Memling, Hans
Bildrechte
| Weitere Namen: | Jan Memlinc; Jan van Mimmelynghe; Jean Memling; Hans Memlinc; Jan van Memmelynghe; Hans van Brugge; John of Bruges; Hans Hemelinck; Hans Hemling; Hans Hemmeling; Hans Mamline; Khans Memling; Hans Hémelink; Hans Hemelink; Hans Hemmelinck; Hans Hemmelinck of Bruges; Jean Emmelinck; Jean Hemelinck; Jean Hemmelink; Zuan Memeglino; Zuan Memellino; Membling; Emelinck; Emmelinck; Emmelinkx; Hamelinck; Hymelinck; Himmelinck |
| Geburt: | um 1430 in Seligenstadt |
| Tod: | 1494 in Brügge |
| Lexika: | AKL | GND |
OPVS IOHANNIS HEMLING
„El retratto a oglio de Zuan Memellino ditto et di sua mano istessa, fatto dal specchio; dal qual si comprende, chelera de circa anni 65, piu tosto grasso, che altramente (et de pela rosso) rubicondo.“1 Dieser Hinweis auf ein nicht identifizierbares Selbstporträt Memlings findet sich in Marcanton Michiels Aufzeichnungen zur Malerei im Haus Kardinals Grimani (1521)2 und kommt, folgt man McFarlane und Lane, einem Hinweis auf Memlings Ansehen in der Zeit in Italien gleich.3 Selbst wenn der Wahrheitsgehalt der Notiz, aus der man eine Datierung des Bildnisses von 1490 ableiten kann, nicht verifiziert ist, weist die Überlieferung doch auf die übliche Praxis des Schaffens von Selbstporträts mit Hilfe eines Spiegels.4 Der Hinweis schuf die Basis für Diskussionen, die drei vormals als autonome Selbstporträts des Malers angenommene Brustbilder in den Fokus rückten: 1833 hat Passavant in seiner „Kunstreise durch England und Belgien“ ein autonomes Selbstbildnis von Memling vermerkt, das Ähnlichkeiten mit dem von Michiel beschriebenen aufweise: „Unser Bildnißs stellt einen Mann von sehr gesundem Ansehen vor, der selbst etwas fleischig ist“.5 Dieses Porträt entspricht dem Frankfurter Bildnis eines Mannes mit roter Mütze6, dessen Zuweisung als Selbstbildnis zwischenzeitlich zurückgewiesen wurde. Basis der Ausführungen Passavants bildet ein Vergleich mit einem weiteren von ihm als Selbstbildnis vermerkten autonomen Porträt,7 das heute Dieric Bouts d. Ä. zugeschrieben ist.8 Noch einen Hinweis auf ein vormals als Selbstporträt Memlings angenommenes Bildnis, geschaffen von Pietro Perugino, gibt Lane.9
Die schriftliche Quelle zu einem möglichen Selbstbildnis, ein unabhängiges Bildnis innerhalb eines Altarensembles, interpretiert als Selbstbild in Gestalt des hl. Johannes des Täufers,10 sowie eine Vielzahl an seit dem 19. Jahrhundert mehr oder weniger glaubhaft gemachten Vorschlägen zu Selbstbildnissen im Bildverband lassen Memling als einen, sich intensiv selbst darstellenden Künstler erscheinen. Trotz kontroverser Diskussionen stellt die Männerfigur im linken Seitenflügel mit dem hl. Johannes dem Täufer des Donne-Triptychons das anerkannteste dieser Beispiele dar, ein wenig akzeptiertes ist hingegen ein mögliches Selbstbildnis in der Haupttafel des Greverade-Altars, für dessen Kreuzigungsszene auch eine Beteiligung Albrecht Dürers vorgeschlagen ist. Generell lassen sich die möglichen Porträts Memlings in Ableitung insbesondere kompositioneller Gegebenheiten wie folgt kategorisieren: vom Geschehen weitgehend isolierte Gestalten im Hintergrund und außerhalb der zentralen Szene (Donne-Triptychon; Johannes-Altar; Anbetung der Könige, rechter Seitenflügel mit der Darstellung der Darbringung im Tempel, das Geschehen