Lippi, Fra Filippo

Bildrechte
Weitere Namen:Filippo Lippi; Filippino Lippi; Filippo; frate Fil. del Carmine; Fra Filippo di Tommaso; Fra Filippo di Tommaso di Filippo
Geburt: 1406 in Florenz
Tod: 1469 in Spoleto
Lexika: AKL | GND

Nach aktuellem Recherchestand wurden in der Forschung 18 Figuren in elf Bildern als integrierte Selbstbildnisse Fra Filippos vorgeschlagen, wovon allein sieben Vorschläge auf drei Bildfelder im Freskenzyklus des Doms in Prato entfallen. Die Vorschläge unterscheiden sich deutlich in ihrer Plausibilität, einige gelten mittlerweile als widerlegt oder wurden in dieser Datenbank nur fragmentarisch angelegt, weil bereits die Erstidentifizierenden nicht mit voller Überzeugung hinter ihren Thesen standen:

Viele dieser Selbstbildnisse lassen sich grob zwei Typen zuordnen: Bei vier der vorgeschlagenen Selbstbildnisse Fra Filippos nimmt die jeweilige Figur eine auffällige Pose ein, die mitunter mit einer Denkerpose oder einer Melancholiehaltung in Zusammenhang gebracht wird: Pala Barbadori, Marienkrönung Selbstbildnis 1, zweite kniende Figur von links, Disputation in der Synagoge Selbstbildnis 1, zweite Figur von rechts und Sieben Heilige. Die jeweils in Dreiviertelansicht gegebenen Figuren stützen dabei ihren Kopf auf eine Hand, blicken etwas gedankenversunken zum Betrachter und manche haben ihren Mund leicht geöffnet. Insbesondere die Figuren in der Pala Barbadori und in der Marienkrönung, die auch zu den sichereren Selbstbildnissen zählen, lassen dabei physiognomische Ähnlichkeiten erkennen. Für die anderen beiden Selbstbildnisse dieses Typs könnte auch zutreffen, dass sie lediglich aufgrund der vergleichbaren Haltung vorgeschlagen wurden.
Der zweite Typ tritt nur in der Wandmalerei, und hier dreimal auf: Disputation in der Synagoge Selbstbildnis 2, frontal zum Betrachter, Begräbnis des hl. Stephanus Selbstbildnis 1, zweite Figur von rechts und Marientod frontal zum Betrachter ausgerichtete Figur am Fuße des Totenbetts und ist als rundes, in Frontalansicht dargestelltes Gesicht mit abstehenden Ohren und dunkler Kopfbedeckung zu beschreiben, dessen Blick teils zum Betrachter, teils zur Seite geht. Hier findet ein Selbstbildnis (Marientod) sehr große Zustimmung, die beiden anderen werden deutlich kritischer gesehen.
Sowohl was die Nase als auch was die Fülle des Gesichts betrifft, scheinen die beiden Typen nicht unbedingt miteinander vereinbar. Daher könnte in Erwägung gezogen werden, dass entweder die Figuren des Denkertyps oder die Figuren mit Gesicht in Frontalansicht Selbstbildnisse sind, nicht aber beide. Das allerdings kann nicht der Fall sein, da es für beide Typen Beispiele gibt, die in der Forschung nahezu einhellig Zustimmung genießen. Hierzu zählt unter den Gesichtern des ersten Typs die Figur in der Marienkrönung, unter den Gesichtern des zweiten Typs die Figur im Marientod. Auch die eingehende Analyse der einzelnen Beispiele sowie ihre vergleichende Betrachtung konnten hier keine Klärung bringen.1

Ein vorgeschlagenes Selbstbildnis Fra Filippos wurde nicht in die Datenbank aufgenommen, da es sich um eine einzeln stehende Figur und somit um kein integriertes Selbstbildnis handelt: Carmichael erachtet es im Freskenzyklus in Prato für möglich, dass Fra Filippo sich im hl. Albert, der auf der rechten Seite des Altars in einer fingierten Architekturnische dargestellt ist, porträtiert hat.2 Seine These bleibt in der Forschung unberücksichtigt, allerdings geht etwa Marchini davon aus, dass der hl. Albert ebenso wie der hl. Johannes Gualbertus gegenüber auf Betreiben von Fra Filippo und Fra Diamante eingefügt wurden – gehörte ersterer doch dem vom hl. Albert gegründeten Orden der Karmeliter an, zweiterer dem vom hl. Johannes Gualbertus gegründeten Orden der Vallombrosaner.3

Etwa 20 Jahre nach Fra Filippos Tod im Jahr 1469 gab Lorenzo de’ Medici ein Epitaph für das Grab Fra Filippos in Spoleto in Auftrag, das nach einem Entwurf von Filippino von einem anonymen Meister ausgeführt wurde. Neben einer marmornen Porträtbüste in Form einer imago clipeata befindet sich am Epitaph auch eine von Angelo Poliziano verfasste Inschrift.4 Da mit Filippino der Sohn Fra Filippos maßgeblich am Auftrag beteiligt war, wird davon ausgegangen, dass die Büste ein der Realität sehr nahekommendes Porträt des Meisters darstellt – Marchini bezeichnet es etwa als das sicherste Bildnis des Malers.5 Dementsprechend wird eine Ablehnung oder Befürwortung einzelner Selbstbildnisse Fra Filippos auch mit Unähnlichkeit oder Ähnlichkeit zur Porträtbüste argumentiert.
Im Dom von Spoleto befindet sich im zentral in der Apsis positionierten Bildfeld des Marientods auch eines der weitgehend akzeptierten Selbstbildnisse Fra Filippos, das kurz vor dem Tod des Meisters entstand und dessen ungewöhnliche Gestik vielfach erörtert wurde. Dieses Selbstbildnis wird sowohl was die Physiognomie als auch was die Handhaltung betrifft als Vorbild für die Porträtbüste des Epitaphs angesehen.6 Übernommen wurde dabei nicht die rätselhafte Geste der rechten Hand des Malers im Marientod, sondern die hinweisende Geste der linken Hand. Intensiv mit dem Epitaph und der Geste im Zusammenhang mit der Inschrift hat sich etwa Roesler auseinandergesetzt.7

