Meister von Frankfurt

Bildrechte
Geburt: um 1460 in Antwerpen (?)
Tod: unbekannt
Schaffenszeit:wirkte bis ins erste Drittel des 16. Jahrhunderts
Lexika: AKL | GND

Das Oeuvre des Meisters von Frankfurt ist aufgrund einer fehlenden eindeutigen Identifizierung des Malers und seiner Werkstatt oder auch des Anteils seiner Werkstattmitglieder schwierig zu überblicken1 – ebenso verhält es sich mit seinen mutmaßlichen Selbstporträts. Teils werden diese – mehr oder weniger glaubhaft – zur Zuweisung der Gemälde wie auch zur Ableitung biografischer Daten herangezogen. Als weitgehend gesichert gilt ein Selbstporträt des Künstlers mit seiner Gattin,2 das als frühes autonomes Künstlerselbstbildnis eines der ersten Doppelporträts der niederländischen Kunst des 15. Jahrhunderts überhaupt darstellt.3 Das Gemälde liefert wertvolle Indizien: Ausgestattet mit einer erweiterten Datierung „36 / 1496 / 27“ weist es neben der Entstehungszeit auch indirekt auf das Geburtsjahr des im Jahr 1496 36-jährigen Malers.4 Die Formulierung eines vom Lukaslöwen gehaltenen Malerwappens und die Inschrift „wt jonsten versaemt“ (in Freundschaft verbunden),5 der Wahlspruch der Antwerpener Lukasgilde, belegen die Mitgliedschaft bei eben dieser Malergilde. Das Tafelbild gilt als wesentliches Identifizierungsmoment für ein weiteres Selbstbildnis im Schützenfest,6 das als einzig relevantes integriertes Selbstporträt des Meisters im 15. Jahrhundert ausführliche Bearbeitung erfährt (was eine teilweise Mitbehandlung des Doppelporträts notwendig macht).

Daneben gibt es zahlreiche Vorschläge für integrierte Selbstdarstellungen des Meisters, überzeugend argumentiert etwa für ein Porträt im Annenaltar,7 einem Triptychon aus dem 16. Jahrhundert, das jedoch als Beispiel außerhalb des Betrachtungszeitraums der Datenbank keinen Eingang in diese findet. Das betrifft auch ein bei Goldscheider erwähntes mögliches Selbstporträt im Bethlehemitischen Kindermord in der Predella desselben Altars,8 sowie das bei King thematisierte mutmaßliche Selbstbildnis in der Rolle des hl. Johannes in einem Kreuzigungstriptychon.9

Zudem sind eine Reihe äußerst fraglicher Porträtfiguren zu erwähnen. Große Aufmerksamkeit wurde etwa von Jochen Sander auf die Ikonografie der Anbetung der Könige gelegt,10 ein Sujet, das sich auch im Umkreis des Meisters von Frankfurt findet. Zumindest ein Beispiel, die Anbetung der Könige in Wien, sollte nach Sander noch im 15. Jahrhundert gemalt worden sein.11 Da in dem Fall die Zuweisung an den Meister nicht zweifelsfrei gemacht werden kann, ist das Gemälde nur im Rahmen eines fragmentarisch bearbeiteten Eintrags in der Datenbank gelistet. Ebenso verhält es sich mit einer zweiten, dem Meister von Frankfurt bzw. seiner Werkstatt zugeschriebenen Anbetung der Könige in Antwerpen, deren Datierung fraglich ist.12 Das mutmaßliche Selbstbildnis in letzterem Gemälde wurde, wie zwei weitere – ebenfalls fragliche aus dem 16. Jahrhundert – wiederholt diskutiert. Es handelt sich um Die Legende des hl. Romuald13 (eine Episode der Schlacht von Mechelen) in Moskau sowie um eine Kreuzabnahme Christi14 in Watervliet.15 Am deutlichsten wird hierbei Goddard, der mit Ausnahme der Anbetung der Könige in Wien alle vorgeschlagenen Selbstbildnisse dem Meister von Frankfurt bzw. seiner Werkstatt zuordnet.16 „The Master of Frankfurt’s features are really quite unmistakable“, so Goddard, der als Merkmale u. a. eine vertikale Falte zwischen den Brauen, hohe Wangenknochen, hohle Wangen, ein spitzes Kinn, eine leicht konkave Nase und die lockige, etwas ungepflegt wirkende Haarpracht herausstreicht.17 Einschränkend bemerkt er nur zum Gemälde in Moskau: „The self-portrait in a panel showing the Siege of Mechelen in the Pushkin Museum, Moscow, is difficult to assess from the available photographs, but it might well be of the same artist [Master of Frankfurt] while not necessarily by the same artist.“18 Die wahrscheinliche Zuschreibung der letztgenannten Gemälde an Mitarbeiter des Meisters weist nach Gigante auf eine nahezu industriell organisierte Werkstattstruktur und darauf, dass es sich bei den möglichen Selbstdarstellungen des Meisters nicht nur um eine Signatur, sondern auch um ein einzigartiges Phänomen eines Markenzeichens in Porträtform handelt.19
Am wenigsten nachvollziehbar in der Diskussion um mögliche Selbstdarstellungen erscheint Valentiners Vorschlag, der ein Selbstbildnis in der Gestalt des hl. Johannes in einer weiteren Kreuzabnahme vorschlägt.20