beobachtende, durch eine architektonische Schranke getrennte Figuren (Triptychon der Anbetung der Könige; Floreins-Triptychon; Die Sieben Freuden Mariens) und Assistenzporträts im Bereich der sakralen Handlung Ursula-Schrein; Greverade-Altar). Fakt ist, keine der vorgeschlagenen Figuren lässt sich einwandfrei als Selbstdarstellung von Hans Memling festlegen. Gerade die Diskussion um Ähnlichkeiten wirft große Fragen auf (auch im Zusammenhang mit „standardisierten Porträts“11 von Memlings Ehefrau). Überzeugende physiognomische Übereinstimmungen zwischen den vorgeschlagenen Bildnissen sind kaum zu erkennen, es sind nur verschiedene Gesichtstypen zu erkennen, die teils den o. a. Differenzierungskriterien angepasst scheinen: rundlich-fleischige Porträts als freistehende Protagonisten im Hintergrund und kantigere Gesichter in den Szenen der Anbetung der Könige. Nachweislich als Selbstthematisierungen erhalten sind hingegen Inschriften/Signaturen im Floreins-Triptychon und dem Johannes-Altar: OPVS IOHANNIS HEMLING.12
In ihren Überlegungen zu einer „gemalten Kunsttheorie im Johannes-Veronika-Diptychon“13 gibt Kruse Memling den Status eines reflektierenden Malers, der sich bewusst mit Jan van Eyck oder Rogier van der Weyden in Konkurrenz stellt, um seine Stellung zu festigen. Memling zeigt nach Kruse ein besonderes Interesse für das kunsttheoretische Wissen seiner Zeit und erfüllt die Standards der „neuen Malerei“, um marktfähig zu bleiben – Standards, die sich aus überliefertem Wissen (etwa der antiken Kunsttheorie) oder italienischen Entwicklungen ableiten lassen. Überzeugend erörtert die Autorin die intellektuelle Befähigung Memlings, sein aktives und bewusstes Agieren, seine Bildschöpfungen theoretisch zu hinterlegen und sakrale Bilder in den Status von Kunst zu erheben. Auch Preimesberger hat entsprechende Überlegungen zur Malerei von Jan van Eyck angestellt und kunsttheoretische Aussagen u. a. über ein integriertes Selbstbildnis van Eycks14 abgeleitet.15 Denkt man Kruses Ausführungen in Hinblick auf die Möglichkeit integrierter Selbstbildnisse bei Memling weiter – ein Motiv, das gerade in der Antike und auch in den zeitgleichen Entwicklungen in Italien großen Stellenwert hatte – so stellt sich die Frage, ob der Maler auch in dieser Hinsicht ein System entwickelt haben könnte? Nur ein Porträt, das im Ursula-Schrein, blickt direkt auf die BetrachterIn und zeichnet sich damit durch den für Selbstdarstellungen häufig eingesetzten Darstellungsmodus des direkten Blickes aus16 – alle anderen sind auf Bildsujets hin orientiert. Ist das vielleicht ein Verweis auf das Wesentliche, eine autoreferenzielle Markierung der Kunst? Nach Thiemann gestaltete Memling den Großteil seiner Arbeiten ohne Handlungsverlauf, dargestellt ist jeweils ein „einzelnes, sich im Moment des Schauens vollziehendes heiliges Ereignis in mittelbarer oder unmittelbarer Gegenwart des Auftraggebers.“17 Maler und Auftraggeber haben, so Thiemann, eine gemeinsame Basis: „Das Schöpfen des Einen ist ein Aufgreifen und im Idealfalle das Realisieren des Wollens des Anderen; und dessen Sehen ist […] die Analogie zum Schöpfungsprozess des Ersten.“18 Markierte Memling auch sich selbst als eine im Schauen begriffene Figur, dem decorum entsprechend andächtig und dennoch schöpfend, dem Stifter gleich im Bild anwesend?
