Roberti, Ercole de

Bildrechte
Weitere Namen:Ercole Grandi; Ercole de‘Roberti; Hercule de‘Roberti; Ercole da Ferrara; Ercole de Roberti; Ercole de‘Roberti; Ercole di Antonio de‘Roberti; Ercole di Giulio Cesare Grandi; Ercole di Antonio Roberti
Geburt: um 1456 in Ferrara
Tod: 1496 in Ferrara
Lexika: AKL | GND

Unsterblich selbstbewusst – eine verlorene Selbstinszenierung als festaiuolo

„Fece il medesimo, nella facciata che è dirimpetto a questa, il transito di Nostra Donna, la quale è dagli Apostoli circondata con attitudini bellissime; e fra essi sono sei persone ritratte di naturale tanto bene, che quelli che le conobbero affermano che elle sono vivissime. Ritrasse anco nella medesima opera sè medesimo e Domenico Garganelli, padrone della cappella“,1 so Vasari.

Zusammen mit den Meistern Francesco del Cossa und Cosimo Tura zählt Ercole de‘Roberti zu den bedeutendsten ferraresischen Künstlern des 15. Jahrhunderts.2 Das von Vasari als Selbstdarstellung thematisierte Bildnis Ercole de‘Robertis befand sich in einem Fresko zum Marientod in der Cappella Garganelli der Kathedrale San Pietro in Bologna, die der Maler in den Jahren von 1481 bis 1486 ausstattete.3 Porträts des heute verlorenen Werks – darunter auch die mögliche Selbstdarstellung – sind durch die Kopie eines unbekannten Malers, die sich in den Beständen des Musée du Louvre befindet, überliefert.4 Das nur aus zweiter Hand erhaltene Bildnis findet keinen Eingang in die Datenbank, wenngleich wesentliche Überlegungen zur Figur in Folge in aller Kürze dargestellt werden.5

Im französischen Gemälde treten am linken Bildrand zwei Männer in Erscheinung. Nach verbreiteter Meinung handelt es sich bei dem äußerst linken in rotem Gewand um den Stifter Garganelli (Vater Bartolomeo oder Sohn Domenico), bei dem dahinterstehenden Mann mit schwarzem Umhang um den Maler.6 Horký argumentiert jedoch überzeugend entgegen dieser Deutung, dass die Zuordnung der Figuren umgekehrt zu verstehen sei. Demnach zeige der äußerst linke Mann de‘Roberti, der sich im Original in der Rolle eines festaiolos inszeniert habe. Eine Grundlage für diese These findet Horký bei Vasari, der seiner Lebensbeschreibung des Malers ein Vitenbild voranstellt, das eine Spiegelung des Mannes am Bildrand des Pariser Gemäldes darstellt.7 Dieser wendet sich in raumgreifender Körperhaltung an die BetrachterIn und öffnet den Bildraum nach vorne. Von der sakralen Handlung differenziert, präsentiert er sich in selbstbewusster Pose mit in die Seite gestemmtem Arm, einem sogenannten Triumphellenbogen, und einem Siegelring am Finger. Habitus und Verankerung im Bildraum kennzeichnen die Figur als eine prominente Persönlichkeit – gerade dies, so Horký, habe in der Forschung Zweifel an der Selbstbildnis-Theorie geweckt, obwohl die Erzählfigur nur als eine Darstellung des Malers sinnvoll erklärbar sei. Der Ring, versehen mit einem als Imprese lesbaren Monogramm, weise auf den Künstler hin und fungiere als ein Zeichen „symbolischen Kapitals“8 für den Maler, der nach 1486 in den Diensten des Adelsgeschlechts der Este stand. Mit seiner vermutlichen Selbstdarstellung zeigt sich de’Roberti in den Entwicklungen der Zeit verankert: Als vom Geschehen differenzierter Beobachter ist die Figur etwa mit dem Porträt von Filippino Lippi im Marientod in Spoleto vergleichbar; in der Inszenierung einer Raumbühne nimmt Ercole de‘Roberti das Kompositionsschema von Signorelli in Orvieto vorweg; mit der herausragenden Pose ist das Porträt mit Ghirlandaios Selbstdarstellungen in Verbindung zu bringen, die den Triumphellenbogen als wiederkehrende Konstante aufweisen,9 ohne dabei Diskussionen um das decorum auszulösen. Eine Interpretation der Figur als Stifterdarstellung hingegen ist aufgrund der rhetorischen Interaktion des Mannes und der Präsentation des Rings ausgeschlossen. Gemäß ikonografischer Standards (und aufgrund der politischen Situation)10 hätte sich Garganelli nicht in derart exponierter Weise inszenieren dürfen.11 Die Annahme, beim Stifter könnte es sich um Domenico Garganelli handeln – was den Altersunterschied zwischen den Figuren plausibel erklären würde –, sowie die ähnliche Körperhaltung einer weiteren möglichen Selbstdarstellung des Malers in der Griffoni-Predella unterstreicht die Identifizierung des Mannes in Rot als Selbstbildnis.

