Signorelli, Luca

Bildrechte
Weitere Namen:Luca da Cortona; Luca di Egidio di Luca di Ventura Signorelli
Geburt: um 1450 in Cortona
Tod: 1523 in Cortona
Lexika: AKL | GND
Anmerkungen:Die Angaben zu Signorellis Geburtsjahr schwanken zwischen um 1439 und 1450, wobei letzteres plausibler scheint.

Das bekannteste und auch sicherste integrierte Selbstbildnis von Luca Signorelli1 befindet sich am Rand der Predigt und Taten des Antichrist in der Cappella Nova in Orvieto. Aller Wahrscheinlichkeit nach brachte der Maler sein Bildnis erst 1503 gegen Ende seines Aufenthalts in Orvieto an, womit das Beispiel streng genommen außerhalb des Betrachtungszeitraums dieses Forschungsprojekts liegt. Es wird dennoch behandelt, da Signorelli den Auftrag 1499 begann und nicht ausgeschlossen werden kann, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt ein Selbstbildnis plante.2 Signorelli führte in der Cappella Nova einen Auftrag fort, der bereits Mitte des 15. Jahrhunderts von Fra Angelico mit Benozzo Gozzoli als wichtigstem Mitarbeiter begonnen worden war. Insbesondere im Gewölbe dürfte sich Signorelli an von Fra Angelico ausgearbeitete Entwürfe gehalten haben, was von den Auftraggebern auch eingefordert wurde.3

Darüber hinaus wurden noch fünf weitere integrierte Selbstbildnisse vorgeschlagen, die Eingang in diese Datenbank finden: Signorelli soll sich in Testament und Tod des Moses in der Sixtinischen Kapelle, als fliegender oder blauer Dämon in Die Qualen der Verdammten in der Hölle ebenfalls in Orvieto sowie als Josef in der Beschneidung und in der Anbetung der Hirten in der Londoner National Gallery dargestellt haben. Cruttwell will außerdem ein Selbstbildnis Signorellis im Propheten links am Rand von Maria mit Kind, den Heiligen Donatus, Stephanus, Hieronymus, Nikolaus von Bari, den Propheten David, Ezechiel und Jesaja sowie Niccolò Gamurrini (1519–22, Öl auf Holz, Museo di Arte Medioevale e Moderna, Arezzo) erkennen.4 Der Vorschlag ist nicht plausibel und wird aufgrund der Datierung nach 1500 nicht weiter berücksichtigt.5

Weiters liegen drei Vorschläge für Selbstbildnisse Signorellis vor, die im Rahmen dieses Forschungsprojektes nicht gesondert analysiert werden, weil es sich um keine integrierten Selbstbildnisse (im engeren Sinn) handelt. Wiederholt diskutiert, jedoch inzwischen mehrheitlich abgelehnt wird die Ansicht, Signorelli habe sich in dem autonomen Männerbildnis in den Staatlichen Museen zu Berlin (um 1490, Tempera auf Holz) porträtiert.6 Dasselbe gilt für die Theorie, dass der Maler sich in der Sockelzone der Cappella Nova neben der Eingangstür dargestellt haben könnte.7 Die Figur, die teils als Empedokles8 oder als zeitgenössische Identifikationsfigur für den Betrachter bezeichnet wurde,9 fällt insofern aus der Reihe der Dichterbildnisse der Kapelle, als sie sich aus dem rahmenden Tondo wie aus einem Fenster lehnt und sich dreht, um die Fresken besser betrachten zu können. In den Grotesken oberhalb der Figur brachte Signorelli seine Initialen an;10 über den ursprünglichen oder geplanten Inhalt der tabula ansata am Scheitelpunkt des Torbogens in dieser Wand existieren verschiedene Theorien.11

