Appartamenti Borgia (Pintoricchio)
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Der Auftrag Papst Alexanders VI. zur malerischen Ausstattung und Stuckierung seiner privaten Gemächer im Papstpalast im Herbst 1494 zählt zu Pintoricchios prestigeträchtigsten. Innerhalb von zwei Jahren gestaltete der Meister mit seiner Werkstatt einen repräsentativen Saal (Sala dei Pontefici, Ausstattung 1500 verloren), drei große Säle (Sala dei Misteri, Sala dei Santi, Sala delle Arti Liberali), zwei weitere Säle im Torre Borgia (Sala delle Sibille, Sala del Credo) sowie zwei private Räume (Schlafraum, Ankleidezimmer), von denen nur reich verzierte Holzdecken mit heraldischen Stuckaturen erhalten sind. Heute sind die Räume Teil der Vatikanischen Museen.1
Komplexe Ikonografien zur Verherrlichung des christlichen Glaubens und des Auftraggebers,2 zahlreiche Porträts, die zumeist nicht identifiziert sind, und eine aufsehenerregende formale Gestaltung verleihen den Räumen eine herausragende Stellung innerhalb der malerischen Dekorationsprogramme des 15. Jahrhunderts in Italien. Unter den Porträts befindet sich eine mutmaßliche Selbstdarstellung im Disput der hl. Katharina, Sala dei Santi und eine undefinierbare, auf ein (Selbst)Porträt (?) weisende Spiegelung in der Auferstehung Christi, Sala dei Misteri. Darüber hinaus hinterließ Pintoricchio auch seine Signatur in den Prunkräumen. Diese befindet sich in der Sala delle Arti Liberali, an der Basis des Throns der Rhetorik.3
Die Fresken sind mit Reliefstrukturen in vergoldetem Stuck aufgewertet und mit verschiedenen Materialien (Glas, Schnur, Wachs, Gold, Edelsteine, Pergament)4 ergänzt; stellenweise malte der Meister auf Holztafeln.5 Vasari beschreibt die Vorgehensweise des Malers folgendermaßen: „Bernardino pflegte seine Malereien als Zugeständnisse an jene Leute, die nur wenig Kunstverstand besaßen, mit plastischen und vergoldeten Verzierungen zu versehen, auf daß sie mehr Glanz haben und stärker ins Auge fallen würden, was in der Malerei eine ausgesprochen plumpe Vorgehensweise ist.“6 Diesem kritischen Urteil Vasaris, der sowohl Pintoricchio als auch seinem Werk insgesamt wenig Enthusiasmus entgegenbrachte, steht der große Erfolg des Auftrags entgegen, der sich maßgeblich auf die Karriere des Malers auswirkte. Unter Alexanders Wohlwollen war Pintoricchio an zwei Projekten der römischen Kurie beteiligt: In den Räumen des Papstes und in der Loggia des Chastels Sant’Angelo – beides Höhepunkte seiner Tätigkeit in Rom und Ausdruck seiner hohen Stellung im päpstlichen Umfeld.7 In der aktuellen Forschungsliteratur werden die angewandten Techniken als einzigartig innerhalb des Oeuvres von Pintoricchio gewürdigt. Sie gelten als innovatives Dekorationskonzept, das sich an Objekten wie antiken Sarkophagen und Prunkräumen der römischen Antike, insbesondere an Neros Palast Domus Aurea, orientiert.8 Die außergewöhnliche Prachtentfaltung sowie der Ehrgeiz von Auftraggeber und Maler ließen die Räume in neuartigem Glanz erstrahlen.9 Der Stil sollte sich auf nachfolgende Künstlergenerationen auswirken10 – so schuf Pintoricchio etwa die Voraussetzungen für Raffaels Decke in der Stanza della Segnatura (1508–1511) unter dem Nachfolgepapst Julius II.11
Verweise
Aus der umfangreichen Literatur zum Appartamento Borgia vgl. u. a. Acidini Luchinat 1999, 28–40; Buranelli 2008a; Buranelli 2008b; La Malfa 2007; La Malfa 2009b, 111–142; La Malfa 2017; Parks 1979; Poeschel 1989; Poeschel 1992a; Poeschel 1992b; Poeschel 1999; Saxl, 85–104; Scarpellini 2004, 160–191; Silvestrelli 2004.↩︎
Grundlegend zur Ikonografie des Appartments Saxl 1945, vgl. Saxl, 85–104. Eine Zusammenschau der wichtigsten, von der Forschung hervorgehobenen Aspekte erarbeitete Silvestrelli 2004, 116–127. Weiterführend vgl. u. a. La Malfa 2009b, 111–142. Vgl. zudem den Katalogbeitrag zum Disput der Heiligen Katharina.↩︎
Acidini Luchinat 1999, 31. Zur Abbildung der Signatur (Pentorichio) vgl. Ehrle/Stevenson 1897, 71.↩︎
La Malfa 2017, 80.↩︎
La Malfa 2009a.↩︎
Vasari/Hiller von Gaertringen/Lorini 2011, 67.↩︎
Pintoricchio stand von 1493 bis 1498 in den Diensten des Borgia-Papstes. 1495 wurde der Maler von Alexander VI. mit Pachtvereinbarungen für zwei Landgüter belohnt. Zu weiteren wesentlichen Stationen in der Vita Peruginos vgl. u. a. ebd., 183–185, bes. 183. Zum Ansehen des Malers beim Papst vgl. u. a. La Malfa 2009b, 119.↩︎
Zu Pintoricchios stilistischen Neuerungen vgl. u. a. La Malfa 2009b, 128; La Malfa 2017, bes. 81; Poeschel 1989, 139f. Zur Bedeutung antiker Stuckarbeiten prinzipiell und Pintoricchios Rolle und Stellenwert im Zuge des von ihm entwickelten hyperdekorativen Stils vgl. u. a. La Malfa 2009b, bes. 130–138.↩︎
La Malfa 2009b, 119.↩︎
La Malfa 2017, 64.↩︎
Ebd., 81.↩︎
Zugehörige Objekte
Literatur
Zitiervorschlag:
Krabichler, Elisabeth: Appartamenti Borgia (Pintoricchio), in: Metapictor, http://explore-research.uibk.ac.at/arts/metapictor/ue-objekt/appartamenti-borgia-pintoricchio/ (05.12.2025).