Verweise

  1. Vasari (hg. von Milanesi 1878), 144f.↩︎

  2. Zu Ercole de‘Roberti vgl. u. a. Bargellesi 1934; Jaffé u. a. 1999; Manca 2003; Molteni 1995; Sgarbi/Danieli 2023; Shapley 1979, 406; Torella 1985/87.↩︎

  3. Aus der umfangreichen Literatur zur Garganelli-Kapelle vgl. u. a. Ciammitti 1985; Manca 1986; Mosso 2023; zur älteren Literatur zur Kapelle vgl. u. a. Ruhmer 1959, 58. Zum Selbstbildnis de‘Robertis umfassend vgl. Horký 2003, 137–140. Den Auftrag, so Vasari, bekam de‘Roberti auf Empfehlung von Costa (Cossa), die Qualität der Ausführung des Marientodes motivierte den Stifter, einen Bonus auszubezahlen: „[…] Garganelli, Patron der Kapelle, der wegen der Liebe, die er zu Ercole trug, und wegen des Lobes, welches dieser Arbeit [dem Marientod] gespendet wurde, dem Künstler zuletzt noch tausend bolognesische Lire schenkte.“ Vasari (hg. von Kliemann 1988), 125.↩︎

  4. Unbekannter Maler, Kopie nach zwei Bildnissen im Marientod von Ercole de‘ Roberti (ehemalig in Bologna, San Pietro, Cappella Garganelli), o. D., Paris, Musée du Louvre. Eine weitere Kopie des Freskos aus dem Jahr 1610, das sich im Bestand des John and Mable Ringling Museum of Art in Sarasota befindet, zeigt die Komposition der ehemaligen Hauptszene, den Tod Mariens.↩︎

  5. Dabei wird kein Anspruch auf Vollständigkeit der Forschungsmeinungen zum verlorenen Selbstbildnis gelegt.↩︎

  6. Die auf Vasaris Ausführungen beruhende Identifizierung des Stifterbildes ist umstritten. Schon früh wurde der Sohn Domenicos, Bartolomeo Garganelli, als Stifter favorisiert. Vgl. u. a. Filippini 1917, 54 (Anm. 3); Filippini 1933b, 13. Teils werden beide Porträts als Stifterbilder, als Bildnisse von Domenico und Bartolomeo gedeutet, vgl. Gigante 2010, 111. Zum Selbstbildnis de‘Robertis umfassend vgl. Horký 2003, 137–140, zum Forschungsstand zur Figur bes. 138f, 139 (Anm. 707). Zur Identifizierung des Mannes mit schwarzem Umhang als Ercole de‘Roberti vgl. u. a. Bargellesi 1934, o. S.; Filippini 1917; Filippini 1933a.↩︎

  7. Ercole Ferrarese Pittore, Holzschnitt in den Viten von Vasari, 1568. Zum Vitenbild bei Vasari vgl. Prinz 1966, 93–94. Zum Vitenbild als Basis der Selbstporträtidentifikationen Ercoles vgl. zudem u. a. Filippini 1917; Filippini 1933a; Manca 1992, 121. Zum Vitenbild des Nicola Pisano, das nach Prinz ebenfalls Ähnlichkeiten mit Ercole de‘Roberti aufweist, vgl. Prinz 1966, 49.↩︎

  8. Horký 2003, 140.↩︎

  9. Vgl. Ghirlandaio, Vertreibung von Joachim aus dem Tempel; Erweckung eines Knaben.↩︎

  10. Die Präsentation eines Siegelrings als ein Attribut aus der Herrscherikonografie durch den Stifter, wäre in der politischen Situation von Bologna, das von Bentivoglio regiert wurde, gefährlich gewesen. Vgl. Horký 2003, 139.↩︎

