Vinci, Leonardo da
Bildrechte
| Weitere Namen: | Leonardo de Vinci; Léonard de Vinci; Léonard; Leonardus Vicius; Lionardo da Vinci; Lionardo; Leonardo; Leonhard von Vinci; Lionardo de Vinci; Leonardo da Vinči; Reonarŭdo ta-Pinch'i-ŭi; Leonarnto sta Bintsi; Leonardo da Vinchi; Leonard'o da Vinchi; Leonardo da Vinči; Leonardo DaVinči |
| Geburt: | 1452 in Anchiano bei Vinci |
| Tod: | 1519 in Amboise, Schloss Cloux (heute Clos-Lucé) |
| Lexika: | AKL | GND |
Leonardo da Vinci – ein Universalgenie ohne nachweisbares integriertes Selbstbildnis im 15. Jahrhundert
Die Vita von Leonardo da Vinci – Künstler (Maler, Bildhauer), Theoretiker, Forscher und Ingenieur – ist sowohl durch die Beschreibungen Giorgio Vasaris1 als auch durch weitere Quellen überliefert. Seine Skizzen, Studienblätter und schriftlichen Aufzeichnungen zeichnen das Bild eines uomo universale, eines in zahlreichen Disziplinen brillanten universellen Humanisten.2
Obwohl Leonardo ein umfassendes Werk hinterlassen hat – darunter ein bekanntes, jedoch umstrittenes autonomes Selbstporträt3 – und obwohl Porträts da Vincis aus fremder Hand vorliegen, wie etwa die Darstellung Platons in Raffaels Schule von Athen,4 die Leonardo verkörpern soll,5 existieren keine verifizierbaren integrierten Selbstdarstellungen des Meisters aus dem 15. Jahrhundert. Eine vereinzelt vertretene These besagt jedoch, dass sich Leonardo am rechten Rand seines unvollendet gebliebenen Gemäldes Anbetung der Könige6 selbst dargestellt haben könnte.7 Dieses Werk, das häufig mit Sandro Botticellis Del-Lama-Anbetung in Verbindung gebracht wird, in der sich ebenfalls ein bekanntes aber umstrittenes Selbstporträt befindet,8 zeichnet sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Gesten aus. Diese Vielfalt steht in engem Zusammenhang mit Leonardos Überlegungen zur Malerei. In seinen schriftlichen Aufzeichnungen widmet sich Leonardo wiederholt der Körpersprache in der Kunst, insbesondere dem Ausdruckspotenzial von Gesten. Er schreibt: „Ein guter Maler hat zwei Hauptsachen zu malen, nämlich den Menschen und die Absicht seiner Seele. Das Erstere ist leicht, das Zweite schwer, denn es muss durch die Gesten und Bewegungen der Gliedmaßen ausgedrückt werden.“9 Dies verdeutlicht Leonardos tiefes Interesse an der Darstellung innerer Zustände durch äußere Bewegungen.
Da Vinci nimmt auch Bezug auf das toskanische Sprichwort Ogni pittore dipinge sé („Jeder Maler malt sich selbst“), das ein Gemälde als selbstreflexives Produkt des Künstlers begreift, in dem sich der Schöpfer immateriell spiegelt. Dies schließt die Möglichkeit ein, dass Figuren in Gemälden an den Maler selbst erinnern können.10 Die Wiederholung gleicher Gesichtern bzw. die Tendenz der Maler, Bildfiguren an ihr eigenes Aussehen anzupassen, kritisiert Leonardo allerdings als künstlerischen Fehler.11 Konkrete Hinweise auf Selbstdarstellungen finden sich in den umfangreichen Schriften hingegen nicht.