Verweise
Übersetzung nach Theodor Frimmel: „Das Selbstbildnis des genannten Zuan Memellino ist in Oel vor dem Spiegel gemalt. Man entnimmt [aus dem Bilde], dass [der Maler damals] ungefähr 65 Jahre alt war, eher dick als anders und röthlich.“ Vgl. Anonimo Morelliano (hg. von Frimmel 1888), bes. 102f.↩︎
Großteils wird in der Forschung neutral auf die Notiz Bezug genommen, neben bejahenden Anmerkungen (vgl. Lobelle-Caluwé 1997, 43f; Schweikhart 1993, 20) geben weitgehend kommentarlose Zitationen (vgl. Benkard 1927, 7; Cavalcaselle/Crowe 1875, 278f; Kaemmerer 1899, 32; Kapfer 2008, 64; Ring 1913, 104) der Notiz den Status einer glaubhaften Feststellung. De Vos zeigt sich skeptisch, vgl. De Vos 1994b, 353f.↩︎
Lane 2009, 201; McFarlane (hg. von Wind 1971), 30.↩︎
Eine Ausnahme stellt eventuell das Bildnis im Greverade-Altar dar, das die für das verlorene Selbstbildnis beschriebene Körperfülle aufweist.↩︎
Passavant 1833, 391.↩︎
Hans Memling, Bildnis eines Mannes mit roter Mütze, um 1476–70, Frankfurt, Städel Museum.↩︎
Passavant 1833, 94, 391.↩︎
Dieric Bouts d. Ä., Porträt eines Mannes, 1462, London, The National Gallery. Vgl. weiterführend u. a. De Vos 1994b, 96f.↩︎
Pietro Perugino, Lorenzo di Credi, 1488, Washington, National Gallery of Art. Lane erörtert das Bildnis des Lorenzo di Credi im Zusammenhang mit Memlings Einfluss auf Peruginos Porträtkunst. Vgl. Lane 2009, 231.↩︎
Hans Memling, Johannes der Täufer, linker Seitenflügel (außen) vom Triptychon des Jan Floreins, 1479, Brügge, Sint-Janshospitaal (Memling-Museum). Vgl. Katalogeintrag zum Triptychon des Jan Floreins.↩︎
Vgl. Katalogeintrag zum Donne-Altar.↩︎
Alternativ als OPVS IOHANIS HEMLING. Zur Überlieferung von Memlings Name und Signatur vgl. u. a. De Vos 1994b, 352–354.↩︎
Kruse 1996. Hans Memling, Johannes-Veronika-Diptychon, 1470, München, Alte Pinakothek.↩︎
Jan van Eyck, Paele-Madonna, 1436, Brügge, Groeningemuseum.↩︎
Niederländische Malerei als „gemalte Kunsttheorie“ festzuschreiben, ist ein Ansatz, den Rudolf Preimesberger im Zusammenhang mit Jan van Eyck in die Kunstgeschichte einführt. Vgl. u. a. Preimesberger 1991 Preimesberger 1992; Preimesberger 1993; Preimesberger 2004; Preimesberger 2011; Trnek/Preimesberger/Fleischer 2004.↩︎
Schenkt man der Überlieferung zum verlorenen Selbstbildnis Memlings Glauben, dürfte ihm dieser Modus, der durch die Verwendung eines Spiegels impliziert ist, bekannt gewesen sein.↩︎
Thiemann 1994, 156. Ausnahmen hierzu sind etwa die Tafel der Sieben Freuden Mariens oder der Ursula-Schrein.↩︎
Ebd., 19.↩︎
Zugehörige Objekte
Anbetung der Könige (Madrid)
Memling, Hans
um 1470 bis 1472
Spanien; Madrid; Museo del Prado
Anbetung der Könige (Floreins-Altar)
Memling, Hans
1479
Belgien; Brügge; Sint-Janshospitaal (Memling-Museum)
Darbringung im Tempel
Memling, Hans
um 1470 bis 1472
Spanien; Madrid; Museo del Prado
Das Martyrium der hl. Ursula bei der Ankunft in Köln
Memling, Hans
vor 1489
Belgien; Brügge; Sint-Janshospitaal (Memling-Museum)
Die Sieben Freuden Mariens
Memling, Hans
1480
Deutschland; München; Alte Pinakothek
Johannes der Täufer (Donne-Altar)
Memling, Hans
um 1480
Vereinigtes Königreich; London; The National Gallery
Kreuzigung (Greverade-Altar)
Memling, Hans
1491
Deutschland; Lübeck; St. Annen-Museum
Thronende Madonna mit Kind
Memling, Hans
1479
Belgien; Brügge; Sint-Janshospitaal (Memling-Museum)
Literatur
Zitiervorschlag:
Krabichler, Elisabeth: Memling, Hans (Künstler), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/kuenstler/memling-hans/ (05.12.2025).