  11. Ebd., 138–140.↩︎

Zugehörige Objekte

Literatur

Bargellesi, Giacomo: Ercole da Ferrara, in: Rivista di Ferrara (Sonderdruck), 2. Jg. 1934, H. 9.
Ciammitti, Luisa: Ercole Roberti. La cappella Garganelli in San Pietro, in: Tre artisti nella Bologna dei Bentivoglio. Franceso del Cossa, Ercole Roberti, Noccolò dell'Arca, Bologna 1985, 117–224.
Filippini, Francesco: Ercole da Ferrara ed Ercole da Bologna, in: Bollettino d’arte del Ministero della Pubblica Istruzione, 11. Jg. 1917, 3/4, 49–63.
Filippini, Francesco: La predella di Ercole da Ferrara, in: L'Avvenire d'Italia 1933, H. 28.2.1933, 3.
Filippini, Francesco: Pittori ferraresi del Rinascimento a Bologna, in: Il Comune di Bologna 1933, 7–20.
Gigante, Elisabetta: Autoportraits en marge. Images de l'auteur dans la peinture de la Renaissance (Thèse de Doctorat, École des Hautes Études en Sciences Sociales), Paris 2010.
Horký, Mila: Der Künstler ist im Bild. Selbstdarstellungen in der italienischen Malerei des 14. und 15. Jahrhunderts, Berlin 2003.
Jaffé, David/Syson, Luke/Allen, Denise/Helvey, Jennifer: Ercole de' Roberti. The Renaissance in Ferrara, in: The Burlington Magazine, 141. Jg. 1999, H. 1153, i–xl.
Manca, Joseph: Ercole de' Roberti's Garganelli Chapel Frescoes: A Reconstruction and Analysis, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 49. Jg. 1986, H. 2, 147–164.
Manca, Joseph: Ercole de' Roberti. c. 1455/1456–1496, in: Boskovits, Miklós/Brown, David Alan (Hg.): Italian Paintings of the Fifteenth Century (Collections of the National Gallery of Art: Systematic catalogue), New York 2003, 601f.
Manca, Joseph: The Art of Ercole de’ Roberti, Cambridge 1992.
Molteni, Monica: Ercole de’ Roberti. Prefazione di Lionello Puppi, Mailand 1995.
Mosso, Valerio: La cappella Garganelli, in: Sgarbi, Vittorio/Danieli, Michele (Hg.): Rinascimento a Ferrara. Ercole de’ Roberti e Lorenzo Costa (Ausstellungskatalog, Ferrara, 18.2.–19.6.2023), Cinisello Balsamo 2023, 179–236.
Prinz, Wolfram: Vasaris Sammlung von Künstlerbildnissen. Mit einem kritischen Verzeichnis der 144 Vitenbildnisse in der zweiten Ausgabe der Lebensbeschreibungen von 1568, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 12. Jg. 1966, Beiheft, 1, 3–158.
Ruhmer, Eberhard: Francesco del Cossa. Mit vollständigem Werkverzeichnis, München 1959.
Sgarbi, Vittorio/Danieli, Michele (Hg.): Rinascimento a Ferrara. Ercole de’ Roberti e Lorenzo Costa (Ausstellungskatalog Palazzo dei Diamanti, Ferrara, 18.2.–19.6.2023), Cinisello Balsamo 2023.
Shapley, Fern Rusk: Catalogue of the Italian Paintings. 1 [Text], Washington 1979.
Torella, Fabrizio: L'ombra della mezzaluna sull'arte italiana. Il polittico Griffoni, in: Musei ferraresi, 15. Jg. 1985/87, 43–60.
Vasari, Giorgio: Le vite de' più eccellenti pittori, scultori ed architettori. Tomo III (Le opere di Giorgio Vasari, 3), hg. von Gaetano Milanesi, Florenz 1878.
Vasari, Giorgio: Leben der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Baumeister von Cimabue bis zum Jahre 1567, hg. von Julian Kliemann (2. Aufl.) 1988.

Zitiervorschlag:

Krabichler, Elisabeth: Roberti, Ercole de (Künstler), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/kuenstler/roberti-ercole-de/ (05.12.2025).