Komplizierter ist der Fall der sogenannten tegola, eines Freskos auf einem Ziegel, datiert auf ca. 1504,12 das sich im Museo dell’Opera del Duomo in Orvieto befindet. Auf der Vorderseite sind die Büsten zweier Männer zu sehen, der Mann links ist mit „LVCA“ bezeichnet und wird meist als Kopie nach dem Selbstbildnis Signorellis im Bildfeld des Antichrist aufgefasst. Der zweite Mann ist im Profil wiedergegeben und trägt die Beschriftung „NICOLAVS“. Auf der Rückseite befindet sich eine ausführliche Inschrift.13 Nachdem der Ziegelstein auf einer Ausstellung 1953 als authentisches Werk Signorellis präsentiert wurde,14 entbrannte ein kunsthistorischer Streit um das Doppelbildnis, das Longhi für eine Fälschung des 19. Jahrhunderts hielt.15 Tatsächlich ist insbesondere die rückseitige Inschrift aufgrund einiger Ungereimtheiten problematisch, und da auch die jüngeren technischen Analysen offenbar kein eindeutiges Ergebnis bezüglich des Alters der beiden Malschichten brachten,16 ist die Forschung bis heute gespalten.17 Die zitierten AutorInnen gehen überwiegend davon aus, dass die tegola in jedem Fall nach dem Selbstbildnis Signorellis im Antichrist entstand – ob nun als eigen- oder fremdhändige Kopie. Burckhardt bezeichnet die Porträts jedoch als „Vorprobe“18 für das große Fresko – ein Denkansatz, der in der Forschung vielleicht zu Unrecht in Vergessenheit geriet.

Henry erwähnt außerdem ein zeitgenössisches integriertes Porträt Signorellis im Medium der Glasmalerei – Guillaume de Marcillat (um 1470–1529) soll den Maler in der Madonna della Misericordia (1516, Okulus der Kirche S. Maria della Grazie al Calcinaio, Cortona) dargestellt haben. Er sei im blonden Mann mit markantem Kinn und rotem Hemd rechts im Bild zu erkennen.19

Verweise

  1. Zum Geburtsjahr des Malers vgl. Henry 2012b, 17.↩︎

  2. Hier muss allerdings einschränkend ergänzt werden, dass Signorelli 1499 das Gewölbe freskierte, der Auftrag für die Wandflächen aber erst 1500 zustande kam (vgl. etwa McLellan 1998, 16–21).↩︎

  3. Ausführlich zur "Zusammenarbeit" der beiden Maler Gilbert 2003; Henry 2012a, 148; die von Henry hierzu zitierte Quelle kann auch online eingesehen werden: Cinti u. a.: Archivio dell'Opera del Duomo, Orvieto, Riformanze, 1484–1526, fol. 345r–v, hier: 345r, 5.4.1499: Luca Signorelli contract to paint the vault of the Cappella Nuova in Orvieto, eingesehen am 29.11.2021: http://archive.casanovaumbria.eu/doc/41/.↩︎

  4. Cruttwell 1899, 102f.↩︎

  5. Zum Werk vgl. etwa Henry 2002, 244f; Henry 2012b, 402 (FN 57).↩︎

  6. Siehe dazu etwa Henry 2012b, 88; Weppelmann 2011; Horký 2003, 171–173 ist aber im Gegensatz zum Tenor der jüngeren Forschungsgeschichte der Meinung, es handle sich um ein Selbstbildnis.↩︎

  7. Cavalcaselle/Crowe 1914, 101; in der korrespondierenden Figur auf der anderen Seite des Torbogens sehen die Autoren Niccola di Francesco, ihrer Ansicht nach Auftraggeber des Freskenzyklus.↩︎

  8. Luzi 1866; zit. n. San Juan 1989, 82.↩︎

  9. McLellan 1992, 327–330.↩︎

  10. Signorelli monogrammierte mit „L S“. Ein weiteres Monogramm „S C“ wurde ebenfalls in der Sockelzone oberhalb des Porträts von Dante gefunden, es dürfte auf einen anderen Maler verweisen. Nach jüngsten Erkenntnissen wurden die Grotesken nur zum Teil von Signorelli selbst ausgeführt, siehe Dacos 1996, 227.↩︎

  11. McLellan 1998, 37 schreibt, hier könnte möglicherweise einst Signorellis voller Name zu lesen gewesen sein; Roettgen 1997, 398 kann sich vorstellen, dass die Inschrift auf der Rückseite des Ziegel-Doppelbildnisses (s. u.) ursprünglich für diese Tafel konzipiert wurde.↩︎

