. Eine nachträglich eingefügte Signatur „Fried herlen Maller 1488“ sowie ein als „HF“ deutbares Monogramm befinden sich am rechten Innenflügel in der Szene von Jesus unter den Schriftgelehrten im Tempel.↩︎
Zu Herlins Familienaltar umfassend vgl. u. a. Krüger 2004, 176–181; Söll-Tauchert 2010, 105f. Zum Selbstbildnis vgl. u. a. Buchner 1953, 15; Burg 2007, 502; Gigante 2010, 121; Hofer-Kulenkamp 1999, 189f; Kehrer 1934, 24; Krüger 2004, 176, 182, 190; Kugler/Nebel 2000, 48; Legner 2009, 245; Reinle 1984, 114; Schweikhart 1993, 17; Söll-Tauchert 2010, 105f; Stange 1957, 91; Suckale 2009, 454; Warnke 1999, 122–125. Zu weiteren Künstlerselbstdarstellungen als Stifter vgl. u. a. Gigante 2010, 278f. Zu Herlins sozialer Stellung vgl. u. a. Krüger 2004, 185f. Ein vergleichbares Beispiel eines verifizierten Selbstbildnisses als Stifter, das wie das Beispiel von Herlin zur Identifizierung weiterer Selbstdarstellungen des Künstlers herangezogen wird, findet sich im Oeuvre von Gerard David im Gemälde Virgo inter Virgines (1509). Vgl. den Einleitungstext zu Gerard David.↩︎
Vgl. weiterführend Forschungsstände zu den diversen vorgeschlagenen Selbstbildnissen. Zum Formenkanon Herlins vgl. u. a. Söll-Tauchert 2010, 106 (Anm. 32).↩︎
Zu den beiden Altarflügeln vgl. u. a. Krüger 2004, 22–26, 212 (Abb. 2, 2a). Herzlichen Dank an Catherine Schaller für die Zurverfügungstellung Ihres noch unveröffentlichten Skripts. Vgl. Schaller 2021.↩︎
Zum Nördlinger Altar umfassend vgl. u. a. Kahsnitz 2005, 40–57; Krüger 2004, bes. 38–83, 219 (Abb. 9, links oben); Taubert 1974.↩︎
Friedrich Herlin, Prophet Jesaja (Nördlinger Altar), 1462, Nördlingen, St. Georg. Abbildung in Krüger 2004, 222, (links)↩︎
Ebd., 42f, 183.↩︎
Zur Inschrift vgl. u. a. Burg 2007, 609; Krüger 2004, 39.↩︎
Schmid vermutet eine Selbstdarstellung Herlins in dem mit der BetrachterIn kommunizierenden Propheten. Dieser Identifizierung schloss sich etwa Krüger an, da der Heilige entgegen den Konventionen bartlos dargestellt ist und auch Ähnlichkeiten zum Bildnis im Familienaltar aufweise. Schaller gibt hierzu einschränkend zu bedenken, dass die typische Haartracht des Malers in der Figur des Propheten nicht zu sehen ist. Vgl. Krüger 2004, 70f; Schaller 2021, 45f; Schmid 1977, 108. Ein nicht näher differenzierter Hinweis Burgs auf ein Selbstporträt im Altar von St. Georg kann weder dem Propheten Jesaja noch dem König in der Anbetung zugeordnet werden, vgl. Burg 2007, 501.↩︎
Zum Rothenburger Hochaltar umfassen vgl. u. a. Kahsnitz 2005, 58–75; Krüger 2004, 88–120.↩︎
Schon Buchner erkennt im Apostel Philippus in der Predella des Rothenburger Hochaltars unter Abgleich der Physiognomie des Porträts Herlins auf dem Familienaltar eine weitere Selbstdarstellung des Malers – eine These die etwa Krüger und Legner bestätigen. Vgl. Buchner 1923, 21; Krüger 2004, 114; Legner 2009, 442, 659 (Anm. 17).↩︎
Zur Inschrift auf dem Rothenburger Hochaltar vgl. weiterführend Katalogeintrag zur Einholung der Pilger; Burg 2007, 610; Krüger 2004, 88. Zudem existiert eine weitere Signatur „Friderich herlein maler“ und eine dritte, ähnlich lautende, selbstbezeichnende Inschrift Herlins auf dem Hochaltar von Bopfingen: „Dis werk hat gemacht Fridrich Herlein moler zuo nördlingen MCCCCLXXII“. Zu den Inschriften auf dem Bopfinger Hochaltar vgl. u. a. Burg 2007, 610; Krüger 2004, 140. Friedrich Herlin, Bopfinger Hochaltar, 1472, Bopfingen, Stadtkirche; Inschriften auf der geschlossenen Ansicht des Altars.↩︎
Zugehörige Objekte
Anbetung der Könige
Herlin, Friedrich
1459
Deutschland; Nördlingen; Stadtmuseum
Anbetung der Könige
Herlin, Friedrich
1462
Deutschland; Nördlingen; Stadtmuseum
Beschneidung Christi
Herlin, Friedrich
1459
Deutschland; München; Bayerisches Nationalmuseum
Einholung der Pilger
Herlin, Friedrich
1466
Deutschland; Rothenburg ob der Tauber; St. Jakob (Wallfahrtskirche zum hl. Blut)
Marientod
Herlin, Friedrich
1466
Deutschland; Rothenburg ob der Tauber; St. Jakob (Wallfahrtskirche zum hl. Blut)
Literatur
Zitiervorschlag:
Krabichler, Elisabeth: Herlin, Friedrich (Künstler), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/kuenstler/herlin-friedrich/ (05.12.2025).