Die These eines mutmaßlichen Selbstporträts in der Anbetung der Könige bleibt dennoch reizvoll: Die isolierte Position der Figur am Bildrand entspricht einer etablierten Platzierung für Selbstdarstellungen. Durch ihre Gebärden lenkt sie die Betrachtenden zur Kontemplation, indem sie auf die Handlung verweist. Der stark verinnerlichte Blick der Figur unterstützt zudem das bewährte Prinzip, Selbstdarstellungen vom übrigen Geschehen abzuheben. Gleichzeitig richtet sich der Blick in den Raum der Betrachtenden, ohne jedoch direkten Kontakt mit dem Publikum aufzunehmen, was die Argumentation für eine mögliche Selbstdarstellung in Frage stellen könnte.
Angesichts des unvollendeten Zustands des Gemäldes wird die Hypothese einer Selbstdarstellung in der Randfigur derzeit nicht weiterverfolgt.
Verweise
Vasari (hg. von Kanz 2019).↩︎
Zu Leben und Werk von Leonardo da Vinci vgl. u. a. Zöllner 2021 mit weiterführenden Quellen- und Literaturangaben; zu Leben und Werk in Abgleich mit Quellen, Zeugnissen und Selbstzeugnissen Schneider 2002; Schneider 2019; zu da Vincis schriftlichem Nachlass vgl. u. a. Da Vinci (hg. von Ludwig 1882a); Da Vinci (hg. von Ludwig 1882b); Da Vinci (hg. von Ludwig 1882c); zu einer frühen Sammlung von Quellen vgl. u. a. Beltrami 1919.↩︎
Vgl. u. a. eine umstrittene Rötelzeichnung von Leonardo da Vinci, die zumeist als Selbstporträt geführt wird: Leonardo da Vinci, Selbstporträt (vermutlich), um 1512, Turin, Biblioteca Reale. Vgl. u. a. Nicholl 2019, 569f.↩︎
Raffael, Schule von Athen, 1510/11, Rom, Musei Vaticani, Stanzen.↩︎
Zu den Rollenporträts in der Schule von Athen vgl. u. a. Bussagli 1999, 452–458.↩︎
Leonardo da Vinci, Anbetung der Könige, 1480–1482, Florenz, Galleria degli Uffizi.↩︎
Zur möglichen Selbstdarstellung des Malers vgl. u. a. Berti 1988, 8; Nicholl 2019, bes. 228–231; Wiemers 1996, 321.↩︎
Zu Überlegungen zu Botticelli im Zusammenhang mit da Vincis Anbetung der Könige vgl. u. a. Dombrowski 2010, 109; Hatfield 1976, 113 und weiterführend den Katalogeintrag zur Del-Lama-Anbetung.↩︎
Da Vinci (hg. von Ludwig 1882a), 217, Das Buch von der Malerei, 2. Theil, 180. Zum Gebärdenspiel bei da Vinci vgl. u. a. Chastel 1986, 19–21. Vgl. weiterführend Krabichler 2024, 118.↩︎
Zu Automimesis bzw. zum Sprichwort „Jeder Maler malt sich selbst“ vgl. weiterführend u. a. Kemp 1976; Krabichler 2024, bes. 87f; Land 2001; Woodall 2005; Zöllner 1992. Zu Automimesis und Selbstreferenz vor dem Hintergrund italienischer Renaissanceliteratur vgl. Lampe 2016; Lampe 2022.↩︎
„Es ist ein sehr grosser Fehler an den Malern, wenn sie die nämlichen Bewegungen, Gesichter und Gewandzüge in einer und derselben Historie wiederholen und den grössten Theil der Gesichter so machen, dass sie ihrem Meister selbst ähnlich sind.“ Da Vinci (hg. von Ludwig 1882a), 159, Das Buch von der Malerei, 2. Theil, 108. Zu Analysen zeitgenössischer Quellen zu selbstbildnerischen Tendenzen der Maler mit Fokus auf Leonardo da Vincis Traktat der Malerei vgl. u. a. Hartlaub 1958, 86–95.↩︎
Literatur
Zitiervorschlag:
Krabichler, Elisabeth: Vinci, Leonardo da (Künstler), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/kuenstler/vinci-leonardo-da/ (05.12.2025).