Da Fra Filippo Karmelitermönch war – er kam noch als Kind in das Kloster Santa Maria del Carmine,8 wo Masolino und Masaccio kurz zuvor die Brancacci-Kapelle freskiert hatten –, wird in Bezug auf seine integrierten Selbstbildnisse auch immer wieder die Frage gestellt, ob die jeweils diskutierte Figur in den adäquaten Karmeliterhabit, eine braune oder schwarze Tunika mit weißem Mantel, gekleidet ist. Ein weiteres biografisches Detail, das in der Diskussion der Selbstbildnisse auftaucht, ist die Beziehung Fra Filippos zur Nonne Lucrezia Buti, aus der zwei Kinder, darunter der Maler Filippino, hervorgingen. Mehrfach wird angenommen, Fra Filippo habe sich gemeinsam mit Lucrezia oder mit Filippino dargestellt, siehe dazu die einzelnen Katalogeinträge.9

Ein hohes Maß an Selbstreflektiertheit zeigt sich abgesehen von den Selbstbildnissen auch in der Signatur Fra Filippos in der Anbetung im Walde,10 wo auf der perspektivisch dargestellten Axt links im Vordergrund FRATER PHILIPPUS P zu lesen steht.11 Horký ordnet diese Signatur als „metaphorische Selbstdarstellung“ ein und schreibt, der Maler habe „die biblische Metapher von der ‚Rodung des Waldes‘ […] zur auktorialen Selbstdarstellung“ genutzt.12

Verweise

  1. Eine reichlich gewagte These wäre, in diesen drei Figuren Selbstbildnisse von Fra Filippos Gehilfen Fra Diamante zu sehen, der nachweislich an den beiden Freskenzyklen beteiligt war und den Fra Filippo nach Meinung von Ulmann 1893, 8 auch in der hier diskutierten Figur im Begräbnis porträtierte. Insbesondere die so prominent platzierte Figur im Marientod ist aber schwer als Selbstbildnis Fra Diamantes denkbar, der zwar für die Vollendung der Fresken in Spoleto verantwortlich zeichnete, jedoch nie einen mit seinem Meister vergleichbaren Ruhm erlangte.↩︎

  2. Marchini 1975, 210f.↩︎

  3. Siehe dazu etwa Ruda 1993, 43, der auch eine Transkription der Inschrift sowie eine freie Übersetzung ins Englische bereitstellt. Anonyme Fotografie des Epitaphs; Fotografie von Wolfgang Sauber mit anderer Beleuchtung.↩︎

  4. Marchini 1975, 9.↩︎

  5. Vgl. etwa Holmes 1999, 273 (Anm. 186); Horký 2003, 43; Marchini 1975, 9.↩︎

  6. Roesler 1999, 153–164.↩︎

  7. Ruda 1993, 23.↩︎

  8. Ebd., 40.↩︎

  9. Mit dieser Signatur beschäftigen sich auch Arasse 1996, 314; Burg 2007, 353f (auch im Kontext anderer, vergleichbarer Signaturen); Holmes 1999, 157 und am Rande auch Ruda 1993, 15. Zum Gemälde siehe Held/Schneider 1993, 149–152; Ruda 1993, 447f.↩︎

  10. Horký 2003, 53 (Anm. 254).↩︎

Zugehörige Objekte

Literatur

Arasse, Daniel: Le détail. Pour une histoire rapprocchée de la peinture (Champs, 624), Paris 1996.
Burg, Tobias: Die Signatur. Formen und Funktionen vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert (Kunstgeschichte, 80), Berlin 2007.
Carmichael, Montgomery: Fra Lippo Lippi's Portrait, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs, 21. Jg. 1912, H. 112, 194, 198–200.
Held, Jutta/Schneider, Norbert: Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert (DuMont-Dokumente), Köln 1993.
Holmes, Megan: Fra Filippo Lippi. The Carmelite Painter, New Haven, Connecticut 1999.
Horký, Mila: Der Künstler ist im Bild. Selbstdarstellungen in der italienischen Malerei des 14. und 15. Jahrhunderts, Berlin 2003.
Marchini, Giuseppe: Filippo Lippi, Mailand 1975.
Roesler, Antoinette: Selbstbildnis und Künstlerbild in der italienischen Renaissance (Dissertation, Freie Universität Berlin), Berlin 1999.
Ruda, Jeffrey: Fra Filippo Lippi. Life and Work with a Complete Catalogue, London 1993.
Ulmann, Hermann: Sandro Botticelli, München 1893.

Zitiervorschlag:

Gstir, Verena: Lippi, Fra Filippo (Künstler), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/kuenstler/lippi-fra-filippo/ (05.12.2025).