  12. Mancini 2012a, 344.↩︎

  13. LVCAS SIGNORELLVS. NATIONE YTALVS. PATRIA CORTO / NE[N]SIS. ARTE PICTVRE EXIMIVS. MERITO APELLI CONPA / RA[N]DVS / SVB REGIMINE ET STIPENDIO NICOLAI FRANC[ESC]HI / EIVSDEM NATIONIS PATRIE VRBEVETANE. CAMERARII / FABRICE HVIVS BASYLICE. SACELLV[M] HOC VIRGINI DE / DICATV[M] IVDICII FINALIS ORDINE FIGVRANDV[M] P[ER]SPICVE PI / NSIT CVPIDVSQ[VE] IM[M]ORTALITATIS VTRIVSQ[VE] EFFIGIEM / A TERGO LITTERARV[M] HARVM NATVRALITER MIRA EFFINSIT / ARTE. ALEXANDRO VI. PON[TIFICE] MAX[IMO] SEDENTE ET / MAXIMILIANO. IIII [sic] INPERANTE. AN[N]O SALVTIS M. CCCCC. TER[T]IO KALENDAS JANVARIAS (Luca Signorelli, Italiener aus Cortona, ausgezeichnet in der Kunst der Malerei, der für seine Verdienste dem Apelles zu vergleichen wäre, bemalte diese der Jungfrau geweihte Kapelle dieser Basilika, welche mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts verziert werden sollte, unter der Leitung und Vergütung von Niccolò Franceschi, der gleichen Nation angehörig und Bürger von Orvieto, Kämmerer der Domhütte. Nach Unsterblichkeit verlangend, malte er das Bildnis auf die Rückseite dieses Textes nach der Natur und mit bemerkenswerter Kunst, während Alexander VI. als Papst herrschte und Maximilian IIII Kaiser war, im Jahr des Heils 1500 am 3. Januar (bzw. 1503 am 1. Januar).) – Transkription nach Henry 2002, 206; Roettgen 1997, 464. Übersetzung nach Roettgen, siehe ebd. zu problematischen Stellen (etwa der Datumsangabe oder der Ordnungszahl Kaiser Maximilians) der Inschrift.↩︎

  14. Moriondo 1953, 57.↩︎

  15. Longhi 1953; mit diesem Streit beschäftigt sich ausführlich Mancini 2012b.↩︎

  16. Aramini u. a. 2012, 46f.↩︎

  17. Für die Authentizität des Ziegels und damit für ein Selbstbildnis Signorellis sprechen sich u. a. aus: Horký 2003, 160–164; Mancini 2012a, 344f (mit ausführlichen Literaturangaben und Widerlegungen der Kritikpunkte an der rückseitigen Inschrift); Roettgen 1997, 389f. Gegenteiliger Meinung sind etwa Henry 2002, 260 mit ausführlichen Literaturangaben; Henry 2012b, 7, 328f (FN 116) mit Ergänzung jüngerer Literatur. Eine Mittelposition vertritt McLellan 1992, 252–257, der die Inschrift für eine spätere Zutat, das Selbstbildnis jedoch eher für authentisch hält.↩︎