Verweise

  1. „Mit großer Wahrscheinlichkeit“, so Kemperdick, handelt es sich beim Meister um den Maler Hendrik van Wueluwe, vgl. Kemperdick 2023, 131.↩︎

  2. Meister von Frankfurt, Selbstporträt des Künstlers mit seiner Gattin, 1496, Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten. Zum Doppelporträt vgl. u. a.: Birnfeld 2009, bes. 81–88, 206–208.↩︎

  3. Reynolds/Peter 2016, 27; Vandenbroeck 1985, 105.↩︎

  4. Die Zahl 27 bezieht sich auf das Lebensalter der Gattin. Birnfeld 2009, 81.↩︎

  5. Vgl. u. a. Goddard 1984, 129–131, bes. 129.↩︎

  6. Meister von Frankfurt, Schützenfest, 1493, Antwerpen, Royal Museum of Fine Arts.↩︎

  7. Meister von Frankfurt, Annenaltar, Die Familie der hl. Anna, 1504, Frankfurt am Main, Historisches Museum Frankfurt.↩︎

  8. Goldscheider 1936, Abb. 42 [o. S.]. Meister von Frankfurt, Bethlehemitischer Kindermord, um 1505, Stuttgart, Staatsgalerie.↩︎

  9. King 1991, 202; vgl. weiterführend Gigante 2010, 120f. Meister von Frankfurt, Kreuzigungstriptychon, 1500–04, Frankfurt, Städel Museum.↩︎

  10. Sander 1999.↩︎

  11. Ebd., 242f.↩︎

  12. Allgemein wird das Triptychon mit der Anbetung der Könige am Zentralblatt am Beginn des 16. Jahrhunderts verortet. Die Datierung „1500“, die sich in der Werksbeschreibung des Königlichen Museums der Schönen Künste in Antwerpen findet (KMSKA o. J.), das das Gemälde beheimatet, gibt den Ausschlag es doch – zumindest fragmentarisch – in die Datenbank aufzunehmen.↩︎

  13. Meister von Frankfurt (?), Die Legende des hl. Romuald, 16. Jahrhundert, Moskau, Puschkin State Museum of Fine Arts. Nach Périer-D’Ieteren ist das Gemälde, das auf ca. 1507 datiert, einer Serie aus 25 Tafeln zum Leben des hl. Rumold zuzuordnen, vgl. Périer-D’Ieteren 1976, 131f. Eine Tafel dieser Serie, Opfergaben und Verehrung der Reliquien des hl. Rumold vom Meister der Legende der hl. Magdalena, ist als ein Gemälde mit Selbstbildnis in der vorliegenden Datenbank im Vortext zum Meister der Magdalenenlegende erfasst.↩︎

  14. Meister von Frankfurt (?), Meister von Watervliet (?), Kreuzabnahme Christi, um 1520, Watervliet, Onze-Lieve-Vrouw Hemelvaartkerk.↩︎

