Die Brancacci-Kapelle und die darin vermuteten Selbstbildnisse

Bildrechte

Die Brancacci-Kapelle in der Kirche Santa Maria del Carmine in Florenz wurde in zwei Etappen von Masolino und Masaccio (um 1423 bis 1428) und Filippino Lippi (um 1481 bis 1485) ausgemalt. Die ersten beiden Maler hinterließen ihr Werk unvollendet. Filippino dürfte einen Teil der Bilder gänzlich neu geschaffen haben (etwa Petrus und Paulus vor Nero im Disput mit Simon Magus und Kreuzigung Petri), andere ergänzte er (etwa Auferweckung des Theophilus-Sohnes und Petrus in Cathedra) als „einfühlsamer Vollender“1 wie die jüngere Forschung im Gegensatz zur älteren urteilt. Bis heute erhalten sind nur die Fresken des mittleren und unteren Registers, da Gewölbe und Lünetten in den 1470er Jahren zerstört wurden. Das Programm umfasst Szenen aus dem Leben des hl. Petrus sowie Darstellungen des Sündenfalls und der Vertreibung aus dem Paradies. Obwohl das Arbeitsverhältnis zwischen Masolino und Masaccio nicht vollends geklärt ist, ist die Händescheidung bis auf wenige Details unumstritten.2

Als die Kirche 1771 brannte, wurde die Kapelle weitgehend verschont, allerdings zog der Rauch die Fresken in Mitleidenschaft.3 Die jüngste umfassende Restaurierung der Fresken fand in den 1980er Jahren statt und ist in mehreren Publikationen dokumentiert.4

Die Fresken der drei Maler gelten in mehrerlei Hinsicht als kunstgeschichtlich bedeutend – Masaccios Zinsgroschen wird beispielsweise als Beginn der Historienmalerei gewertet,5 und auch in Bezug auf Assistenzbildnisse sehen manche Autor*innen die Brancacci-Kapelle als eine Art Brutstätte für künftige Entwicklungen an.6 Bereits Vasari beschreibt, wie die Künstler nachfolgender Generationen die Kapelle wie eine Schule besuchten und Kopien nach den Fresken anfertigten.7 Vasari ist es auch, auf den einige der heute noch kursierenden (Selbst-)Bildnis-Identifikationen zurückgehen, die sich nur zum Teil als haltbar erwiesen haben. In dieser Datenbank sind Einträge zu den folgenden sieben vermuteten Selbstbildnissen angelegt: Masolino in Die Heilung des Gelähmten und die Auferweckung der Tabitha, Masaccio im Zinsgroschen, in der Schattenheilung, in der Auferweckung des Theophilus-Sohnes und Petrus in Cathedra und in Petrus und Paulus vor Nero im Disput mit Simon Magus und Kreuzigung Petri sowie zwei Vorschläge für Filppino ebenfalls im zuletzt genannten Bildfeld. Darüber hinaus wird angenommen, dass zahlreiche Künstler in den Fresken porträtiert wurden, etwa könnte Masaccio seinen Kollegen Masolino mehrmals dargestellt (Schattenheilung, Auferweckung und Kathedra, Tod des Hananias) oder auch seinen Bruder Lo Scheggia in die Schattenheilung eingefügt haben. Filippino wiederum könnte Antonio del Pollaiuolo mit roter Kopfbedeckung hinter dem ausgestreckten Arm Neros beim Disput und Sandro Botticelli als Profilfigur bei der Kreuzigung porträtiert haben. Diese Bildnisse werden bei den entsprechenden Katalogeinträgen bzw. in den Vorbemerkungen zu den Künstlern kurz behandelt. Die zahlreichen weiteren vorgeschlagenen Bildnisse zu besprechen, die sich insbesondere im unteren Register der Brancacci-Kapelle häufen,8 würde den Rahmen dieses Textes und der Katalogeinträge sprengen.

Die Fresken der Brancacci-Kapelle müssen in Zusammenhang mit der Sagra, einem kurz zuvor von Masaccio ebenfalls für Santa Maria del Carmine gemalten Fresko, gesehen werden, in dem wie in der Kapelle zahlreiche Bildnisse, Künstlerbildnisse sowie ein Selbstbildnis Masaccios gemeinsam mit Masolino vermutet werden.

Verweise

  1. Roettgen 1996, 97.↩︎

  2. Ebd., 96f.↩︎

  3. Joannides 1993, 316.↩︎

  4. Baldini/Casazza 1994 (italienische Erstausgabe 1990); o. Hg. 1992.↩︎

  5. Spike 1996, 106.↩︎

  6. Etwa Schmid 2002, 75.↩︎

  7. Vasari/Lorini/Posselt 2011, 41–43.↩︎

  8. In diesem Sinne etwa Roettgen 1996, 94.↩︎

Zugehörige Objekte

Literatur

Baldini, Umberto/Casazza, Ornella: Die Brancacci-Kapelle. Fresken von Masaccio, Masolino, Filippino Lippi in Florenz, München 1994.
Joannides, Paul: Masaccio and Masolino. A Complete Catalogue, London 1993.
Roettgen, Steffi: Wandmalerei der Frührenaissance in Italien. Band 1. Anfänge und Entfaltung 1400–1470, München 1996.
Schmid, J.: Et pro remedio animae et pro memoria. Bürgerliche repraesentatio in der Cappella Tornabuoni in S. Maria Novella (Italienische Forschungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz: I Mandorli, 2), München u. a. 2002.
Spike, John Thomas: Masaccio, New York, NY 1996.
Vasari, Giorgio/Lorini, Victoria/Posselt, Christina (1568): Das Leben des Malers Masaccio aus San Giovanni di Valdarno. Vita di Masaccio da S. Giovanni di Valdarno. Pittore (1568), in: Posselt, Christina (Hg.): Das Leben des Masolino, des Masaccio, des Gentile da Fabriano und des Pisanello (Edition Giorgio Vasari, 33), Berlin 2011, 22–47, 81–100.
o. Hg. (Hg.): La Cappella Brancacci. La scienza per Masaccio, Masolino e Filippino Lippi (Quaderni del restauro, 10), Mailand 1992.

Zitiervorschlag:

Gstir, Verena: Die Brancacci-Kapelle und die darin vermuteten Selbstbildnisse, in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/ue-objekt/die-brancacci-kapelle-und-die-darin-vermuteten-selbstbildnisse/ (05.12.2025).