  18. Burckhardt 1898, 176.↩︎

  19. Henry 2012b, 279, 397 (FN 151). Zum Glasfenster siehe auch Del Nunzio 2000, eingesehen am 1.12.2021.↩︎

Zugehörige Objekte

Literatur

Aramini, Fabio/Torre, Mauro/Conti, Lucia/Santopadre, Paola: Le indagini scientifiche sulla "tegola" orvietana svolte dall'Istituto Superiore per la Conservazione e il Restauro di Roma, in: Chirico, Fabio de/Garibaldi, Vittoria/Henry, Tom/Mancini, Francesco Federico (Hg.): Luca Signorelli. „de ingegno et spirto pelegrino“ (Ausstellungskatalog, Perugia; Orvieto; Città di Castello, 21.04.2012–26.08.2012), Mailand 2012, 46–48.
Burckhardt, Jacob: Beiträge zur Kunstgeschichte von Italien. Das Altarbild – Das Portrait in der Malerei – Die Sammler, Basel 1898.
Cavalcaselle, Giovanni Battista/Crowe, Joseph Archer: Umbria, Florence and Siena from the Second to the Sixteenth Century. Umbrian and Sienese Masters of the Fifteenth Century (A History of Painting in Italy, V), New York 1914.
Cinti, Margherita/Henry, Tom/Mazzalupi, Matteo/Ricci Vitiani, Valentina (Hg.): IRDS. Italian Renaissance Document Site, http://irds-project.org/.
Cruttwell, Maud: Luca Signorelli (The Great Masters in Painting and Sculpture), London 1899.
Dacos, Nicole: "Con ferrate e spiritelle", in: Testa, Giusi (Hg.): La Cappella Nova di San Brizio nel Domo di Orvieto, Mailand 1996, 223–231.
Del Nunzio, Marina: Chiesa S. Maria del Calcinaio 1. Madonna della Misericordia, in: BIVI - Banca Ipermediale delle Vetrate Italiane, 2000, http://web.icvbc.cnr.it/bivi/regioni/indice_per_regione.htm (01.12.2021).
Gilbert, Creighton E.: How Fra Angelico and Signorelli Saw the End of the World, University Park 2003.
Henry, Tom: Katalog, in: Kanter, Laurence B./Henry, Tom (Hg.): Luca Signorelli, München 2002, 159–261.
Henry, Tom: The Life and Art of Luca Signorelli, New Haven, Connecticut u. a. 2012.
Henry, Tom: „Gli gettò addosso il suo mantello“, in: Chirico, Fabio de/Garibaldi, Vittoria/Henry, Tom/Mancini, Francesco Federico (Hg.): Luca Signorelli. „de ingegno et spirto pelegrino“ (Ausstellungskatalog, Perugia; Orvieto; Città di Castello, 21.04.2012–26.08.2012), Mailand 2012, 143–149.
Horký, Mila: Der Künstler ist im Bild. Selbstdarstellungen in der italienischen Malerei des 14. und 15. Jahrhunderts, Berlin 2003.
Longhi, Roberto: Dubbi sun una 'tegola' (o su un 'mattone') alla Mostra di Signorelli, in: Paragone. Rivista di arte figurative e letteratura, 4. Jg. 1953, H. 45, 56–64.
Luzi, Lodovico: Il duomo di Orvieto, Florenz 1866.
Mancini, Francesco Federico: Luca Signorelli (attribuito). 106. Autoritratto di Luca Signorelli e ritratto di ser Niccolò di Angelo (Franchi) (recto), circa 1504, Orvieto, Museo dell'Opera del Duomo, in: Chirico, Fabio de/Garibaldi, Vittoria/Henry, Tom/Mancini, Francesco Federico (Hg.): Luca Signorelli. „de ingegno et spirto pelegrino“ (Ausstellungskatalog, Perugia; Orvieto; Città di Castello, 21.04.2012–26.08.2012), Mailand 2012, 344–345.
Mancini, Francesco Federico: Una tegola per la critica, in: Chirico, Fabio de/Garibaldi, Vittoria/Henry, Tom/Mancini, Francesco Federico (Hg.): Luca Signorelli. „de ingegno et spirto pelegrino“ (Ausstellungskatalog, Perugia; Orvieto; Città di Castello, 21.04.2012–26.08.2012), Mailand 2012, 39–45.
McLellan, Dugald Esler: Luca Signorelli's Last Judgement Fresco Cycle at Orvieto. An Interpretation of the Fears and Hopes of the Comune and People of Orvieto at a Time of Reckoning (Thesis submitted for the degree of Doctor of Philosophy, The University of Melbourne), Melbourne 1992.
McLellan, Dugald Esler: Signorelli's Orvieto Frescoes. A Guide to the Cappella Nuova of Orvieto Cathedral, Perugia 1998.
Moriondo, Margherita: Autoritratto e ritratto di Niccolò Franceschi. [Kat. 29], in: Moriondo, Margherita (Hg.): Mostra di Luca Signorelli. Catalogo (Ausstellungskatalog, Cortona; Florenz, Mai–August; September–Oktober), Florenz (3. Aufl.) 1953, 57.
Roettgen, Steffi: Wandmalerei der Frührenaissance in Italien. Band 2. Die Blütezeit 1470–1510, München 1997.
San Juan, Rose Marie: The Illustrious Poets in Signorelli's Frescoes for the Cappella Nuova of Orvieto Cathedral, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 52. Jg. 1989, 71.
Weppelmann, Stefan: Luca Signorelli: Portrait eines älteren Mannes (Pandolfo Petrucci?), um 1510. Kat. 37, in: Christiansen, Keith/Weppelmann, Stefan (Hg.): Gesichter der Renaissance. Meisterwerke italienischer Portrait-Kunst (Ausstellungskatalog, Berlin, 25.08.2011–18.03.2011), München 2011, 14–148.

Zitiervorschlag:

Gstir, Verena: Signorelli, Luca (Künstler), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/kuenstler/signorelli-luca/ (05.12.2025).