  15. Vgl. u. a. Faggin 1968, 14; Goddard 1984, bes. 35f, 86f, 90–95; Libman 1960; Vanaise 1966.↩︎

  16. Goddard 1984, 35f.↩︎

  17. Ebd., 36.↩︎

  18. Ebd.↩︎

  19. Gigante 2010, 119–121, bes. 120.↩︎

  20. Valentiner 1945, 207, (Abb. 203). Nach Valentiner handelte es sich um eine Kreuzabnahme des Meisters von Frankfurt (Jan de Vos ?), geschaffen 1510, die sich in New York (Sammlung Dr. Ernst Schwarz) befand.↩︎

Zugehörige Objekte

Literatur

Birnfeld, Nicole: Der Künstler und seine Frau. Studien zu Doppelbildnissen des 15.–17. Jahrhunderts, Weimar 2009.
Faggin, Giorgio T.: La pittura ad Anversa nel cinquecento (Raccolta pisana di saggi e studi, 24), Florenz 1968.
Gigante, Elisabetta: Autoportraits en marge. Images de l'auteur dans la peinture de la Renaissance (Thèse de Doctorat, École des Hautes Études en Sciences Sociales), Paris 2010.
Goddard, Stephen H.: The Master of Frankfurt and His Shop (Verhandelingen van de Koninklijke Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Kunsten van België, Klasse der Schone Kunsten, 38), Brüssel 1984.
Goldscheider, Ludwig: Fünfhundert Selbstportraits. Von der Antike bis zur Gegenwart, Wien 1936.
KMSKA: Epifanietriptiek. Meester van Frankfurt. Over dit Werk, o. J., https://kmska.be/nl/meesterwerk/epifanietriptiek (30.09.2021).
Kemperdick, Stephan: Niederländischer Maler. Anbetung der Heiligen Drei Könige (Kopie nach dem Monforte-Altar), in: Kemperdick, Stephan/Eising, Erik (Hg.): Hugo van der Goes. Zwischen Schmerz und Seligkeit (Ausstellungskatalog, Berlin, 31.3.–16.7.2023), München 2023, 130–131.
King, Catherine: Representations of Artists and of Art in Western Europe c.1300–c.1570. 4 Bände (Dissertation, University of East Anglia), Norwich 1991.
Libman, Michail Jakovlevič: Kartina „Mastera iz Frankfurta“ v Muzee izobrazitelnych iskusstv im. A. S. Puškina, in: Gosudarstvennyj muzej izobrazitelʹnych iskusstv imeni A. S. Puškina (Hg.): Soobščenija Gosudarstvennogo Muzeja Izobrazitel’nych Iskusstv imeni A. S. Puškina, Moskau 1960, 29–35.
Périer-D’Ieteren, Catheline: Précisions iconographiques et historiques sur la série de la Légende de Saint Rombaut, in: Studia Mechliniensia 1976, 113–132.
Reynolds, Anna/Peter, Lucy: Producing and Collecting Portraits of Artists, in: Reynolds, Anna/Peter, Lucy/Clayton, Martin (Hg.): Portrait of the Artist (Ausstellungskatalog, London, 4.11.2016–17.4.2017), London 2016, 8–91.
Sander, Jochen: An Hugos Statt – Das Künstlerselbstbildnis in den Kopien und Varianten nach dem Monforte-Altar des Hugo van der Goes als Ausdruck künstlerischen Selbstbewußtseins, in: Kruse, Christiane/Thürlemann, Felix (Hg.): Porträt – Landschaft – Interieur. Jan van Eycks Rolin-Madonna im ästhetischen Kontext (Literatur und Anthropologie, 4; Tagungsband, Konstanz, 1998), Tübingen 1999, 237–254.
Valentiner, Wilhelm Reinhold: Jan de Vos, master of Frankfort, in: The art quarterly 1945, H. 8, 197–215.
Vanaise, Paul: De Meester van Watervliet en zijn Nood Gods, in: Bulletin de l'Institut Royal du Patrimoine Artistique 1966, H. 9, 9–39.
Vandenbroeck, Paul: Catalogus schilderijen 14e en 15e eeuw, Antwerpen 1985.

Zitiervorschlag:

Krabichler, Elisabeth: Meister von Frankfurt (Künstler), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/kuenstler/meister-von-frankfurt/ (05.12.2025).